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Mesa-Inschrift, Spracligeschichte und Textkritik.
Von Ed. König.
Wie schwer es mir wird, zu dieser Prage noch einmal das
Wort zu ergreifen, kann sich der Leser der vorstehenden Äußerungen
von G. Jahn von selbst denken. Ich hatte zwar gehofft, durch die
bloße Betonung der sachlichen Gegengründe gegen seine Verwerfung
der Inschrift die Auseinandersetzung auf die Höhe einer rein objektiven
Erörterung heben zu können ; aber wie wenig mir dies gelungen
ist, wird der Leser selbst an der vorstehenden Entgegnung ermessen
können. Oder hat J. zur Anwendung des von ihm beliebten Tones
etwa dadurch ein Recht bekommen, daß manche seiner Behauptungen
von mir als Unwahrscheinlichkeiten oder Unmöglichkeiten bezeichnet
worden sind (S. 724) ? Nun, ich durfte doch ein sachliches Urteil
aussprechen. Gab ihm das die Erlaubnis, mich mit unsachlichen
Beschuldigungen aller Art zu bedenken? „Vorwürfe' aber, von
denen ich ihm nur einen einzigen nachweisen soll (S. 724), hatte
er den Verteidigern der Echtheit mehrere gemacht.^) Ob meine
Darlegung oben S. 233 ff. aber durch „Gereiztheit getrübt' sei
(S. 724), überlasse ich ruhig dem Urteile der Leser. Ich hoffe,
daß sie in meinen Worten nur den natürlichen Eifer, die von mir
erkannte Wahrheit mit Energie zu vertreten, entdecken und nichts
davon spüren werden, daß ich durch die formalen Angriffe, die J. sich
gegenüber meiner Rezension seiner Schrift „Das Euch Esther usw.'
erlaubt hat (S. 724), selbstverständlich gekränkt sein muß.^) Trotz- 1) Er hatte nioht nur von „nugae Halevy's und Wiucliler's' (S. 128) gesprochen, sondern auch de Vogüe und Nöldeke „Voreingenommenheit
für die Eclitheit des Steins" (S. 134 Anm.) vorgeworfen, von Schlottmann das sarkastisch bemerkt (S. 135), was schon oben S. 234 erwähnt ist, übrigens auch Sievers als „Erfinder der Mesa-Metrik" (S. 136), Gunkel und Cornill als „gläubige Apostel' seiner „selbsterfundenen hebräischen Metrik' (S. 135) bezeichnet und von „orthodoxer Ausflucht WeUhausen's' (S. 123, Anm. 3) gesprochen.
2) Als die Besprechung von Jahn's Schrift „Das Buch Esther etc.' mir für das Literarische Centralblatt übertragen worden war, habe ich in der Nummer vom 26. /vn. 1902, nm seine Meinung vom unendlichen Vorzug des griechischen Estberbnches vor dem hebräischen wenigstens an einem einzigen konkreten Bei¬
spiele zu prüfen , gleich Esth. 1,1 ins Auge gefafit. NämUch im hebräischen Buche Esther spielt dessen Geschichte unter Achasweros (= KhsajärsS, SiQ^TlS
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dem will ich meinem Prinzip , nur den erforschten Sachverhalt
sprechen zu lassen, auch jetzt treu zu bleiben mich bemühen. Über¬
dies will ich den Wunsch des Herrn Redakteur, die abermalige
Erörterung der Streitfrage ganz kurz zu balten , nach Kräften zu
erfüllen streben. Dies wird aber sich am besten so erledigen lassen,
daß ich den Aufstellungen Jahn's einfach in ihrer Reihenfolge nach¬
gehe, zumal er sich wesentlich an meine Disposition (S. 233 flF.) an¬
geschlossen hat, und sie zu beleuchten versuchen.
Ob Jahn's Äußerungen über die Unechtbeit der Mesa-Inschritt
(in ,Das Buch Dan." 1904, 122 ff.) in meinem Artikel (oben S. 233
—251) eine „wenig erschöpfende" und für „Kenner geschichtlicher Probabilität" wenig überzeugende Prüfung (S. 723) gefunden haben,
werden ja auch andere Gelehrte beurteilen und wird sich gleich
weiter zeigen , wenn die neuen Behauptungen Jahn's besprochen
werden. Es soll dabei auch keineswegs betont werden , daß auf
Seiten der Echtheit des Mesasteins doch eine ganz andere Reihe
von Sprachkennern und Historikern steht, als die ist, von der J.
S. 723 f. spricht. So wenig ich in meinem ersten Artikel (S. 233)
mich mit meinem Urteil auf jene Auktoritäten berufen (S. 724 oben),
sondern nur bei einem natürlicben historischen Rückblick an Nöldeke
und andere Gelehrte erinnert habe, ebenso wenig werde ich auch
jetzt mein Urteil auf anderer Meinung, sondern wie stets auf die
von mir selbst untersuchten Tatsachen gründen.
Um nun auf das Einzelne einzugehen , so wird Mesa nicht
„der einzige moabitische König, welchen das A. T. erwähnt" dadurch,
daß man die beiden Moabiterkönige Balak (Num. 22, 4) und Eglon
(Ri. 3, 12) zu mythischen Piguren (S. 725) stempelt.
Vom Worttrennungspunkt in den phönizischen Inschriften
(S. 725), der überdies auf einer aus Cypern stammenden Inschrift
und derselbe Herrschername steht auch in LXX Vat.; aber in LXX Alex, sowie .losephus, Antt. XI, 6, 1 ist dafür Artaxerxes (= hebr. Artachsasta) genannt.
Jahn hat nun zu Ksth. 1, l behauptet, Artachsasta sei „sicher nicht aus Achas¬
weros korrumpiert". Aber Jahn hat in demselben 1. Verse nicht den Satz „das ist der Achasweros, der von Indien bis Äthiopien 127 Provinzen beherrsclite"
gewürdigt. Er hat nicht gesehen, daß diese erklärendeu Worte nur bei Achas- wero.s einen Sinn haben, weil im A. T. zwei Achasweros erwähnt sind (Dan. 9, 1 uud Esr. 4, 6). In Esth. 1, 1 sollte die Identität des dort erwähnten Achasweros mit dem zweiteu Achasweros (= Xerxes) betont werden. Aber bei Artachsasta- Artaxerxes wäre jener erklärende Zusatz überflüssig und unnatürlich. Außerdem konnte Artaxerxes als der bekanntere Name den griechisch-jüdischen Lesern genannt werden, weil er von Esr. 4, 7 bis Neh. 13, C über 1.5 mal auftritt. Was für ein Urteil hat sich darüber Jahn in seiner nächsten Arbeit (Das Buch Daniel 1904, S. XI) erlaubt? Unter vielen Ausfällen, die ieh nicht wiedergeben will, sagt er, ich befolge die Methode, Widersprüche durch die Annahme von doppelten Personen zu beseitigen. Dagegen kann ich ihn nur auffordern, sich an die tatsäch¬
lichen Momente des Textes von Esth. 1, 1 zu halten, die er übersehen hat. Es ist also von mir erwiesen worden, daß der Name Artaxerxes in Esth. 1, 1 LXX Alex, sekundär ist. Demnach ist wenigstens zunächst an diesem einen Punkte das Urteil Jahn's über den Quellenwert des griechischen Wortlauts des Esther¬
buches als falsch dargetan.
