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Archiv "Konzepte zur Diagnostik und Therapie des Speichelsteinleidens" (28.02.2003)

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A556 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 928. Februar 2003

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ie Sialolithiasis des Menschen ist ei- ne der häufigsten Ursachen ent- zündlicher Veränderungen der großen Kopfspeicheldrüsen. Die Inzi- denz für ein symptomatisches, also be- handlungsbedürftiges Speichelsteinlei- den wird auf 27,5 bis 59 Fälle pro einer Million Einwohner beziffert (7). Über- tragen auf die Bundesrepublik Deutsch- land beträgt die Anzahl der symptomati- schen Neuerkrankungen damit zwischen circa 2 200 und 5 000 jährlich.

Speichelsteine treten am häufigsten in den großen, paarig angelegten Drüsen, der Glandula (Gl.) submandibularis (63 Prozent bis 95 Prozent), der Gl. parotis (6 Prozent bis 21 Prozent) und der Gl. sub- lingualis (0 Prozent bis 16 Prozent) sowie sehr selten (0,6 Prozent bis 2 Prozent) in den zahlreichen nichtpaarigen kleinen Speicheldrüsen (Gll. linguales, Gll. pala- tinae, Gll. buccales und Gll. pharyngeae) auf (2, 22, 33, 35, 37, 40, 50, 51, 54, 57, 66).

Die Gl. parotis ist die größte der Kopf- speicheldrüsen (Abbildung 1). Der 5 bis 6 cm lange Ausführungsgang (Ductus pa-

rotideus, Stenon-Gang) überkreuzt den M. masseter, biegt nach medial um, durchdringt den M. buccinator und die Wangenschleimhaut und endet gegen- über dem zweiten oberen Molaren im Vestibulum oris. Der Durchmesser des Stenon-Ganges beträgt im Hilusbereich im Mittel 1,4 mm, in seinem Verlauf durch den M. buccinator 1,2 mm und am Ostium 0,5 mm (65).

Die seromuköse Gl. submandibularis (Abbildung 1) liegt zwischen dem M.

digastricus anterior und posterior auf dem M. hyoglossus. Der 5 bis 6 cm lange Ausführungsgang (Ductus sub- mandibularis, Wharton-Gang) zieht um den Hinterrand des M. mylohyoideus (Gangknie), überkreuzt den N. lingualis, und verläuft im Mundboden bis zur Mündung an der Caruncula sublingualis.

Der mittlere Gangdurchmesser liegt im gesamten Verlauf zwischen Hilus und

Ostium im Mittel bei 1,5 mm, im Ostium bei 0,5 mm (65).

Die Gl. sublingualis, eine mukoseröse Drüse,liegt in der Fovea sublingualis sub- mukös dem M. mylohyoideus auf. Ihr Ausführungsgang mündet entweder ge- meinsam mit dem Wharton-Gang oder getrennt auf der Papilla salivaris in die Mundhöhle (54).

Eine Vielzahl verschiedener neuer Be- handlungsverfahren der Sialolithiasis wurden in den letzten zehn Jahren ent- wickelt und haben sich in der klinischen Routine etabliert. Die vorliegende Ar- beit fasst diese Methoden zusammen und zeigt deren derzeitigen Stellenwert auf.

Klinische Befunde

Das Haupterkrankungsalter für die drei großen Kopfspeicheldrüsen liegt zwischen der dritten und fünften Le- bensdekade (2, 7, 36, 39, 44, 66). Aber auch im Kindesalter können Steinbil- dungen beobachtet werden. Die jüng-

Konzepte zur Diagnostik und Therapie des

Speichelsteinleidens

Zusammenfassung

Die Sialolithiasis ist eine der häufigsten Erkran- kungen der Speicheldrüsen in Mitteleuropa.

