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„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen. Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ EDITORIAL

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Academic year: 2022

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www.b-i-t-online.de 21 (2018) Nr. 3 online

Bibliothek. Information. Technologie.

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EDITORIAL

„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen.

Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“

(Bertold Brecht. Der gute Mensch von Sezuan)

Chefredakteur Dr. Rafael Ball Direktor der ETH-Bibliothek Zürich

Das Schlagwort „offen“ oder noch besser im englischen „open“ ist seit geraumer Zeit in aller Munde. Es ist womöglich DAS Schlagwort schlechthin, um das gefühlte Selbstverständnis der gesamten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts zu beschreiben. Gewiss, es kämen noch einige weitere Schlagwörter dazu, aber wenn wir noch

„shared“ und „vernetzt“ aufnehmen, dann haben wir schon 90 Prozent abgedeckt.

Jeder, der sich und seine Institution nicht mit ei- nem oder am besten allen drei Schlagwörtern beschreibt, macht sich verdächtig: verdächtig des Konservativismus, des ewig Gestrigen oder gar der Innovationsfeindlichkeit.

Deshalb haben auch die Veranstalter des 107. Bi- bliothekartages, der jetzt in Berlin stattfindet, ge- nau diese Schlagwörter als Motto gewählt: „Offen und vernetzt“. So wollen und sollen offensichtlich Bibliotheken heute wahrgenommen werden. Das Motto ist gut und die Absicht nicht falsch, denn offen und vernetzt waren die allermeisten Biblio- theken schon immer. Man denke nur an den guten alten Leihverkehr (und das ist keineswegs zynisch gemeint), den die Bibliotheken schon seit fast 100 Jahren professionell „vernetzt“ regeln. Und wie steht es mit der „Offenheit“? Wer, wenn nicht Bib- liotheken haben Jahrhunderte vor der Entwicklung der Internet giganten mit ihren Informationsplatt- formen für den Zugang zu Literatur und Informa- tion gesorgt. Bibliotheken und ihre Materialien waren und sind also keineswegs „closed“ – und das lange bevor die „Open Access-Bewegung“ uns suggeriert, dass nur die komplette Umstellung des Publikationsprozesses den Zugang zu Information ermöglichen könnte. Das ist nur eine der suggesti- ven Fehlinterpretationen der Open Access Akteure – man könnte sie auch getrost Fake News nennen.

Denn Bibliotheken waren schon immer offen, sie waren der Türöffner für das, was sich ein Einzelner weder leisten kann noch leisten muss und damit waren sie Vermittler und Garant für im besten Sinne des Wortes offenen, aber zugleich auch or- ganisierten, strukturierten und institutionalisierten Zugang zu Literatur und Information.

Die Offenheit der Open Access Welt ist aber eine ganz andere: unstrukturiert, zufällig und instan- zenlos. Das öffnet Tür und Tor für Desinformatio- nen und Fake News. Kürzlich hat eine Studie des Erziehungswissenschaftlers Sam Wineburg von der Stanford University gezeigt, dass gerade die Digital Natives nicht mehr wirklich unterscheiden können zwischen einem unabhängigen wissen- schaftlichen Text und gesponsertem Material. All das spricht dafür, dass es die Instanzen der Ver- lage und Bibliotheken dringend braucht, die dafür Sorge tragen, dass die Welt noch unterscheiden kann zwischen der Beliebigkeit der offenen Inhalte im Netz und gesicherter Erkenntnis, auf deren Basis Wissenschaft und (politische) Meinungs- bildung erfolgen kann. Genau wie der Qualitäts- journalismus, der sich wegen der Gratismentalität und der Ablehnung einer Bezahlschranke heute in einer der größten Krisen seit Bestehen der Massenmedien wiederfindet, wird die Produktion seriöser wissenschaftlicher Inhalte durch falsch verstandene Open Access Forderungen heftig ins Schlingern geraten. Und mit ihr auch die Bibliotheken. Denn wenn in Verhandlungen um Geschäfts modelle nicht mehr verhandelt, sondern gezockt wird, dann werden wir uns bald alle in der Ratlosigkeit Bertolt Brechts wiederfinden:

„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen.

Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ (Der gute Mensch von Sezuan)

Unsere Beiträge in diesem Heft drehen sich dies- mal um die Offenheit digitaler Systeme, um die Überführung von analogen Quellen ins Digitale, um die Überwindung der medialen Grenzen schon beim Publizieren.

Blicken Sie mit uns zurück und nach vorne. Am Bibliothekartag sind wir im besten Sinne des Wortes offen, halten Sie mit unseren täglichen KongressNews auf dem Laufenden und freuen uns über Ihren Besuch in unserem KongressNews Büro.

Herzlich Ihr Rafael Ball

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