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Archiv "Chronische lymphatische Leukämie und Haarzellen-Leukämie: Diagnostik und Therapie" (17.01.1997)

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ie Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie e.V., die Deutsche Krebsge- sellschaft e.V. und die Berli- ner Krebsgesellschaft e.V. haben un- ter der Leitung von G. Brittinger, Es- sen, K. P. Hellriegel, Berlin, und W.

Hiddemann, Göttingen, am 8. und 9.

Februar 1996 in Berlin eine Konsen- sustagung veranstaltet. Im folgenden werden die Ergebnisse dieser Konfe- renz dargestellt.

Chronische lymphatische Leukämie vom B-Zell-Typ

Die chronische lymphatische Leukämie (CLL) ist den Non-Hodg- kin-Lymphomen niedrigen Malig- nitätsgrades zuzuordnen. In der westli- chen Hemisphäre leiten sich etwa 95 Prozent der Fälle von der B-Zell-Reihe ab (B-CLL). Die Erkrankung bevor- zugt das höhere Lebensalter, die Dia- gnose wird meist zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr gestellt. Nur etwa zehn Prozent der Patienten sind zum Zeit- punkt der Diagnose jünger als 50 Jahre.

Die Erkrankung ist mit konven- tionellen therapeutischen Maßnah- men zwar nicht heilbar, sie zeigt je- doch meist einen günstigen Spontan- verlauf, so daß mehr als die Hälfte der Patienten fünf Jahre nach Diagnose- stellung noch am Leben ist. Neue- re Untersuchungen haben ergeben, daß die Überlebenswahrscheinlich- keit jüngerer Patienten nicht wesent- lich von derjenigen älterer Menschen abweicht. Angesichts der anfänglich häufig nur geringen Progredienz der Erkrankung stimmen die meisten Ex- perten bisher darin überein, die Pati- enten zum Zeitpunkt der Diagnose noch nicht zu therapieren, sondern le- diglich regelmäßig zu beobachten („watchful waiting“). Bei Eintreten ei- ner Behandlungsindikation wird meist eine Monotherapie mit einem Alky- lans, vor allem mit Chlorambucil, durchgeführt. In den letzten Jahren ist das therapeutische Repertoire durch die Einführung Anthrazyklin-haltiger

Polychemotherapie-Regime und neu- er Purin-Analoga deutlich bereichert worden. Weiterhin wird derzeit bei jüngeren Patienten in klinischen Stu- dien die Wirksamkeit einer potentiell kurativen myeloablativen Chemo-Ra- diotherapie mit anschließender auto- loger, gegebenenfalls auch allogener Stammzelltransplantation untersucht.

Parallel zu der Weiterentwick- lung therapeutischer Optionen sind erhebliche Fortschritte in der immu- nologischen und molekularbiologi- schen Diagnostik erzielt worden. Die Anwendung prognostisch relevanter Klassifikationen des Ausbreitungssta- diums der Erkrankung und die Identi- fizierung weiterer Risikofaktoren ha- ben die Grundlagen für ein risiko- adaptiertes Vorgehen gelegt. Diese Ansätze eröffnen neue Perspektiven für gezieltere und wirksamere Thera- piestrategien, die in prospektiven kli- nischen Studien zu überprüfen sind.

Ausgangspunkt für derartige Unter- suchungen ist der aktuelle diagnosti- sche und therapeutische Standard, der auf dieser Konferenz formuliert wur- de und im folgenden dargestellt wird.

Diagnostik

Die Diagnose der B-CLL wird durch den Nachweis einer anhaltenden Erhöhung der Blutlymphozytenzahl über fünfmal 109/l sowie des für die- se Erkrankung charakteristischen Im- munphänotyps und einer Leichtketten- restriktion der Oberflächen-Immun- globuline der zirkulierenden Lympho- zyten gesichert.

Bei der typischen B-CLL weisen die kleinen Lymphozyten einen schma- len Zytoplasmasaum und einen dich- ten Kern mit teilweise verklumptem Chromatin ohne erkennbare Nukleo- len auf. Bei einzelnen Patienten findet sich bereits zum Zeitpunkt der Diagno- se ein dimorpher zytologischer Befund, wobei neben kleinen Lymphozyten 10 bis 55 Prozent Prolymphozyten (PL)

(„CLL/PL“) oder Lymphozyten unter- schiedlicher Größe zusammen mit ein- zelnen Prolymphozyten nachweisbar sind; diese Krankheitsvarianten wer- den auch als „mixed cell type“ bezeich- net. Die mit panoptischer Färbung dar- stellbaren zytomorphologischen Ei- genschaften der Lymphozyten reichen nicht aus, die B-CLL von reaktiv be- dingten Lymphozytosen und anderen leukämisch generalisierten Non-Hodg- kin-Lymphomen sicher abzugrenzen.

