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Archiv "Therapie der Ösophagusvarizenblutung" (20.09.1990)

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Die Ösophagusvarizenblutung ist die zweithäufigste Ursache oberer Gastrointestinatblutungen und hat eine hohe Letalität. Die Behandlung der akuten Blutung erfolgt nach Kreislaufstabilisierung durch endosko- pische Sklerosierung. Bei Therapieversagern ist die Ballonsondenkom- pression indiziert. Das Risiko einer Rezidivblutung ist hoch und abhän- gig von der Leberfunktion. Sklerosierungstherapie und portosystemi- sche Shunts können die Zahl von Rezidivblutungen reduzieren. Derzeit ist die Sklerosierungstherapie die allgemein akzeptierte Rezidivprophy- laxe. Da bislang keine hinreichenden Risikofaktoren definiert sind, ist eine Primärprophylaxe nur im Rahmen von Studien indiziert.

Therapie der

Ösophagusvarizenblutung

Jürgen Schölmerich und Axel Holstege

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

ZUR FORTBILDUNG

1. Einleitung

1.1. Entstehung der Ösophagus- varizen: Bei Leberzirrhose unter- schiedlicher Ätiologie kommt es zur Ausbildung eines Pfortaderhoch- drucks. Erhöhter intrahepatischer Widerstand und hyperdyname splanchnische Zirkulation führen zur Ausbildung von Umgehungskreisläu- fen. Ein solcher Kurzschluß zwi- schen Pfortader und Vena cava su- perior erfolgt über die Ösophagusve- nen, die sich mit zunehmender por- taler Hypertension ektatisch erwei- tern und sackförmig aufgetrieben ins Ösophaguslumen ragen.

1.2. Diagnose von Ösophagus- varizen: Die entscheidende Rolle für die Diagnose von Ösophagusvarizen und für die Feststellung der Blu- tungsquelle bei aufgetretener Blu- tung spielt die Endoskopie. Sie er- möglicht die genaue Beurteilung der Varizengröße, ihrer Ausdehnung, die Messung des intravarikösen Druckes und die Erfassung spezifi- scher Merkmale, die möglicherweise prognostische Aussagen für das Blu- tungsriisiko erlauben (1-5).

1.3. Risikofaktoren und Häufig- keit der Ösophagusvarizenblutung:

Aufgrund verschiedener Untersu- chungen wurden Risikofaktoren für eine Blutung bei bekannten Varizen definiert (1, 2, 6-10). Die Leberfunk- tion (Child-Pugh-Klassifikation), die Varizengröße und der endoskopi- sche Nachweis von subepithelial ge- legenen, erweiterten blutgefüllten Kanälen („Red-color-sign") wurden zur Berechnung eines Risiko-Inde- xes verwandt (10). Keiner der aufge- führten Parameter bietet jedoch eine ausreichende Sicherheit bei der Be- urteilung der individuellen Pro- gnose.

Die Ösophagusvarizenblutung ist neben Blutungen aus peptischen Ulzera (51 Prozent) mit elf Prozent die zweithäufigste Ursache einer oberen gastrointestinalen Blutung (11). Bei bekannten Ösophagusvari- zen und neu auftretender oberer ga- strointestinaler Blutung liegt in 30 bis 50 Prozent der Fälle eine Blutung aus anderen Blutungsquellen vor (12-14), was die Bedeutung der Not- fallendoskopie unterstreicht. Das Blutungsrisiko im ersten Jahr nach

Diagnosestellung von Ösophagusva- rizen ist fünf bis zehnfach höher als in den folgenden Jahren. Hatten Pa- tienten bereits eine Varizenblutung, so steigt das Risiko, eine Rezidivblu- tung zu erleiden, auf 70 Prozent (Ab- bildung 1) (1).

2. Therapeutische Möglichkeiten

Wegen ihrer hohen Letalität er- fordert eine akute Ösophagusvari- zenblutung sofortige Maßnahmen zur Blutstillung (Tabelle I). Steht die Blutung, so sind wegen des hohen Risikos einer Rezidivblutung Maß- nahmen zur Verhütung eines Rezi- divs angezeigt. Da etwa 30 Prozent der Patienten mit diagnostizierten Varizen im weiteren Verlauf bluten, erscheinen Maßnahmen zur primä- ren Prophylaxe ebenfalls sinnvoll (Abbildung 1). Dementsprechend kann die Therapie der Ösophagusva- rizenblutung wie folgt eingeteilt wer- den:

c),

Behandlung der akuten Blu- tung, C) Prophylaxe der Rezidivblu- tung, ® Prophylaxe der Erstblutung.