König, Mesa-Inschrift, Sprachgeschichte und Textkritik. 745
von ca. 341 auftritt,^) oder in den Keilschriften hatte ich nicht zu
reden. Denn ich hatte ja nicht von solchen Dingen zu sprechen,
vfovon es nicht abhängt, daß die mit Worttrennungspunkten ver¬
sehene Mesa-Inschrift trotzdem alt sein kann. Ich hatte nur an
die Tatsachen zu erinnern , an die J. nicht gedacht hatte , nämlich
daß auch die Sendschirli-Inschriften und die Siloah-Inschrift Wort¬
trennungspunkte besitzen (S. 234), und Jahn's Satz, daß die An¬
wesenheit der Worttrennungspunkte gegen das Alter dieser Inschriften
„mißtrauisch' (S. 725) mache, ist basislos. Überdies kann ich auch
noch darauf hinweisen, daß die minaeo-sabäischen Inschriften Wort¬
trennungsstriche haben,^) und solche sind ja bis el-'Oelä im nörd¬
licheren Arabien gefunden worden. 8) — Auf die Vergleichung der
Buchstabenformen brauchte ich S. 234 aus dem dort angegebenen
Grunde nicht einzugehen. Dies übersehend, hat J. mir nun Lücken¬
haftigkeit der Darlegung vorgehalten (S. 724). Aber auch jetzt
vermag ich das graphische Argument nicht für wirklich stringent
zu halten , weil die Mesaschrift nicht mit der Schriftform anderer
moabitischer Denkmäler verglichen werden kann. Außerdem
weiß ich nicht, was J. mit seinem jetzigen Satz über das Kaph
(S. 726) will. Denn gewiß hat das Mesa-Kaph^) eine ähnliche Form,
wie das Siloah-Kaph,^) und ist von der „altphönizischen" abweichend.
Denn jene beiden Formen haben drei obere Striche , aber diese
meistenteils^) nur zwei obere Striche. Aber was heißt „altphönizisch"?
Von den phönizisehen Inschriften „mögen ja einzelne bis SOO wenn
nicht noch höher hinaufgehen, während die größere Masse mit dem
Ausgang des 5. Jahrhunderts beginnt."') Die Vereinfachung der drei
oberen Spitzen (Mesa- und Siloah-Inschrift) zu den zwei Spitzen,
die sich auf den meisten phönizischen Inschriften findet, entspricht
also dem zeitlichen Entwickelungsgange. Wenn das Kaph aber auch
auf den Sendschirli-Inschriften eine Modifikation besitzt, indem „der
Winkel > links an den geraden Grundstrich tritt' (Lidzbarski,
S. 187), so ist dies eine aus der geographischen Entfernung so er¬
klärliche, auch auf altaramäischen Siegeln etc. vorkommende Modi¬
fikation,*) daß daraus auf Alter oder Jugend der betreffenden In¬
schriften nicbts sicheres geschlossen werden kann.
1) Mark Lidzbarski, Handbuch der nordsem. Epigraphik, S. 420 2) Hommel, Südarabische Chrestomathie (? 6; meine Schrift „Fünf neue arabische Landschaftsnamen im A. T." (I'JOl), S. 5.
3) Nöldeke, Die semitischen Sprachen, 2. Aufl. (1899), S. 65.
4) Ausgabe von Smend und Socin.
5) Photographischer Druck von A. Naumann und Schroeder in Leipzig und Faksimile in der Ausgabe von Socin 1899.
6) VgL indes die Crebalensische Form auf der Riesenschrifttafel von J. Euting bei Bickell-Curtiss, Outlines of the Hebrew Grammar!
7) Nöldoke, Die semitischen Sprachen (1899), S. 28 und Lidzbarski (Hand¬
buch, S. 118) datiert nur eine phönizische Inschrift über das 7—8. Jahrh. hinauf und setzt nur eine in eben dieses „7—8. Jahrh.'.
8) Vgl. Euting's erwähnte Schrifttafel, Kolumne 17 und 18!
746 König, Mesa-Inschrift, Sprachgeschichte und Textkritik.
Die Trennungsstriche in der Inschrift ASurnasirpal's
(S. 234) hätte sich J. , nachdem ich ihn — und zwar nicht mit
ungenauem — Zitat darauf aufmerksam gemacht hatte, einraal an¬
sehen sollen,!) anstatt mich aufzufordern, diese Inschrift näher zu
bezeichnen (S. 726). Aber meinetwegen will ich auch den Anfang
dieser Inschrift übersetzen: , A§§ur-nasir-abli | der große König | der
mächtige König | der König des All 2) der König von AsSur | usw.'.
Was ist also das Ausrufungszeichen, das er S. 726 zu meinen Worten
gesetzt hat? Die Antwort werden sich die Leser selbst geben, wie
sie aucb selbst seine Äußerung beurteilen werden, daß ich von
„apokryphischen metrischen Zeicben in babylonischen Tafeln' spreche.
Was H. Zimmern uns seit nunmehr zehn Jahren gelehrt hat — die
von mir oben S. 234 zitierte Stelle meiner Stilistik usw. gibt ja
alles genau an —, das ist für ihn „apokryph' !
Die Vokalbuchstabensetzung ist in der Mesa-Inschrift
„so ausgedehnt, wie es in so alten Inschriften unerhört ist' (S. 726)?
Da möchte man fast denken , dieser Satz stamme von einera , der
die Mesa-Inschrift nie gelesen hätte. Denn o h n e Vokalbucbstaben
begegnet Mosa' oder Mesa', Mö^ab (Z. 1), selösin (Z. 2), melakhln
(Z. 4) und bis dahin überhaupt ein Vokalbucbstabe in der Wort¬
mitte nur bei dem Ausdruck diboni, den icb deshalb S. 235 be¬
sprochen habe. In der Panammu-Inschrift von Sendschirli-^) steht
n^a in Z. 2. 3 und m^p „Städte' in Z. 4 zweimal, dagegen steht
na „Haus' ohne Vokalbucbstaben in der Mesa-Inschrift Z. 7. 23.
