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Archiv "Kind und biologische Rhythmik" (08.02.1979)

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Im Rahmen der derzeitigen Diskus- sionen um Schulprobleme rücken zur Zeit erneut die biologischen Grundlagen des Leistungsvermö- gens von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt des Interesses (Rutenfranz). Ein spezieller Aspekt dieses Bereiches, die periodischen Schwankungen des Leistungsver- haltens, werden dabei im Zusam- menhang mit speziellen Schulfor- men, wie Ganztagsschule und refor- mierte Oberstufe, gesehen, da die Heranwachsenden sich bei diesen Schultypen nicht nur am Vormittag im Schulverband aufhalten. Hier wird argumentiert, daß den Kindern dann oft Leistungen zu Zeiten abver- langt werden, zu denen ihr Organis- mus nur unvollkommen auf die Ab- gabe von Leistungen vorbereitet sei.

Als Ursache für derartige Schwan- kungen des Leistungsverhaltens wird die Tagesperiodik physische!

und psychischer Funktionen, fälsch- lich oft als Biorhythmik bezeichnet, angesehen. Da über die physiologi- schen Grundlagen dieser Leistungs- schwankungen bei den heutigen Schuldiskussionen oft unklare Vor- stellungen zutage treten, soll im fol- genden auf einige Fakten der biolo- gischen Rhythmik im Kindesalter näher eingegangen werden.

1. Biorhythmus und Leistungsverhalten

Vom Phänomen der Tagesperiodik physiologischer Funktionen sind scharf abzugrenzen Vorstellungen über einen sogenannten Biorhyth- mus des Menschen, obschon auch mit diesem Schlagwort Störungen des Leistungsverhaltens von Kin- dern erklärt werden. Während un-

ter der Tagesperiodik Funktions- schwankungen im 24-Stunden-Be- reich gemeint sind, versteht man un- ter dem Biorhythmus Schwankun- gen des Leistungsverhaltens im Be- reich von mehreren Wochen. Die dem Biorhythmus unterlegte Theo- rie besagt, daß beim Menschen im Moment der Geburt drei grundle- gende zyklische Rhythmen gestartet würden (Willis). Diese Zyklen sind:

ein 23 Tage dauernder körperlicher Zyklus, ein 28 Tage dauernder emo- tionaler Zyklus und ein 33 Tage dau- ernder intellektueller Zyklus (Dar- stellung 1). Die Schwankungen in diesen Zyklen, die wie Sinusschwin- gungen aufgefaßt werden, werden in ihrer ersten Hälfte „positiv", in der zweiten Hälfte „negativ" in ihren Auswirkungen auf die Leistungsfä- higkeit usw. gedacht. Denkt man sich den Startpunkt der Zyklen als neutralen Punkt, dann steigen die Zyklen zunächst zu ihren positiven Gipfeln an, gehen dann auf neutrale Zustände in der Mitte des jeweiligen Zyklus zurück, um schließlich in die negative Phase überzugehen, wel- che gekennzeichnet sein soll durch ein geringes Leistungspotential im Hinblick auf körperliche, emotionale und intellektuelle Bedingungen. Als besonders kritisch werden von die- ser Theorie die Übergänge zwischen positiven und negativen Kurvenan- teilen angesehen, die als „kritische Tage" betrachtet werden, was sich in erhöhter Unfallgefahr, geringer Leistungsfähigkeit usw. ausdrücken soll.

Bei einer kritischen statistischen Überprüfung dieser Theorie konnten aber Khalil und Kurucz zeigen, daß sich Einflüsse des „Biorhythmus"

auf das Leistungsverhalten und auf Unfälle nicht nachweisen lassen.

Neue Schulformen, bei denen ein Teil des Unterrichts in die Mittagszeit fällt, haben erneut zu Diskussionen über die Grundlagen des Leistungsver- haltens von Kindern und Ju- gendlichen geführt. Die Dis- kussion kann versachlicht werden, wenn Kenntnisse über Ursache und Ablauf ta- gesperiodischer Variationen physiologischer Prozesse und psychischer Leistungen bei den Gesprächspartnern in Schule und Elternhaus vor- handen sind. Die Vermittlung solcher Kenntnisse ist Aufga- be der Ärzteschaft, die da- durch zur Herstellung ver- nünftiger Organisationsfor- men in der Schule beitragen und durch Beratung der El- tern mithelfen kann, unver- nünftige Regelungen des Frei- zeitablaufs der Kinder abzu- bauen.

