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Archiv "Schrittmacher für eine Pflegefallversicherung: Privatversicherer legen Modellentwurf vor" (05.09.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

Die private Krankenversiche- rung (PKV) versucht, aus der Not eine Tugend zu machen: Gleich- viel ob und wenn ja, auf welche Weise der Bonner Gesetzgeber das milliardenträchtige Projekt einer finanziellen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftig- keit älterer Menschen bewälti- gen will, der Verband der Priva- ten Krankenversicherung hat jetzt „Musterbedingungen für die Einführung einer privaten Pflegeversicherung" entworfen.

Vom Bundesarbeitsministerium war die Assekuranz wiederholt aufgefordert worden, sich mit ei- ner praktikablen Abdeckung des Pflegefallrisikos zu beschäfti- gen. Die private Krankenversi- cherung sah sich auch insoweit unter Druck und „Erfolgs- zwang" gesetzt, als noch in der vergangenen Legislaturperiode seitens der Politiker jeglicher Provenienz eine grundlegende Neuordnung und bessere finan- zielle Absicherung langfristiger Pflegebedürftigkeit als vordring- liches sozial- und gesundheits- politisches Reform-Problem hochgespielt worden war. Dem- entsprechend war der Erwar- tungshorizont überaus hoch, ohne daß die Bonner Politiker bisher ein konsensfähiges Kon- zept hätten offerieren können.

Eigentlich wollte man in Bonn die Diskussion um die Pflegeko-

stenversicherung auf die lange Bank schieben. Am liebsten of- fenbar bis 1987, wenn die näch- sten Bundestagswahlen vorüber sind. Dieses Lavieren mochten aber die Länder nicht mitma- chen. Als erster hat Hessens So- zialminister Armin Clauss (SPD) ein detailliertes Grundsatzpa- pier für die Einführung einer bundesweiten obligatorischen Pflegeversicherung vorgelegt, das demmächst als Bundesrats- initiative gestartet werden soll.

Bestrebungen, das Risiko der Altenpflege und Dauerpflegebe- dürftigkeit vom Krankheitsbe- griff der RVO schärfer abzugren- zen, finden sich auch im Lager der CDU/CSU-Sozialminister. So hat Mitte August der rheinland- pfälzische Sozialminister Rudi Geil Eckpunkte für ein „Bun- despflegehilfegesetz" publik gemacht. In manchen Passagen deckungsgleich mit den Forde- rungen des hessischen Nach- barn ist Kernstück des rhein- land-pfälzischen Vorschlags die Verbesserung der häuslichen Pflege. Der bayerische Sozialmi- nister Franz Neubauer beab- sichtigt, ebenfalls ein „Modell"

in die Diskussion einzubringen.

Auch der Berliner Gesundheits- senator Ulf Fink (CDU) setzt auf die Intensivierung der ambulan- ten Kranken- und Altenpflege — sei es auf vertraglicher, sei es

auf gesetzlicher Basis (Aus- schöpfung der Möglichkeiten krankenhausentlastender Maß- nahmen nach § 185 RVO).

Während die kommunalen Spit- zenverbände, insbesondere der Deutsche Städtetag, wegen der steigenden Sozialhilfekosten lieber heute als morgen das Pflegekostenrisiko anderen Ko- stenträgern überantworten möchten, haben sich die Spit- zenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung in einer Presserklärung, an der sich al- lerdings der Bundesverband der Ortskrankenkassen (BdO) nicht beteiligt hat, entschieden gegen einen versicherungsrechtlichen

Lösungsansatz ausgesprochen.

Allein der Deutsche Gewerk- schaftsbund (DGB) möchte sei- nen Einfluß dahingehend aus- üben, das Pflegerisiko ungeach- tet der massiven Auswirkung auf die Beitragssatzentwicklung (plus vier Prozentpunkte!) unter die Fittiche der gesetzlichen Krankenversicherung zu neh- men, um so den Sozial- und Wohlfahrtsstaat noch mehr in Richtung einer allgemeinen Volksversicherung zu arrondie- ren. Den Gewerkschaften schwebt vor, eine eigenständige Pflichtversicherung zu schaf- fen, die bei Pflegebedürftigkeit für alle Kosten aufkommt. Ähn- lich wie im Hessen-Konzept soll diese Zwangsversicherung hälf- tig durch Pflichtbeiträge der Ar- beitnehmer und der Arbeitgeber finanziert werden.