27. 30 (zweimal) und nur einmal nnia (Z. 25). Also entspricht J.'s
obige Aussage nicht den Tatsachen. — Die „Ausrede' (S. 726,
Zeile 4 v. u.) ist erdichtet, denn wenn wir neben „ihren Toren'
r\bim (Z. 22) lesen, so können wir nach aller Analogie sagen, daß
das n die Pluralendung öt anzeigt, weil ja „Turra' durch ein
Wort obne Femininendung ausgedrückt wird im Hebräischen, Aramä¬
ischen, Arabischen und dem daraus entlehnten koptischen megtol. —
Daß „der Fälscher es überhaupt liebt, alte usw. Formen usw. des
A. T. anzubringen usw.' (S. 726 u.), soll ja erst nocb bewiesen
werden. — Die in meinem Schriftchen „Babylonisierungsversucbe etc.'
(2. Aufl. , S. 19) gegebenen Möglichkeiten der Aussprache der
Konsonanten mn, worauf ich ,T. hinwies (S. 235, Anra. 2), hat er gar
nicht angesehen, lieber wirft er anderen mit einera Fremdwort (S. 727)
Sorge um Kleinigkeiten vor. üm „Beweise für einen moabitischen
Gott Dodo' habe ich raich in dem angeführten Schriftchen gar
nicht bemüht. —- Das über Dodo „einen von den Helden Davids'
(S. 727) Bemerkte ist zu klassisch, als daß es gestört werden dürfte.
— J. will die Uneehtheit der Mesa-Inschrift erst noch beweisen
1) Im V. Baride von H. Rawlinson, Cuneiform Inseriptions of Western Asia, p. 69 f.
'2) kisäatu „universo" im Glossar von W. R. Harper, The Code of IJammu- rabi (1904), p. 167.
3) Aus der Zeit Tiglathpilesers III. (745—727) bei Lidzbarski, S. 442f.
König, Mesa-Inschrift, Sprachgeschichte und Texthritik. 747
und nimmt doch, als wenn er den Beweis schon geleistet
hätte, schon an (S. 727), daß „der Fälscher" den König Mesa
um 850 einen israelitischen Mann aus der Zeit Davids als einen
Kriegsgefangenen wegschleppen lasse. Nein, wenn ein Fälscher an
die Erzählung in 2 Kön. 3, 4 ff. hätte anknüpfen wollen, dann wäre
es doch allzu unmotiviert, wenn er einen — überdies gar nicht
hervortretenden — Namen aus dem Bereiche der Bücber Samuelis
herausgegriffen hätte! Erst einen Fälscher postulieren und dann
ihm möglichst viel Unsinn zutrauen und endlich in dem ihm auf¬
gebürdeten Unsinn einen Beweis für die Wirklichkeit seiner Fälscher¬
tätigkeit sehen wollen, das ist der Willkür etwas gar zu viel.
Noch ernster ist aber folgendes. Daß mit ariel ein beweg¬
licher Altar gemeint sei, soll ich durch die zwei Stellen Jes. 29, 1
und 31, 9 haben beweisen wollen. Hätte J. doch meiue Worte
S. 235, Anm. 2 mit der gehörigen Genauigkeit ansehen wollen! Ich
rede von einem beweglichen Altar, wie er von Sellin in Ta'annek
gefunden worden ist und wie er also auch in dem Worte bNiN
(Mesa, Z. 12) gemeint sein kann, und verweise zur Unterstützung
dieses Wahrscheinlichkeitsurteils auf Jes. 29, 1 und 31, 9, und daß
von der letzteren Stelle aus sich für das hebräische Wort ariel die
Bedeutung „Gottesherd" (ara dei) nach aller Wahrscheinlichkeit ergibt, ist auch bei den neueren Jesajaerklärern und Lexikographen
allgemein anerkannt.^) Was also hat J. hier (S. 727) mit seiner
Bemerkung über meine Zitate nur bewiesen? Nichts weiter, als
daß er die Arbeiten anderer herabsetzen will. Wenn er aber an
meinen ganz genauen Hinweis (S. 235, Anm.) auf Sellin's Arbeit
über Teil Ta'annek die Bemerkung knüpft, daß ich es „liebe, mich
auf schwer kontrollierbare Gebiete zu flüchten", so ist diese seine
Bemerkung in mehr als einer Hinsicht höchst beklagenswert. —
Weil abf'r nun in Jes. 29, 1, nach 31, 9 wahrscheinlich mit ariel ein
GotteshÄrd (= Gottesaltar) gemeint und weil im alten Ta'anak ein
beweglicher Altar ausgegraben worden ist, so wird dadurch aller¬
dings das Urteil sehr nahe gelegt, daß mit den Konsonanten bN"iN
in Mesa, Z. 12 auch ein Altar gemeint sei.
Bei der Stadtbezeichnung Makdeba, deren erster Bestandteil
mit dem semitischen Ausdruek für „Wasser" zusammenhängt, konnte
in dem arabischähnlichen Dialekt, wie er in Moab scbon aus geo¬
graphischem Gesichtspunkt herrschen konnte, das arabische Wort
mak (S. 235 f.) gesprocben werden , aber bei den Hebräern konnte
durch eine Art von Volksetymologie das hebräiscbe Wort für Wasser,
also maiiim) und monophthongisiert me, gesprochen werden. Das
ist keine unvernünftige Erklärung. Im moabitischen Makdeba aber
J) Duhm im Handkom. zn Jes. (1902); Marti im Kurzen Handkom. (1901);
Brown-Driver-Briggs, Hebr.-English Lex., p. 72a; Ges.-Buhl, Hebr. Hand¬
wörterb. (1905) s. V., und auch schon das Targum hat richtig Nt^STn „Altar' in 29, 1.
748 König, Mesa-Inschrift, Sprachgeschichte und Textkritik.
koimte der a-Laut durch n, wie im Minäischen, dessen Spuren ja
bis el-'Oelä nordwärts geben , bezeichnet werden , und wenn J.
Arabisch und Minäisch einfach trennt (S. 727), so ist dies wieder
ein Meisterstreich.
Einer „Entstellung" werde ich beschuldigt (S. 727 f), weil ich
gesagt habe (S. 236), daß J. die Sprache der Mesa-Inschiift mehr¬
mals „unhehräisch" genannt habe. Er behauptet (S. 728 oben), nur
einmal (bei Z. 15) nicht „unsemitisch" hinzugefügt zu haben. Nun
nennt er aber Ausdrucksweisen der Mesa-Inschrift einfach „un¬
hebräisch" bei Z. 3 (oder indirekt bei Z. 4). 6 („ganz unhehräisch").
15 (17: „weder hebräisch noch phönizisch"). 21: „ein guter hebrä¬
ischer [!] Schriftsteller hätte usw."; 28: „schlechtes Hebräisch".