Für die Diagnose der B-CLL ist daher die Kenntnis des Immunphänotyps der im Blut zirkulierenden pathologischen lymphatischen Zellen erforderlich. Er ist charakterisiert durch die schwache Expression membranständiger Im- munglobuline (IgM mit oder ohne IgD), die Nachweisbarkeit verschiede- ner B-Zell-Antigene (beispielsweise CD19, CD20) sowie eine deutliche Po- sitivität von CD23 und CD5 an der Zellmembran bei Negativität von FMC7. Durch den Nachweis einer Leichtkettenrestriktion, vorzugsweise mittels Doppelmarkierung von CD19/

Kappa oder CD19/Lambda, wird das Vorhandensein einer monoklonalen Zellpopulation belegt. Dieses Antigen- profil erlaubt bei der typischen B-CLL meist die eindeutige Differenzierung von anderen leukämisch generalisier- ten Non-Hodgkin-Lymphomen. Bei ei- nem für die B-CLL ungewöhnlichen Immunphänotyp und/ oder einer atypi- schen Morphologie der Lymphozyten sowie für die Untersuchung bestimm- ter Fragestellungen im Rahmen klini- scher Studien ist zur differentialdiagno- stischen Abklärung die histologische Untersuchung eines Lymphknotens unumgänglich. Für diese Analyse sind die Hämatoxylin-Eosin- (H.E.-) und die Giemsa-Färbung sowie die Bestim- mung der Wachstumsfraktion (mittels monoklonaler Ki67-Antikörper) und des Immunphänotyps zu fordern.

Die exakte nosologische Einord- nung des lymphoplasmozytoiden Im- munozytoms steht noch aus. Bisher durchgeführte Studien legen nahe, daß sich die in der Kiel-Klassifikation abge- grenzte Entität von der typischen B- A-110

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(42) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 3, 17. Januar 1997

KONGRESSBERICHT

Chronische lymphatische Leukämie und Haarzellen-Leukämie

Diagnostik und Therapie

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Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 3, 17. Januar 1997 (43) CLL durch eine ungünstigere Prog-

nose unterscheidet. In der „Revised European-American Classification of Lymphoid Neoplasms“ (R.E.A.L.- Klassifikation) wird das lymphoplas- mozytoide Immunozytom der Kiel- Klassifikation wegen der großen mor- phologischen Ähnlichkeit mit der B- CLL (pseudofollikuläres Wachstum, isomorphe Zytologie) und des mit die- ser Erkrankung übereinstimmenden Immunphänotyps nicht als eigene Entität geführt, sondern als eine Vari- ante der B-CLL mit plasmozytoider Differenzierung aufgefaßt. Die in der R.E.A.L.-Klassifikation definierte Entität „lymphoplasmozytoides Im- munozytom“ ist wegen des Fehlens ei- ner CD5- und CD23-Expression an der Oberfläche der Lymphomzellen nicht identisch mit dem von der Kiel-Klas- sifikation abgegrenzten lymphoplas- mozytoiden Lymphom; sie entspricht weitgehend dem „lymphoplasmozyti- schen Immunozytom“ der Kiel-Klassi- fikation und schließt die Makroglobu- linämie Waldenström ein.

In künftigen prospektiven Thera- piestudien muß die Frage geprüft wer- den, ob die plasmozytoide Differenzie- rung einer B-CLL tatsächlich eine ungünstigere Prognose der Patienten anzeigt und deshalb als klinisch rele- vantes Krankheitsmerkmal zu gelten hat. Neben der Sicherung der Diagnose dienen weitere Untersuchungen der Feststellung des Krankheitsstadiums und der Identifikation assoziierter Au- toimmunphänomene. Das Spektrum der erforderlichen Maßnahmen um- faßt neben der körperlichen Untersu- chung des Kranken eine konventionel- le Röntgenuntersuchung der Thorax- organe, eine Sonographie des Abdo- mens, gegebenenfalls eine Computer- tomographie von Thorax und/oder Ab- domen, eine zytologische und histolo- gische Analyse des Knochenmarks so- wie die Bestimmung der wichtigen la- bordiagnostischen Parameter in Blut und Urin einschließlich der quantitati- ven Bestimmung der Serum-Immun- globuline sowie der Durchführung einer Serum-Immunfixations-Elektro- phorese und des Coombs-Tests.