2. Circadianperiodik und Leistungsverhalten

Unter der circadianen Periodik wer- den Schwankungen von physiologi- schen Funktionen und Leistungen im 24-Stunden-Bereich verstanden.

Das von Halberg gebildete Kunst- wort „circadian" (von „circa diem") soll ausdrücken, daß die hier ge- nannten rhythmischen Schwankun- gen nicht streng auf den 24-Stun- den-Tag bezogen sein können, da sie aus einer endogenen Kompo- nente, der sogenannten „Spontan- frequenz", entstehen, deren Periode im allgemeinen länger oder kürzer als 24 Stunden ist, die aber durch sogenannte Zeitgeber auf eine 24- Stunden-Periodik synchronisiert werden (Aschoff; Halberg).

In den letzten 150 Jahren sind sol- che tagesperiodischen Schwankun- gen nicht nur für viele physiologi- sche Funktionen (Aschoff), sondern auch für viele psychische Leistun- gen nachgewiesen worden (Colqu- houn).

Kind und biologische Rhythmik

Joseph Rutenfranz

Aus dem Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund

(Geschäftsführender Direktor: Professor Dr. W. Lausig)

(2)

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2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 [Tage]

Darstellung 1: Der „Biorhythmus" für körperliche (—), emotionale (--) und intellektuelle ( . . ) Funktionen (aus Khalil und Kurucz. Ergonomics 20 [1977]

389-398)

Positive Antworten 1-7,1

6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 2

Darstellung 2: Häufigkeit des Einschlafens am Steuer in Abhängigkeit von der Tageszeit (nach Prokop und Prokop. Dtsch. Zschr. ger. Med. 44 [1955]

343-355) 0

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Biologische Rhythmik

3. Schulschwierigkeiten und Tagesperiodik

physiologischer unktionen Im Zusammenhang mit Schul- schwierigkeiten werden periodische Veränderungen des Leistungsver- haltens seit langem diskutiert (zum Beispiel Baade; Kraepelin, 1897;

Offner). Ausgangspunkt für diese Diskussion waren Beobachtungen aus dem täglichen Leben, wonach der Mensch zu verschiedenen Stun- den des Tages offensichtlich unter- schiedlich „bereit" ist, zur Vollbrin- gung vor allem von mentalen Lei- stungen. So berichtete bereits Bech- terew (1893) über „Geschwindig- keitsveränderungen der psychi- schen Prozesse zu verschiedenen Tageszeiten" mit folgenden Worten:

„Die Geschwindigkeit der psychi- schen Prozesse zeigt im Laufe des Tages regelmäßige typische Schwankungen, und es bleibt der Typus der Tagesschwankungen un- ter normalen Bedingungen mehr oder weniger konstant. Diese Kon- stanz erinnert an den Gang der Kur- ven physiologischer Prozesse (zum Beispiel der Körpertemperatur). Der Typus der Tagesschwankungen re- präsentiert sich in der Form einer und derselben Kurve, wobei mor- gens der Verlauf der psychischen Prozesse verzögert, abends be- schleunigt ist. Die geringste Ge- schwindigkeit fiel auf den Nach- mittag."

Gleichartige Beobachtungen aus demselben Jahr stammen von Krae-

pelin (1893), der den Tagesgang der

„psychischen Disposition" in plasti- scher Weise mit folgenden Worten schilderte, wobei es mir erlaubt sei, seine Beobachtungen durch eine Untersuchung von Prokop und Pro- kop über die Häufigkeit des Ein- schlafens am Steuer mit modernen Fakten zu illustrieren (Darstellung 2):

„Bei fortgesetzter Arbeit pflegt die Leistungsfähigkeit bis gegen die Mittagszeit zu steigen. Nach dem Essen ist sie plötzlich sehr bedeu- tend gesunken, gleichzeitig läßt sich ein Überwiegen der äußeren Asso- ziationen und eine geringe Festig- keit der Vorstellungsverbindungen nachweisen. Diese Erscheinungen sind indessen kein Zeichen für Ar- beitsermüdung, da sie sich nach zwei bis drei Stunden, auch wenn weitergearbeitet wird, wieder verlie- ren." Nach dem Essen „steigt die Leistungsfähigkeit allmählich wie- der an, bis früher oder später, nun aber unaufhaltsam, die Ermüdungs- erscheinungen definitiv die Ober- hand gewinnen".