Der Vorstoß des PKV-Verbandes kommt sowohl den Überlegun- gen der Bundesregierung als auch (ausnahmsweise) den Be- strebungen der gesetzlichen Krankenversicherung entgegen

Schrittmacher für eine Pflegefallversicherung

Privatversicherer legen Modellentwurf vor

81. Jahrgang Heft 36 vom 5. September 1984 (17) 2537 Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Pflegefallversicherung

- nicht weil er neue gewinn- trächtige Märkte sich auftun sieht, sondern vielmehr- wie er- klärt wird -einer gesellschafts- politischen Räson folgend. Die jetzt publizierten "Musterbedin- gungen" nutzen die Bonner Konstellation, die zur Zeit eher auf eine finanzierbare und indi- viduell gestaltbare Verbesse- rung der ambulanten und häus- lichen Pflege als auf eine versi- cherungstechnische Einbezie-· hung des Pflegerisikos in die Krankenversicherung hindeutet.

Der neugewählte Verbandsvor- sitzende der privaten Kranken- versicherung, Heinrich Fromm- knecht, Dortmund, stellte vor der Presse klar: "Wir haben uns

alle, die PKV und die gesetzliche

Krankenversicherung, nicht nach dem neuen, diffusen Pfle- gerisiko gerissen. Wenn wir aber schon gefordert sind, dann müssen private Finanzierungs- formen auch streng nach den Regeln der Subsidiarität und der versicherungsmathematischen Seriosität kalkuliert und offeriert werden."

Die Privatassekuranz kann es sich nicht leisten, zum Lücken- büßer für überforderte Sozial- versicherungen und marode Ge- meindehaushalte (Sozialhilfe) gemacht zu werden. Dement- sprechend stehen die PKV-Mu- sterbedingungen ganz unter dem Zeichen, primär im Rah- men der Eigenverantwortlich- keit des einzelnen ein risikoge- rechtes, individuell gestaltbares Angebot im Rahmen einer Scha- dens-(Risiko-)Versicherung zu entwickeln und dem Bundes- aufsichtsamt zur Genehmigung vorzulegen. Die Musterbedin- gungen des Verbandes, als branchenverbindliche Mindest- normen definiert, auf denen die einzelnen Wettbewerber auf- bauen und eigene Tarifwerke kalkulieren können, umreißen den Versicherungsfall der Pfle- gebedürftigkeit, wenn er eintritt entweder infolge Krankheit oder wegen Unfallfolgen oder Mißbil- dung oder wegen Kräfteverfalls.

Sechs Kriterien

Nach den Rahmenbedingungen wollen die Versicherer künftig im vertraglichen Umfang - be- grenzt auf einen Höchstsatz pro Tag -Ersatz von Aufwendungen für Pflege oder ein Pflegetage- geld anbieten. Auch eine Kom- bination beider Leistungen soll zulässig sein. Um von vornher- ein Mißbrauch und Kostenaus- uferungen auszuschließen, wird der soziale Tatbestand der Pfle- gebedürftigkeit definitorisch eng umrissen und vom Krank- heitsbegriff abgegrenzt. Danach liegt Pflegebedürftigkeit dann vor, "wenn die versicherte Per- son so hilflos ist, daß sie nach objektivem medizinischen Be- fund für bestimmte gewöhn- liche, regelmäßig wiederkehren- de Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erhebli- chem Umfang täglich der Hilfe einer anderen Person bedarf."

Dabei werden als Entschei- dungskriterien sechs Tatbestän- de herangezogen: Notwendig- keit der Hilfen beim Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Auskleiden, Waschen, Essen und Trinken, Kämmen und Ra- sieren, Stuhlgang und Wasser- lassen.

