• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Werden Brillen tatsächlich überflüssig?" (15.12.1977)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Werden Brillen tatsächlich überflüssig?" (15.12.1977)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin EDITORIAL

In über 50 Tageszeitungen der Bun- desrepublik erschienen in der letz- ten Zeit Nachrichten etwa folgenden Inhalts: „Brille aus eigener Horn- haut", „Volle Sehkraft auch ohne Brille", „Neue Operationsmethoden helfen Fehlsichtigen", „Erste euro- päische Augen-,Drehbank` in Bre- men in Betrieb", „Eine freudige Nachricht für alle, die schlecht se- hen können. Wie die eigene Horn- haut zur ‚Brille' wird"? Unter ande- rem, so heißt es, könne zum Beispiel die hochgradige Kurzsichtigkeit ge- heilt werden. Auch das deutsche Fernsehen befaßte sich im „Gesund- heitsmagazin Praxis" mit dieser An- gelegenheit. Ebenso wurde in Illu- strierten darüber berichtet.

Selbstverständlich ließen diese Nachrichten zahllose Brillenträger aufhorchen. Augenkliniken, Augen- abteilungen sowie in der Praxis nie- dergelassene Kollegen wurden und werden mit Anfragen bestürmt. Aber auch praktische Ärzte und Kollegen anderer Fachgebiete sehen sich Fra- gen um Rat seitens ihrer Patienten ausgesetzt. Eine Stellungnahme er- scheint daher an dieser Stelle ange- bracht:

Der spanische Ophthalmologe Jose Barraquer beschrieb nach entspre- chenden Vorarbeiten 1964 erstmals ein von ihm als „Keratomyleusis"

bezeichnetes Verfahren, dem prak- tisch ausschließlich aus seiner eige- nen Feder zahlreiche weitere Mittei- lungen in Fachzeitschriften und auf Kongressen, zum Beispiel auch auf dem Internationalen Ophthalmolo- genkongreß 1966 in München, folg- ten.

Barraquer, ein weltweit bekannter, hervorragender Augenoperateur und angesehener Kollege, hatte die

Idee, bei Brechungsfehlern des Au- ges (Myopie, Hyperopie) sowie bei linsenlosen Augen die Brille durch eine Art refraktive Keratoplastik zu ersetzen. Zu diesem Zweck konstru- ierte er an der von ihm geleiteten, ausgezeichnet organisierten und in jeder Hinsicht sehr gut ausstaffier- ten Klinik in Bogotä (Kolumbien) ein Gerät, mit dem von der Hornhaut des Patienten eine Lamelle definier- ter Ausdehnung und Dicke abge- nommen wird. Dieses Scheibchen wird stark unterkühlt und damit in einen festen Zustand versetzt. Auf einer hochfrequent rotierenden Achse wird nun die tiefgefrorene Hornhaut mit Hilfe einer besonderen Mechanik wie auf einer kleinen Drehbank bearbeitet. Diese Dreh- bank wird über einen Computer pro- grammiert, so daß das Transplantat schließlich der refraktiven Anforde- rung des Einzelfalles entsprechend aufbereitet ist. Bekanntlich entfällt auf die Hornhaut der weitaus größte Teil der Brechkraft des Auges, so daß schon geringe Krümmungsän- derungen zu starken Veränderun- gen der Brechkraft führen. Das so bearbeitete Gewebe wird danach wiederum in das Wundbett, aus dem es entnommen wurde, eingenäht. Im Idealfall braucht der Patient dann tatsächlich keine Brille beziehungs- weise keine Kontaktlinse mehr zu tragen, und seine Sehschärfe ist so gut wie mit einer passenden Brille oder Kontaktlinse.

Insgesamt handelt es sich um ein relativ aufwendiges Verfahren, das selbstverständlich zunächst einmal einen stationären Aufenthalt erfor- derlich macht. Weiterhin sei gesagt, daß damit natürlich hohe Kurzsich- tigkeit — ganz im Gegensatz zu ge- wissen Pressemeldungen — nicht

„geheilt" werden kann. Denn bei

In den öffentlichen Medien er- schienen in letzter Zeit zahl- reiche Berichte, denen zufol- ge das Tragen einer Brille oder von Kontaktlinsen durch eine neuartige Operationsme- thode überflüssig geworden sei. Die als Keratomyleusis be- zeichnete Methode ist der Fachwelt seit 1964 bekannt.

Es handelt sich um einen hochspezialisierten, tech- nisch sehr aufwendigen Ein- griff im Sinne einer refraktiven Keratoplastik mit allen Risiken einer solchen Operation, die eigentlich nur von dem Ent- decker der Methode — Barra- quer in Bogotä — souverän be- herrscht wird. Eine wirkliche Notwendigkeit für das Verfah- ren ergibt sich lediglich bei Patienten, die aus bestimmten Gründen keine Kontaktlinse oder Brille tragen können.

hochgradiger Myopie, die auf einem gesteigerten axialen Wachstum des Bulbus beruht, kommt es ja zu Deh- nungsveränderungen am Augenhin- tergrund, die bevorzugt die Stelle des schärfsten Sehens betreffen.