Von den großen Kopfspeicheldrüsen sind da- von in 80 Prozent die Unterkieferspeicheldrüse, in 20 Prozent die Ohrspeicheldrüse und sehr selten die Glandula sublingualis betroffen. Die typische Symptomatik einer schmerzhaften Schwellung lässt bereits die Diagnose eines Speichelsteines vermuten, die im Ultraschall als bildgebende Methode der Wahl objektiviert werden kann. Als Ergänzung kann in bestimm- ten Fällen auch die Speichelgangendoskopie zur Diagnosesicherung beitragen. Während früher in der Regel die Drüsenexstirpation als therapeutische Methode der Wahl im Vorder- grund stand, gilt heute ein Stufenkonzept zur Therapie in Abhängigkeit von Lokalisation und Steingröße. Bei Steinen der Glandula parotis steht neben dem Versuch der Extraktion des Steins mit einem Fangkörbchen vor allem die extrakorporale, sonographisch kontrollierte Stoßwellenlithotripsie im Vordergrund. Über

80 Prozent der Konkremente der Glandula sub- mandibularis können unter Erhalt der Drüsen- funktion von transoral entfernt werden. Ein kleinerer Teil der Steine wird mit der extrakor- poralen Lithotripsie behandelt. Durch den Ein- satz Drüsen erhaltender Maßnahmen konnte die Rate der Drüsenexstirpationen im Langzeit- verlauf auf weniger als fünf Prozent gesenkt werden.

Schlüsselwörter: Sialolithiasis, extrakorporale Stoßwellentherapie, Diagnosestellung, Thera- piekonzept, Ultraschalldiagnostik

Summary

Diagnosis and Treatment of Salivary Stones – Current Concepts

Sialolithiasis is one of the most frequent causes of inflammatory changes within the large salivary glands in Europe. Salivary stone for- mation affects the submandibular gland in about 80 per cent, the parotid gland in 20 per

cent and rarely the sublingual gland. The typical symptoms such as painful swelling lead to the diagnosis of sialolithiasis which can be proved by ultrasound – the imaging method of choice. In special cases endoscopy of the salivary ducts can be performed. Instead of gland extirpation a differential therapeutic concept has been developed nowadays which takes location and size of a stone into account. In cases of parotid stones basket extraction can be tried. Also extracorporeal sonographically controlled lithotripsy plays a major part in therapy. More than 80 per cent of all submandibular stones can be remov- ed preserving the gland through a transoral approach. Some stones are also treated by extracorporeal lithotripsy. Altogether the fre- quency of gland extirpation also in the long term is below 5 per cent in patients with sia- lolithiasis.

Key words: sialolithiasis, extracorporeal litho- tripsy, diagnosis, therapeutic concept, ultra- sound diagnosis

Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenkranke (Direk- tor: Prof. Dr. med. Heinrich Iro), Universität Erlangen- Nürnberg

Heinrich Iro

Johannes Zenk

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sten Patienten im Patientenkollektiv der Autoren waren ein fünfjähriges Mädchen und ein dreijähriger Junge (66).

Ein kausaler Zusammenhang der Sialolithiasis mit einer systemischen Grunderkrankung, die in der Literatur immer wieder diskutiert wurde (26, 52) oder auch eine gemeinsame Ursa- che von Steinleiden der abführenden Harn-, Gallen- und Speichelwege, konnte in einer neueren Studie nicht bewiesen werden (66).

Die Steinlokalisation im Aus- führungsgangsystem der erkrankten Drüsen ist für die differenzialthera- peutischen Betrachtungen wichtig (68): Im Falle der Submandibulardrü- se sind 9 Prozent der Steine im intra- parenchymatösen Gangsystem, 57 Prozent im Hilusbereich und 34 Pro- zent im distalen Gangsystem lokali- siert. Parotissteine sind in 23 Prozent im intraparenchymatösen Gangsy- stem, in 13 Prozent im Hilus der Drüse und in 64 Prozent im distalen Stenon- Gang aufzufinden.