Die im öffentlichen Bereich ein- gehend diskutierte Frage, ob auch die Pflege durch Verwand- te finanziell zu entlohnen sei oder ob das nicht zu weit gehe und zu Mißbrauch verlocke, hat die PKV für sich beantwortet:

~ Aufwendungen für häusliche Pflege sollen nur dann ersetzt werden, wenn staatlich geprüfte bzw. staatlich anerkannte Pfle- gepersonen eingesetzt werden oder - als Pflegetagegeld -, wenn Laien (Angehörige) in An- spruch genommen werden.

Bei stationärer Pflege leistet die Privatversicherung nur bei Auf- enthalt in konzessionierten oder öffentlichen Pflegeheimen, Pfle- geabteilungen in Altenheimen 2538 (18) Heft 36 vom 5. September 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

oder Krankenanstalten. Vorge- sehen ist lediglich der Ersatz der eigentlichen, nachgewiesenen Pflegekosten im Kostenerstat- tungsverfahren, nicht hingegen der reinen Hotelkosten (Unter- kunft und Verpflegung).

Eine Karenzzeit ist dem Lei- stungsbeginn vorgeschaltet Ge- leistet werden soll erst ab dem

92. Tag nach ärztlicher Feststel-

lung der Pflegebedürftigkeit nach Maßgabe des strengen ln- d i kationskataloges, frühestens nach Ablauf einer Wartezeit von drei Jahren nach Sicherungsbe- ginn. Nur bei Unfällen entfällt diese Wartezeit Ausgeschlos-

sen ist die Leistungspflicht bei

bereits bestehender Pflegebe-

dürftigkeit und jenen Fällen, die auf Kriegsereignisse, Vorsatz oder Sucht (dies sei definito- risch und versicherungsmedizi- nisch klar abgrenzbar, kommen- tiert die PKV) zurückzuführen sind.

Eine hohe Verantwortung käme bei der Begutachtung und Te- stierung dem behandelnden Arzt zu: Nach dem PKV-Konzept müssen Eintritt und Fortdauer der Pflegebedürftigkeit durch ärztliche Bescheinigungen nur durch den behandelnden Arzt nachgewiesen werden, wobei für die Regel alle drei Monate ein entsprechendes Testat vor- gesehen ist, dessen Kosten der Versicherte zu tragen hat.

Wenn eine Pflegemaßnahme das notwendige Maß übersteigt, kann der Versicherer den Auf- wendungsersatzauf einen ange- messenen Betrag herabsetzen.

Bei Ansprüchen auf Leistungen eines Sozialversicherungsträ- gers, auf eine gesetzliche Heil- fürsorge oder Unfallfürsorge ist der Versicherer nur für die rest-

lichen notwendigen Aufwendun- gen leistungspflichtig. Doppel- und Parallelversicherungen sind

meldepflichtig, um eine Über- versicherung zu vermeiden (wie bekanntlich schon in der Kran- kentagegeldversicherung).

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Pflegefallversicherung

Ohne der konkreten Ausgestal- tung der Tarifwerke der einzel- nen Versicherungsgesellschaf- ten vorzugreifen: Der PKV schwebt ein Höchstaufnahmeal- ter von 55 bzw. 60 Jahren vor.

Für das Pflegetagegeld sollen der Höhe nach gestaffelte Tarif- stufen angeboten werden. In je- dem Falle soll die private Pflege- versicherung nur subsidiär grei- fen; der Versicherer soll dann nur noch für Aufwendungen lei- sten, welche trotz der gesetzli- chen Leistungen notwendig bleiben. Um ebenfalls dem Miß- brauch zu steuern, darf der Neu- abschluß oder die Erhöhung ei- ner anderen Versicherung mit Pflegeleistungen nur mit Einwil- ligung des Erst-Versicherers vorgenommen werden.

