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Archiv "Georg Wannagat: Fallpauschalsystem und Ergänzung der Bedarfsplanung" (22.05.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KBV-Vertreterversammlung

keit "vor Ort" existenznotwendig für den Kassenarzt, aber auch ausschlaggebend für die Erhal- tung der Finanzierungsfähigkeit der Gesetzlichen Krankenversi- cherung. Von der Qualität der Ausbildung der jungen Ärzte hängt aber auch die Existenz der gesamten Ärzteschaft ab.

Die Konsequenz für die KBV lau- tet deshalb: Die Bedarfsplanungs- regelung muß an die gegebene und in Zukunft sich noch ver- schärfende Überversorgungssi- tuation angepaßt werden. ln Be- tracht kommt lediglich eine zeit- lich begrenzte, regionale, aber auch arztgruppenspezifische Sperrung überversorgter Gebiete.

Dabei geht es keineswegs um ei- ne generelle Einschränkung der freien Niederlassung, sondern le- diglich um eine lokale Einschrän- kung, nämlich der zeitlich be- schränkten freien Wahl des Nie- derlassungsortes. Dies gebietet auch das Postulat der Verhältnis- mäßigkeit. Bei allen Maßnahmen geht es nicht darum, den kassen- ärztlichen Sektor gegenüber dem Nachwuchs "abzuschotten", also nicht um honorarpolitischen Pro- tektionismus, sondern um die Realisierung von solchen Alterna- tiven, die möglichst viele Kollegen und Kolleginnen in das kassen- ärztliche System integrieren, statt es zu sprengen.

Hier ist der Geschäftsführer des AOK-Bundesverbandes, Dr. jur.

Franz-Josef Oldiges, beim Wort zu nehmen: Bei allen Maßnahmen muß die Selbstverwaltung Vor- fahrt haben, nicht zuletzt bei der auch von der Kassenärzteschaft nachhaltig befürworteten Struk- turreform in der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn, so auch der Tenor der Diskussions- beiträge, es darf nicht wieder pas- sieren, daß die Ärzteschaft zu So- lidaritätsopfern veranlaßt wird, in einem großen Kraftakt zur Lösung fremdverursachter Probleme bei- tragen muß und zum "Dank" noch den Knüppel des Gesetzgebers zu

spüren bekommt. HC

Georg Wannagat:

Fallpausehai- system und Ergänzung der Bedarfsplanung

Unter verfassungsrechtlichen Aspekten prüfte Professor Dr. Ge- org Wannagat das Problem. Wan- nagat, ehemaliger Präsident des Bu ndessozialgerichtes, ist auch Mitverfasser eines einschlägigen, von den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen in Auftrag gegebenen Gutachtens.

Die Kassenverbände favorisieren bekanntlich die Einführung einer Verhältniszahl, ähnlich der, die bis zum Urteil des Bundesverfas- sungsgerichts vom 23. März 1960 bestanden hat.

Um es vorwegzusagen: Wanna- gats Ausführung vor der Vertreter- versammlung der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung sind wenig geeignet, eine solche For- derung zu stützen. Professor Wannagat ist zwpr der Auffas- sung, daß sich die Zustände seit 1960 wesentlich geändert haben, er schlägt jedoch zur Behebung der sich abzeichnenden Schwie- rigkeiten ein Stufensystem vor;

erst auf der letzten Stufe sind da- nach auch Zulassungsbeschrän- kungen zu vertreten, an erster Stelle hingegen Änderungen im Vergütungssystem.

Die Ausführungen von Professor Wannagat im einzelnen:

Grundsätzlich ist der Gesetzgeber befugt, bei wesentlicher Ände- rung der Verhältnisse von frühe- ren Entscheidungen des Bundes- verfassungsgerichts abzuwei- chen. Und eine solche wesent- liche Änderung sei in der kassen- 1594 (32) Heft 21 vom 22. Mai 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

ärztlichen Versorgung seit 1960 eingetreten, denn

..,. die Arztzahlen haben sich nahezu verdoppelt, dem steht eine damals wachsende, jetzt schrumpfende Bevölkerungszahl gegenüber.