Wird das Ausführungsgangsystem der Speicheldrüsen durch ein Konkre- ment partiell oder vollständig verlegt, treten nach Anregung der Speichelse- kretion Beschwerden auf. An erster Stelle steht die Kombination aus Schwellung und Schmerzen bei 50 Prozent und alleiniger Schwellung bei 46 Prozent der Patienten. Man spricht auch von einer „Speichelsteinkolik“.

Nach Beendigung des Sekretionsrei- zes klingen die Symptome in der Regel wieder langsam ab. Die Anamnese- dauer der Patienten kann wenige Tage bis Jahrzehnte betragen (2, 36, 66). Bei ungefähr 1 Prozent der Steinträger wird die Diagnose als Zufallsbefund ohne Symptomatik zum Beispiel im Rahmen einer zahnärztlichen Ab- klärung gestellt (40, 44, 66).

Im Falle eines längeren Krankheits- verlaufes persistiert die Schwellung als Hinweis auf eine unverändert an- dauernde Obstruktion des Aus- führungsganges (54). Bei Drüsenmas- sage und häufigen akut entzündlichen Episoden entleert sich eitriges Sekret aus dem Ostium des jeweiligen Aus- führungsganges, welches zu Ge- schmacksmissempfindungen führt (22, 51).

Als Komplikationen einer obstruk- tiven Sialadenitis können sich Abszes- se, phlegmonöse Entzündungen oder sialo-kutane und sialo-orale Fisteln entwickeln (49).

Diagnostik

Bei jeder unklaren Schwellung einer Speicheldrüse und jeder eitrigen Siala- denitis sollte an eine Sialolithiasis ge- dacht werden. Bei Steinen des Wharton- Ganges empfiehlt sich die bimanuelle Palpation des Mundbodens und der Gl.

submandibularis. In den mei- sten Fällen sind Steine ab ei- ner Größe von 4 bis 5 mm auch im Hilus zu tasten (67). Im Fal- le von Parotissteinen gelingt die diagnosesichernde Palpa- tion aufgrund der anatomi- schen Lage des Gangsystems weitaus seltener. Zur genau- en Lokalisationsdiagnostik sind bildgebende Verfahren uner- lässlich. Die Ultraschallunter- suchung im B-Bild als nicht- invasive, kostengünstige und weit verbreitete Methode, oh- ne Strahlen- und Kontrastmit- telbelastung gilt als Untersu- chungsverfahren der Wahl (24, 53, 61). Mit modernen hoch- auflösenden Schallköpfen (7,5 MHz) können Steine ab einer Größe von 1,5 mm in bis zu 99,5 Prozent entdeckt werden. Dar- über hinaus kann die genaue Lokalisation und gegebenen- falls die Steinanzahl exakt fest- gestellt werden. Aufgrund der Größe und Echogenität der be- troffenen Drüse sind oftmals auch orien- tierende Aussagen über deren Funktion möglich. Aufgrund des höheren Anteils anorganischer Substanzen sind Konkre- mente der Gl. submandibularis in 80 Pro- zent bis 95 Prozent und Parotissteine nur in 60 Prozent bis 70 Prozent auch bei Ver- wendung hochauflösender Filme nativ röntgenologisch darstellbar (51, 54).

Differenzialdiagnostisch muss bei der Röntgendarstellung an Phlebolithen in den Venengeflechten oder an verkalkte intravaskuläre Thromben (Hämangio- me!) (15) gedacht werden. Verkalkte Lymphknoten und atherosklerotische Glandula parotis

Glandula submandibularis

Wharton-Gang Stenon-Gang

Abbildung 1: Ohrspeicheldrüse mit Stenon-Gang und Un- terkieferspeicheldrüse mit Wharton-Gang

Abbildung 2: Speichelgangendoskop mit 2 Arbeitskanälen und einem Durchmesser von 1,1 mm, Endoskopie eines Steines im Wharton-Gang

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Veränderungen können ebenfalls mit Speichelsteinen verwechselt werden. Die Indikation für die Sialographie bei Stein- leiden der Speicheldrüsen wird – abgese- hen von Einzelfällen – als eine klinisch wenig bis nicht relevante Traditionspfle- ge angesehen (52). Im Patientenkollektiv der Autoren von mehr als 1 400 Personen war diese Untersuchung in keinem Fall zur Diagnosesicherung notwendig.