2.1. Therapie der akuten Blu- tung: Die Erstblutung aus Ösopha- gusvarizen hat nach älteren Untersu- chungen eine hohe Letalität von 30 Abteilung Innere Medizin II (Direktor:

Professor Dr. med. Wolfgang Gerok), Medizinische Klinik der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg

bis 50 Prozent. Dabei wird die Früh- letalität wesentlich von der Leber- funktion beeinflußt (15-17). Über- lebt der Patient die ersten drei Mo- nate nach der Blutung, ist seine wei- tere Prognose wieder identisch der vor der Blutung (16), das heißt, die Langzeitprognose ist eng mit dem überleben der ersten Phase nach der Blutung korreliert. Da die Mehrzahl der Rezidivblutungen in den ersten zehn Tagen auftritt, spielt der Zeit- raum zwischen Blutung und Thera- piebeginn auch zur Beurteilung der verschiedenen durchgeführten Stu- dien eine wichtige Rolle (16, 18-20).

Das Risiko einer Rezidivblutung ist umgekehrt proportional zur Leber- funktion (Abbildung 2) (8, 20, 21).

2.1.1. Allgemeinmaßnahmen:

Bei Patienten mit Verdacht auf eine Ösophagusvarizenblutung muß initi- al durch Volumenzufuhr (Blut, Al- buminlösung) ein kreislaufstabiler Zustand erreicht werden, der Vor- aussetzung einer endoskopischen Abklärung der Blutungsquelle und gegebenenfalls einer endoskopi- schen Therapie ist. Ausgeprägte Ge- rinnungsstörungen bedürfen der Korrektur, wobei an die Dekompen- sation einer chronischen kompen- sierten disseminierten intravasalen Gerinnung zu denken ist. Da die Le- berfunktion

die Prognose und die

Häufigkeit des Auftretens von Rezi- divblutungen beeinflußt (Abbildung 2), sind alle möglichen Maßnahmen zur Behandlung der Komplikationen Dt. Ärztebl. 87, Heft 38, 20. September 1990 (45) A-2803

(2)

Symptomatische Maßnahmen zur Besserung der Leberfunktion

Rezidivblutung 70% (im 1. Jahr)

Prophylaxe der

I

Erstblutung

Letalität

Prophylaxe der

II

Rezidivblutung

Abbildung 2: Letalität unter Sklerosierungs- therapie (nach im Mittel 44 Monaten) und Rezidivblutungen innerhalb von 5 Ta- gen bei konservativer Therapie der akuten Varizenblutung (1)

Letalität während Sklerosierungstherapie Rezidivblutungen

der Leberzirrhose (Enzephalopa- thie, Aszites, Nierenversagen) zu er- greifen.

Zur Komaprophylaxe sind das Absaugen des blutigen Mageninhal- tes, die Gabe von Lactulose (3 x 20 bis 50 ml/Tag), ein hoher Einlauf mit Lactulose (300 ml + 700 ml H20) und die Bilanzierung und eventuelle Korrektur von Elektrolyt- und Säu- re-Basen-Haushalt erforderlich. Die Aufrechterhaltung der Nierenfunkti- on wird durch hinreichende Vo- lumenzufuhr und das Vermeiden nephrotoxischer Substanzen (nicht- steroidale Antiphlogistika, Antibioti- ka) angestrebt.

2.1.2. Medikamentöse Therapie:

Eine medikamentöse Therapie der Varizenblutung (22) ist durch vaso- aktive Substanzen wie Vasopressin (23), Terlipressin (24), Somatostatin (25, 26) oder die Kombination von Vasopressin mit Nitroglycerin (27, 28) möglich. Eine Wirkung von So- matostatin auf die Konstriktion der splanchnischen Arteriolen konnte nicht nachgewiesen werden, so daß für dieses Hormon ein anderer Wirk- mechanismus angenommen werden muß (29). Diskutiert wird der Ein- satz von Substanzen mit konstrikti- ver Wirkung auf den unteren Öso- phagussphincter (Metoclopramid), deren Gabe ebenfalls zu einem Ab- sinken des intravarikösen Druckes führt (30). H2-Rezeptorenblocker sind nicht wirksam (31).