Dieses Phänomen wurde schon da- mals im Zusammenhang mit Fragen der Schulorganisation, der Pausen- gestaltung und der Länge des Schularbeitstages diskutiert. Heute ist offenkundig, daß Schule und El- ternhaus auf diese Voraussetzungen nicht immer in gebührendem Maße Rücksicht nehmen. Bekanntes Bei- spiel für diese Tatsache war nach dem Krieg zum Beispiel der Schicht- unterricht (Graf und Rutenfranz;

Hellbrügge et al., 1960). Für diese aus der Not der damaligen Zeit ent- standene Schulform ließ sich zei- gen, daß wichtige Teile des Schul- unterrichtes in Phasen verminderter Leistungsbereitschaft fielen.

Da man unterstellen darf, daß diese mangelhafte Beachtung biologi- scher Fakten in Schule und Eltern- haus meist auf Unkenntnis und nicht auf böser Absicht basiert, seien für die zur Zeit wieder aktuellen Diskus- sionen zwischen Lehrern, Eltern und Ärzten aus dem Bereich der Tages- periodik physiologischer Funktio- nen und Leistungen im Kindesalter

356 Heft 6 vom 8. Februar 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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e1mge der allgemeinen ärztlichen Erfahrung leicht zugängliche Tatsa- chen zusammengestellt.

4. Schlaf-Wach-Rhythmik im Kindesalter

Nach dem heutigen Kenntnisstand ist davon auszugehen, daß der Wechsel zwischen Schlafen und Wachen nicht die Ursache der tagesperiodischen Schwankungen physiologischer Funktionen ist, son- dern daß der Schlaf-Wach-Rhyth- mus selbst eine der wichtigsten ta- gesperiodischen Erscheinungen darstellt (Kieitmann). Nach den Un- tersuchungen von Kleitmann und Engelmann (Darstellung 3) ist dabei davon auszugehen, daß der Schlaf- Wach-Rhythmus beim Kind angebo- ren ist und eine Spontanfrequenz von etwa 25 Stunden hat. ln Studien mit einem sogenannten "self-de- mand-feeding-schedule", bei denen Kinder von der Geburt ab unabhän- gig von der Tageszeit immer dann gefüttert wurden, wenn sie eine fest- gelegte Zeit lang geschrieen hatten, ließ sich nämlich zeigen, daß bereits von der Geburt ab größere Wachzei- ten an jedem Tag auftraten, die in Darstellung 3 wie "Milchstraßen"

aussehen und sich von links nach rechts mit zunehmendem Lebensal- ter zunächst verschieben.

Dies bedeutet, daß die Wachzeiten wegen der Spontanfrequenz der Schlaf-Wach-Rhythmik zunächst keinen festen "Ort" auf der Zeitach- se haben, sondern sich ständig sy- stematisch verschieben.

Dieses Phänomen erklärt die Eltern und Pädiatern seit langem bekannte häufige Schwierigkeit mit dem

"Durchschlafen" der Kinder in den

ersten Lebenswochen. Dies ändert sich jedoch nach ca. ein bis drei Monaten (Parmelee); zu diesem Zeitpunkt prägt sich über die kogni- tiven und sozialen Zeitgeber ein zu- nehmend stabiler werdender Schlaf-

Wach-Rhythmus aus, wobei sich die

Wachperiode konstant auf die Zeit zwischen 8 und 20 Uhr verlagert, weil die genannten Zeitgeber nun die Spontanfrequenz von 25 Stun-

zwischen dem 11. und 182. Le·

benstag (nach Kleiiman und Engelmann. J.

appl. Physiol. 6 [ 1953] 269-282)

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38 Tagesverläufe 3 5 7 [Uhr]

6 -TOJahre 32 Kinder 133 Tagesverläufe

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5 7 {Uhr]

11-15 Jahre 21 Kinder 91. Tagesverläufe.

9 Kinder

~

1.8 Tagesverläufe 9 11 13 15 17 19 21 23 1 3 5 7 {Uhr)

Darstellung 4: Verteilung von Schlafen und Wachen bei Kindern im 2. bis 15.

