MEDIZI
Geburt durch intensivmedizinische Maßnahmen für eine gewisse Zeit am Leben erhält, um zu verhindern, daß die zur Entnahme bestimmten Organe während der Zeitdauer der Todesfeststellung für Transplantati- onszwecke unbrauchbar werden (14).
Denn die Intensivbehandlung zu dem ausschließlichen Zweck der Organer- haltung im Interesse des Organemp- fängers hat keinen therapeutischen Nutzen für den Spender, ist also aus der Sicht des Anenzephalus nicht in- diziert.
Dasselbe gilt für Eingriffe, die vor der Hirntoddiagnose vorgenom- men werden, um den Todeszeitpunkt möglichst früh festzustellen und möglichst frische Organe des Anen- zephalus für die Transplantation zu erlangen.
II. Konsens
Kein Zweifel: Die Fortschritte der modernen Transplantationsme- dizin haben einen wachsenden Be- darf an Organen geschaffen. Dieser Druck darf jedoch nicht dazu führen, den Begriff des Lebens beziehungs- weise Todes eines Menschen aus Zweckmäßigkeitserwägungen und al- truistischen Motiven für bestimmte Fälle um- und neu zu definieren. Mit Recht hat deshalb Zenker betont, ge- rade „auf dem Feld der Organtrans- plantation" müsse „unsere Achtung nicht allein dem Empfänger, dem le- benden Kranken, sondern auch dem Spender, dem Gebenden, sei er ein Lebender oder ein Toter, gelten"
(15). Auch das nicht überlebensfähi- ge Neugeborene ist deshalb, solange es trotz schwerster Miß- und Fehlbil- dungen lebt, kein „bloßes Ersatzteil- lager", keine bloße „biologische Res- source", die zugunsten des „wertvol- leren" Kranken nach Belieben ausge- schlachtet werden kann Mögen auch menschlich oder ethisch hochstehen- de, medizinisch oder philosophisch vielleicht durchaus verständliche Er- wägungen dem bisweilen entgegen- stehen, so darf doch kein Zweifel darüber aufkommen, daß auch beim nicht überlebensfähigen Neugebore- nen eine Organentnahme nur in Be- tracht kommt, wenn sein Tod zwei- felsfrei feststeht und ein Rechtferti-
DIE ÜBERSICHT/ FÜR SIE REFERIERT
gungsgrund vorliegt. Allen Aufwei- chungstendenzen gilt es mit Nach- druck entgegenzutreten.
Deutsches Ärzteblatt
90 (1993) A 1 -3156-3158 [Heft 47]
Literatur:
1. Entwurf eines Mustergesetzes der Länder über die Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz) 2. Ulsenheimer, in: Laufs/Uhlenbruck, Hand-
buch des Arztrechts, 1992, § 142
3. Ulsenheimer, a.a.O., § 142 Rdnr. 23 ff;
Uhlenbruck, in: Laufs/Uhlenbruck, Hand- buch des Arztrechts, 1992, § 131 Rdnr. 18 ff; Laufs, NJW 1988, 1501; Laufs, a.a.O., 1501 Anm. 38; Deutsch, VersR 1987, 951 4. von Loewenich, in: Grenzen der Behand- lungspflicht schwerstgeschädigter Neuge- borener, 1987, S. 132; Isemer/Lilie, MedR 1988, 68; Rudolphi, in: SK StGB, § 218 Rdnr. 5 m.w.N.
5. BGH 10, 291, 292; RG DR 1939, 365 Nr.
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6. Peters, Der Schutz des Neugeborenen, ins- besondere des mißgebildeten Kindes, 1988,
Prä-Hospital- Thrombolyse beim akuten Myokardinfarkt
In einer großen europäischen prospektiven doppelblinden Multi- centerstudie wurde der präklinische Einsatz der Thrombolyse beim aku- ten Myokardinfarkt untersucht. Als Einschlußkriterien galten eine Schmerzzeit von bis zu sechs Stunden sowie typische EKG-Veränderungen im 12-Kanal-EKG. 2750 Patienten in der Verum-Gruppe erhielten vor sta- tionärer Aufnahme 30 IU Anistrepla- se, gefolgt von einer Plazebogabe im Krankenhaus, die 2719 Patienten der Kontrollgruppe erhielten präklinisch Plazebo und nach Krankenhausauf- nahme 30 IU Anistreplase. Im Mittel wurde bei diesem Protokoll die prä- klinische Thrombolyse 55 Minuten früher durchgeführt als die Kranken- hausthrombolyse.
In der präklinischen Thromboly- segruppe zeigte sich eine nicht signi-
249; Jähnke in: Grenzen der Behandlungs- pflicht schwerstgeschädigter Neugebore- ner, 1987, S. 100
7. Wolfslast, Transplantationsrecht im euro- päischen Vergleich, Zeitschrift für Trans- plantationsmedizin 1989, S. 167
8. vgl. dazu Uhlenbruck, a.a.O., § 131 Rdnr.
4
9. vgl. dazu Uhlenbruck, a.a.O., § 131 Rdnr.
16
10. vgl. Wolfslast, MedR 1989, 164; Uhlen- bruck, a.a.O., § 131 Rdnr. 5
11. Holzgreve/Beller, The New England Jour- nal of Medicine, Bd. 316, S. 1069 ff; Holz- greve/Beller, a.a.O., S. 1069
12. Pichelmayr/Honecker/Wolfslast, in: Lexi- kon Medizin — Ethik — Recht 1989, Stich- wort Organtransplantation, S. 766 13. Wolfslast, a.a.O., S. 167
14. Ulsenheimer, a.a.O., § 142 Rdnr. 5; Wolf- last, a.a.O., S. 164
15. Zenker, FS für Bockelmann, 1979, S. 486
Anschrift des Verfassers:
Rechtsanwalt Prof. Dr. Dr.
Klaus Ulsenheimer Maximiliansplatz 12/IV 80333 München
fikante Reduktion der 30-Tage-Mor- talität von 11,1 Prozent auf 9,7 Pro- zent (Risiko-Reduktion 13 Prozent).
Die kardiale Letalität in den ersten 30 Tagen war dagegen signifikant von 9,8 Prozent auf 8,3 Prozent gesunken (Risiko-Reduktion 16 Prozent). Ne- benwirkungen traten mit Ausnahme symptomatischer Hypotensionen (diese häufiger bei der präklinischen Thrombolyse) bei beiden Behand- lungsarmen gleich häufig auf, bei der präklinischen Thrombolyse jedoch auch häufiger vor Aufnahme in das Krankenhaus.
Die Autoren folgern, daß die präklinische Thrombolyse beim aku- ten Myokardinfarkt in geübten Hän- den sicher durchführbar ist und die Letalität kardialer Komplikationen senkt, obwohl sich ein positiver Ef- fekt auf die Gesamt-Mortalität in dieser Studie nicht erbringen läßt.
acc European myocardial infarction project group: Prehospital thrombolytic therapy in patients with suspected acute myo- cardial infarction. N. Engl. J. Med. 329 (1993) 383-389.
EMIP Group, Unite de Pharmacologie Clinique, B. P. 3041, 69394 Lyon CE- DEX 03, France.
A1-3158 (68) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 47, 26. November 1993