Prognosefaktoren

Die exakte Diagnose ist nicht nur eine Voraussetzung für die Homoge-

nität eines bestimmten Krankenkol- lektivs, sondern stellt auch für den einzelnen Patienten ein wichtiges pro- gnostisches Kriterium dar. Von pro- gnostischer Bedeutung ist weiterhin das Ausbreitungsstadium der Erkran- kung zum Zeitpunkt der Diagnose.

Zur Stadieneinteilung haben sich die Klassifikationen von Binet et al. und von Rai et al. bewährt. Das Binet- Schema ist übersichtlicher, da es nur

drei Stadien unterscheidet; allerdings werden im Gegensatz zur Rai-Klassi- fikation Patienten in Frühstadien oh- ne nachweisbare Lymphknotenver- größerung nicht als eigene Gruppe definiert. Für beide Stadieneinteilun- gen gilt, daß bei ihrer Formulierung sono- und computertomographische sowie endoskopische Befunde keine Berücksichtigung gefunden haben.

Durch sorgfältige statistische Analysen großer Patientenkollektive ist es in den letzten Jahren gelungen,

weitere Prognosefaktoren zu identifi- zieren. So ist inzwischen bekannt, daß der initiale Nachweis eines oder meh- rerer der nachstehend aufgeführten Parameter einen weniger günstigen Krankheitsverlauf erwarten läßt:

1 diffuse (statt nodulärer) In- filtration des Knochenmarks mit Lymphomzellen,

1 initiale Blutlymphozytenzahl über 50mal 109/l,

1 Serum-LDH > 240 U/l, 1 kurze Verdoppelungszeit der Blutlymphozyten (< 12 Monate),

1 Serum-β2-Mikroglobulin >

3,5 mg/l,

1 Serum-Thymidinkinase > 7,0 U/l,1 bestimmte, mit klassischer und molekularer Zytogenetik nach- weisbare Chromosomenaberrationen, beispielsweise Mutation des p53-Sup- pressorgens oder Deletionen des lan- gen Arms von Chromosom 11(11q-).

Therapieindikation

Die Indikation zur Therapie der B-CLL orientiert sich am Aus- breitungsstadium der Erkrankung und/oder dem Vorliegen krankheits- assoziierter Symptome. Dazu ge- hören vor allem B-Symptome (Defi- nition wie in der Ann-Arbor-Klassifi- kation für die Hodgkin-Lymphome), Autoimmunphänomene sowie große Lymphome und/oder eine Splenome- galie, die Beschwerden verursachen und/oder Organfunktionen beein- trächtigen. Patienten im Stadium A nach Binet ohne krankheitsassoziier- te Symptome erhalten keine Thera- pie. Die bisher vorliegenden Studi- energebnisse sprechen dafür, daß eine Chlorambucil-Behandlung in dieser Phase der Erkrankung die Überle- benswahrscheinlichkeit der Patienten nicht zu steigern vermag, aber zu ei- nem erhöhten Risiko des Auftre- tens von Sekundärneoplasien führen kann. Im Ausbreitungsstadium B nach Binet ist die Einleitung einer Thera- pie nur dann angezeigt, wenn Zei- chen der Progredienz der Erkran- kung nachweisbar sind und/oder krankheitsassoziierte Symptome be- stehen. Das Vorliegen eines Ausbrei- tungsstadiums C nach Binet wird als eindeutige Behandlungsindikation angesehen.

KONGRESSBERICHT

Teilnehmer der Konferenz M. Bentz, Heidelberg L. Bergmann, Frankfurt P. Borchmann, Köln G. Brittinger, Essen V. Budach, Berlin B. Dörken, Berlin B. Emmerich, München J. Finke, Freiburg H. H. Fülle, Berlin W. Gaßmann, Kiel M. Hallek, München H. Heimpel, Ulm R. Heinz, Wien K. P. Hellriegel, Berlin J. Hense, Essen

W. Hiddemann, Göttingen H. Huber, Wien

D. Huhn, Berlin U. Jäger, Wien W. U. Knauf, Berlin M. Kneba, Göttingen R. Kuse, Hamburg W. D. Ludwig, Berlin P. Meusers, Essen G. Ott, Würzburg C. Peschel, Mainz H. Pralle, Gießen H. Rückle, Würzburg N. Schmitz, Kiel

W. Schneider, Düsseldorf H. Stein, Berlin

L. Trümper, Homburg M. Wilhelm, Würzburg

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M E D I Z I N

(44) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 3, 17. Januar 1997 Die dargelegten Empfehlungen

gelten möglicherweise nicht für jünge- re Patienten, bei denen eine myelo- ablative Hochdosistherapie mit Trans- plantation hämatopoetischer Stamm- zellen geplant ist; hier könnte auch ei- ne frühe Behandlung sinnvoll sein.