Abbildung 1:

Ösophagusvarizen- blutung bei Leber- zirrhose. Natürlicher Verlauf und Möglich- keiten der Beeinflus- sung

2.1.2.1. Vasopressin: In vier äl- teren Studien erfolgte ein Vergleich von Vasopressin mit einer konserva- tiven Standardtherapie (32-35). In drei Studien fand sich eine Überle- genheit der Peptidtherapie im Hin- blick auf die Blutstillungsrate, in ei- ner Studie mit der höchsten Vaso- pressin-Dosis ließ sich dieser Unter- schied nicht zeigen (35). Trotz ver- schiedener Mängel bei der Studien- durchführung kann eine Wirkung von Vasopressin auf die Blutstillung als wahrscheinlich angenommen werden (20).

Die Kombination von Vasopres- sin mit Nitroglycerin (20) beseitigt die hohe Rate von Nebenwirkungen des Hormons und hat möglicherwei- se einen additiven Effekt auf die Ab- senkung des Pfortaderdruckes. Die

Erfolgsrate wird durch diese Kombi- nation aber nicht wesentlich verbes- sert (36, 37).

2.1.2.2. Terlipressin: Terlipres- sin ist ein synthetisches Vasopressin- Derivat und besitzt verschiedene Vorteile: 1. Es hat eine wesentlich längere biologische Wirksamkeit (drei bis vier Stunden); 2. statt einer dauernden Infusion sind Bolusinjek- tionen möglich; 3. es werden weniger schwere Nebenwirkungen beobach- tet. Die zusätzliche Gabe von Terli- pressin zu einer Standardtherapie, die Ballon-Sonden und endoskopi- sche Sklerosierung einschloß, führte häufiger zur Blutstillung als die Ga- be von Placebo (38-40).

2.1.2.3. Somatostatin: In dop- pelblinden, placebokontrollierten Untersuchungen zeigte Somatostatin eine Verbesserung der Blutstillungs- rate, eine Reduktion der Zahl von Bluttransfusionen und einen seltene- ren Einsatz der Ballon-Tamponade (41, 42). Der kontrollierte Vergleich von Somatostatin mit Vasopressin (43, 44) oder mit der Sklerosierungs- therapie (45) ließ keine Unterschie- de der blutstillenden Wirkung erken- nen. Die Behandlung ist kostspielig, weist aber weniger Nebenwirkungen als die Gabe von Vasopressin auf (43, 44).

2.1.3. Ballon-Tamponade: Die Kompressionsbehandlung von blu- tenden Ösophagusvarizen mit der Sengstaken-Blakemore- oder der Linton-Nachlas-Sonde stellt nur eine vorübergehende Maßnahme zur Blutstillung dar. Eine Blutstillung wird bei bis zu 91 Prozent der Pa- tienten erreicht. 50 Prozent der Pa-

(3)

Tabelle 2: Patienten rnit Rezidivblutungen unter SIderosierungsbehandlung in kontrollierten Studien*

Patienten mit Rezidivblutung Kontrolle Sklerosierung

Anzahl der Rezidivblutungen Kontrolle Sklerosierung Erstautor

Terblanche, 1983 (79) Söderlund, 1985 (53) Söderlund, 1987 (80)**

Westaby, 1985 (81) Korula, 1985 (82) Copenhagen, 1984 (57)

73 43

99 50

39 12

125 66

98 48

138

64

77% 58%

64% 58%

52% 27%

80% 55%

84% 49%

54% 48%

* ohne Blutungen aus einem Ulcus pepticum

** R ezidivblutungen bei Patienten, die das erste Jahr nach der ersten Ösophagusvarizenblutung überlebt hatten

tienten erleiden ein Frührezidiv. In randomisierten Studien zeigte sich die alleinige Ballontamponade der endoskopischen Sklerosierungsthe rapie u nterlegen (4-6-48). Dies gilt ins- besondere für die Häufigkeit des Auf- tretens von Rezidivblutungen inner- halb von einer Woche (46). Es ließen sich keine Unterschiede zwischen den verschiedenen Sondentypen finden.

Die Ballonsondenkompression war als blutstillende Erstmaßnahme von vergleichbarer Wirksamkeit wie die Vasopressin-Gabe (49).