LebenSJahr (nach Hellbrügge. Rutenfranz und Graf Gesundheit und Lei- stungsfähigkeit im Kindes-und Jugendalter. Thieme, Stuttgart 1960)

(4)

5" Uhr von

5" 9" 13" 17 1° 21"

6-18 Wochen alt

Mittelwerte aus 74 Tagesperioden lo Kindern

5" Uhr 5.• ge• 13" 17" 21°°

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5" Uhr 13 17" 21" . 1"

Körpertemperatur

(nach Jundell)

1-3 Wochen alt

Mittelwerte aus 369 Tagesperioden von 58 Kindern

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Pulsfrequenz

(nach Helibrügge, Lange u. Rutenfranz )

1-3 Wochen alt

Mittelwerte aus 52 Tagesperioden von 19 Kindern

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37,0

von 12o

90

36,4

4-9 Wochen alt

Mittelwerte aus 126 Tagesperioden

.c 2o Kindern

37,6 37,4 3Z2 3Zo 36,8 36,65

Darstellung 5: Entwicklung der Tagesperiodik physiologischer Funktionen im Säuglingsalter (nach Hellbrügge, Lange, Rutenfranz und Stehr. Fortschr. Med. 81 (1963) 19-26)

110

100

110

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36,8 36,6

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Biologische Rhythmik

den mit der sozialen Zeitstruktur von 24 Stunden synchronisieren.

Diese Schlaf-Wach-Rhythmik ent- wickelt sich im Kindes- und Jugend- alter weiter, wobei charakteristische Altersunterschiede auftreten (Hell- brügge et al.). So wachen Kleinkin- der zum Leidwesen ihrer Eltern be- kanntlich oft schon gegen 5 Uhr auf, fallen gegen 14 Uhr trotz gegenteili- ger eigener Wünsche spontan in tie- fen Schlaf und werden gegen 20 Uhr zumeist wieder schlafend angetrof- fen. Im Laufe des Jugendalters ver- schieben sich diese Verhältnisse in der Weise, daß die Kinder zuneh- mend später aufwachen und später zu Bett gehen, doch bleibt bei vielen Kindern ein spontanes Schlafbe-

dürfnis um die Mittagszeit bestehen (Darstellung 4).

5. Tagesperiodik physiologischer Funktionen und psychischer Leistungen

Gleichsinnige Tendenzen mit der Entwicklung des Schlaf-Wach-Sy- stems zeigen andere Systeme; so ist zum Beispiel das System der Tem- peraturregulation und der Kreislauf- regulation bereits im Säuglingsalter tagesperiodisch gegliedert, wobei die vermutlich auch in den ersten Lebenswochen bereits bestehende rhythmische Gliederung dieser Kör- perfunktionen in Darstellung 5 durch die Mittelbildung verdeckt

wird. Mit zunehmendem Lebensalter prägen sich die Amplituden dieser Funktionen weiter aus und errei- chen im Alter von 15 Jahren bereits annähernd die Verhältnisse bei Er- wachsenen (Hellbrügge et al.).

Neben den physischen Funktionen sind bei Kindern auch tagesperiodi- sche Unterschiede für mentale Lei- stungen nachgewiesen worden. So weist zum Beispiel die Rechenge- schwindigkeit, ein einfaches Bei- spiel für Gedächtnis und Entschei- dungsfunktionen, eine deutliche Ab- hängigkeit von der Tageszeit auf (Darstellungen 6 a und b). So konnte schon Baade 1904 zeigen (Darstel- lung 6 b), daß die Leistung in dieser Funktion um 8 Uhr noch ziemlich,

358 Heft 6 vom 8. Februar

1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Rutenfranz und Hellbrügge, Zschr.

Kinderheilk. 80 [1957] 65-82) a) nach Untersuchungen von Rutenfranz und Hellbrügge, 1957

b) nach Untersuchungen von Baade, 1907

Darstellung 7: Tagesgang der physiologischen Leistungsbereitschaft in Anleh- nung an UntersüChungen von Bjerner et al. (nach Bjerner, Holm and Swens- son. Br. j. incl. med. 12 [1955] 103-110)

Autonom geschützte Einsatzreserven

unwillkürlich realisierbare Leistung

...^.../Grenze der physiologischen Leistungsbereitschaft

Darstellung 8: Schema der Leistungsbereiche in Abhängigkeit von der Tages- zeit (nach Schmidtke: Die Ermüdung, Huber, Bern-Stuttgart 1965)

a

b 16 18 20 22 Uhr 95

90 105

100

95

90 8 10 12

niedrig liegt, im Laufe des Vormit- tags bis gegen 10-11 Uhr zu ihrem ersten Gipfel ansteigt, um 14 Uhr wieder besonders niedrig ist, um am späten Nachmittag erneut anzustei- gen. Diesen Befund haben Ruten- franz und Hellbrügge auf die Zeit von 7 bis 21 Uhr erweitert und grundsätzlich bestätigt (Darstellung 6 a).