Durch eine Operation an der Horn- haut werden aber diese Dehnungs- herde, welche oft genug eine erheb- liche Herabsetzung der Sehkraft be- dingen, nicht tangiert.

Dazu kommt noch folgendes: Be- kanntlich ändern sich stärkere Re- fraktionsanomalien häufig im Laufe des Lebens, insbesondere bei jün- geren Menschen. Die Myopie nimmt zu, die Hyperopie ab. Dieser Ände- rung kann bei Kontaktlinsen- und Brillenträgern durch eine Neuver- ordnung des optischen Hilfsmittels sehr leicht Rechnung getragen wer- den. Nach einer Keratomyleusis da- gegen, welche ja eine schicksalhaft ablaufende Änderung des axialen Bulbusdurchmessers und damit ei- ne spätere Refraktionsänderung nicht aufhält, muß in einem solchen Falle eine — dann sicherlich nicht gerade einfachere — erneute Opera- tion vorgenommen werden, oder

Werden Brillen

tatsächlich überflüssig?

Wolfgang Straub

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 50 vom 15. Dezember 1977

2951

(2)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Keratomyleusis

aber das Tragen eines entsprechen- den Glases ist zusätzlich doch wie- der erforderlich.

Die Operation als solche ist mit allen Risiken behaftet, die auch sonst bei einer lamellären Keratoplastik vor- liegen und zu bedenken sind. Viel einfacher ist es, eine Brille oder eine Kontaktlinse zu tragen. Gleichwohl bleibt ein kleiner Prozentsatz an Pa- tienten mit Refraktionsanomalien übrig, für die das Verfahren in Frage kommt:

Ist auf beiden Augen die Brechkraft stark verschieden, so kann der Seh- fehler beiderseits nicht optimal mit einer Brille ausgeglichen werden, weil die Größe der Netzhautbilder differiert (Aniseikonie) und das Ge- hirn diese beiden ungleich großen Seheindrücke nicht zu einem ein- heitlichen Bild fusionieren kann. Bei einer Haftschalenkorrektur besteht dieses Problem nicht. Denn in die- sem Fall bleibt der Unterschied in der Bildgröße so gering, daß kein ungleich großer Seheindruck mehr auftritt.

Auch bei kleinen Kindern, bei ge- brechlichen Patienten oder bei Pa- tienten mit Tremor, die nicht im- stande sind, eine Kontaktlinse ein- zusetzen, beziehungsweise wenn das Einsetzen einer Kontaktlinse Schwi,erigkeiten bereitet, ferner in denjenigen Fällen, in denen auch sorgfältig angepaßte Kontaktlinsen nicht vertragen werden, kommt die Keratomyleusis nach Barraquer in Betracht. (Nach einseitiger Starope- ration, wo an sich dasselbe Problem besteht, haben wir heute mit der Im- plantation der Iriscliplinse eine wei- tere Möglichkeit der optischen Kor- rektur, die dem Patienten das Tra- gen einer Kontaktlinse erspart.) Alles in allem bleiben also aus medi- zinischer Sicht nur relativ wenige Patienten übrig, für welche die Kera- tomyleusis wirklich erforderlich ist.

Ohne Zweifel ist die Technik der Ke- ratomyleusis insgesamt schwierig, auch dann, wenn man von einem stets einwandfreien Funktionieren der hochspezialisierten Apparatur

ausgeht. Barraquer, der weit über 2000 Operationen dieser Art vorge- nommen hat, besitzt auf dem Gebiet der Keratomyleusis einmalige Erfah- rung und erreicht natürlich auch die besten Erfolge, wovon auch wir uns bei Besuchen an seiner Klinik über- zeugen konnten. Wie eingangs er- wähnt, hat Barraquer über sein Ver- fahren bereits 1964 berichtet. Diese Veröffentlichung sowie seine nach- folgenden Mitteilungen zu diesem Thema sind den Ophthalmologen bekannt. Wenn trotzdem bis heute nur an ganz wenigen Orten nach sei- ner Methode gearbeitet wird, so ist allein damit schon hinreichend do- kumentiert, daß es sich dabei auch für die Zukunft kaum um ein Verfah- ren handelt, das die Brille oder Kon- taktlinse im Regelfall ersetzen kann.