Die Sonden sollten nicht länger als zwölf Stunden bis zur definitiven endoskopischen oder operativen Therapie geblockt liegen. Die Kom plikationsrate liegt bei 10 bis 50 Pro- zent (50), wobei Aspirationspneu- monie, Asphyxie durch Dislokation des Ösophagusballons und die Kar- diaruptur bei Dislokation des Ma- genb allons im Vordergrund stehen.

Auf einen Gewichtszug an der Sonde sollte verzichtet werden.

2.1.4. Skier° sierungs therapie:

Mehrere kontrollierte randomisierte Studien (45-48, 51-57), die die Akutslderosierung blutender Öso- phagusvarizen mit anderen Thera- pieformen verglichen, zeigten mit ei- ner Ausnahme (5), daß die Häufig- keit von frühen Rezidivblutungen während eines Krankenhausaufent- haltes nach initialer Blutstillung durch die Sklerosierungstherapie verringert wird. Bisher nicht eindeu- tig geklärt sind der Zeitpunkt des Beginns der Sklerosierungsbehand- lung (während der diagnostischen Endos kopie?), die Zahl der mögli- chen :Sitzungen zur Stillung einer Rezidivblutung innerhalb von 24

Stunden und die Art der eingesetz- ten Sklerosierungstechnik (56, 59).

Die Sklerosierungstherapie mit einem flexiblen Endoskop ist einfa- cher zu handhaben als die durch das starre Endoskop. Eine strenge intra- vasale Injektion des Verödungsmit- tels scheint Vorteile gegenüber einer paravasalen Injektion zu bieten (60), dies ist aber während einer Notfall- therapie nicht immer zu erreichen.

Aufgrund der bislang vorliegenden Untersuchungen läßt sich keine Empfehlung zugunsten eines der verschiedenen Sklerosierungsmittel (absoluter Alkohol, fünfprozentige Ethanol-Aminoleat-Lösung, Polido- canol) abgeben.

2.1.5. Operative Notfalltherapie:

Zur Behandlung der akuten Ösopha-

gusvarizenblutung stehen die Öso- phagustranssektion, der Notfallshunt und die ausgedehnte abdominothora- kale Dissektion zur Verfügung.

2.1.5.1. Transsektion: Drei kon- trollierte randomisierte Studien ver- glichen die Transsektionsoperation mit der Sklerosierungstherapie (20, 61-63). Die Transsektion erwies sich in zwei Untersuchungen als erfolg- reicher (62, 63). Allerdings war die Krankenhausletalität gleich.

2.1.5.2. Notfallshunt: Eine Ab- senkung des erhöhten intravarikösen Druckes bei akuter Ösophagusvari- zenblutung kann durch Anlage einer portosystemischen Kurzschlußver- bindung erfolgen. Die Wirksamkeit eines portokavalen Shunts bei Pa- tienten mit persistierender oder rezi- Tabelle I: Therapie der akuten Ösophagusvaiizenblutung

1. Allgemeinmaßnahmen: — Frischblut (Erythrozytenkonzentrate + FFP)

— Komaprophylaxe 2. Medikamentöse Therapie:

—Terlipressinacetat (Glycylpressin® 1 mg) (Bolus 2 mg, dann 6stündlich 1 mg intravenös)

— Ornipressin (Por 8 Sandoz9) (0,4 I. E./min wiederholt über je- weils 20-30 Minuten) zusammen mit Glyceroltrinitrat (zum Bei- spiel Nitrolingual forte®, Maycore)

(1,2 mg sublingual stündlich über 6 Stunden)

(20-30 mg in 12 Stunden über Perfusor i. v.: Trinitrosan®) Somatostatin (Somatofalk®, Somatostatin Labaz®, Stilamin9) (250 ptg im Bolus, danach 250 la,g/h im Perfusor v.)

3. Endoskopische Sklerosierung mit z. B. 1prozentigem Polidocanol (Aethoxysklerole)

4. Ballon-Tamponade mit einer Sengstaken-Blakemore-Sonde (bei nicht durchführbarer Sklerosierung)

5. Operation (Dissektionsoperation, verzögerter Notshunt)

Dt. Ärztebl. 87, Heft 38, 20. September 1990 (49) A-2805

(4)

divierender Varizenblutung wurde mit der Ösophagustranssektion (61) oder der endoskopischen Sklerosie- rung (61, 62, 64, 65) verglichen. Im Vergleich zur Transsektion sprachen effektivere Blutstillung und geringe- re Nebenwirkungen für den Shunt (61). Langzeitüberleben und operati- ve Letalität waren gleich. Eine besse- re Blutstillung erzielte der Shunt auch bei randomisierten Vergleichen mit der Sklerosierungsbehandlung oder mit einer Vasopressin- oder Ballonsondentherapie (64-66). Die Letalität binnen eines Monats war allerdings nicht signifikant unter- schiedlich.

