DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
FEUILLETON
Kunsttherapie im Aufbau
Die Rockefeller-Stiftung hatte 1982 in Bellagio am Comersee ein Symposium „Die heilende Rolle der Kunst" veranstaltet;
dies gab die erste Anregung zur Gründung der Internationalen Gesellschaft für Kunst, Gestal- tung und Therapie im April 1984 durch Ärzte, Therapeuten, Künstler und Wissenschaftler aus Europa und den USA.
Die Gesellschaft dient der Begegnung und Zusammenar- beit von Künstlern, Ärzten, Kunsttherapeuten und Perso- nen, die in der Rehabilitations- medizin sowie in Prävention und Gesundheitserziehung tätig sind. Die Gesellschaft stellt sich zur Aufgabe, künstlerische Akti- vitäten in diesen Bereichen zu fördern, die Gründung geeigne- ter Ausbildungsstätten und Lehrgänge für Kunst-Therapie zu unterstützen und unter ei- nem gemeinsamen Dach einen breiten Erfahrungsaustausch aus den verschiedenen Berei- chen zu ermöglichen. Für die nächste Jahrestagung 1986 ist als weiteres Thema die Biblio- therapie — auch Literaturthera- pie genannt — vorgesehen.
Ascona (Monte veritä), der Sitz der Gesellschaft, ist seit Jahr- zehnten ein Ort der Begegnung, ein Treffpunkt von Menschen mit vielerlei Interessen und Nei- gungen.
Im Oktober 1985 fand in Ascona die Jahrestagung statt. Hier dis- kutierten die Mitglieder zwei Ta- ge zum Thema „Kunsttherapie
im Aufbau": In der Kunstthera- pie steht die Kreativität des kranken Menschen im Mittel- punkt: der Ausdrucks- und Ge- staltungsdrang, der allen Men- schen innewohnt. Zunehmend finden die verschiedensten Kunstrichtungen und Gestal- tungsmethoden Zugang zur Therapie (griechisch), was nicht
nur dienen und pflegen bedeu- tet, sondern auch hilfreich sein.
Vielen Menschen fällt es schwer, ihre Gefühle zu zeigen und auszusprechen; oft ist der Weg leichter über andere als verbale Ausdrucksformen: im Malen mit Farben, im Formen mit Ton und anderem Material, im tänzerischen Ausdruck, in der musikalisch-rhythmischen Gestaltung mit verschiedenen Instrumenten, im „von der Seele schreiben" von Gedanken, Schlaf- oder Tagtraumbildern oder auch im lauten Vorlesen oder (Rollen-)Spielen von Mär- chen, Parabeln und anderen Ge- schichten. Gerade bei diesen mehr indirekten Ausdrucksfor- men fließen viele unbewußte Anteile mit ein, die es therapeu- tisch zu nutzen gilt.
In der Kunsttherapie wird die heilende Kraft des schöpferi- schen Prozesses genutzt. Die In- dianer sprechen von der „Hand als Werkzeug der Seele". Es ist ein Irrtum, wenn manche Kranke meinen, man müsse für den Ein- stieg in die Kunsttherapie über eine künstlerische Begabung oder über besondere Fähig- keiten verfügen; ganz im Ge- genteil — gerade die Unbefan- genheit des Laien erleichtert die Mitarbeit.
Vom 20. bis 23. März 1986 findet auf dem Monte Veritä in Ascona das nächste Internationale Ba- lint-Treffen unter der bewährten Leitung von Boris Luban-Plozza statt. Das Thema: „Patient, Arzt, Familie im Umgang mit Schmerz und Leid".
Auskunft und Literatur beim Verfasser:
Dr. med. Hans H. Dickhaut Lutherstraße 10
6350 Bad Nauheim
Aktuelle Kulturnotizen
Medizinisch-literarischer Alma- nach auf das Jahr 1986 — Der Präsident des Bundesverbandes Deutscher Schriftsteller-Ärzte, Prof. Dr. med. Wilhelm Theo- pold, hat unter Mitarbeit von Günther Prinzhorn und dem Prä- sidenten des Bundesverbandes der Freien Berufe, Prof. J. F. Vol-
rad Deneke, einen einzigartigen medizinisch-literarischen Alma- nach herausgebracht. Der Her- ausgeber läßt Arztschriftsteller und -Poeten zu Worte kommen, die bereits der Vergangenheit angehören, ebenso wie zeitge- nössische Arztschriftsteller. Die Anthologie vereint Prosabeiträ- ge und einige besonders schö- ne Gedichte. Erschienen ist der Almanach im Karl Thiemig Ver- lag, München, 1985 (248 Seiten, 46 Illustrationen, 28 DM). GN Ferienseminar für Philosophie in der Toscana — Vom 17. bis zum 25. Mai wird der Leiter und Gründer des „Seminars für Phi- losophie", Dr. phil. Volker Spier- ling, Tübingen, in Loro Ciuffen- na, Toscana, Interessierte mit Karl R. Poppers Werk „Die offe- ne Gesellschaft und ihre Feinde:
Der Zauber Platons. Falsche Propheten (Hegel, Marx und die Folgen)" vertraut machen und diskutieren. Informationen und Anmeldung bis 28. Februar bei:
Dr. Volker Spierling, Obere Heu- landsteige 18, 7400 Tübingen, Telefon: 0 70 71/2 66 02. VS Kunst des 19. und 20. Jahrhun- derts in Baden-Württemberg
—Aus Anlaß ihres fünfundzwan- zigjährigen Bestehens präsen- tiert die Galerie der Stadt Stutt- gart erstmals in sämtlichen Räu- men ihre Sammlung: Malerei, Graphik und Plastik vom Klassi- zismus bis zur Gegenwart aus Baden-Württemberg, werden bis zum 9. März gezeigt. Ein Schwerpunkt dieser Ausstellung bilden Werke von Otto Dix und Alfred Hrdlicka. SG 414 (74) Heft 7 vom 12. Februar 1986 83. Jahrgang Ausgabe A