..,. Die Krankenkassenbeiträge er- höhten sich von damals 6,4 Pro- zent auf heute 12 Prozent.

..,. Das Vergütungssystem hat we- sentliche Änderungen erfahren.

Damals sei eine Gesamtvergütung an die Kassenärztlichen Vereini- gungen gezahlt worden, bei der die Kassen von einer vermehrten Zulassung von Kassenärzten

"überhaupt nicht berührt waren".

Heute werde die Gesamtvergü- tung aufgrund von Einzelleistun- gen (Ausnahme: Fallpauschale bei Laborleistungen) ermittelt.

Damit trage allein die Krankenver- sicherung das Risiko der Morbidi- tät und das Risiko der Zahl der ärztlichen Verrichtung. Das aber sei deswegen besonders bedenk- lich, weil mit einem deutlichen Ansteigen der Arztzahlen, vor al- lem der Kassenarztzahlen, zu rechnen ist. Wannagat: "Die rapi- de Zunahme der Kassenarztdichte in Verbindung mit dem System der Einzelleistungsvergütung ge- fährdet die Beitragsstabilität Das System der Einzelleistungsvergü- tung führt dazu, daß die Ärzte durch ihre Behandlungsweise un- mittelbar ihr Einkommen beein- flussen können."

Die Entwicklung gefährde somit Beitragsstabilität und sachge- rechte kassenärztliche Versor- gung, davon seien 90 Prozent der Bevölkerung unmittelbar betrof- fen, mithin handele es sich um ein überragendes Gemeinschaftsgut Zur Abwehr der diesem drohen- den schweren Gefahr könnte auch die Berufswahlfreiheit ein- geschränkt werden, falls ein sol- ches gesetzgeberisches Eingrei- fen unumgänglich sei. Dabei müß- te eine Form des Eingriffs gewählt werden, die die Grundrechte am wenigsten einschränkt. Oder an-

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ders: "Danach ist ein legislatori-

scher Eingriff in die Zulassungs- freiheit erst dann zulässig, wenn sich verfassungsverträglichere Mittel als nicht ausreichend wirk- sam erweisen; sie müssen ausge- schöpft werden!"

Danach erläuterte Professor Wan- nagat seinen Vorschlag, das Ver- gütungssystem anders zu struktu- rieren. Seine Voraussage sei wört- lich zitiert: "Das gegenwärtig praktizierte Einzelleistungs-Ver- gütungssystem führt, wie die Er- fahrung lehrt, zu einer wesent- lichen Erweiterung des Ausga- benvolumens der Krankenkassen für ambulante ärztliche Behand- lung. Denn einmal sind die ge- sundheitlichen ärztlichen Leistun- gen nahezu unbegrenzt vermehr- bar, zum anderen entscheidet letztlich der Erbringer (der Arzt) auch über den Umfang der Nach- frage. Da jede ärztliche Verrich- tung einzeln honoriert wird, be- deutet ein Mehr an Leistungen auch ein Mehr an Einnahmen.

Hinzu kommt, daß eine Kontrolle der Wirksamkeit der Qualität, der Notwendigkeit der einzelnen Lei- stungen, ihre Objektivierbarkeit, äußerst schwierig ist und nur durch "Kontrollärzte" durchge- führt werden könnte. Daher sind alle normativen Maßnahmen, die verschärften Überprüfungen der Honorarforderungen dienen, we- nig geeignet, eine echte Kosten- dämpfung zu bewirken. Ebenso hätte eine Kontrolle durch die Pa- tienten, ob die abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht worden sind, nur marginäre Be- deutung (abgesehen von den Schwierigkeiten bei der Durch- führung einer solchen Kontrolle), denn die Kassenärzte rechnen - bis auf wenige kriminelle Ausnah- men- nur die tatsächlich erbrach- ten Leistungen ab."