6. Konsequenzen für die Gestaltung des Tagesablaufes im Kindes- und Jugendalter Die dargestellten Fakten lassen er- kennen, daß immer dann Probleme zwischen Leistungsanforderungen und Leistungsbereitschaft zu erwar- ten sind, wenn in der Schule oder im Elternhaus an Kinder und Jugendli- che Anforderungen zu Zeiten ge- stellt werden, in denen sie nicht auf Leistung „geschaltet" sind (Darstel- lung 7). Natürlich können Kinder bei solchen Anforderungen zu jeder Zeit die Grenze der physiologischen Lei- stungsbereitschaft im Sinne von Graf überschreiten, da diese „Gren- ze" nicht als starre Schranke ver- standen werden kann. Vielmehr ha- ben die Heranwachsenden hier will- kürlich „Einsatzreserven" zu reali- sieren, was aber in Abhängigkeit von der Tageszeit mit recht erheblich unterschiedlichen „psychischen Ko- sten" verbunden sein wird. Falls Kinder diesen Weg bei mangelnder Motivation nicht gehen wollen, wer- den sie in Leistungsverweigerung durch „Abschalten" und „Träumen"

ausweichen, was zum Beispiel dem Schulunterricht kaum förderlich sein kann und den Lehrern die ent- sprechenden Motivierungs- und Dis- ziplinschwierigkeiten bringen wird.

Kritisch in diesem Zusammenhang erscheinen mir von den Schultypen, die in den letzten Jahren durch „Re- formen" entstanden sind, vor allem die Ganztagsschule, die Verlegung des Schulpensums auf fünf Tage in der Woche sowie die Reformierte Oberstufe, da hier die Schulzeit zum Teil bis in die späten Mittags- bezie- hungsweise frühen Nachmittags- stunden verlagert wird und dadurch die Leistungsanforderungen mit ei-

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Biologische Rhythmik

nem „Tief" der physiologischen Lei- stungsbereitschaft kollidieren müs- sen.

NOTIZEN

Östrogene und Korpuskarzinom

Das Ministerium für Gesundheit, Er- ziehung und Wohlfahrt (HEW) der Vereinigten Staaten veröffentlichte in den HEW-News vom 4. Januar 1979 folgende Pressemitteilung:

Eine im heute erschienenen Heft des New England Journal of Medicine veröffentlichte große Untersuchung bestätigt, daß die Gabe von Östroge- nen bei Frauen in der Menopause und danach mit einem erhöhten Korpuskarzinomrisiko einhergeht.

Die Untersuchung im New England Journal stimmt mit den Ergebnissen fünf vorausgegangener Studien überein. Die neue Untersuchung wurde von einer Ärztegruppe unter Leitung von Dr. Paul Stolley, Profes- sor für medizinische Forschung an der Universität von Pennsylvania, durchgeführt. Der amerikanischen Nahrungs- und Arzneimittelkontroll- behörde (FDA) wurde das Manu- skript einige Wochen zuvor zugäng- lich gemacht, sie stimmt mit den darin gezogenen Schlüssen überein.

Der Beitrag einer anderen Gruppe in der Ausgabe vom 16. November 1978 des New England Journal be- hauptete, daß die in den vorausge- gangenen Studien verwendeten Ver- fahren voreingenommen und ein Zu- sammenhang zwischen der Östro- gengabe und Korpuskarzinom nicht erwiesen sei. Ein Leitartikel in der- selben Ausgabe des New England Journal wies diese Behauptung zu-

rück, wie das auch in der neuesten Untersuchung geschehen ist.

Der Präsident (Commissioner) der FDA, Donald Kennedy, nahm zu dem Ergebnis der neuen Studie wie folgt Stellung:

„Die neue Untersuchung bestätigt mehrere frühere Studien, die zum gleichen Schluß kamen. Insbeson- dere widerlegt sie die in dem Beitrag im New England Journal vom 16. 11. 1978 behaupteten methodo- logischen Schwierigkeiten. Die neue Untersuchung sollte den Streit um einen Zusammenhang zwischen Östrogeneinnahme und Korpuskar- zinom beenden.

