sundheitswesen der Münch- ner Medizin- und Zahnmedi- zinstudenten, Pettenkofer- straße 11, W-8000 München 2
Augen zu und durch!
Es ist seit November an fast allen deutschen Universi- täten zu Protestkundgebun- gen vielfältiger Art gekom- men. Wir in Mainz haben Un- terschriften gegen das GSG während der Adventszeit ge- sammelt, diese vor der Ab- stimmung im Bundesrat me- dienwirksam an die Landes- regierung Rheinland-Pfalz übergeben und beispielsweise Briefe an alle Ministerpräsi- denten und Bundesratsmini- ster geschrieben. Diese Ak- tionen sind, in ähnlicher Form, auch in anderen Uni- versitätsstädten gelaufen.
Selbst das ZDF räumte den Essener Kommilitonen im
„Heute-Journal" am Mitt- woch, dem 9. Dezember 1992, etwa drei Minuten Sendezeit ein. . . . Für größere Aktionen fehlte uns allerdings die mas- sive Unterstützung aller Stu- dierenden der Medizin, die der überregionalen Presse und die der Lobbyisten. Ich habe auch noch nicht gehört, daß Meinungsäußerungen der Studierenden im Deut- schen Ärzteblatt außeror- dentlich erwünscht gewesen wären. Außerdem finde ich es auch verwunderlich, daß über 5000 Studierende der Medi- zin aus der gesamten Bundes- republik eine Demonstration in Bonn initiieren und trotz großangelegter Öffentlich- keitsarbeit weder Fernsehen noch Presse darüber berich- ten.
Allerdings spricht mir die- ser Artikel an anderen Stel- len aus dem Herzen. Die Stu- dierenden, insbesondere auch die der Medizin, sind in gro- ßer Zahl unpolitisch. Das ist viel einfacher, als unbequem und aktiv zu sein. Damit lie- gen die Studierenden der Me- dizin voll im Bereich des vom Marburger Hochschulsoziolo- gen Rainer Brämer festge- stellten Trends zur Entpoliti- sierung der westdeutschen
Studierenden. Er beschreibt
„das Bild eines modernen Biedermeiers, in dem sich die resignative Angst vor über- mächtigen gesellschaftlichen Kräften mit der Furcht vor extremen persönlichen An- forderungen zu einem Kult des privaten Glücks verdich- tet". Wer opfert schon Zeit, um sich für andere einzuset- zen?
Tendenziell wird dieses Verhalten durch die Arbeits- strukturen und die Arbeitsbe- dingungen (wer arbeitet auch schon in der freien Wirtschaft für 1800 DM brutto, und das 50 bis 60 Stunden in der Wo- che?) für angehende Ärztin- nen und Ärzte geradezu ge- schürt. Dabei wäre es außer- ordentlich wichtig, sich zu en- gagieren und zusammenzu- schließen, um etwas zu bewe- gen. Ansonsten verdient ein AiP auch in 10 Jahren noch 1800 DM und leistet genauso- viel wie ein Assistent.
Diese Abhängigkeiten und die verkrusteten Strukturen im gesamten Gesundheitswe- sen verbauen viele äußerst dringende Reformansätze und halten vielen jungen Menschen den Mund zu, und gerade die denken auch schon als Studenten oder AiP
„Augen zu und durch!"
Volker Siegert, Fachschaft Medizin Mainz, Langenbeck- straße 1, W-6500 Mainz 1
MEDIZINSTUDIUM
Zu dem Beitrag „Leitlinien des Wissenschaftsrates zur Reform des Medizinstudiums — ohne Natur- wissenschaften zur molekularen Ganzheitsmedizin", von Prof. Dr.
med. H. Seller in Heft 5/1993:
Für Lemminge
Man kann dem Verfasser nur voll und ganz zustimmen.
So viel Unsinn im Konzentrat hat es als Reformvorschlag für das Medizinstudium hier- zulande noch nie gegeben.