Aber selbst wenn er überall zu „unhebräisch" noch „unsemitisch"
hinzugefügt hätte, so würde dadurch das „unhebräiseh" nicht auf¬
gehoben. Denn wollte J. das betreffende Element der Mesa-Inschrift
bloß als „unsemitisch", abgesehen vom Hebräischen, bezeicbnen, so
mußte er sicb so, wie soeben gesagt wurde, ausdrücken. Aber er
tadelt immer in erster Linie, daß die Sprache der Mesa-Inschrift
„unhebräisch" sei, und dazu besitzt er kein Recht, denn es ist
unzweifelhaft, daß der moabitische Dialekt bei aller Verwandtschaft
mit dem Hebräischen doch seine Eigenart besitzen konnte.
J.'s Sätze „König gibt folgende Eigentümlichkeiten eines spezifisch
moabitiscben Dialektes. 1) T als Endung der 3. sg. fra. Pf Aber
dieses T ist allgemein seraitisch" (S. 728) beruben nur auf Täuschung.
Denn S. 236 zeigt, daß mein Satz lautet: der moabitische Dialekt
unterscheidet sich vom Hebräischen usw. Da nun zunächst
diese Endung t auf dem Mesastein ausnahmslos, aber ira Hebräiscben
nur noch als seltene Ausnahme auftritt, habe ich rait Recht in
diesem regelmäßigen Gebrauch des alten t einen besonderen Zug
des Moabitischen gesehen. — Ob der Gebrauch des hiktafala ira
Moabitischen „auffallend" sei (S. 728), darauf kommt nichts an.
Übrigens habe ich schon daran erinnert, daß dieser Verbalstamm
außer im Arabischen auch ira Babylonisch -Assyrischen auftritt.
Dieses hiltacha(?e)ni konnte bei den Moabitern auch „kämpfen"
heißen. Also J.'s griechische Worte sind hier in mehr als einer
Hinsicht unzutreft'end angewendet. — Daß das n in der Dual- und
Pluralendung von mir „altertümlicher" genannt worden sei (S. 728), ist wieder unrichtig (vgl. S. 236). Da ferner z. B. im Hebriiiscben
auch die Dualendung in der Gestalt von än , äm , ajin und djiin,
vorkommt (m. Lehrgebäude II, 436), so ist es falsch, das Auftreten
von .Hohoräm „ein Lüften der Maske" des „Fälschers" zu nennen.
— T'P muß er selbst als Moabitismus anerkennen.
Mit Wucht wirft J. sich (S. 729) auf meine Übersetzung in
Z. 14 „Geh, nimm Nebo ein (oder in Besitz) gegenüber Israel"
(S. 236. 241). Aber ich hätte ja aueh noch erwähnen können, daß
die Präposition b" auch den Sinn von „trotz" besitzt (Hi. 10, 7;
34, 6; vgl. Neh. 9. 33; Jes. 53, 9; Hi. 16, 17), und überlasse es
König, Mesa-Inschrift, S2}rachgeschichte und Textkritik. 749
deshalb ruhig dem Urteil der Mitforscher, ob diese Ausdrucksweise
„Geh, niram Nebo trotz Israel ein!" so wenig möglich sei, daß
dadurch die Pälschung dieser Inschrift erwiesen und die Übersetzung
einer Vorlage, die den Dativ des italienischen Artikels {al , aW)
enthalten hätte , wahrscheinlich wird. -— Ob Socin und ich durch
abad äböd 'öläm die Stilistik verletzt haben, ist fraglich, und daß
wir mit einem Infinitivus absolutus das semitische Wörterbuch um ein
Wort bereichert bätten, ist unverständlich. — Daß J. „gesagt habe,
daß der moabitische Dialekt dem Hebräischen einfach gleich sei"
(S. 729), habe ich nicht behauptet, also ihm auch nicht „unter¬
stellt". Aber jene Meinung liegt der siebenmaligen Äußerung J.'s
(zu Z. 3. 4. 6. 15. 17. 21. 28), gewisse Eleraente der Mesa-Inschrift
seien „unhehräisch", zu Grunde. — J.'s Worte über »pa und mm
(S. 729) sind unbewiesene Behauptungen. — Eine Verdrehung aber
ist es, wenu J. (S. 729) das soeben behandelte TnN mit meiner Er¬
innerung an den Bedeutungswandel in den semitiscben Dialekten
(S. 237 unten) zusammenbringt, denn diese raeine Erinnerung bezog
sich auf maa und besteht übrigens vollkommen zu Recht. — Auch
die Äußerungen über ni^nl etc. (S. 730) besitzen kein Gewicht,
denn die moabitische Existenz dieser Worte entspricht nur dem von
mir (S. 238) hervorgehobenen Gesetz. — Ganz basislos sind aucb
wieder die Äußerungen über -inujy (S. 730), da ja die der Feminin¬
endung entbehrende Namensform bei andern Seraiten (den Minäcin
— bis el-'Oelä nordwärts ! — und den Babylonier-As.syrern) existiert hat (S. 238 Mitte).
Nur darauf komrat es an , daß die verkürzte Form iat{t) für
„Jahr" (Z. 2 und 8) auch alt sein kann, wie ich sie sogar aus
dem IJammurabi-Gesetz nachgewiesen habe (S. 239), aber nicht
darauf, daß „der Fälscher' sie auch aus dem targümischen Nnä
entlehnt haben könnte (S. 730). — Was ich über die Möglichkeit
eines schon älteren ni"! gesagt (S. 239 f.), ist durch S. 730 (unten)
nicht erschüttert. Daß solche synkopierte Formen „sekundär"
sind, versteht sich von selbst, aber sekundär und relativ alt sein
ist zweierlei.
Auf S. 731 ist zunächst die erneuerte Appellation an das „mit
dem hebräischen so nah verwandte Volk" und „die reine Willkür'
unrichtig. — Wie ich übersetzen das ini:«: in Dan. 5, 6 auch
Ewald (Lehrbuch § 315 b) und J. D. Princej^) und beide beweisen
aus andern Sprachen , namentlich aus dem Assyrischen , daß das
suffigierte Pronomen mehrmals auch den Dativ bezeichnete. Über
den verletzenden Ausdruck „Ausflucht' auch hier hinwegblickend,
will ich nur erklären, daß die von mir in § 21 (nicht: 22) meiner
Syntax gesammelten Beobachtungen richtig sind. In Jos. 15, 19
ist die Übersetzung der LXX unbegründet, und wenn .1. mich auf
den Kontext des ^Dnn: ass- yiN verweist, so hätte er vielmehr
1) A Critical Commeutary on the Book of Daniel (1899), p. 227 f.