Therapieverfahren

Für die palliative Primärbehand- lung der B-CLL stellt Chlorambucil nach wie vor das Zytostatikum der Wahl dar. Von autoimmunologischen Komplikationen abgesehen, ist der Nutzen einer alleinigen oder zusätzli- chen Therapie mit Glukokortikoster- oiden bisher nicht gesichert.

Bei Patienten unter 60 Jahren könnte eine myeloablative Chemo- Radiotherapie mit anschließender autologer oder allogener Stammzel- lentransplantation eine kurative Chance beinhalten. Ob diese Annah- me zutrifft, muß durch prospektive klinische Studien geklärt werden. Ei- ne derartige Behandlung hat daher derzeit noch experimentellen Cha- rakter.

Ziele der Behandlung mit Chlor- ambucil sind, wie bei jeder palliativen Therapie, die Verbesserung der Le- bensqualität des Patienten, die Rück- bildung bestehender Krankheitssym- ptome, die Prävention von Kompli- kationen sowie die Verlängerung des progressionsfreien Überlebens und der Gesamtüberlebenszeit. Die Be- handlung sollte bis zum maximalen Ansprechen auf das Medikament, das heißt bis zum Rückgang der Krank- heitsmanifestationen, der krankheits- assoziierten Symptome und gegebe- nenfalls der hämatopoetischen Insuf- fizienz fortgesetzt werden; dafür wer- den meist mehrere Monate benötigt.

Der Nutzen einer Erhaltungstherapie ist bisher nicht gesichert.

Als Standardtherapie stehen zwei Regime zur Verfügung:

¿ Chlorambucil: 0,4 bis 0,8 mg/kg Körpergewicht an Tag 1. Es wird empfohlen, initial 0,4 mg/kg Kör- pergewicht zu verabreichen und die Dosis in Abhängigkeit vom Anspre- chen des Patienten und den auftreten- den Nebenwirkungen zu steigern. Bei ungenügendem Behandlungserfolg kann die Zieldosis von 0,8 mg/kg Kör- pergewicht unter Beachtung der Toxi-

KONGRESSBERICHT

zität überschritten werden. Die Thera- piezyklen werden in Abständen von jeweils 14 Tagen wiederholt.

À Chlorambucil: 0,07 bis 0,1 mg/kg Körpergewicht pro Tag für die Dauer von 14 Tagen. Nach 14tägiger Pause kann der Therapiezyklus wie- derholt werden.

Patienten, die nach Beendigung der Chlorambucil-Behandlung mehr als 12 Monate keine Progredienz er- kennen lassen, können bei Eintritt ei- nes Rezidivs erneut mit Chlorambucil erfolgversprechend therapiert wer- den. Für Patienten mit Krankheitspro- gredienz unter Chlorambucil-Thera- pie oder für Kranke, bei denen die Wirkung einer Chlorambucil-Behand- lung weniger als 12 Monate lang an- hält, ist die Verabreichung von Fludar- abinphosphat als Therapie der Wahl anzusehen. Trotz insgesamt guter Ver- träglichkeit von Fludarabinphosphat gehört die Behandlung mit diesem Medikament wegen des Risikos un- gewöhnlicher Folgekomplikationen (beispielsweise Autoimmunhämoly- se, opportunistische Infektionen) in die Hand eines erfahrenen Hämatolo- gen. Die Applikation einer Anthrazy- klin-haltigen Kombinationschemothe- rapie (beispielsweise CHOP, CAP) kommt wegen der damit verbundenen Einschränkung der Lebensqualität der Patienten erst in zweiter Linie in Betracht. Ob das oral applizierbare Anthrazyklin Idarubicin einen thera- peutischen Stellenwert besitzt, wird zur Zeit in einer klinischen Studie ge- prüft. Für die Behandlung einer au- toimmunhämolytischen Anämie und/

oder einer Autoimmunthrombozyto- penie sind Glukokortikosteroide die Medikamente der ersten Wahl. Im Falle eines Versagens dieser Therapie sind andere immunsuppressive Sub- stanzen indiziert; gegebenenfalls kann auch die Splenektomie mit Aussicht auf Erfolg durchgeführt werden.

