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Archiv "Chronische Erkrankungen: Psychische und körperliche Komponenten nicht trennen" (31.03.2000)

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A-824

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 13, 31. März 2000 Werbung für die Aktion durch per-

sönliches Anschreiben seitens der BKK lief, verbunden mit Aufklärun- gen über Sonne und Hautpflege sowie Hautschutz. Dies hat die Zusammen- setzung der Teilnehmer in den einzel- nen Jahren beeinflusst.

Wichtig war, weil epidemiolo- gisch wünschenswert, dass das Durch- schnittsalter der untersuchten Perso- nen während der Kampagne von 48,6 (1995) über 43,6 (1996) auf 40,9 Jahre gesunken ist. Dies bedeutet, dass die Chance, Frühstadien von Melanomen (< 0,75 mm TU-Dicke) zu finden, steigt. Die Heilungschancen könnten dadurch erheblich verbessert werden, denn der Altersmedian der Melanom- Erkrankung liegt heute bei 54 Jahren – das heißt: 50 Prozent aller Erkran- kungen werden (erst) zu diesem Zeit- punkt diagnostiziert.

Die während der untersuchten Zeiträume steigenden Anteile weibli- cher Teilnehmer (von 43,4 auf 53,1 Pro- zent) korrelieren gut zu dem beobach- teten Trend, dass Frauen gesundheits- bewusster sind und Verhaltensweisen eher ändern. Positiv ist auch zu inter- pretieren, dass die Zahl der Untersuch- ten unter 35 Jahren während der Akti- on deutlich angestiegen ist; bei den un- ter 20-Jährigen sogar von unter zwei

MEDIZINREPORT

Prozent auf 18 Prozent. Auffällig ist der hohe Anteil der Patienten, bei denen – obwohl sie sich subjektiv für gesund hielten – ein Hautkrebs oder eine Prä- kanzerose aufgedeckt wurde. So hiel- ten sich 60 Prozent der Melanompati- enten für hautgesund.

Bei 10 186 Teilnehmern (16,5 Pro- zent) wurde eine notwendige Behand- lung durch die Ärzte eingeleitet. Bei den meisten Untersuchten konnte dies ambulant und somit extrem kostengün- stig in der Praxis erfolgen. Nur bei 2,4 Prozent der Untersuchten war eine am- bulante oder stationäre Behandlung im Krankenhaus erforderlich: Es fand sich bei den 61 581 Untersuchten 151-mal der dringende Verdacht auf ein Mela- nom! In 30 Fällen war die Verdachtsdia- gnose bis zum Studienende histologisch belegt. Wegen der langen Laufzeit der Abrechnungen wurde auf ein endgül- tiges Vorliegen aller Histologien ver- zichtet, zumal die Sicherheit der Me- lanomerkennung von Dermatologen bei über 90 Prozent liegt. Die Zahl der entdeckten Melanome liegt weit (cir- ca 16fach) über der „offiziellen“ In- zidenz von mindesten zehn bis 15/

100 000 EW, was wiederum die Selbst- selektion der Risikopatienten belegt und möglicherweise auch Zweifel an den Inzidenzzahlen nährt. Vergleichba-

res gilt übrigens auch für die oben er- wähnten anderen großen Studien.

Man hat sich in den verschieden- sten Ländern mit der Kosten-Nutzen- Relation bei Screeninguntersuchun- gen befasst. Wichtig ist vor allem die Erkenntnis, dass bei Screening- aktionen bis zu 70 Prozent der Me- lanome Low-risk-Melanome sind, die eine besonders kostengünstige The- rapie ermöglichen. Die „Haut OK“- Aktion, mit der Entdeckung von 151 Melanomen, kostete nach der teuren Anfangsphase von 131 DM pro unter- suchter Person später etwa 52 DM pro Teilnehmer.

Daraus lässt sich abschätzen, dass die Entdeckung eines Melanoms circa 28 000 DM erfordert (bei 4 229 212 DM Gesamtkosten der Aktion). Wenn man nur die Kosten für eine Mela- nomtherapie in Spätstadien mit chirur- gischer Intervention und adjuvanter Therapie mit 150 000 bis 200 000 DM rechnet, war auch unter Kostenge- sichtspunkten eine hohe Effizienz ge- geben. Ein längeres Zögern, die Haut- krebs-Vorsorge in die Versicherungs- leistungen zu implementieren, scheint somit – finanziell und ethisch – kaum länger vertretbar.

Dr. med. Klaus Gebhardt Dr. med. Markus Steinert

Etwa 20 Prozent aller Patienten suchen ihren Hausarzt aufgrund psychosomatischer Störungen auf. Einerseits wer- den diese Störungen häufig nicht charakterisiert und daher nicht behandelt, andererseits wollen einige Patienten nicht durch psychische Aspekte ihrer Erkrankung stigmatisiert werden. In anderen Fällen wird das „Psychische“ zu früh als Ursache einer schwierig zu erklärenden Erkrankung akzep- tiert. Folge: Der somatische Hintergrund der Erkrankung be- steht weiter. Somit nimmt die Chronifizierung, die für viele psychosomatische Erkrankungen typisch ist, ihren Lauf.

Wie Prof. Michael Wirsching (Freiburg) anlässlich des 7. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapeu- tische Medizin in Freiburg berichtete, verändert sich im Verlauf der Chronifizierung nicht nur der leidende Mensch, sondern auch die Reaktionsweise seines Organismus und damit der Cha- rakter der Störung, die sich allmählich verselbstständigt. Das Resultat ist die chronische Erkrankung, deren Ursache oft nicht mehr feststellbar und deren Auslöser beziehungsweise Verstär- ker atypisch, zusammenhanglos und – weil häufig mit psychi- schem Stress verbunden – als „seelisch bedingt“ erscheinen.

Besonders eindrückliche Beispiele dafür sind chronische Schmerzleiden, Migräne und Schwindel, denen besonders

häufig und hartnäckig das Etikett des „nur Psychischen“ an- haftet, weil ihre Ursachen nicht mehr lokalisiert werden kön- nen. Immerhin litten 40 Prozent der Bevölkerung an Kopf- schmerzen, die für jeden fünften Arbeitsunfähigkeitstag ver- antwortlich sind, unterstrich Dr. Rolf Durian (Stuttgart).

Zehn Prozent aller Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wür- den aufgrund von chronischen Rückenschmerzen ausgestellt;

rund ein Fünftel der Bevölkerung leide an Schwindel.

Die Trennung zwischen seelischer oder körperlicher Bedingtheit könne bei chronischen Erkrankungen nicht auf- recht erhalten werden, betonten Durian und Wirsching. Da- her sei eine multimodale Therapie, die beide Aspekte berücksichtige, erforderlich. Wurde medikamentös eine Symptomreduktion erreicht, müssen zusätzlich die psychisch bedingten Triggerfaktoren von Migräne-, Schmerz- oder Schwindelattacken identifiziert und überwunden werden.

Psycho-, verhaltens- und/oder familientherapeutische Ver- fahren sind erforderlich. Allgemeinärzte, Internisten, Or- thopäden und Neurologen sollten daher beim Verdacht auf eine psychosomatische Erkrankung die Zusammenarbeit mit einem Facharzt für Psychotherapeutische Medizin su-

chen, so Durian. Elisabeth B. Moosmann

Chronische Erkrankungen:

Psychische und körperliche Komponenten nicht trennen

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