A 1722 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 38|
20. September 2013Foto: picture alliance
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iskantes Verhalten und das Ignorieren von Ratschlägen der Eltern sind typisch für die Pu- bertät. Bei Jugendlichen mit chroni- schen Erkrankungen kann diese oft als schwierig empfundene Phase noch mit besonderen Problemen be- haftet sein: Sie verlassen in dieser Zeit den vertrauten Kinderarzt und wenden sich an einen Spezialisten – zumindest theoretisch. Denn die Emanzipation vom Elternhaus und vom Pädiater sowie der Einstieg in das Berufsleben führen häufig dazu, dass Erkrankungen ignoriert und Therapien abgebrochen werden.Risiko: Langzeitschäden
Prof. Dr. med. Angela Zink, Rheu- matologin an der Charité – Univer- sitätsmedizin Berlin, kennt dieses Phänomen: „Angesichts der anste- henden Neuorientierungen verdrän- gen junge Erwachsene die chroni- sche Krankheit leicht. Doch die Langzeitschäden einer unzureichen- den Versorgung können gravierend sein“, betonte sie auf dem Medizin- kongress der Barmer-GEK und desZentrums für Sozialpolitik der Uni- versität Bremen im Juni in Berlin.
Jugendliche mit juveniler idiopathi- scher Arthritis beispielsweise soll- ten deshalb systematisch auf den Übergang in die Erwachsenenversor- gung vorbereitet werden. Sie müss- ten lernen, die Verantwortung für ihre Krankheit selbst zu überneh- men, sagte die Ärztin.
Auch andere Fachrichtungen be- mühen sich, den Übergang vom Päd - iater zum Spezialisten in der Er- wachsenenmedizin – auch Transiti- on genannt – strukturiert zu gestal- ten. Doch dieser Prozess steckt noch in den Kinderschuhen: Ein einheitli- ches Versorgungskonzept gibt es in Deutschland nicht. Dabei wies be- reits 2009 der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen auf diese Ver- sorgungslücke hin. 2011 forderte die Bundesärztekammer, die Män- gel in Bezug auf die Versorgung von chronisch kranken Jugendlichen zu beseitigen (DÄ, Heft 16/2011).
„Vonseiten des Gesetzgebers wie auch der meisten Kostenträger fehlt
bislang die Anerkennung der beson- deren Betreuungssituation. Es exis- tieren bislang fachspezifische Ein- zellösungen, jedoch fehlt eine fä- cherübergreifende Struktur, die den Prozess der Transition nicht nur be- gleitet und absichert, sondern auch finanziell unterstützt“, erklärte Prof.
Dr. med. Britta Siegmund von der Charité – Universitätsmedizin Ber- lin. Die Internistin ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Transition der Deutschen Gesellschaft für In- nere Medizin und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Ju- gendmedizin, die 2012 gegründet und mittlerweile um die Deutsche Gesellschaft für Neurologie erwei- tert wurde.
Als Vorbild kann nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft das Ber liner Transitionsprogramm gelten, das im Rahmen einer Förderung des For- schungsministeriums zunächst für die Bereiche Epilepsie und Diabe- tes erarbeitet wurde. „Innerhalb die- ses Modellprogramms sind fächer- übergreifende Strukturen wie Tran- sitionsheft, Epikrise, Fallmanage- ment, krankheitsspezifische Mate- rialen und die Vergütung etabliert“, erläuterte Siegmund. Das Modell- programm könne fachlich auch auf andere Erkrankungen sowie räum- lich auf andere Bundesländer aus- gedehnt werden.
GEK-Vertrag mit Kinderärzten
Doch warum ist dies in den letzten Jahren, in denen zunehmend über Transition gesprochen wird, nicht schon geschehen? „Die Barrieren bei der Transition sind hoch und vielfältig“, meinte Dr. Rolf-Ulrich Schlenker, stellvertretender Vor- standsvorsitzender der Barmer-GEK.So begrenzten Zuständigkeitsrege- lungen im Berufsrecht und Kassen- arztrecht das Aufgabenspektrum der Ärztinnen und Ärzte. Spezielle Transitionsleistungen würden meist nicht vergütet. Die Barmer-GEK will dies ändern und hat zum Juli 2013 auf Basis des § 73 b SGB V mit dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte einen Transitions- vertrag geschlossen. Dieser sieht ei- nen Abschlussbericht sowie ein Transitionsgespräch vor.
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Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
TRANSITION
Noch in den Kinderschuhen
Es müsste nicht sein, dass chronisch kranke Jugendliche häufig erst in einem Notfall einen Spezialisten aufsuchen. Eine strukturierte Übergabe der Patienten vom Pädiater in die Erwachsenenmedizin könnte die Zahl dieser Fälle reduzieren. Das zeigen Modelle.