Supportive Therapie

Eine Indikation für die intermit- tierende hochdosierte intravenöse Verabreichung von Immunglobulinen besteht nur bei rezidivierenden bakte- riellen Infektionen oder einer akuten infektionsbedingten Gefährdung des Patienten, wenn ein Immunglobulin- mangel vorliegt.

Für die Applikation von Zytoki- nen (beispielsweise G-CSF, GM-CSF, Erythropoetin) sind bisher keine gesi- cherten Indikationen bekannt.

Sonderfälle

Bei Vorliegen besonders großer Lymphome („bulky disease“), die klinische Symptome verursachen, sind radiotherapeutische Maßnahmen (beispielsweise fünf mal zwei Gy pro Woche, Gesamtdosis: 24 Gy) indiziert.

Eine sehr große Milz, die mit Ver- drängungserscheinungen und /oder Hypersplenismus einhergeht, sollte bei vertretbarem Operationsrisiko ex- stirpiert werden; ist diese Vorausset- zung nicht gegeben, kann eine Milzbe- strahlung (beispielsweise dreimal ein Gy pro Woche, Gesamtdosis: 10 Gy) durchgeführt werden. Bei Blutleuko- zytenzahlen über 300 mal 109/l besteht die Indikation zur sofortigen Einlei- tung therapeutischer Maßnahmen.

Für das Richter-Syndrom und die chronische lymphatische Leukämie vom T-Zelltyp (T-CLL) können keine gesicherten Therapieverfahren emp- fohlen werden.

Andere leukämisch verlaufende Lymphome niedrigen Malignitäts- grades, beispielsweise Keimzentrums- Lymphome (zentroblastisch-zentrozy- tische Lymphome der Kiel-Klassifikati- on) und Mantelzell- (früher centrozyti- sche) Lymphome: Die Frage, ob sich andere leukämisch verlaufende nied- rigmaligne Lymphome prognostisch von Verlaufsformen unterscheiden, die eine größere Zahl von Lymphomzellen im Blut vermissen lassen, ist klärungs- bedürftig.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ergibt sich für die leukämischen Vari- anten keine Therapieempfehlung, die von derjenigen für nichtleukämische Patienten im Stadium IV (Ann-Ar- bor-Klassifikation) abweicht.

Haarzellen-Leukämie

Diagnostik

Die Haarzellen-Leukämie weist typische, von der B-CLL abweichende zytomorphologische, histologische, im- munologische und klinische Charakte- ristika auf. Die Erkrankung kann durch

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A-113

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 3, 17. Januar 1997 (45) die charakteristische Morphologie der

Infiltrate im Knochenmarkbiopsat so- wie durch den Nachweis einer starken Expression membranständiger Im- munglobuline, verschiedener B-Zell- assoziierter Antigene (beispielsweise CD19, CD20, CD22, FMC7), einer deutlichen Positivität des für Haarzel- len typischen Antigens CD103 und weiterer Oberflächenmerkmale (bei- spielsweise CD11c und CD25) eindeu- tig von der B-CLL und anderen leuk- ämisch verlaufenden Non-Hodgkin- Lymphomen unterschieden werden.

Therapie

Ein frühzeitiger Therapiebeginn ist empfehlenswert, insbesondere bei

Anzeichen einer Progredienz der Er- krankung. Als Therapie der Wahl wird derzeit die Verabreichung von niedrig dosiertem Interferon alpha (beispielsweise 0,5 bis 1,0 Mio. Ein- heiten subkutan pro Tag) angesehen.

Zu Beginn dieser Behandlung kann eine vorbestehende Zytopenie ver- stärkt werden. Eine Besserung des Krankheitsbildes wird häufig erst nach länger dauernder Applikation von Interferon alpha beobachtet.

Nach Absetzen des Medikamentes kommt es in der Regel zu einem Rezi- div, das jedoch auf eine erneute Be- handlung mit Interferon alpha meist anspricht.

Die Verabreichung von Purin- Analoga bei der Primärbehandlung

der Haarzellen-Leukämie, insbeson- dere von 2-Chlordesoxyadenosin (2- CdA), dem zur Zeit am besten un- tersuchten Vertreter dieser Sub- stanzgruppe, sollte sich zunächst noch auf Patienten beschränken, die in Therapiestudien eingebracht wer- den. Bei der Behandlung mit 2-CdA ist zu bedenken, daß das Medika- ment zu einer anhaltenden Myelo- suppression und einem nicht zu vernachlässigenden Infektionsrisiko führen kann.