750 König, Mesa-Inschrift, Sprachgeschichte und Textkritik:
darauf Acht geben sollen, daß in den beiden Fällen, wo vorher
und nachher in: mit ib auftritt, das Akkusativobjekt nachfolgt,
also in diesen beiden Fällen es freilich unnatürlich gewesen wäre|
den Dativ des Pronomens durch dessen suffigierte Gestalt aus¬
zudrücken. Ferner •\r\-^ 17? ist zur Wunschformel geworden, aber
nicht lipn^ 1« mit einem nominalen Objekt in Jes. 27, 4 und
Jer. 9, i. Auch in Hi. 9, 18 und überhaupt ist die Konstruktion
hebräischer Verba aus dem Hebräischen und nicbt aus der griechischen
Übersetzung zu beurteilen, und ob sein eminentes Vertrauen auf
die LXX begründet ist, ist doch eben die Frage. (Einen Bei¬
trag zur Lösung dieser Frage siehe oben S. 743, Anm. 2.) Damit
fkllt auch das dahin, was er über Hes. 29, 3 etc. sagt. Bei Jer. 20, 7
sodann meint er also, daß das Suffix zuerst am bebr. ijnptn gefehlt
habe, dann in LXX Alex, eingesetzt worden und hinterber auch
endlich in den hebräischen Wortlaut gekommen sei ! Weshalb ferner
,er wuchs mir auf" (Hieron.: crevit mecum) in Hi. 31, 18 un¬
natürlich sein soll, ist unbegründet, aber daß die auch von J. wieder
bevorzugte Konjektur iDb^ia „er ehrte micb" „sehr ungeschickt das
Verdienst der Waise statt Hiob zuweist", hat schon Buddei) trefi'end
bemerkt. Bei Sach. 7, 5 fernerhin windet J. sich, weil da auch die
LXX Vat. richtig vevrfarcvKari (loi bieten. Außerdem hat er noch
eine größere Zahl der von mir gegebenen Belegstellen übergangen.
Die Erscheinung, daß die suffigierte Gestalt der Kürze wegen ge¬
legentlich auch den Dativ ausdrückte, ist ja auch psycho¬
logisch sehr erklärlich. Diese Erscheinung wird sodann auch dadurch
natürlich, daß die präpositionale Rektion unfraglich auch
durch das Suffix ersetzt worden ist, wie ich im gleich darauffolgenden
§ durch eine lange Reihe von Belegen erwiesen habe. Daß die in
Rede stehende Erscheinung nicbt bloß im Assyrischen, sondern auch
im Äthiopischen (Dillmann § 151) häufig ist, habe ich schon in
meiner Syntax § 21 belegt. Wenn also auch das arab. 'a'tänika
nach der Urbedeutung von ^^lac! ausscheiden sollte, so wird dadurch
diese syntaktische Erscheinung nicht überhaupt aus der Welt
geschafft.-) Sie kann also auch in iniSffi (Dan. 5, 6) vorliegen, und
wegen des pleonastischen Pronominalgebrauchs in „seine Gesichts¬
farbe veränderte sich ihm" mag J. lieber sich die Nachweise von
solchem Pleonasmus in meiner Stilistik, S. 167 f. ansehen, als an
Hengstenberg zu denken.
Wenn nnnaTO (S. 241) auch wirklich als Terminus technicus
für Status absolutus vorkommt — ich habe es mir aus keinem
1) Budde, Haiidkommentar zu Hiob (1896) bei 31, 18.
2) Überdies stehen in Caspari — Müller, Ar. Gram.' § 191. 193, aufler - ot
„ujvAjLhc! er gab dich mir", noch mehr Beispiele, wo das suffigierte Pronomen den Dativ vertritt!
König, Mesa-Inschrift, Sprachgeschichte und Textkritik. 751
Hauptgrammatiker notiert —, so ist es doch eine überaus seltsame
Idee, daß jemand diesen grammatischen Terminus (S. 732) in der
Bedeutung von „Einschnitt, Graben' gebraucht habe.
Für -»ST . . . -'S ist „Polysyndese' einfach der richtige syntak¬
tische Ausdruck und wird also ganz ohne Gmnd von J. verspottet
(S. 732). — Die hebräische Syntax ist erst nacb dem hebräischen
Schrifttum und nicht nach der griechischen Übersetzung festzustellen.
— Aber auch den von J. mit der LXX gemachten Versuch , die
von mir gesammelten Fälle von 13(1) ... 13 zu beseitigen (S. 732 f.),
werden wohl auch andere außer mir für überaus gewagt ansehen,
und selbst wenn iai (Mesa, Z. 4) „schlecht moabitisch' (S. 733)
wäre, würde es keinen Beweis für die Uneehtheit der Mesa-Inschrift bilden.
Daß BSN" „zürnte' (Z. 5) nicht (S. 733) ein richtiges Imperfekt
der Dauer sei, kann niemand zugeben (m. Syntax § 153 u. f.).
Bei der Annahme der Möglichkeit, daß ipna in Z. Ilf. be¬
absichtigt gewesen sei (S. 242), habe ich freilich nicht an Leute, die
an die hebräiscbe „Elementargrammatik' appellieren und deshalb so
etwas einfach für „unmöglich' erklären (S. 733), gedacht. Wie
oft hinter a, b, S der Artikel im Hebräischen unsynkopiert geblieben
ist, kann J. aus meinem Lehrgebäude II, 274. 278. 286 erseben. —
„Ein guter Schriftsteller würde schreiben npa -iTüN W- ba ' (S. 733).
Ich habe der Frage, wie weit auch diese spezielle Art von Brachy¬
logie im Althebräischen geht, einen ganzen Abscbnitt in meiner
Stilistik etc. (S. 218—222) gewidmet. Also bitte etwas langsamer
mit dem Richterspielen ! Daß aber nun vollends die Syntax des
Altbebräiscben aus den neubebräischen Schriften gelernt werden
soll (S. 733), ist noch ärger. Du lang erstrebtes Ideal „historische
Syntax", so sollst du wieder ganz in das Nichts zurücksinken! —
Alle Worte von J. (S. 734 oben) überdecken nicht die ähnlichen
Erscheinungen, die ich (S. 242) zu „alles Volk aus der Stadt* auf¬
geführt habe, und wenn ich auch die Übersetzung „und ich tötete
alles Volk aus der Stadt weg' als möglich hingestellt habe, so
hätte er abermals vielmehr sich fragen sollen , ob es dazu keine
Analogien gäbe (wie z. B. „und ich vernichtete dich aus den feurigen Steinen hinweg' Hes. 28, 16), anstatt sich vom Gedanken an Hengsten¬
berg fixiren zu lassen. — Auch zu der Verbindung „Gefangene
aus Israel' (S. 242) hätte er sich die Analogien (z. B. „ein Jüng¬
ling aus den Männern von Sukkoth' 1 Sam. 22, 6 etc.) suchen und
nicht sie „schlecht' (S. 734) nennen sollen.