Konkret schlug Wannagatein Fan- pauschalsystem vor. Er hält das al- lein allerdings nicht für ausrei- chend, die Risiken steigender Kassenarztzahlen wirksam zu be- kämpfen. Wannagat befürchtet nämlich einen Wettbewerb um

Professor Dr. jur. Georg Wannagat

Patienten, ausgedrückt zum Bei- spiel durch allerlei Gefälligkeits- leistungen. Solche negativen Aus- wirkungen seien dann zu befürch- ten, wenn die Nettoeinkommen derart absinken würden, daß die Existenz der Kassenärzte gefähr- det wäre. Und in einem solchen Fall habe der Staat, der den Kas- senarzt ja in ein System mit be- sonderen Pflichten und Rechten einbinde, eine bestimmte Fürsor- gepflicht, "die die Gewährleistung der Existenzsicherung beinhal-

tet". Die Fürsorgepflicht und die

Sorge um die Kosten im Gesund- heitswesen könne schließlich Ein- griffe auch in die unbeschränkte Zulassung zur kassenärztlichen Tätigkeit notwendig machen.

Hierfür gebe es allerdings nur ei- nen relativ geringen Spielraum.

..,.. Positiv äußerte sich Professor Wannagat zu Überlegungen "in Richtung einer kassenärztlichen Bedarfsplanung, die im Interesse einer gleichmäßigen ärztlichen Versorgung sowohl bei drohender Unterversorgung als auch Über- versorgung Platz greifen sollte".

Auch eine Orientierung an fach-

KBV-Vertreterversammlung

gruppenspezifischen Kriterien, et- wa an einem bestimmten Verhält- nis von Hausärzten, Allgemeinärz- ten und Spezialärzten, sei mög- lich. Das Fazit daraus: "Nach all dem erscheint eine eingeschränk- te, vor allem temporäre Zulas- sungssperre als Steuerungsin- strument im Rahmen einer ärzt- lichen Bedarfsplanung, verknüpft mit einer pauschalierten Vergü-

tung, verfassungsverträglich."

An letzter Stelle nannte der Refe- rent Einschränkungen bei der Zu- lassung zur kassenärztlichen Pra- xis. Auch dazu sei die Kernaussa- ge nach dem Manuskript wörtlich zitiert: "Dabei könnte daran ge- dacht werden, die Versorgungs- bereiche, die ein gewisses Versor- gungsniveau - das nicht zu nied- rig angesetzt werden darf - er- reicht haben, zu sperren. Sind alle Versorgungsbereiche als "gesät- tigt" anzusehen, d. h. ist eine ab- solute Obergrenze in allen Berei- chen erreicht, die dazu führt, daß das Existenzminimum der zuge- lassenen Kassenärzte ernsthaft gefährdet ist, dann könnte die Zu- lassung nur noch unter festzule- gender subjektiven Voraussetzun- gen (Anwartschaft, Lebensalter, Fam i I ienstand, Fachrichtung usw.) erfolgen . ... Die Vorausset- zungen hierfür dürften aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht vorliegen."

Eine Zu lassu ngsbesch rän ku ng zum Medizinstudium komme als Mittel zur Verringerung der Zahl der Kassenärzte nicht in Betracht. Das Recht auf freie Wahl des Hochschulstudiums sei vom Grundgesetz besonders stark ge- schützt. Lediglich dann, wenn sich eine sachgerechte Medizi- nerausbildung nicht erreichen lasse, sei auch der Studienzugang zu prüfen.

Und schließlich: Die Altersgrenze für Kassenärzte. Professor Wan- nagat hält sie verfassungsrecht- lich für zulässig: nötig sei aller- dings eine großzügige Über- gangsregelung für die bereits zu- gelassenen Kassenärzte. NJ Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 21 vom 22. Mai 1985 (35) 1595

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