A508 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 107. März 2008
M E D I Z I N R E P O R T
nale Antikörper Trastuzumab eine Therapieoption – er ist seit zehn Jah- ren für das metastasierte Mammakar- zinom und seit 2006 auch für die adjuvante Behandlung zugelassen.
Trastuzumab gehört zu einer der ersten Substanzen, die tumorspezifi- sche Signalwege für die Zellteilung oder Neubildung von Blutgefäßen hemmen. Wenn Resistenzen gegen Trastuzumab auftreten, könnte der Tyrosinkinase-Inhibitor Lapatinib künftig eine Option werden. Lapati- nib bindet anders als Trastuzumab von der Innenseite der Membran so- wohl an Her2-neu als auch an Her1.
Das duale Wirkprinzip und die intrazelluläre Bindung werden als mögliche Erklärung dafür gesehen, warum die Substanz auch bei Resis- tenz gegen Trastuzumab wirkt. Die Zulassung von Lapatinib in Kombi- nation mit Capecitabin für das fort- geschrittene Mammakarzinom bei Frauen, die unter anderem mit Tras- tuzumab vorbehandelt seien, werde von der europäischen Zulassungs- behörde in Kürze erwartet, hieß es beim Kongress.
Nicht genug Patienten, um neue Sustanzen zu testen Etwa 800 solcher Substanzen für die zielgerichtete Tumortherapie seien kurz vor oder in der klinischen Ent- wicklung, so Prof. Dr. med. Hans- Joachim Schmoll (Halle). Im Jahr 2020 könnten zehnmal so viele in der Pipeline stecken – und teilweise stecken bleiben, denn ein Engpass dürfte die Zahl der Patienten wer- den, die für klinische Studien zur Verfügung stehen. „Das Hauptpro- blem in zehn Jahren wird sein, dass es eine Unmenge neuer Entwicklun- gen gibt, die schwierig einzuordnen sind“, sagte Schmoll.
Zu den neuen Ansätzen gehört, bei Krebsstammzellen, die inzwi- schen als Ursprung vieler Tumoren identifiziert sind, Gene und Anti- gene genau zu charakterisieren und diese zum Ziel molekularspezifi- scher Therapien zu machen, um das Risiko für Rezidive zu mindern.
Schon jetzt führen zielgerichtete Therapien oft zu Modifikationen und einer Neukombination der Mo- dule Operation, Radio- und Chemo- therapie. So werden zum Beispiel
durch die Zugabe des Anti-EGFR- Antikörpers Cetuximab zur üblichen Chemotherapie dreimal mehr Pati- enten mit zunächst inoperablem, metastasiertem Darmkrebs in ein R0-resezierbares Stadium gebracht.
„Wenn solche Strategien künftig weiterverfolgt und angewandt wer- den sollen, müssen die Kosten ge- bremst werden“, sagte Prof. Dr.
med. Manfred Kaufmann, Präsident des Deutschen Krebskongresses, dem DÄ. So müssten die Preise sin- ken. Auch sei zu erwarten, dass sich durch molekularbiologische Tests solche Patienten besser selektieren ließen, die vermutlich von einer Be- handlung nicht profitierten.
Beispiel für eine solche Selektion von Patienten mithilfe der Moleku- larbiologie ist der seit Dezember 2007 in Europa für die Therapie von vorbe- handelten Patienten mit metasta- siertem kolorektalem Karzinom und einer EGFR-Überexpression zugelas- sene Antikörper Panitumumab. Im Rahmen der Phase-III-Studien stellte sich heraus: Der Antikörper gegen den EGF-Rezeptor wirkt nur bei Pati- enten, deren Tumorzellen keine Mu- tation im KRAS-Gen aufweisen. Das KRAS-Protein ist Teil einer Signal- kette, die über EGFR aktiviert wird.
Circa 60 Prozent der kolorektalen Karzinome gehören zum KRAS- Wildtyp, bei 40 Prozent ist das Gen mutiert. Deshalb hat die europä- ische Zulassungsbehörde die An-
wendung von Panitumumab auf Pa- tienten mit nicht mutiertem KRAS- Gen beschränkt. Die Mutationsana- lyse muss an histologisch gesicher- tem Tumormaterial durch einen molekularpathologisch versierten Pa- thologen in einem qualitätskontrol- lierten Labor erfolgen.
Was derzeit in Ansätzen gelingt, ist eine Vision für die Krebsbehand- lung der Zukunft: über Gensignatu- ren substanz- und tumorspezifisch das Ansprechen oder Resistenzen gegenüber möglichen Therapien voraussagen zu können. Das gilt auch für Zytostatika, auf die man – das wurde beim Krebskongress deutlich – in absehbarer Zukunft nicht wird verzichten können. Chips mit Gensignaturen, die ein Anspre- chen zum Beispiel auf Cyclophos- phamid, Fluorouracil, Taxane oder Doxorubicin vorhersagen sollen, sind in der Entwicklung, in größeren prospektiven Studien aber noch nicht evaluiert.
Trotz Erfolg versprechender Per- spektiven wird immer wieder davor gewarnt, solche Microarrays mit Gensignaturen vorzeitig als Ent- scheidungsgrundlage anzuwenden, aus dem Bedürfnis, Halt im Messba- ren zu finden. Die Tests inklusive der elektronischen Datenbearbeitung sollten gut standardisiert sein, und es sollte bekannt sein, welchen Nut- zen Patienten davon haben. I Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Das Programm zum Mammografie-Screening errei- che erst 50 bis 60 Prozent der Frauen, für die es bestimmt ist: die 50- bis 69-jährigen, so der Präsi- dent des Deutschen Krebskongresses, Prof. Dr.
med. Manfred Kaufmann (Frankfurt/Main). Das sei zu wenig. Das Programm wird seit Ende 2005 nach europäischen Leitlinien aufgebaut.
Schätzungen der Epidemiologen zufolge lässt sich das Risiko erkrankter Frauen, innerhalb von zehn Jahren an dem Tumor zu sterben, durch das Mammografie-Screening um 35 Prozent reduzieren:
Von 100 Frauen mit Mammakarzinom sterben am Tumor innerhalb von zehn Jahren nach der Diagnose 31 Patientinnen, die nicht regelmäßig am Screening teilgenommen haben, aber nur 20 von 100 Frauen, die das Früherkennungsangebot wahrgenommen
haben (Dtsch Arztebl 2008; 105[131–6]). Positiv am Aufbau des Mammografie-Screenings bewertete Prof. Dr. med. Ingrid Schreer (Kiel), dass es das Be- wusstsein für die Brustgesundheit fördere; negativ sei, dass man das Programm in einigen Bundeslän- dern gestartet habe, ohne den Aufbau von Tumor- registern etabliert zu haben, und eine unabhängige, wissenschaftliche Evaluation nicht gewährleistet sei.
Auch fehle es an übergreifend guter Information.
Infolgedessen werde zum Beispiel unzureichend mit den Frauen darüber gesprochen, welche Folgen falsche Befunde für sie persönlich haben könnten.
Die zunehmende Anwendung der digitalen Mammo- grafie mit geringerer Strahlenbelastung könne das Screening künftig auch für jüngere Frauen interes- sant machen, meint Kaufmann. nsi