A 1738 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 38|
20. September 2013STUDIEN IM FOKUS
Ist die Plättchenreagibilität bei KHK-Patienten unter dualer Plätt- chenhemmung nach Implantation eines oder mehrerer medikamenten- beschichteter Stents für das Auftre- ten ischämischer und/oder hämor- rhagischer Komplikationen bedeut- sam? Das war die Fragestellung einer prospektiven, multizentrischen Re- gisterstudie. Eingeschlossen wur- den 8 665 konsekutive Patienten unter Acetylsalicylsäure (ASS) und Clopidogrel aus den USA und Europa, auswertbar waren Daten von 8 583 Patienten.
Im Verlauf eines Jahres kam es bei 70 (0,8 %) Patienten zu einer nachgewiesenen oder wahrschein - lichen Stentthrombose (primärer Endpunkt), 269 (3,1 %) entwickel- ten einen Myokardinfarkt, 531 (6,2 %) eine klinisch relevante Blu- tung und insgesamt 161 (1,9 %)
starben. Bei einer hohen Plättchen- reagibilität unter Clopidogrel (ge- messen mit einem Point-of-care- Assay) bestand eine Assoziation zur Stentthrombose (Hazard Ratio [HR] 2,49, 95-%-Konfidenzinter- vall [KI] 1,43–4,31, p = 0,001), zum Myokardinfarkt (HR 1,41; KI 1,09–1,86, p = 0,01) und eine inver- se Korrelation zum Blutungsrisiko (HR 0,73; KI 0,61–0,89, p = 0,002).
Es gab jedoch keine signifikante Relation zur Mortalität (HR 1,2; KI 0,85–1,70, p = 0,30).
Bei hoher Plättchenreagibilität unter ASS gab es keine signifikante Assoziation zur Stentthrombose (HR 1,46; KI 0,58–3,64, p = 0,42), zum Myokardinfarkt oder zur Mor- talität, wohl aber eine inverse Kor- relation zu Blutungen (HR 0,65; KI 0,43–0,99, p = 0,04). Die Autoren fordern als Konsequenz die Ent-
wicklung sicherer Medikamente oder maßgeschneiderter Strategien bei der Verwendung stärker wirksa- mer Substanzen, um den Patienten die Vorteile einer plättchenhem- menden Therapie zu sichern.
Fazit: Die Plättchenhemmung unter Clopidogrel ist nach Stentimplanta- tion oft nicht optimal, ein ischämi- sches Ereignis dennoch selten. Ein systematischer Wechsel auf einen stärker wirksamen Thrombozyten- funktionshemmer würde zu einer Übertherapie mit dem Risiko ver- mehrter Blutungskomplikationen führen, meint Priv.-Doz. Dr. med.
Bernhard Witzenbichler, Dachau, der an der Studie beteiligt war. Eine routinemäßige Messung der Thrombozytenfunktion sei derzeit nicht indiziert. Christine Vetter
Stone GW, et al.: Platelet reactivity and clinical outcomes after coronary artery implantation of drug eluting stents (ADAPT-DES): a prospec - tive multicenter registry study. Lancet 2013;
doi.org/10.1016/S0140–6736 (13) 61170–8.
MEDIKAMENTENFREISETZENDE STENTS BEI KORONARER HERZKRANKHEIT
Suboptimale Plättchenhemmung ohne schwere Folgen
Seit längerem ist bekannt, dass pe- riprozedurale Blutungen bei der Im- plantation von Koronarstents die Morbidität, die Dauer und die Kos- ten eines Klinikaufenthalts erhö- hen. Methodisch schwierig ist es je- doch, das Mortalitätsrisiko durch postprozedurale Blutungen abzu- schätzen: Prädiktive Faktoren, die das Risiko für Blutungen beeinflus- sen, überlappen sich mit solchen, die die Sterblichkeit nach Koro- narstentimplantation erhöhen.
Forscher vom National Cardio- vascular Data Register in den USA haben die Daten von 3 386 688 In- terventionen zwischen 2004 und 2011 auf die Frage nach dem Sterb- lichkeitsrisiko durch postoperative Blutungen analysiert. Präprozedu- rale Faktoren, die die Sterblichkeit beeinflussen konnten, wurden be-
rücksichtigt. Es traten bei 1,7 % der Interventionen Blutungen (n = 57 246) und 22 165 Todesfälle im Krankenhaus (0,65 %) auf. Die Krankenhaussterblichkeit war zu 12,1 % auf schwere Blutungen („major bleeding“) mit Transfusi- onsbedarf oder einem Absinken des Hämoglobinwerts um mehr als 3 g/dL Blut zurückzuführen. Die Assoziation zwischen Sterblichkeit im Krankenhaus und Blutungskom- plikationen bestand in den verschie- denen, präoperativ festgelegten Ri- sikogruppen für Blutungen, war je- doch bei bereits präoperativ höchs- ten Blutungs- und Sterblichkeits - risiken am stärksten ausgeprägt, ebenso bei Blutungen außerhalb des Interventionsbereichs (gastrointes- tinale oder urogenitale Blutungen).
Auf 21 schwere postoperative Blu-
tungen kam bei hohem Blutungsri- siko ein Todesfall, bei Blutungen außerhalb des Interventionsgebiets betrug die Rate 16. Die Assoziation zwischen Mortalität und Blutungs- komplikationen war unabhängig von den perioperativ angewandten Antikoagulanzien (Heparine, Gly- koprotein-IIb/IIIa-Inhibitoren).
Fazit: Schwere Blutungen nach Ko- ronarstentimplantation sind mit ei- nem erhöhten Krankenhaussterb- lichkeitsrisiko assoziiert. Zu 12,1 % war es in einer großen Studie aus den USA auf postoperative Blutun- gen zurückzuführen: Komplikatio- nen, die sich nach Meinung der Au- toren durch Maßnahmen vor und während der Op vermeiden ließen.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Chhatriwalla AK, Amin AP, Kennedy KF House JA, et al.: Association between bleeding events and in-hospital mortality after percuta- neous coronary intervention. JAMA 2013;
309: 1022–9.
BLUTUNGSRISIKO NACH KORONARSTENTIMPLANTATION