„Es wohnte in ihr der Dedanite' (Z. 31; S. 242) soll „in der
Prosaerzählung übel angebracht sein' (S. 734). Aber solcher Singular-
gebrauch findet sich ja von „Zeltbewohner' (Gen. 4, 20) an un¬
zählige Male, und ben nekär (Gen. 17, 27) ist eben hebräisch, und
ob die hebräiscbe Syntax aus der griechischen Übersetzung geschöpft
werden darf, ist ja noch die Frage, und ein Singular, wie
z. B. „der Bayer, der Preuße' — und darum handelt es sich
752 König, Mesa-Inschrift, Sprachgeschichte und Textkritik.
hier — wird eben besser „individualisierend" oder „veranschau- lichend-charakterisierend" genannt, als mit J. in den großen Topf des „Kollektiven" geworfen.
Gewiß hat J. die von ihm in D^iN fljy (Jes. 13, 22; S. 242)
gefundene Unmöglichkeit erst geschaffen (S. 735 Mitte), denn an¬
gesichts meiner Sammlungen in Syntax § 348 e — v läßt sich nicht
dekretieren, daß „sicher i;» zu lesen" sei.
rtNiHNl (Z. 20) „und ich brachte es" habe ich „übergangen"
(S. 735). Nun das n „es" ist als neutrisch-kollektiver Vertreter einer Mehrheit schon in meiner Syntax § 348 h unter seine Analogien
eingereiht, wie überhaupt die syntaktischen Erscheinungen der Mesa-
Inschrift im Register zur Syntax zusammengestellt sind , und da
von bekanntlich „portavit" eine Hauptbedeutung ist (Ges. thes.)
und da z. B. die Aussage „man wird das Vermögen von Damaskus usw.
vor den König von Assur tragen d. h. bringen" (Jes. 8,4b) vor¬
kommt: so beruht die Behauptung, daß N\a3 in Z. 20 eine „sonst
nirgends vorkoramende Bedeutung habe" (S. 735), wieder auf Mangel
an Urasicbt. -— Nachdera ich aus Z. 11 der Mesa-Inschrift selbst
erwiesen, daß a auch vor einem Stadtnamen die Bedeutung „gegen"
besitzt (S. 242, letzte Zeile), ist es doch ein starkes Stück, wenn
die Übersetzung „gegen Jabas" (Z. 20), die übrigens auch Socin-
Smend und Driver bieten, von Jabn eine „echt rabbinische Aus¬
flucht" genannt wird (S. 735). — Die Tatsache, daß a auch „durch",
und zwar auch vor Personen, bedeutet, kann er ebensowenig be¬
seitigen. Sebr bedauerlich ist bei diesem Versuch wieder die Äußerung,
daß icb mich zu Brown-Driver-Briggs' Hebrew-English Lexieon
„flüchte" ! Also weil er diese vervollkommnete Gestalt von Gesenii
thesaurus nicht besitzt, bekämpft er andere wegen ihres Gebrauchs.
Die Zusammenstellung „Männer 1) und Söhne und Herrinnen
und Töchter und Weiber" (Z. 16 f), rait welchem letzterwähnten
verächtlichen Ausdruck natürlich Sklavinnen gemeint sind, ist keine
unstatthafte (gegen S. 735 unten), und wenn von raeiner Sammlung
in § 319 1 m auch nur z. B. „und der König schickte (ns) §adok
und (nsi) Nathan und (ohne n{<) Benajahu" verglichen wird , darf es nicht als „stilistisch unstatthaft" (S. 736) bezeichnet werden,
daß bei jener Zusammenstellung das 213 nur vor den zwei ersten
Größen steht.
Die Ausdrucksweise „und ich nahm aus Moab 200 Mann" (Z. 20)
anstatt „aus meinera Lande" ist keineswegs so „anstößig", wie .1.
S. 736 raeint. Erstens hängt diese Ausdrucksweise mit der über¬
aus weitreichenden Erscheinung zusammen, daß das Pronomen durch
Namen, Titel usw. ersetzt wird (m. Syntax § 4. 5; Stilistik, S. 143.
153 f. 247. 251 if.). Hätte er aus den Reiben meiner Belege nur
1) Dieser Ausdrucli hat auch im Hebräischen besonders gegenüber adam
„Mensch' mehrmals den Sinn von „Vornehme' (Ps, 49, 3 etc.; Ges.-Buhl 1905, 8. 9 b), ähnlich wie das babylonische mär aw(m)ilim (vgl. m. „Die babylonische Gefangenschaft der Bibel' 1905, S. 78).
5 5
König, Mesa-Inschrift, Sprachgeschichte und Texthritik. 753
z. B. folgenden „und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde,
nach dem Bilde Gottes schuf er ihn' (Gen. 1, 27) beachtet! —
Angesichts der vielen Fälle von Verwendung des Ausdrucks „König'
statt des Pronomens und zwar auch mehrmals hinter „ich' (meine
Stilistik, S. 154, Z. Ulf.; 254, Z. 6 ff.) darf ferner in „ich baute
das Haus des Königs" (Z. 23) nicht sieher eine Emphase gefunden
werden , und kann diese Ausdrucksweise also nur für den Nicht¬
kenner „komisch" (S. 736) wirken.
rcob (Z. 21; S. 736): Die Übergebung eines aus dem Kontext
selbstverständlichen Objektes ist im Hebräiscben so häufig von „und
Jahve bildete alle Tiere etc. und bracbte (sie)' Gen. 2,19 an (m.
Syntax, S. 342 1; Stilistik, S. 194), und diese Übergehung ist über¬
dies psychologisch so natürlich , daß ich mich sehr wundern muß,
wenn jemand diese Erscheinung für das Moabitische bezweifelt
(S. 736). — Über die mir zugeschriebene Behauptung, daß in z-y -s
(Z. 27) „guter Stil' sich zeige , vergleiche man S. 243 unten ! —-
„Ganz Dibon (war oder ist) Gehorsam' (S. 244 oben) bleibt gerecht¬
fertigt (gegen S. 736), denn Übergehung des aus dem Kontext selbst¬
verständlichen Besitzers kommt oft vor (m. Stilistik, S. 198), und
ob in dieser Siegesinscbrift nur Ausdrücke eines „Prosaikers' (S. 736)
gebraucht worden sind, ist ja überdies noch die Prage.
Daß der Mangel gerade einer Zisterne in Z. 24 (S. 244) nicht
betont sei (S. 736), ist sehr fraglich. — Vor „ich habe gebaut'
fehlt das „und" in Z. 21—26 zweimal, nämlich beim Beginn der
Bemerkungen über Korcha (Z. 21) und beim Beginn der Beraerkungen
über 'Arö'er (Z. 26b). Es bleibt also dabei, daß nachdem über
Korcha von Z. 21— 26a gesprocben war, die Beraerkungen über
'Arö'er, die zu einem relativ neuen Gegenstand übergingen , natür¬
licherweise wieder ohne „und" anfingen. Was J. von „Ertapj^en"
zu sagen für erlaubt hält (S. 736 unten), fUllt auf sein eigenes Konto.
