Schlußwort
Zu 1: Für seinen Hinweis bin ich Herrn Dr. Halama sehr dankbar.
Hypnosetherapie und insbesondere auch Entspannungsverfahren wie das Autogene Training sind nach- weislich wirksame Behandlungsver- fahren, die, bezogen auf den Auf- wand, durchaus akzeptable Behand- lungsergebnisse erreichen lassen. Bei sogenannten Meta-Studien, die sich mit unterschiedlichen Behandlungs- verfahren befassen, lassen sich durchaus befriedigende Ergebnisse feststellen (vgl. Ubersicht von Rohr- meier 1982). Die Psychotherapie- Richtlinien erlauben den Einsatz der Hypnose sowohl im Rahmen der psy- chosomatischen Grundversorgung als auch im Rahmen eines verhal- tenstherapeutisch orientierten Ge- samtbehandlungsplanes (vgl. Faber und Haarstrick 1989, Seite 93 ff).
Zu 2: Zu der Frage des Kollegen Ebner ist folgendes festzuhalten:
Vor der Einführung von neuen Be- handlungsverfahren werden deren Wirksamkeitsnachweise vom Bun- desausschuß der Ärzte und Kran- kenkassen überprüft. Die große Zahl verschiedener familientherapeu- tischer Schulrichtungen und die Vielgestaltigkeit familientherapeu- tischer Maßnahmen machen hier ei- ne Überprüfung der Wirksamkeit einzelner Maßnahmen sehr schwer, zumal von der Mehrzahl der famili- entherapeutischen Schulrichtungen nicht einmal für eines der häufigsten familientherapeutisch behandelten Symptome Ergebnisuntersuchungen vorliegen (vgl. Wirsching 1990).
Daneben besteht eine weitere Schwierigkeit, die darin liegt, daß ein Teil der familientherapeutischen Schulen, insbesondere die Systemi- sche Familientherapie, individuelle ätiopathogenetische Aspekte bei der Entstehung von psychischen Krank- heiten weitgehend außer acht läßt (vgl. hierzu Cierpka 1989). Auf der einen Seite zeichnet sich die Syste- mische Familientherapie durch sehr plausible und im Einzelfall auch überzeugende Interventionsmöglich- keiten im Gesamtsystem Familie aus;
sie erfaßt aber auf der anderen Seite die für den einzelnen Patienten rele- vanten ätiopathogenetischen Aspek-
te nur begrenzt. Mit Hilfe von fami- lientherapeutischen Interventions- möglichkeiten kann es insbesondere gelingen, sehr verkrustete und pa- thologisch stabilisierte Familiensy- steme so weit in Bewegung zu brin- gen, daß therapeutische Ansatz- punkte im engeren Sinne ermöglicht werden. Damit stellen familienthera- peutische Ansätze eine wichtige Er- gänzung zu bereits verfügbaren ein- zel- und gruppenpsychotherapeuti- schen Ansätzen dar und können im Rahmen eines entsprechenden Ge- samtbehandlungsplanes — in der Re- gel in einer recht begrenzten Sit- zungszahl (5 bis 20) — zur Anwen- dung kommen Dies ist bereits im Rahmen der jetzigen Psychothe- rapie-Richtlinien möglich (vgl. Faber und Haarstrick 1989, Seite 46).
Zu 3: Ich weiß nicht, woher Herr Dr. Egen seine Kenntnisse über die Psychoanalyse bezieht. Soweit er
„Literatur" anführt, handelt es sich um den „Spiegel" sowie einen Wis- senschafts-Redakteur der „Zeit"; au- ßerdem führt er als Kronzeugen Hans-Jürgen Eysenck an, dessen be- reits 1953 erschienene Meta-Studie über die Unwirksamkeit der Psycho- analyse nun schon seit mehreren Jahrzehnten als widerlegt gelten muß. Trotz vielfältiger Vorurteile ist die Wirksamkeit der analytisch ori- entierten Behandlungsverfahren und die der Verhaltenstherapie hinrei- chend nachgewiesen sowohl in repli- zierten Erfolgsstudien als auch in so- genannten Meta-Studien. Im übri- gen ist es nicht sehr hilfreich, eine sehr karikierte Form von analyti- scher Psychotherapie, die kaum der Realität entspricht, zum Gegenstand von Angriffen zu machen.
Zu 4: Ein in seinem Umfang be- grenzter Ubersichtsartikel läuft im- mer Gefahr, eine „verkürzte Sicht"
vorgehalten zu bekommen Auch wenn meine Erwiderung dasselbe Urteil erfahren sollte, möchte ich zu drei Punkten Stellung nehmen:
❑ Die Möglichkeiten für eine psychotherapeutische Versorgung sind in der Bundesrepublik Deutsch- land und in West-Berlin „im Ver- gleich zur Situation außerhalb un- serer Grenzen einmalig günstig".
Dümpelmann unterschlägt den er- sten Teil meiner Aussage; ich habe
an keiner Stelle behauptet, daß das derzeitige Versorgungssystem das absolute Optimum darstellt; meine relativ positive Einschätzung bezieht sich vielmehr auf die Ausgangssitua- tion, in der sich die psychotherapeu- tische Versorgung in unserem Lande noch Anfang der 60er Jahre befand, und den Vergleich mit dem Ausland.
❑ Ich stimme mit Dümpelmann darin überein, daß viele Hausärzte oft intuitiv und vor Ort sehr gut das erfassen, warum es bei vielen Krank- heitsbildern geht. Die psychosomati- sche Grundversorgung versucht hier, den Hausärzten eine Hilfestellung zu geben, damit sie über eine entspre- chende Fortbildung lernen, ihre per- sönlichen Erfahrungen zu systemati- sieren und so wirkungsvoller und zum Nutzen der Patienten zur An- wendung bringen zu können. Im Be- reich der psychotherapeutischen Weiterbildung für den niedergelas- senen Hausarzt scheint uns übrigens die Schweiz voraus zu sein.
❑ Dümpelmann widerspricht von mir zitierten Auffassungen, daß die Psychoanalyse im klassischen Stil nur bei etwa zehn Prozent der Pa- tienten infrage kommt, und verweist dabei auf die Göttinger Situation.
Dies hat mich sehr überrascht, da die entsprechende Zahl gerade von ei- nem langjährig erfahrenen Göttinger Kollegen (Hering) stammt. Hering zufolge hat es der niedergelassene Therapeut mit Patienten zu tun, „die zu 90 Prozent nicht ‚klassisch' zu be- handeln seien" (siehe Literaturver- zeichnis).
Mein Hinweis bedeutet also auf keinen Fall, daß die analytische Psy- chotherapie überflüssig ist, vielmehr, daß sie beim größten Teil der Patien- ten nur in einer modifizierten Form zur Anwendung kommen kann.
Literatur, soweit sie nicht bereits im aus- führlichen Literaturverzeichnis des Arti- kels selbst aufgeführt ist, ist beim Verfas- ser zu erhalten.
Prof. Dr. med. Ulrich Rüger Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie der Universitätskliniken Von-Siebold-Straße 5 W-3400 Göttingen A-994 (80) Dt. Ärztebl. 88, Heft 12, 21. März 1991