Es wäre sehr wünschenswert, daß die Klinik in Bogotä das Zentrum für diesen komplizierten Zweig der mo- dernen Ophthalmologie bleibt, denn mit Sicherheit könnte es für man- chen Patienten fatal werden, wollten viele Kliniken — zum Teil sicher aus Prestigegründen — diese Methode einführen, da dort wohl kaum so schnell die Routine und Erfahrung von Barraquer erreicht werden könnte und ganz sicher zunächst ein gewisses Lehrgeld auf Kosten des Patienten zu bezahlen wäre. Wir möchten bewußt keine weiteren Mo- tive ansprechen, bei welchen das

„primum nil nocere" zu kurz käme.

Literatur

Barraquer, J. Oueratomileusis para la cor- recciön de la miopia. Arch. Soc. amer. Oftal.

Optom. 5 (1964) 27 — Barraquer, J. Bases de la Karatomileusis. Acta XX. Concilium ophthal- mologicum, Excerpta Medica Foundation, Am- sterdam II (1966) 895

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. Dr. h. c.

Wolfgang Straub Direktor der

Universitätsaugenklinik Marburg Robert-Koch-Straße 4

3550 Marburg an der Lahn

TECHNIK IN DER MEDIZIN

Biotelemetriesysteme mit Datenverarbeitung auf Prozeßrechner

Biotelemetriesysteme bieten die Möglichkeit, Nahfeld- und Fernfeld- telemetrie physiologischer und phy- sikalischer Parameter wie EEG, EKG, Atemfrequenz, Elektromyo- gramm, Elektrookulogramm, Blut- druck, Temperatur, Hautfeuchte und Beschleunigung durchzuführen.

Die Hauptanwendungsgebiete der kompakten und leistungsfähigen Anlagen liegen auf den Gebieten der Arbeitsmedizin, Flugmedizin, Inten- sivüberwachung, Leistungsphysio- logie, Rehabilitation, Sportmedizin, Tiermedizin, Verhaltensforschung und Verkehrsmedizin.

Ein Einkanal-Nahfeldtelemetrie-Sy- stem mit einer Leistung von 1 mW und einer Reichweite von einigen hundert Metern erlaubt es, bis zu 12 Anlagen parallel zu betreiben. Ein Ein- oder Zweikanal-System für die Fernfeldtelemetrie hat eine Leistung von 100 mW und eine Reichweite von einigen Kilometern. Die Fre- quenzen liegen im 433-MHz-Band.

Davon können bis zu 27 Anlagen par- allel betrieben werden. Bei der Mehrkanal-PCM-Telemetrie mit zwei bis acht Kanälen und einer Leistung von 10 mW können bis zu drei Anla- gen parallel betrieben werden. Sie besitzen einen Ausgang zum An- schluß an einen Prozeßrechner.

Zu den Systemen ist ein Kom- plettpaket, bestehend aus Biotele- metrie, Prozeßrechner zur Datenre- duktion bzw. -verarbeitung und Aus- werte-Software für Herzfrequenz, Sinusarrhythmie, Atemfrequenz, Elektromyogramm und Elektrooku- logramm lieferbar. Damit können die physiologischen Parameter on- oder off-line ausgewertet und statistisch behandelt werden. Ha Hersteller: Messerschmitt-Bölkow- Blohm GmbH, Kybernetik, Vertrieb Medizintechnik, Postfach 80 11 49, 8000 München 80

2952 Heft 50 vom 15. Dezember 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Vor al- lem die dort erwähnten Schätzungen ( „rund 10 Prozent aller Umsteller nehmen die Hypoglykämie nicht mehr richtig wahr") sind in dieser Verallgemeinerung völlig

In war- men Räumen und im Bett ist die Nase meist verstopft, bei Be- wegung an frischer Luft be- ginnt die „Nase zu laufen“, die Kinder fühlen sich besser.. Steht eher

Aber genau gleich kann ein Arzneimittel nicht bei allen Menschen wirken, denn jeder hat ein unterschiedliches genetisches Muster, jeder ernährt sich anders und nimmt vielleicht an-

Die Kinder essen dann von diesen Lebensmitteln be- sonders viel, wenn sie ihrer habhaft werden können.. Das Interview führte

Je jünger die Kinder sind, umso mehr steht für die Auswahl einer passenden Arznei die Beobachtung und Schilderung der Eltern im Vordergrund.. Bei welchen Krankheiten homö-

Auf den folgenden Seiten finden Sie Informationen zu Betreuungsangeboten für ganze oder halbe Tage in Füllinsdorf oder Frenkendorf.. In Kitas (auch Kindertagesstätten

Pfizer hatte das so genannte Sortis- Partner-Programm gestartet, weil die Firma den Preis für ihr Präparat nicht auf die vom Gemeinsamen Bundes-.. ausschuss beschlossene

Preventing Unintentional Injury in Children in the Home Report 2: Barriers to, and facilitators of the prevention of unintentional injury in children in the home: a systematic