2.1.6. Zusammenfassung: Ins- gesamt erscheint ein initialer Ver- such einer Sklerosierungstherapie nach Kreislaufstabilisierung, unter- stützt durch Medikamente, sinnvoll.

Bei Versagen ist eine Ballonsonden- therapie indiziert. Operative Notfall- maßnahmen sind dort, wo eine Akut- sklerosierung nicht möglich ist, und als Reservemaßnahmen bei konven- tionell nicht zu stillender Blutung in- diziert (Tabelle 1).

2.2. Prophylaxe der Rezidivblu- tung: Das Risiko einer Rezidivblu- tung nach stattgehabter Ösophagus- varizenblutung ist mit 70 Prozent deutlich höher als das Risiko einer ersten Blutung (Abbildung 1). 54 Pro- zent der Patienten weisen ohne ent- sprechende prophylaktische Maß- nahmen eine Rezidivblutung in den ersten zehn Tagen nach der initialen Blutung auf. Das Risiko ist dabei von der Leberfunktion abhängig (Abbil- dung 2). Nach drei rezidivfreien Mo- naten liegt das Risiko wieder bei et- wa 30 Prozent (18, 20, 67). Für eine Rezidivblutungsprophylaxe bieten sich operative, medikamentöse und endoskopische Maßnahmen an.

Überleben.(%)

Abbildung 3 Ergeb- 1,0 nis der Rezidivpro- 0,9 phylaxe durch Skle- 0,8 rosierungstherapie

oder Shunt (DSRS). 0,7 Mittlere Beobach- 0,6

tungszeit 52 Monate; bei 30 Prozent der 0,5

Patienten in der Skle- 0,4

rotherapiegruppe wurde bei Rezidiv- 0,3

blutungein Notfall- 0,2 shunt (DSRS) durch-

geführt (93) 0,1

0 12

2.2.1. Operative Maßnahmen:

Die chirurgische Rezidivprophylaxe besteht aus einer vollständigen (End-zu-Seit-portokavale Anasto- mose [PCA], portosystemische Ana- stomose [PSS]) oder einer partiellen Drainage des Pfortadersystems ( se- lektiver oder distal splenorenaler Shunt [DSRS]). Verschiedene ver- gleichende Untersuchungen (68-75) ergaben, daß die Wirksamkeit und wohl auch das Auftreten einer hepa- tischen Enzephalopathie bei beiden Operationsverfahren langfristig nicht unterschiedlich sind. In drei ver- gleichbaren Studien (71-73) waren Rezidivblutungen häufiger nach DSRS (18 Prozent) als nach PCA (sieben Prozent). Die Letalität und Enzephalopathie-Rate waren nicht signifikant unterschiedlich.

Das Langzeitergebnis einer Shunt-Operation wird im wesentli- chen von der Alkoholabstinenz be- stimmt (5-Jahres-Überlebensrate: 70 bis 80 Prozent bei nicht-alkoholi- scher versus 45 Prozent bei alkoholi- scher Genese der Zirrhose) (76).

Die Lebertransplantation beein- flußt als einziges Therapieverfahren die Leberfunktion, die die Rezidiv- häufigkeit der Blutung bestimmt. Ei-

24 36 48 60 72 Monate

ne retrospektive Analyse ergab, daß Patienten, die nur mit Sklerosie- rungstherapie be.~andelt wurden, mit einer 4-Jahres-Uberlebenszeit von 17 Prozent eine wesentlich schlech- tere Prognose hatten als solche, die später zusätzlich transplantiert wur- den (73 Prozent) (77, 78). Dies weist auf die mögliche Bedeutung der Le- bertransplantation für derzeit noch t:.inige wenige Patienten mit durch Osophagusvarizenblutung kompli- zierter Leberzirrhose hin.

2.2.2. Sklerosierungstherapie:

Die akute und die elektive Sklerosie- rungstherapie ergab im Vergleich zu konservativ behandelten Patienten mit einer stattgehabten Varizenblu- tung stets eine statistisch signifikante Reduktion der Blutungsereignisse, wobei sich jedoch nicht immer ein signifikanter Unterschied in der Zahl der Patienten mit einer Rezidivblu- tung zeigen ließ (Tabelle 2) ( 47, 48, 53, 57, 79-83). In vier Untersuchun- gen fand sich eine lebensverlängern- de Wirkung der Sklerosierungsthera- pie ( 47, 48, 57, 81).