— Daß Mesa rait „in meinen Tagen sprach er so" (Z. 6) nicht eine
natürliche Entrüstung ausgedrückt haben könne (S. 736 unten), ist
wenigstens bloß wieder eine unbegründete Bebauptung von J. — Daß
Mesa in einer Siegesinschrift nicht die Ausdrucksweise „und ließ
mich meine Lust seben an allen meinen Feinden" (Z. 4 u. 7; S. 244.
737) natürlicherweise hätte gebrauchen können, bleibt eine will¬
kürliche Voraussetzung, wenn es auch außer .L noch einige andere
meinen. — Eine Straße über den Arnon (Z. 26!) konnte natürlicher¬
weise aus Felsblöcken bestehen (S. 244). J.'s wohlfeiler Spott (S. 737)
ändert daran nicbts. — „Ein Schaustück für KemöS und Moab"
(Z. 12) und „Samuel hieb Agag in Stücke vor Jahve und Israel'
als identische Größen vorzulegen (S. 737), ist ein starkes Stück,
und was ebendaselbst noch sonst gegen die Möglichkeit jener Aus¬
drucksweise gesagt wird, sind ganz fragliche Behauptungen. — Davon
daß möglicherweise die Wiederholung von „inmitten = in der
Stadt" (Z. 23 f.; S. 244. 737) hätte vermieden werden können, kann
doch unmöglich die Echtheit der Inschrift abhängen.
754 König, Mesa-Inschrift, Sprachgeschichte und Textkritik.
Zu ,Mesa der Dibonit" (Z. lf.) bleibt .Sabako der Äthiopier"
eine Parallele, denn in beiden Fällen wurde der Ausgangspunkt
des betreflfenden Herrschers bezeichnet, und ob dieser Ausgangspunkt
das Gebiet einer Stadt, oder das eines Landes war, ist dabei neben¬
sächlich. Nur um Parallelen dazu, daß bei einem Herrscher der
Ausgangspunkt seiner Dynastie bemerkt wird, handelt es sich, und
solche Parallelen habe ich (S. 245) aufgezeigt. Wenn J. in Herodot
II, 169 f nichts von Herrschern aus Safs findet (S. 737), ist dies
seine Schuld. — Das über „dreißig" etc. (Z. 2 etc.) Gesagte (S. 245) ist S. 737 nicht erschüttert. — „Er rettete mich von allen Königen"
(Z. 4; S. 245) ist erstens in seinem eigenen Kontext nicht ohne
nähere Bestimmung, denn parallel geht „von allen meinen Feinden"
und außerdem sind die gemeinten Könige nicht unangedeutet ge¬
lassen : 'Omri (Z. 4 b), sein Sohn (Z. 6) und überbaupt seine Dynastie (Z. 7). Übrigens steht „aller seiner (David's) Feinde" (2 Sam. 22, 1)
auch obne Aufzählung der einzelnen Völker oder Könige.
In Z. 8 kann nach wie vor gesagt sein „und es (Israel) wohnte
darin" (S. 245 trotz S. 738). .— Die Ausdrucksweise „ging für
immer zu Grunde" (Z.7; S. 247) bleibt trotz S. 738 eine auch
in der echten Inschrift mögliche Hyperbel. — Üm „Mauer am Hügel"
(Z. 21;' S. 247) zu bekämpfen, nimmt J. (S. 738) wieder voraus,
daß er Entlehnungen vom Inhalt der Mesa-Inschrift aus dem A. T.
bereits erwiesen habe. — Der „Fälscher" soll zugleich wegen Über¬
einstimmung mit dem A. T. und zugleich wegen Abweichung von
demselben ertappt worden sein! S. 247 f. ist auf S. 738 f. nicht
widerlegt. Weil ich in dem Satze „und der König Israels baute
Jahas und wohnte darin während seines Kampfes gegen micb" (Z. 18f ) das „bauen" im Sinne von „ausbauen (zu einer Festung)" fassen zu
dürfen meinte, bekämpft er mich heftig (S. 738), und doch bedeutet
fisa ,1) bauen, 2) umbauen, ausbauen, 3) wieder aufbauen", wie
Ges.-Buhl (1905) s. v. sagt und belegt, und Gesenius bemerkte
im Thesaurus (p. 215b) mit gutem Grunde sogar: „Nonnnnquam
urbem exstruere et restituere ad moenia potissimum referri vide¬
tur, pro munire (1 Reg. 15, 7; 2 Par. 11, 6 sq.)". Abermals also
hat J. aus üngenanigkeit der Forschung andere zu schelten sich
erlaubt.
Die Behauptung, daß „der Fälscher" sich „etwas Entlegenes
ausgesucht" habe (S. 738 unten), daß er „Mesha der Dibonit"
aus den Ortschaften Jes. 15 habe fingieren können usw. (S. 738
unten), darf in der Tat als sebr scbwach bezeichnet werden. — Den
Ortsnamen ninM (Z. 14 a) will .1. aus Mafaiqovg, was nina^J habe
lauten müssen, mit Verweisung auf innr'? (1 Chron. 11, 36) her¬
leiten. Ich hatte das , weil es mir gar zu grotesk erscheint , gar
nicht erwähnt (S. 249). Auch auf S. 739 operiert er mehrfach mit
der Vorausnahme, daß die Fälschung bereits erwiesen sei, und be¬
weist daher nichts. — Parallel mit btSTi nttn „die Mauer des
Hügels" (= am Hügel Z. 21f.) kann der damit verknüpfte
König, Mesa-Inschrift, S2)rachgeschichte und Textkritik. 755
Ausdruck rnyfl nMn') ,die Mauer des Waldes' -) als „die Mauer¬
seite an den Wäldern oder nach den Wäldern hin" gedeutet werden
(vgl. auch die durch Genetivverbindung ausgeprägten Ausdrücke
„Wasser bis an die Knöchel', „MoreSeth bei Gath' usw. in meiner
Syntax § 336 t v). J. hat also nicbts weiter als seine Palsifizierungs- sucht „festgenagelt". — Betreffs Diblathäjim mögen seine Freunde
den ganzen wirklichen Wortlaut meiner Darstellung (S. 249) ver¬
gleichen, ehe sie seiner Einladung (S. 739) folgen! — Zu „und
Bethba'al-Ma'on , dahin brachte ich usw." (Z. 30) ist S. 249 eine Parallele in Z. 31 nacbgewiesen, und np; nach 2 Kön. 3, 4 zu deuten,
ist Vorausnahme. Ein Nomen, wie das arab. nakad{iin) „genus
ovium" (Freytag, Lex. ar.) kann im moabitischen Dialekt existiert haben.