Was der Wissenschaftsrat als Leitlinien verbreitet, sind Leitlinien für Lemminge, di- rekt zum Abgrund. Vielleicht ist die Äußerung des Wissen- schaftsrates tatsächlich ein
soziobiologisches Folgepro- dukt einer zu hohen Populati- onsdichte, der man durch Ab- senkung des Anspruchsni- veaus, sprich Verdummung, zu begegnen versucht. Seller hat sehr dezent auf die De- fekte des Vorschlages hinge- wiesen, hoffentlich führt dies auch bei den zuständigen Au- toren des Wissenschaftsrates zur „Einsicht in die Grenzen der eigenen Kompetenz . . .".
So kann man weder mit der Medizin als Wissenschaft noch mit Medizinstudenten und Ärzten verfahren.
Prof. Dr. med. Werner Schoeppe, Zentrum der Inne- ren Medizin der Johann Wolfgang Goethe-Universi- tät, Theodor-Stern-Kai 7, W-6000 Frankfurt am Main
Keine solchen Experimente . . .
Warum beklagt eigent- lich der Wissenschaftsrat Verhältnisse, zu deren Eta- blierung er selber Hilfestel- lung geleistet hatte? Wer je mit einer Medizinkommission des Wissenschaftsrates prak- tische Erfahrungen sammeln konnte, den wundert das nicht. In einem solchen Gre- mium, das über wichtigste strukturelle Weichenstellun- gen für Kliniken einer medizi- nischen Fakultät indirekt ver- fügte, saßen fünf Ministerial- beamte, ein Chemiker, ein Biochemiker, ein Zellbiologe, ein Physiologe und gerade zwei Kliniker. Die Berufung dieser Experten erfolgt auf wundersame Weise, jeden- falls sehr anders als bei der großartigen Deutschen For- schungsgemeinschaft, in die man durch Wahl der Fachver- treter an Hochschulen ge- langt. Woher der eher unwis- senschaftlich arbeitende Wis- senschaftsrat die Autorität seiner apodiktischen Emp- fehlungen bezieht, bleibt dunkel. Es wäre interessant zu erfahren, wer die soge- nannten Sachverständigen sind, welche bei der Vorbe- reitung der Leitlinien mitge- wirkt haben und selber nicht Mitglieder des Wissenschafts- rates sind. Man kann nur hof-fen, daß die Fakultäten sich nicht auf solche Experimente an Medizinstudenten einlas- sen werden.
Prof. Dr. med. M. E. Wi- gand, Univ. HNO-Klinik, Waldstraße 1, W-8520 Erlan- gen
Richtiger Schritt
Die Arroganz, mit der Prof. Seller die konstruktiven Verbesserungsvorschläge des Wissenschaftsrates abzuqua- lifizieren versucht, hat mich enttäuscht. Leider ein weite- rer Beitrag zum gängigen Vor(?)urteil: Dem Wissen- schaftler im akademischen Elfenbeinturm fehlt der Blick für die real existierenden Pro- bleme. Pragmatische Lösun- gen sind von seiner Seite nicht zu erwarten. Lieber be- ruft er sich auf hehre akade- mische Ideale und verabsolu- tiert die Wissenschaft.
Für mich sind die Verbes- serungsvorschläge, die der Wissenschaftsrat aufgreift, ein Schritt in die richtige Richtung und der Diskussion wert.
cand. med. Andreas Bruckner, Bauernwaldstraße 59, W-7000 Stuttgart 1
FEHLDIAGNOSEN Zu der Meldung „Aufklärungs- mängel und Fehler in der Behand- lung" in Heft 49/1992, in der es un- ter anderem heißt: „In 955 Fällen wurde der Behandlungsfehler und die Kausalität des Fehlers für den Schadenseintritt bejaht; in 108 Fäl- len wurde der Behandlungsfehler bejaht, die Kausalität jedoch ver- neint":
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Ich bedauere sehr, daß über einzelne Fälle dieser fehlerhaften Behandlung im Deutschen Ärzteblatt nie be- richtet wird, obwohl derartige Berichte für uns Ärzte sehr lehrreich sein dürften, denn durch Fehler lernt man ja!
Und ich glaube, daß dieses Thema für uns sicher von größter Bedeutung ist!
Dr. med. H. Rosenow, Ul- menweg 3, W-8209 Stephans- kirchen-Schloßberg
A,-682 (10) Dt. Ärztebl. 90, Heft 10, 12. März 1993