Die Metaanalyse aller Studien ergab, daß Patienten von der Sklero- sierungstherapie profitierten und im Vergleich zur Kontrollgruppe 25

Tabelle 3: Patienten mit Ösophagusvarizen-Rezidivblutungen unter Betablockertherapie in kontrollierten Stu- dien (85)

Erstautor Patienten mit Rezidivblutung Letalität

Kontrolle ß-Blocker Kontrolle ß-Blocker

Lebrec, 1984 (98) 64% 16% 22% 8%

Burroughs, 1983 (15) 50% 46% I 23% 15%

Villeneuve, 1986 (99) 81% 76%

I

41% 45%

Queuniet, 1987 (100) 65% 57% 21% 24%

Kobe, 1987 (101) 46% 38%

I

18% 15%

(5)

r

Initiale Blutungsstillung

I

Ösophagusvarizen + Fundusvarizen

(Herzfrequenz Propranolol 25% 1)

I

`11,

Varizengröße reduziert (2 Monate?)

nein 4

Ösophagusvarizen + kardianahe (2-3 cm) Fundusvarizen

I

Sklerosierung

(Ziel: Eradikation) Shuntoperation (PCS/DSRS)

Propranolol weiter

Tabelle 4: Medikamentöse Prophylaxe der Ösophagusvarizen-Erstblutung

Prozentsatz der Patienten ohne Blutung Therapiegruppe Kontrolle

Erstautor Therapie

Ideo, 1988 (110) Lebrec, 1988 (111)*

Italian Multicenter, 1988 (113) Pascal, 1987 (112)

Nadolol Nadolol

94%

83%

97%**

74%

88%*"

74%

70%

80%

77%**

63%

64%***

39%

< 0.02 n. s.

< 0.02 n. s.

= 0.01

< 0.05

Propranolol Propranolol Prozent weniger Todesfälle aufwie-

sen (84, 85). Bei 10 bis 23 Prozent al- ler Patienten kommt es nach voll- ständiger Varizenverödung weiter- hin zu Rezidivblutungen. Komplika- tionen sind unter Sklerosierungsthe- rapie nicht selten und bestehen im wesentlichen in Blutungen aus tiefen Ulzera, einer im Verlauf auftreten- den Ösophagusstenose, sowie akut auftretenden Temperaturen mit Leukozytose und Pleuraergüssen (86-88).

Eitle Analyse von fünf Studien, die endoskopische Sklerosierungs- therapie und Shunt-Operation ver- glichen, ergab, daß die elektive Shunt-Therapie zu einer besseren Rezidivblutungsprophylaxe führt, sich aber weder die Früh- noch die Spätletalität wesentlich unterschie- den (65, 89-93). In einer Studie konnte gezeigt werden, daß Patien- ten, die initial sklerosiert wurden und bei Therapieversagen (30 Pro- zent) einen DSRS erhielten, ein si- gnifikant besseres Überleben aufwei- sen als solche, die initial operiert wurden (Abbildung 3). Krankenhaus- aufenthalt und Bedarf an Bluttrans- fusionen während des initialen sta- tionären Aufenthaltes waren bei Sklerosierungstherapie geringer, ei- ne hepatische Enzephalopathie trat häufiger nach DSRS auf (24 Prozent vs acht Prozent) (93).

Verschiedene Studien haben technische Variationen der Sklero- sierungstherapie sowie adjuvante Maßnahmen untersucht. Die Gabe von Sucralfat senkte die Häufigkeit von frühen Rezidivblutungen unter Sklerosierungstherapie (94). Eine zusätzliche Propranolol-Verabrei-

Abbildung 4: Rezidiv- prophylaxe nach in- itialer Blutungsstil- lung bei Ösophagus- varizenblutung

chung hatte keinen Effekt auf die Häufigkeit von Rezidivblutungen un- ter Sklerosierungstherapie (95). Wö- chentliche Injektionen sind wahr- scheinlich besser als längere Inter- valle (96).