CT und MRT sind bei der Diagnostik von Speichelsteinen entbehrlich. Die Kernspinsialographie, die ohne die Ver- wendung von Kontrastmitteln Steine und Ausführungsgänge sichtbar macht (8, 38, 60), kann speziellen Fragestellungen vor- behalten bleiben.

Die Speichelgangendoskopie mit se- mirigiden Endoskopen mit einem Durchmesser von bis zu 1,2 mm, schließt bei unklaren Schwellungszuständen der großen Kopfspeicheldrüsen eine diagno- stische Lücke zur Differenzierung von Steinen, Gangstrikturen oder entzündli- chen Veränderungen der Ausführungs- gänge (4, 25, 32, 43, 45, 65).

Therapie der Sialolithiasis

Für eine moderne Therapie der Sialoli- thiasis steht eine große Anzahl verschie- dener invasiver, wenig invasiver und mi- nimalinvasiver Therapieoptionen zur Verfügung. Die Steinlokalisation, die Steingröße, die Belastung für den Patien- ten, die Komplikationsraten der Metho- den und der Versuch des Erhalts der Drüsenfunktion bilden die Grundlage für ein therapeutisches Stufenkonzept.

Prinzipiell gilt, dass sich eine durch lang- dauernde Obstruktion eingeschränkte Drüsenfunktion nach Beseitigung des Abflusshindernisses in der Mehrzahl der Fälle wieder erholen kann. Eine Behand- lungsnotwendigkeit besteht allerdings nur bei symptomatischen Patienten.

Oberstes Ziel der Therapie bei der Be- handlung der Sialolithiasis ist die Stein- freiheit. Allerdings kann bei primär sym- ptomatischen Patienten auch die Be- schwerdefreiheit als Behandlungserfolg gewertet werden. Bei lediglich beschwer- defreien Patienten und Patienten mit Restkonkrementen sollten neuerliche Behandlungen von dem Wiederauftreten von Symptomen abhängig gemacht wer- den

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Abbildung 3: a) 13,7 mm großer Speichelstein (+....+: echoreicher Reflex mit distaler Schall- auslöschung) in einer linken Gl. parotis (GP) bei einer 50-jährigen Patientin; MM, M. masseter;

b) am ersten Tag nach Lithotripsie sind verbreiterte und unterbrochene Reflexe (+...+) mit ei- ner Ausdehnung von 28 mm zu erkennen; UK, Unterkiefer; c) typisch nach extrakorporaler Li- thotripsie ist der Abgang von einzelnen Fragmenten aus dem Ostium des Stenon-Ganges; d) fast vier Wochen nach der Lithotripsie erkennt man bei der beschwerdefreien Patientin eine steinfreie Drüse mit einem echoleeren Steinbett. CO: Mundhöhle

Grafik 1

Therapiekonzept bei Submandibularissteinen

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Sialolithiasis mit akuter, eitriger Sialadenitis

Indiziert (31) sind Staphylokokken- und Streptokokken-wirksame Antibiotika, die bei starker Ausprägung der Sympto- matik auch intravenös verabreicht wer- den sollten. Schmerzmittel und ab- schwellende Medikamente ergänzen die medikamentöse Therapie. Darüber hin- aus ist es entscheidend, durch Massagen den Abfluss des Speichels wieder zu er- möglichen. Als Indikationen für eine so- fortige chirurgische Therapie gilt eine ab- szedierende Entzündung.

