DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Kurzfilme TERMINE
den Zuschauer keinen schlüssi- gen Schluß gibt.
Im Kurzfilm dominiert die atmo- sphärische Wirkung über die Handlung, bisweilen wird er zum Effektfilm, wird zum Affektfilm.
Mysteriöses bietet sich dafür an, nicht umsonst finden sich immer wieder Neuverfilmungen kurzer Poe-Stories. Mysteriös umwittert geben sich in aller Regel auch jene Kurzfilme, die eine vollstän- dige Geschichte nur umreißen.
Neuere deutsche Produktionen in dieser Richtung sind etwa
„Parachute", in dem einer jun- gen Frau mit anonymen Briefen eine Serie von Fotos zugesandt wird, oder „Das Mißverständnis"
um eine Nonne und drei Morde.
Beide kosten in reizvollem Schwarzweiß beklemmendes Berliner Mietshausleben und bi- zarre portugiesische Landschaft während einer Busfahrt aus. In beiden Filmen sind Handlung und Hintergründe durch die Ge- schehnisse nur anvisiert, doch die Bilder entschädigen den Zu- schauer, sollte ihm bis zuletzt das Geheimnis unklar bleiben.
Diese Art Kurzfilm entspricht dem Eisberg-Prinzip der literari- schen Kurzgeschichte, bei der in einer Folge von Vorgängen der größte Teil im verborgenen, im Nichtausgesprochenen bleibt.
Im Extremfall sähe das Ergebnis nach Hemingway aus, nach einer Geschichte, in der das Besonde- re zwischen Alltäglichem und Belanglosem nahezu unsichtbar ist.
Der feierabendliche Besucher profaner Aktionsschlager wird für derartige Mysterienspiele we- nig Verständnis aufbringen, weswegen die richtige Kombina- tion Fingerspitzengefühl voraus- setzt. Humoristisches hat in aller Regel keine Probleme, auch mit obskuren Inhalten Breitenwir- kung zu erzielen. So bleibt kein Auge trocken, wenn in „Meine Socken" ein junger Mann an- hand ebendieser die Geschichte seines Lebens und seiner Lieben erzählt. Ähnliches gilt für den
diesjährigen Preisträger-Kurz- film des Goldenen Bären, „Tom Goes to the Bar", in dem ein Sei- fenverkäufer den Zustand und die Menschen seiner Stamm- kneipe beschreibt, Beschaulich- keit und Resignation halten sich die Waage mit einer entschei- denden Portion Groteskem — denn Tom hält sein lakonisches Referat von der Decke aus auf dem Kopf stehend.
Der Monolog als Kurzfilm eignet sich für einen Autor hervorra- gend, Weltsicht essayistisch ein- fließen zu lassen und durch den gewissen Kniff dennoch das Un- terhaltende zu wahren. Über- haupt sehen die meisten Regis- seure den Kurzfilm als ein Übungsfeld, um präzise und poin- tiert zu arbeiten, solange zum Langfilm die Mittel fehlen.
Finanzstärkster Produzent von Kurzfilmen im weiteren Sinne dürfte derzeit die Musikindustrie mit ihren Videoclips sein. Nir- gendwo sonst wird ähnlich viel in optischen Aufwand investiert, denn hier motiviert das Ziel des erhöhten Schallplattenumsat- zes. Außerdem funktioniert das
Prinzip der geballten Effekte, weil sich alles um die Person des Stars „ordnet". Gelegentlich aber stellt ein Star statt seiner selbst eine Story in den Vorder- grund, die trotz nur grobmaschi- ger Handlungsandeutungen mit Text und Musik Kurzgeschich- tenqualität bekommt. Jüngstes Beispiel wäre hierfür das schöne
„Cloudbusting", in dem Kate Bush und Donald Sutherland im Hochland eine Wettermaschine installieren. Dennoch sind sol- che Glücksfälle zu dünn gesät, um hierin die ideale Verwirkli- chung des Kurzfilms zu sehen, geschweige denn des Kinovor- programms. Eine eventuelle Fu- sion würde wahrscheinlich weni- ger nach künstlerischen als kommerziellen Gesichtspunkten zustande kommen, und wer will schon eine „Madonna" im Vor- programm zu „Amadeus" rum- hopsen sehen ... cue
Aktuelle Kulturnotizen
Worpswede und deutsche Ro- mantik in Hannover — Das Nie- dersächsische Landesmuseum Hannover zeigt im Mai und Juni, also auch während des 89. Ärzte- tages, zwei Ausstellungen. In der Landesgalerie, Am Marschpark 5, Meisterwerke von Caspar Da- vid Friedrich, Karl Friedrich Schinkel, Carl Blechen; im Fo- rum des Landesmuseums, Am Markte 8, „Worpswede — Eine deutsche Künstlerkolonie um 1900". In der Worpswede-Schau sind Gemälde, Zeichnungen und graphische Blätter von Paula Moderson-Becker, Otto Moder- son, Heinrich Vogeler, Fritz
Mackensen, Hans am Ende und Fritz Overbeck zum ersten Mal in einer gemeinsamen Ausstellung
vereint. LM
Die feinen Leute in Bonn — Vom 2. Mai bis zum 15. Juni spiegelt sich im Rheinischen Landesmu- seum in Bonn die „High Socie- ty". Die Fotografin Herlinde Koelbl stellt ih-
re Aufnahmen von öffent- lichen Auftrit- ten der „Feinen Leute" in der Bundesrepu- blik aus. Über Jahre hat die
Reportagefo- tografin, die
unter anderem
für Stern, Zeit-Magazin und New York Times arbeitet, mit ihrer Ka- mera Prominente bei offiziellen Anlässen beobachtet. KH Badesaison im Altonaer Mu- seum in Hamburg —Zweihundert Jahre Badeleben an Nord- und Ostsee dokumentiert eine Aus- stellung bis zum 31. August im Altonaer Museum in Hamburg.
Anhand von bildlichen und lite- rarischen Zeugnissen, von Doku- menten und Objekten wird die Geschichte des Seebädertouris- mus lebendig. AM 1302 (70) Heft 18 vom 30. April 1986 83. Jahrgang Ausgabe A