Frauen, die bereits Östrogene neh- men oder die Einnahme erwägen, sollten die mit den Präparaten aus- gehändigte Information sorgfältig lesen und das Präparat mit ihrem Arzt besprechen. Östrogene können zur kurzfristigen Behandlung eini- ger der schwersten Menopausen- symptome von Wert sein.

Es gibt jedoch keinen Hinweis dar- auf, daß sie bei vielen der Zweckbe- stimmungen, bei denen sie ange- wandt wurden, auch wirksam sind.

Sie sollten immer in der geringsten wirksamen Dosis für die kürzest mögliche Zeit gegeben werden."

Seit Oktober 1977 hat die FDA ver- langt, daß mit der Ausführung einer jeden Verordnung eines Östrogen- präparats den Frauen eine besonde- re, für Laien verständliche Broschü- re gegeben wird. Diese Broschüre weist auf den Zusammenhang zwi- schen Östrogengabe und Korpus- karzinom hin. Sie besagt, daß Östro- gene, wenn in der Menopause ver- ordnet, nur zur Behandlung von Hit- zewallungen gegeben werden sol- len. Die Wirksamkeit von Östroge- nen gegen einfache Nervosität und Depression während der Menopau- se sei nicht erwiesen, auch nicht, daß sie den Frauen helfen, sich nach der Menopause jünger zu fühlen.

Die neue Studie im New England Journal ergab, daß Frauen, die östrogenhaltige Arzneimittel ein- nehmen, ein sechsmal größeres Ri- siko haben, ein Korpuskarzinom zu bekommen, als solche, die es nicht tun. Sie bestätigt frühere Folgerun- gen, daß das Risiko mit der Einnah- medauer zunimmt. Frauen, die diese Arzneimittel länger als fünf Jahre einnehmen, haben ein 15fach höhe- res Risiko, an Korpuskarzinom zu erkranken, als solche, die sie nicht nehmen, ergab die Studie.

Das [in den USA, der Übersetzer]

häufig verschriebene Östrogen-Prä- parat ist Premarin. Andere Präparate sind Hormonin, Estratab, Evex, Menest, Femogen und Ogen.

Wenn man solche Schulformen trotzdem will, dann muß man die entsprechenden Organisationsfor- men dem Tagesverlauf der physiolo- gischen Leistungsbereitschaft an- passen. Generell kann man davon ausgehen, daß die Zeit besonderer Leistungsbereitschaft im Schulalter zwischen 9 und 12 Uhr, maximal zwischen 8 und 13 Uhr liegt, und daß der zweite Gipfel für mentale Lei- stungen nicht vor 16 Uhr beginnt.

Bei jüngeren Kindern, vor allem im Vorschulalter, sind die Gipfel in Richtung auf frühere Zeiten verla- gert, und die Mittagssenke ist aus- geprägter.

Eirie vernünftige Schulorganisation sollte darum den Schulbetrieb mög- lichst in der Zeit zwischen 8 Uhr und 13 Uhr, bei jüngeren Schulkindern zwischen 9 und 12 Uhr abwickeln.

Die Eltern sollten ihren Kindern in der „Mittagssenke" nach dem Mit- tagessen Zeit zum „Träumen" und Spielen lassen und sie mit den Haus- aufgaben je nach Jahreszeit — zwi- schen 16.30 und 18 Uhr beschäf- tigen.

Literatur

Aschoff, J.: Zeitliche Strukturen biologischer Vorgänge, Nova Acta Leopoldina N. P. 21 (1959) 147-177 — Hellbrügge, Th., Rutenfranz, J., Graf, 0.: Gesundheit und Leistungsfähigkeit im Kindes- und Jugendalter, Thieme, Stuttgart 1960 — Kleitman, N.: Sleep and wakefulness, University of Chicago Press, Chicago 1963

—Rutenfranz, J.: Beanspruchung von Schülern, Arbeitsphysiologische Aspekte der derzeitigen Schulsituation, BMBW Werkstattbericht Nr. 3, Herausgeber: Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Bonn 1977 — Schmidtke, H.:

Die Ermüdung, Huber, Bern-Stuttgart 1965

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Dr. phil.

Joseph Rutenfranz Ardeystraße 67

4600 Dortmund

Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund

360 Heft 6 vom 8. Februar 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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des Pancatantra&#34;, aber nichl „der alte Urtext des Pancatantra&#34;. genannt

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