Konservative Maßnahmen, Gangdilatation und

Körbchenextraktion

Bei einer erstmalig diagnostizierten Sia- lolithiasis mit nichteitriger Drüsen- schwellung und Schmerzen können zunächst Sekret stimulierende Maßnah- men und regelmäßige Drüsenmassagen durchgeführt werden. Die Dilatation des Gangostiums – eine der engsten Stellen des Gangsystems – kann schon eine we- sentliche Besserung der Beschwerden herbeiführen oder bei kleinen Konkre- menten durch Spontanabgang zur Stein- freiheit führen. Sowohl im Stenon-Gang (Gl. parotis) als auch im Wharton-Gang (Gl. submandibularis) können mit spezi- ellen Fangkörbchen distal gelegene Stei- ne bis zum Hilus erreicht werden (6, 10, 16, 17, 20, 29, 30, 55, 62, 64). Diese konser- vativen Maßnahmen einschließlich der Steinentfernung unter endoskopischer Kontrolle mit Körbchen führen im Fall der Gl. submandibularis bei 10 Prozent und bei der Gl. parotis bei 20 Prozent der Patienten zur Steinfreiheit (68).

Gangschlitzung

Wharton-Gang

Dieser Eingriff kann bei fast allen Pa- tienten in Lokalanästhesie durchgeführt werden. Dabei können alle in den vorde- ren zwei Dritteln des Mundbodens loka- lisierten Sialolithen ohne Komplikatio- nen entfernt werden. Bei solitären, im Hilus gelegenen Speichelsteinen erreicht man eine Steinfreiheit von 96 Prozent.

Selbst bei Patienten mit simultanen mul- tiplen Konkrementen im Drüsenhilus und im intraparenchymatösen Aus- führungsgangsystem beträgt die Stein- freiheitsrate noch über 60 Prozent (67).

Stenon-Gang

Die verschiedenen Techniken der Schlit- zung des Stenon-Ganges bergen auf- grund seines anatomischen Verlaufes die große Gefahr einer Gangstenose nach Steinentfernung. Auch bei Papillotomi- en, die gelegentlich bei präpapillären Steinen durchgeführt werden, muss auf die Gefahr einer Stenose hingewiesen werden (3, 20, 22, 60). Entscheidend für das Auftreten dieser Komplikation ist die Größe der Inzision und die Funktion der Ohrspeicheldrüse. Prinzipiell sollte die Gangschlitzung bei Steinen der Gl. paro- tis Einzelfällen vorbehalten bleiben.

Extrakorporale Lithotripsie

Für die klinische Anwendung zur Spei- chelsteinlithotripsie sind zwei Systeme geeignet: Es handelt sich um ein piezo- elektrisches System (Piezolith 2501; Fa.

Richard Wolf, Knittlingen, Deutschland) und um ein elektromagnetisches System (Minilith; Fa. Storz Medical, Schweiz).

Bei Patienten mit Gerinnungsstörungen oder einer akuten Entzündung der Drü- se ist diese Behandlung kontraindiziert (23). Lediglich bei sehr schmerzempfind- lichen Patienten werden Analgetika vor der Therapie oral verabreicht. Die Be- handlung wird routinemäßig ohne jegli- che Sedoanalgesie durchgeführt – Kin- der unter zehn Jahren benötigen eine Vollnarkose (22). Nach der sonogra- phisch kontrollierten Einstellung beginnt die Stoßwellenapplikation mit geringster Intensität. Unter kontinuierlicher Ultra- schallkontrolle und zunehmender Inten- sität wird bis zur maximalen Stoßwel- lenanzahl behandelt (piezoelektrisch 3 000 Einzelpulse (17), elektromagne- tisch bis 7 500 Einzelpulse (27, 28, 46).