2.2.3. Medikamentöse Therapie:

ß-Blocker sind in der Lage, bei Pa- tienten mit Leberzirrhose kurzfristig und auch auf Dauer den Pfortader- druck zu senken (97), wobei dies je- doch bei 20 bis 30 Prozent der Pa- tienten nicht ausreichend gelingt.

Nachdem initial ein positiver Effekt einer ß-Blocker-Therapie in einer Dosis, die den Ruhepuls um 25 Pro- zent reduzierte, sowohl auf die Häu- figkeit von Rezidivblutungen als auch auf die Letalität gefunden wor- den war (98), konnte dies in vier wei- teren (15, 100, 101) Studien nicht be- stätigt werden (Tabelle 3). Eine

neuere Studie zeigt wiederum einen positiven Effekt von Propranolol (zum Beispiel Dociton8) und von Atenolol (zum Beispiel Tenormin8) auf das Rezidivblutungsrisiko (102).

Vergleiche von Sklerosierungs- therapie und ß-Blocker-Therapie zur Prophylaxe der Rezidivblutung zeig- ten keine Unterschiede zwischen bei- den Therapieformen (103-105), wo- bei in einer Untersuchung nach Aus- schluß von Blutungen aus anderen Blutungsquellen eine geringere Re- zidivblutungsrate aus Varizen unter Sklerosierungstherapie auffiel. In ei- ner neueren Studie ergaben sich Vorteile der Sklerosierungstherapie gegenüber Propranolol und gegen- über der Kombination von Propra- nolol und transhepatischer Sklero- sierung (106). Es ist nicht klar, inwie- weit Vorschläge, die langfristige

* 13eobachtungszeitraum = 1 Jahr nach Therapie

** Patienten mit Compliance

*** Child A-Patienten

Dt. Ärztebl. 87, Heft 38, 20. September 1990 (53) A-2809

(6)

Therapie mit ß-Blockern von der endoskopisch beobachteten Reduk- tion der Varizengröße unter Thera- pie abhängig zu machen, klinische Relevanz erlangen werden.

2.2.4. Zusammenfassung: Eine Metaanalyse aller bislang publizier- ten Studien zur Rezidivprophylaxe ergab Trends zugunsten von Sklero- sierungstherapie, ß-Blockern und Shunt-Therapie gegenüber sonstigen konservativen Therapiemaßnahmen (107-109). Es zeigten sich Vorteile zugunsten der Sklerosierungsthera- pie gegenüber den beiden anderen Therapieformen. Auch aus Gründen der besseren Praktikabilität wird im allgemeinen der Sklerosierungsthe- rapie der Vorzug vor der Shunt-The- rapie gegeben. Ein portosystemi- scher Shunt wird derzeit erst bei ei- nem bisher nicht eindeutig definier- ten Therapieversagen unter der en- doskopischen Therapie oder bei aus- geprägten Fundusvarizen angelegt (Abbildung 4).

2.3. Prophylaxe der Varizenblu- tung: Wegen der hohen Letalität der Erstösophagusvarizenblutung (Abbil- dung 1) erscheint es sinnvoll, Maß- nahmen zur Verhütung der ersten Blutung durchzuführen. Dabei ist al- lerdings zu berücksichtigen, daß das Blutungsrisiko in den ersten zwei Jahren nach Diagnose etwa zehn Prozent beträgt und insgesamt nur etvva 30 Prozent der Patienten be- trifft (10). Bislang wurden vier ver- schiedene Therapieformen erprobt:

Medikamentöse Therapie, prophy- laktische Sklerosierung, prophylak- tischer Shunt und Devaskularisati- onsoperationen.

2.3.1. Medikamentöse Prophy- laxe: Die (3-Blocker Propranolol und Nadolol (Solgolo) wurden in ver- schiedenen kontrollierten Studien zur Prophylaxe der ersten Varizen- blutung eingesetzt (Tabelle 4). Es wurden Patienten mit großen Vari- zen für diese Untersuchung ausge- wählt. Nadolol ist kein kardioselekti- ver ß-Blocker und unterliegt nur ei- ner geringen Metabolisierung in der Leber. In den beiden bislang veröf- fentlichten Studien erwies sich Na- dolol als wirksam in der Primärblu- tungsprophylaxe (110, 111). In einer der Studien wurde dieser Effekt al- lerdings erst nach Ausschluß der Pa-

tienten, die die Medikation nicht si- cher eingenommen hatten, beobach- tet (111). Die Letalitätsrate wurde nicht beeinflußt. Eine der beiden Propranolol-Studien zeigte einen signifikanten Effekt auf das Uberle- ben der Patienten mit großen Öso- phagusvarizen und schlechter Leber- funktion (112), während eine zweite ähnliche Studie keine Wirkung auf die Überlebensrate zeigt. Hier wur- de eine Primärblutung durch Propra- nolol nur dann signifikant verhin- dert, wenn Patienten mit guter Le- berfunktion behandelt wurden (113).