Dadurch, daß der durch seine Eigenheiten festgestellte
moabitische Dialekt eine Verwandtscbaft mit dem Arabiscben zeigt
(S. 236 f.), wird nicht verhindert, daß er mit dem Hebräischen (auch
durch die Berührung mit den Rubeniten) näher verwandt war, als
das Phönizische (S. 249). So lauten meine Behauptungen. Folg¬
lich kann die moabitische Phraseologie mehr Verwandtschaft mit
dem Hebräischen zeigen, als die phönizische der Esmunazar-Inschrift.
J. bat mir also vergeblich einen Widerspruch (S. 739) nachweisen
zu können gemeint.
3;n (S. 249!): der „Fälscher" soll „alte Formen mit Vorliebe
gebraucht haben" (S. 739). Also er soll in der Geschichte der
hebräischen Sprache so bewandert gewesen sein ? Daneben wird
er von J. für einen Ignoranten und Stümper erklärt (gleich auf
derselben S. 739; vgl. auf S. 738: „an Sinn für Geschichte fehlt
es ihm auch sonst')! — Daß J. in Z. 12 b mit „und ich brachte
den Helden Dodo usw.' übersetzt, habe ich S. 250 erwähnt, aber
zugleich nachgewiesen , daß diese Ubersetzung hinter Z. 11 b und
12 a unnatürlich ist. Dafür wird mir jetzt (S. 739) „Pressen des
Ausdrucks' usw. Schuld gegeben. Daß „der Fälscher" den Moabitern
eine Götter-Syzygie zugeschrieben habe, weil andere Semiten solche
hatten , oder daß er gerade zwischen den beiden Gottesnamen ein
Waw „und" ausgelassen habe, ist wenig glaublich. — Endlich frage
ich doch noch, weshalb der oder die vorausgesetzten „Fälscher" ihr
Fabrikat von andern Beduinen haben finden lassen und nicht
selbst ausgegraben baben, um es an den Käufer zu bringen.
Die von J. auf S. 729 zusammengestellten „Steine, welche die
Verteidiger der Echtheit zu Falle bringen" sollen, habeu sich dem¬
nach als kün.stliche Sandhaufen erwiesen , die auseinander gestreut werden konnten: man vergleiche über bNlö"' by TnN S. 748 f.; über
nmp schon S. 248; über NTS: S. 752 und über die Notiz in Z. 8
1) Jahn hat auf S. 739 den Artikel vor S"l5i weggelassen.
2) So Smend — Socin mit Fragezeichen; Driver in der Encyclopaedia Biblica of Yearin or of the Woods.
Bd. LIX. 50
5 5*
756 König, Mesa-Inschrift, Sprachgeschichte und Textkritik.
,und es wohnte darin seine Tage usw." S. 245 f. und 754, und die
Möglichkeit, daß isn hier noch die ursprünglichere Bedeutuno-
„Betrag" besessen habe, ist von J. auf S. 741 nicht beseitigt worden.
Blickt man aber nun noch einmal auf die von mir zusammen¬
gestellte Summe der Umstände zurück, die für die Echtheit und
gegen die Annahme einer Fälschung sprechen (S. 248. 249—251)
dann komme ich immer wieder zu dem Endurteil, daß kein Recht
besteht, die Mesa-Inschrift für ein Produkt der Fälschung zu er¬
klären.
Die Beihe formaler Angriffe aber, die Jahn in seine Dar¬
legung einzuflechten für erlaubt gehalten hat, muß und kann ich
seiner eigenen Verantwortung überlassen. Wer meine Schriften
kennt, weiß, wie unbegründet diese Angriffe sind.
1) [Weitere Disliussionen der Echtheit der Mesa-Inschrift werde ich in der ZDMG. nicht zulassen, solange nicht völlig neue Beweismomente contra oder pro zu Tage treten. Nachdem ich aher einmal den Aufsatz von Herrn Prof. König in Heft II aufgenommen hatte , mußte ich aus Billigkeitsgründen auch Herrn Prof. Jahn zum Worte zulassen, und darauf natürlich Herrn Prof König zum
zweiten Mal. Der Redakteur.]
757
Uralische Anklänge in den Eskimosprachen.
Von C. C. Uhlenbeck.
Es ist nicht gerade ein neuer Gedanke, daß die Eskimosprachen,
von denen das Grönländische die am besten bekannte Vertreterin
ist, eigentlich eine Abzweigung des großen ural-altaischen Sprach¬
stammes seien und insbesondere mit der westlichen oder uralischen
Abteilung desselben in engerm Zusammenhang stehen könnten. So
meinte bereits Petitot (Vocabulaire fran9ais-esquimau , Paris 1876,
S. LXIV) : „Nous sommes persuade que les linguistes qui voudront
etudier l'esquimau trouveront ä cet idiome plusieurs rapports avec
les langues ougro-finnoises." Und in der Tat wird man sich kaum
der Erkenntnis entziehen können , daß das durchaus suffigierende
Grönländische mit den verwandten Dialekten in Nordamerika, in
Nordostsibirien und auf den Aleuten uns eher an die morphologisch
gleichartigen Sprachen der Samojeden und Ugro-Finnen als an die
präfigierend-suffigierenden, teils auch infigierenden Sprachtypen der
Rothäute erinnert. Nur sehr wenige Sprachen Nordamerikas sind
ausschließlich suffigierend. Wie ungenügend die Gründe sind, auf
welche man die Behauptung nordamerikanischen Charakters der
Eskimosprachen stützte , hat Lucien Adam (En quoi la langue
esquimaude diff'öre-t-elle grammaticalement des autres langues de
I'Amerique du Nord? Copenhague 1884) deutlich gezeigt. Auch
ist zu betonen , daß zwiscben den Sprachstämmen Nordamerikas
(Tinne, Algonkin, Dakota, Irokesisch-Tscherokesisch, Schoschonisch-
Sonorisch - Mexikanisch u. s. w.) noch nicht die entfernteste Ver¬
wandtschaft nachgewiesen ist und daß neben zahlreichen Analogien
im Sprachbau auch erhebliche grammatische Unterschiede unter
ihnen vorhanden sind, so daß der Ausdruck „nordamerikanischer
Sprachtypus' nur einen äußerst unklaren und verschwommenen
BegriflF repräsentiert. Will man in der Prage nacb dem Ursprung
der Eskimosprachen einen Schritt weiter kommen, so muß man
auch ja nicht nur morphologische Parallelen, sondern vor allem
stoflliche Übereinstimmungen mit irgend einem Sprachgeschlechte
nachweisen. Aber gerade solche stoflfliche Vergleichungspunkte
bietet uns die ugro-finnische und samojedische Grammatik. Die
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