Insgesamt sind, abgesehen von wenigen Ausnahmen, bis zu drei Sitzungen im Ab- stand von 4 bis 12 Wochen sinnvoll.Ist ein Speichelstein durch die applizierten Stoßwellen fragmentiert, muss gewähr- leistet sein, dass die Fragmente über den natürlichen Ausführungsgang der Drüse ausgespült werden. Dieser Vorgang kann durch so genannte auxiliäre Maßnahmen unterstützt werden: Sialagoga und Drü- senmassage gewährleisten einen konti- nuierlichen Speichelfluss. Darüber hin- aus wird der Konkrementabgang durch eine Bougierung des natürlichen Osti- ums, welches die engste Stelle des Aus- Grafik 2

Therapiekonzept bei Parotissteinen

(5)

führungsgangsystems darstellt, erleich- tert. Sind einzelne Fragmente im distalen Gangsystem in der Nähe des Ostiums palpabel oder sonographisch erkennbar, so versucht man eine Extraktion mithilfe eines Dormia-Körbchens. An reversib- len therapiebedingten Nebenwirkungen werden leichte Schwellungen der betrof- fenen Drüse oder petechiale Hauteinblu- tungen beobachtet. Ausgeprägte Siala- denitiden sind selten, Abszesse nach Stoßwellenlithotripsie wurden nicht be- obachtet (68). Nach extrakorporaler Stoßwellenbehandlung von Steinen der Gl. parotis wird in 53 bis 80 Prozent der Fälle über Stein- oder Beschwerdefrei- heit berichtetet (1, 13, 18, 23, 27, 28, 46, 47, 59, 68). Steinrezidive wurden bei dem bis- her größten Kollektiv und einem Nach- beobachtungszeitraum von bis zu sechs Jahren nicht diagnostiziert (23). Bei Sub- mandibularissteinen werden deutlich schlechtere Ergebnisse mit Steinfrei- heitsraten von 12 Prozent (63) bis 63 Pro- zent (29) genannt.

Intrakorporale Lithotripsie

Neben der extrakorporalen sonogra- phisch kontrollierten Lithotripsie wur- den immer wieder verschiedene Metho- den der intrakorporalen, meist endosko- pisch kontrollierten Lithotripsie ent- wickelt. Eine entscheidende Vorausset- zung für die Anwendung dieser Verfah- ren war die Verfügbarkeit von Mini- be- ziehungsweise Mikroendoskopen mit ge- eigneten Arbeitskanälen. Die elektrohy- draulische und pneumatische Lithotrip- sie wurde nach anfänglichen Erfolgen aufgrund der Nebenwirkungen (Gang- perforationen und Gefahr der Nerven- schädigung) nicht weiter verfolgt. Mit dem Alexandrit-Laser (755 nm) und dem Nd:YAG-Laser (1 064 nm) können Spei- chelsteine nicht suffizient fragmentiert werden (19, 64). Der Excimer-Laser (308 nm) eignet sich in vitro sehr gut zur Frag- mentation von Konkrementen, potenzi- ell besteht die Gefahr von Verletzungen des umgebenden Gewebes (64). Bei kli- nischer Anwendung eines Excimer-La- sers wurde über Steinfreiheitsraten von 91,6 Prozent berichtet (11, 12). Durch Einsatz von Farbstofflasern (405 nm) (MDL 2000, Candela Co Natrik, USA) wurde hingegen nach drei bis neun Be-

handlungen eine Steinfreiheitsrate von 40 Prozent erreicht (26). Ein Farbstoff- laser mit Stein-Gewebe-Erkennung zur Minimierung der Nebenwirkungen führ- te zu einer Steinfreiheitsrate von 46 Pro- zent nach bis zu drei Behandlungen (21).

Wegen der Notwendigkeit der Papilloto- mie bei endoskopisch kontrollierter An- wendung, der nicht besseren Erfolgsrate als bei der Gangschlitzung bei zugleich hohem zeitlichen und operativen Auf- wand, haben intrakorporale Lithotripsie- verfahren derzeit nur eine geringe Be- deutung bei der Speichelsteintherapie.