Die unterschiedlichen Ergebnis- se dieser Arbeiten lassen sich durch Patientenselektion sowie auf ein un- terschiedliches individuelles Anspre- chen auf die ß-Blocker-Therapie zu- rückführen. Vermutlich kann durch die Gabe dieser ß-Blocker bei be- stimmten Patientengruppen mit gro- ßen Ösophagusvarizen eine Blutung verhindert werden. Zukünftige Stu- dien werden zeigen, ob organische Nitrate, a-Blocker (Prazosin), Kalzi- um-Antagonisten, 5-Hydroxytrypt- amin-Antagonisten (Ketanserin), Spironolacton (114) oder Substan- zen, die den Druck im unteren Öso- phagussphinkter erhöhen, für eine medikamentöse Prophylaxe von Be- deutung sind.

2.3.2. Sklerosierungstherapie:

Mehrere initiale Studien, die die Sklerosierungstherapie mit einer me- dikamentösen Behandlung vergli- chen, fanden bei sehr hohen Blu- tungsraten in den Kontrollgruppen einen positiven Effekt einer prophy- laktischen Sklerosierungstherapie (115, 116). Allerdings wurden die Patienten in den Kontrollgruppen bei Auftreten einer Blutung nicht mittels Sklerosierungstherapie be- handelt. In weiteren Studien ließ sich kein definitiver Vorteil für die Sklerosierung finden (117, 118), zwei Studien kamen sogar zum gegenteili- gen im Ergebnis (119, 120).

Insgesamt sind zahlreiche Studi- en in verschiedener Form mitgeteilt worden, die Ergebnisse sind bislang sehr uneinheitlich. Dafür lassen sich verschiedene Erklärungen finden. So ist insbesondere die Auswahl der Ri- sikopatienten, die Einhaltung einer Alkoholabstinenz und die Art der Behandlung derjenigen Patienten,

die dennoch bluten, von Bedeutung (109, 121, 122). Von hohem Interes- se ist eine kürzlich mitgeteilte Stu- die, die zeigte, daß eine prophylakti- sche Sklerosierungstherapie weder von Vor- noch von Nachteil ist, wenn die Patienten der Kontrollgruppe im Blutungsfall ebenfalls mittels Sklero- sierungstherapie behandelt werden (123).

2.3.3. Shunt-Operation: Es lie- gen vier kontrollierte Studien zur Prophylaxe der Erstblutung durch Anlegen eines portosystemischen Shunts vor (124-127). Obwohl sich eine deutliche Senkung der Blu- tungsrate fand, wurde ein Trend zur Verminderung des Uberlebens be- obachtet. Dies ist vermutlich durch die Operationsletalität und eine er- höhte Rate an postoperativem Le- berversagen begründet.

2.3.4. Sperr-Operation: Die Sperr-Operation erfüllt die Forde- rung nach einer Senkung des Blu- tungsrisikos bei akzeptablem Opera- tionsrisiko ohne Verminderung der Leberdurchblutung. Eine deutliche Senkung der Blutungsrate auf null Prozent und ein Trend zu verlänger- tem Leben wurde in Japan beschrie- ben. Es ist allerdings nicht klar, ob sich diese Ergebnisse auf europäi- sche Verhältnisse übertragen lassen (121, 128).

2.3.5. Zusammenfassung: Eine Metaanalyse aller bislang publizier- ten Studien zur Primärprophylaxe ergab Trends zugunsten von ß-Blok- ker-Therapie und Sklerosierungsthe- rapie. Wegen der weiten Varianz der Resultate und der unterschiedlichen Patientenselektion ist eine solche Therapie bislang aber nur im Rah- men von Studien zu empfehlen (129). Eine prophylaktische Shunt- Anlage ist nicht sinnvoll.

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Jürgen Schölmerich Priv.-Doz. Dr. med. Axel Holstege Abteilung Innere Medizin II Medizinische Universitätsklinik Hugstetter Straße 55

7800 Freiburg im Breisgau

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