AMBULANTE KODIERRICHTLINIEN
Kleine Lösung denkbar
Um die Akzeptanz der Kodierrichtlinien zu verbessern, ist eine Stichprobenlösung im Gespräch.
Skeptiker meinen, dass sie nicht kommen werde.
D
er Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags hat sich im Rahmen einer Anhörung am 10. Mai mit den Ambulanten Ko- dierrichtlinien (AKR) befasst. Die Abgeordneten befragten den baden- württembergischen Allgemeinarzt und Diplom-Psychologen Dr. med.Tobias Neuhauser, der fordert, die AKR in der jetzigen Form zu stoppen. Neuhausers Petition gegen die Einführung der Kodierrichtlini- en in allen Praxen von Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten hatten circa 250 000 Unterstützer unterzeichnet; sie ist die zweit - erfolgreichste in der Geschichte des Ausschusses. Wenn sich inner- halb von drei Wochen mindestens 50 000 Menschen einer Petition an- schließen, findet eine öffentliche Anhörung statt (siehe auch DÄ, Heft 8 und Heft 15/2011).
Zu viele Fehler sind möglich Neuhauser kritisierte, dass die AKR entgegen anderslautender Behaup- tungen nicht dazu beitragen wür- den, die Krankheitslast der Versi- cherten wie gewünscht abzubilden.
So habe sich im Rahmen einer Stu- die gezeigt, dass mehrere Ärzte bei gleichem Informationsstand unter- schiedlich kodierten, so dass statt fünf Kodierstellen nur zwei über- einstimmten. Er bemängelte zudem den erheblichen zusätzlichen büro- kratischen Aufwand für Ärztinnen und Ärzte von mehr als einer Stun- de pro Tag. Darüber hinaus kommt es nach Neuhausers Darstellung in- direkt zu einer Kontrolle zahlrei- cher hausärztlichen Diagnoseent - scheidungen, weil die Abrechnung der erbrachten Leistungen daran ge- knüpft wird, dass ein Facharzt die Diagnose überprüft.
Der Staatssekretär im Bundesge- sundheitsministerium, Stefan Kap-
ferer, verteidigte die geplanten Ko- dierrichtlinien. Sie sind nach seinen Worten grundsätzlich wichtig, um die Morbiditätsmessung in den Regionen zu verbessern und die gewünschte qualitätsorientierte Ver - gütung umsetzen zu können. Man berate aber derzeit, wie eine Über- bürokratie verhindert werden kön- ne. Denkbar sei beispielsweise, dass nur eine kleine Gruppe reprä- sentativer Arztpraxen kodiere.
Diese Überlegungen bestätigte der Vorstandsvorsitzende der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, Dr. med. Andreas Köhler. Man sei
„dabei, den Beschluss unserer Ver- treterversammlung umzusetzen, die Einführung auf einen repräsentati- ven Querschnitt von Arztpraxen zu begrenzen. Das würde bedeuten, dass nicht alle Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten die AKR verpflichtend anwenden müssen.
Mehrere Lösungsoptionen gibt es dazu, die wir mit unserer Vertreter- versammlung diskutieren“. Köhler ergänzte, er könne den Unmut von Kollegen wie Neuhauser verstehen.
Man wolle deshalb die Einfüh- rungsphase der AKR bis zum 1. Ja- nuar 2012 verlängern und die Zeit nutzen, deren Anwendung wie be- schrieben zu vereinfachen. Darüber werde gerade mit den Krankenkas- sen verhandelt.
Aus Kreisen der Hausärzte ist al- lerdings zu hören, dass mancher ei- ner solchen Lösung nur geringe Chancen einräumt. Das Argument:
Um repräsentative Angaben zur Morbidität der Bevölkerung zu er- halten, müsse man eher eine Patien- ten- als eine Praxenstichprobe aus- wählen. Bei Patienten, die mehr als ein Arzt behandele, würden sonst die Erkrankungen wahrscheinlich nur unvollständig kodiert. ■
Sabine Rieser
A 1102 Deutsches Ärzteblatt