Drüsenexstirpation

Bei der chirurgischen Entfernung der Unterkieferspeicheldrüse beschrieb be- reits Küttner 1893 als wesentliche Gefah- ren die Verletzungen des N. lingualis, des N. hypoglossus und des Ramus margina- lis des N. facialis (34). Das Risiko einer ir- reversiblen Schädigung des letztgenann- ten Nerven wird in der Literatur auf 6 bis 18 Prozent beziffert (5, 9, 41). Bei der Pa- rotidektomie ist neben der notwendigen Intubationsnarkose die in bis zu 7 Pro- zent auftretende irreversible Verletzung des N. facialis ein erhebliches Risiko (48, 58). Das zudem in 10 Prozent als subjek- tiv störend empfundene aurikulotempo- rale Syndrom (gustatorisches Schwitzen, Frey-Syndrom) kann bei fast allen Pati- enten objektiviert werden (15, 42). Die operative Entfernung der vom Stein be- troffenen Speicheldrüse sollte derzeit hinter den drüsenerhaltenden Behand- lungsverfahren zurückgestellt werden.

Die Indikation zur Drüsenexstirpationen konnte im Untersuchungskollektiv der Autoren von 1 400 symptomatischen Speichelsteinpatienten auf weniger als 5 Prozent gesenkt werden (23).

Fazit

Steine der Ohrspeicheldrüse

Bei einem primär diagnostizierten Spei- chelsteinleiden der Gl. parotis sollten zunächst drei Monate lang konservative Maßnahmen wie die Einnahme von Sia- lagoga und Drüsenmassagen erfolgen.

Gleichzeitig kann versucht werden, den Sialolithen mit einem Steinfangkörbchen

unter sonographischer oder endoskopi- scher Kontrolle zu entfernen. Wegen der potenziellen Gefahr einer Gangstenose sollte die Indikation zur Papillotomie auch bei präpapillären Steinen sehr zurückhaltend gestellt werden. Eine Gangschlitzung ist aufgrund der sehr unübersichtlichen Verhältnisse im Be- reich der Wangenweichteile nicht zu empfehlen. Gelingt es nicht, das Konkre- ment durch diese Maßnahmen zu entfer- nen,so ist unabhängig von der Lokalisati- on im Ausführungsgangsystem die extra- korporale Lithotripsie unter sonographi- scher Kontrolle die Methode der Wahl.

Eine Drüsenexstirpation bei einem Steinleiden der Gl. parotis sollte in Ein- zelfällen bei multiplen (> 3) Steinen in ei- ner Drüse beziehungsweise nach erfolg- loser extrakorporaler Lithotripsie erwo- gen werden (68)

Steine der Glandula submandibularis In Abhängigkeit von Steinlokalisation und Steingröße hat sich folgendes thera- peutisches Vorgehen bewährt (68).

>Steine im distalen Ausführungsgang werden unabhängig von ihrer Größe durch eine Gangschlitzung entfernt, ebenso wie alle von enoral palpablen Sia- lolithen, die sich weiter proximal im Hi- lus oder im intraparenchymatösen Gang- system befinden.

>Nicht zu palpierende Steine im Hilus und intraparenchymatösen Gangsystem bis zu einer Größe von 8 mm sind für die extrakorporale Stoßwellenlithotrip- sie geeignet.

>Bei intraglandulär lokalisierten Stei- nen, die größer als 8 mm sind beziehungs- weise multiplen Sialolithen (> 2 bis 3) wird weiterhin eine primäre Submandi- bulektomie empfohlen.

Manuskript eingereicht: 2. 8. 2002, angenommen:

4. 11. 2002

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100:A 556–562 [Heft 9]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit0903 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Heinrich Iro

Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenkranke der Universität Erlangen-Nürnberg

Waldstraße 1, 91054 Erlangen

E-Mail: heinrich.iro@hno.imed.uni-erlangen.de

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