Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 106|
Heft 36|
4. September 2009 A 1695RANDNOTIZ
Thomas Gerst
Manchmal kommt es gleich knüp- peldick. Erst erhalten die Kassenärz- te einen Honorarzuschlag von rund vier Milliarden Euro. Dann sollen sie in den Jahren 2002 bis 2007 auch noch höhere Einkommenszuwächse gehabt haben als der Durchschnitts- arbeitnehmer. Als wäre das nicht schon genug der üblen Nachrede – nun geistern auch noch Meldungen durch die Presse, es gehe bei den Ärzten die moralische Urteilsfähig- keit im Verlauf des Medizinstudiums zurück. Das jedenfalls will die Psy-
chologin Marcia Schillinger von der Pädagogischen Hochschule Wein- garten bei einer Untersuchung unter 1 149 Studierenden herausgefunden haben. Der Grund: Im Medizinstudi- um fehle es an Gelegenheiten, Ver- antwortung zu übernehmen, zu viel Pauken mindere die moralische Ur- teilsfähigkeit.
Anders sieht es dagegen mit der Moral im Strafvollzug aus. Eine zwei- jährige Studie im Gefängnis Moabit kommt zu dem Ergebnis, dass sich dort die moralische Urteilsfähigkeit nach mehreren Trainingseinheiten – sprich Diskussionsrunden zu morali- schen Fragen – verbessert habe. In- tensives moralisches Training zahlte sich dort aus. Diese Erkenntnis führ- te wohl auch an der Universität Ulm zu dem Angebot für Medizinstudie- rende, über die Methode der Dilem- madiskussion die eigene medizin - ethische Urteils- und Diskursfähig- keit zu stärken.
Davon profitieren allerdings nur die angehenden Ärzte. Warum macht man sich nicht in der ärztli- chen Fortbildung den Erkenntnisvor- sprung der Moabiter Häftlinge in Sa- chen Ethik zunutze? Jeden Mittwoch nachmittag zum moderierten Quali- tätszirkel hinter Gittern. Einige Fort- bildungspunkte von der Ärztekam- mer werden dafür wohl drin sein.
Für die Moral hinter Gittern
Vertreter des Gemeinsamen Bun- desausschusses (G-BA) und des Göttinger AQUA-Instituts für ange- wandte Qualitätsförderung und For- schung im Gesundheitswesen ha- ben am 28. August einen Vertrag über die Entwicklung von Verfah- ren zur Messung und Darstellung in der sektorenübergreifenden Quali- tätssicherung unterzeichnet. Durch definierte Qualitätskriterien soll so künftig die Behandlungsqualität im ambulanten und stationären Bereich gesichert werden.
„Die heutige Vertragsunterzeich- nung ist ein Meilenstein auf dem Weg zur sektorenübergreifenden Qualitätssicherung“, betonte der G-BA-Vorsitzende, Rainer Hess.
Nach dem langwierigen Rechtsstreit, der der Auftragsvergabe gefolgt war, appellierte Hess an alle Beteiligten, das AQUA-Institut bei seiner Aufga- QUALITÄTSSICHERUNG
Neues Institut am Zug
be bestmöglich zu unterstützen. Die Kritik der Bundesärztekammer und der Deutschen Krankenhausgesell- schaft an der Vergabeentscheidung wies der G-BA-Chef zurück. Das AQUA-Institut unter Leitung von Prof. Dr. med. Joachim Szecsenyi habe in der Ausschreibung das ein- deutig bessere Konzept vorgelegt;
die Bundesgeschäftsstelle Qualitäts- sicherung (BQS) sei in ihrem Ansatz zu sehr auf den stationären Bereich zentriert geblieben. Hess verwahrte sich gegenüber dem Deutschen Ärz- teblatt gegen den Vorwurf der po - litischen Einflussnahme. „Als Vor- sitzender des Vergabeausschusses garantiere ich, dass dies eine rein fachliche Entscheidung war.“
Das AQUA-Institut übernimmt zu Jahresbeginn auch die bisher von der BQS durchgeführte externe sta- tionäre Qualitätssicherung. TG
Die elektronische Gesundheitskarte hat nach Angaben der Betriebsge- sellschaft Gematik ihren Test zur Online-Fähigkeit bestanden. Betei- ligt waren Ärzte in den Testregionen Bayern, Sachsen, Schleswig-Hol- stein und Nordrhein-Westfalen. Da-
bei sei die Online-Fähigkeit von Karten der neuesten Generation über die gesamte Wegstrecke vom niedergelassenen Arzt über die Tele- matikinfrastruktur bis zu den Fach- diensten in den Rechenzentren der gesetzlichen Krankenkassen nach- gewiesen worden. Getestet wurden die Online-Prüfung und Aktualisie- rung der Versichertendaten.
GESUNDHEITSKARTE
Online-Test erfolgreich
Die Tests wurden im Rahmen des vom Bundesgesundheitsministeri- um geförderten Forschungs- und Entwicklungsprojekts „ProOnline- VSDD“ durchgeführt, an dem ne- ben allen großen gesetzlichen Kran- kenkassen auch die Gematik, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Deutsche Krankenhausge- sellschaft teilgenommen haben.
Die „Zweite Verordnung zur Än- derung der Verordnung über Test- maßnahmen für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte“
ist im Bundesgesetzblatt (Nr. 54, 19. August 2009) veröffentlicht worden. Sie ergänzt die erste Ver- ordnung aus dem Jahr 2006 um weitere Regelungen, unter anderem zur effektiveren Projektorganisati- on. Ein Projektausschuss der Ge- matik soll künftig über operative Maßnahmen in den Testregionen nach dem Einstimmigkeitsprinzip
entscheiden. KBr
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Die Verordnung im Internet:www.aerzteblatt.de/091695a Bei den Tests
zur Online- Fähigkeit der Gesundheitskar-
te wurden mehr als 1 000 Karten eingesetzt und 4 000 Testfälle online durchgeführt.
Foto: dpa