Auch bei der Beitragskalkula- tion und der langfristigen Fun- dierung dieser neuen Tarifspar- te (die versicherungsmathema- tisch kalkuliert und separat ge- führt werden muß) betritt die PKV Neuland. Dementspre- chend sind die Schätzungen über den Beitragsbedarf relativ unsicher. Die Assekuranz muß hier zwangsläufig auf fremde Rechnungsgrundlagen und mit großen Unsicherheitsmomenten behaftete Daten der Sozialhilfe- statistik und auf Umfragen bei den Ländern zurückgreifen (da- nach gibt es zur Zeit in der Bun- desrepublik 1,6 Millionen zu Hause lebende Pflegebedürfti- ge; 1977 wurden rund 260 000 Pflegebedürftige in sozialen Einrichtungen gezählt).

Geht man davon aus, daß sich der Versicherte mit einem Ko- stenersatz von 50 DM pro Tag versichert hat, und liegen alle sechs Kriterien vor (die private Pflegeversicherung müßte also 100 Prozent leisten), so dürfte sich der Monatsbeitrag männ- licher Versicherter bei einem Eintrittsalter von 30 Jahren auf etwa 12 bis 20 DM monatlich stellen, beim Eintrittsalter von 40 Jahren zwischen 25 und 30

DM, bei 50jährigen mehr als 40 DM monatlich und schließlich 60 DM bei 60 Jahren. Wegen der längeren Lebenserwartung und der überdurchschnittlichen Pfle- gehäufigkeit müssen bei weib- lichen Versicherten entspre- chende Risikozuschläge erho- ben werden.

Ein Beitrags/Leistungs-Ver- gleich zeigt, daß ein privat ge- gen das Pflegerisiko Versicher- ter auch bei einem Vollschutz keinen großen finanziellen Be- wegungsraum hat. Immerhin be- tragen heute die Pflegekosten in einem Pflegeheim (Pflegeko- sten im engeren Sinne sowie

„Hotel"-Kosten und 160 DM mo- natliches Taschengeld) mehr als 2400 DM monatlich. Auch bei Wahl eines Maximalschutzes in einer privaten Pflegeversiche- rung dürften nach Angaben der PKV monatlich lediglich 950 bis 1000 DM aus der Risikoversiche- rung resultieren — mithin ein In- diz, daß nach wie vor der Pflege- bedürftige in beträchtlichem Maße seine Alterseinkünfte — wenn nicht gar vollends — ein- bringen muß, um den exorbitant wachsenden Heimaufwand zu bestreiten.

Die PKV will schließlich die pri- vate Absicherung des Pflegerisi- kos steuerlich gefördert wissen.

Künftig sollen diese Versiche- rungsbeiträge unbeschränkt den sozialabzugsfähigen Son- derausgaben nach § 10 des Ein- kommensteuergesetzes (EStG) zugeordnet werden, ein Plan, für den sich übrigens auch eini- ge Länder-Sozialminister stark machen. Harald Clade

Grundsatzfragen der privaten Pflegekostenversicherung be- handelt Prof. J. Volrad Deneke in einem ab Seite 2547 dieses Heftes wiedergegebenen Auf- satz, der einige Zeit vor der Be- kanntgabe der „PKV-Musterbe- dingungen" geschrieben und in Druck gegeben wurde.

LA-MED-Befragung

Ihr Urteil ist erneut gefragt!

In den kommenden Wo- chen und Monaten be- fragt die Arbeitsgemein- schaft LA-MED, in der die überregionalen und die regionalen medizini- schen Zeitschriften zu-

sammengeschlossen sind, erneut die Ärzte zu ihrem Leseverhalten.

Falls Sie zu den reprä- sentativ ausgewählten Ärzten gehören, die vom Untersuchungsinstitut IVE um ein Interview ge- beten werden, bitten wir Sie herzlich um Ihre be- reitwillige Mitwirkung.

Verlag, Redaktion und Herausgeber des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTS sind sehr daran interes- siert zu erfahren, wie Sie unser InformatiorAnge- bot einschätzen und nutzen. Zur weiteren Verbesserung unserer Zeitschrift sind wir auf Ihr Urteil darüber ange- wiesen, wie unsere Ar- beit bei Ihnen „an- kommt". Sie werden den Nutzen daraus zie- hen!

Vielen Dank für Ihre Mitarbeit.

Ihr

Deutscher Ärzte-Verlag

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 36 vom 5. September 1984 (19) 2539

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