Prof. Dr. med. Klaus-Peter Hellriegel II. Innere Klinik des

Krankenhauses Moabit Turmstraße 21

10559 Berlin KONGRESSBERICHT/FÜR SIE REFERIERT

Polychlorierte Biphenyle (PCB) und Hexachlorbenzol (HCB) sind ubiquitäre toxische Substanzen, die aufgrund ihrer tumorpromovieren- den und teratogenen Eigenschaften große umweltmedizinische Relevanz besitzen. Ihre Beständigkeit und Fettlöslichkeit führen zu einer An- reicherung in der Nahrungskette. Im Säuglingsalter spielt neben der Auf- nahme mit der Muttermilch die prä- natale Exposition die größte Rolle, gerade unter dem Gesichtspunkt möglicher Folgeschäden. Dennoch ist bislang wenig über die pränatale Belastung mit PCB und HCB be- kannt. Ziel der vorliegenden Unter- suchung war es, die pränatale Bela- stung mit diesen Organochlorverbin- dungen sowie mögliche Einfluß- größen zu untersuchen. Außerdem sollte festgestellt werden, inwieweit es nach dem PCB-Verbot in Deutschland im Jahre 1989 zu einer Abnahme der neonatalen Schad- stoffbelastung gekommen ist.

Zu diesem Zweck wurden in den Jahren 1984/85 und 1994/95 jeweils 80 primär gesunde Neugeborene un- tersucht. Allen Kindern wurde in- nerhalb der ersten 12 Lebensstun- den, in jedem Fall vor der ersten ora- len Nahrungsaufnahme, eine Blut- probe entnommen, die sofort zentri-

fugiert wurde; das Serum wurde bis zur weiteren Verarbeitung tiefgefro- ren. Alle Proben wurden 1995 analy- siert. Mittels einer kapillargaschro- matographischen Methode wurden sechs verschiedene PCB-Kongenere (PCB 28, 52, 101, 138, 153 und 180) sowie HCB bestimmt. Mögliche Korrelationen mit dem Geburtsge- wicht, dem Gestationsalter und dem Alter der Mütter wurden mittels Re- gressionsanalysen erfaßt. Die Auto- ren fanden signifikant niedrigere PCB- und HCB-Konzentrationen bei den Neugeborenen der Jahrgän- ge 1994/95.

Bezogen auf die Medianwerte liegt die pränatale PCB- beziehungs- weise HCB-Belastung demnach heu- te um 30 Prozent beziehungsweise 70 Prozent niedriger als noch vor zehn Jahren. Bei den Neugeborenen des 1994/95-Kollektivs fanden sich dar- über hinaus signifikante Korrelatio- nen der PCB-Konzentrationen mit dem Gestationsalter der Kinder so- wie der HCB-Konzentration mit dem Alter der Mütter. Im Vergleich der HCB-Belastung eines Neugeborenen einer 20jährigen Mutter mit derjeni- gen eines Kindes einer 40jährigen Frau liegen die Konzentrationen im zweiten Fall um den Faktor 2,7 höher. Ein in der 42. Woche gebore-

nes Kind weist im Vergleich zu einem Neugeborenen der 38. Schwanger- schaftswoche PCB-Konzentrationen auf, die in Abhängigkeit vom jeweili- gen Kongener zwischen 50 Prozent und 140 Prozent höher liegen. Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß dies zum einen, bezogen auf das Alter der Mütter, auf die altersab- hängige Zunahme der Schadstoffbe- lastung bei der Mutter, zum anderen, bezogen auf das Gestationsalter des Kindes, möglicherweise auf eine Ab- nahme der Filtrationskapazität der Plazenta gegen Ende der Schwanger- schaft zurückzuführen ist. Für die Autoren nicht unerwartet, aber in der Höhe doch eindrucksvoll, ist der Rückgang der individuellen Bela- stung mit PCB und HCB in den ver- gangenen zehn Jahren.

Dieser Rückgang sei zum einen auf das Produktionsverbot und An- wendungsverbot der PCB im Jahre 1989 zurückzuführen. Der noch stär- kere Rückgang der HCB-Belastung ist nach Ansicht der Autoren mit dem entsprechenden Verbot für Pentachlorphenol sowie dem Ersatz des HCB als Insektizid für Saatge- treide durch neue Pestizide zu er-

klären. lcm

Lackmann GM, Göen T, Töllner U, Schaller KH, Angerer J: PCBs and HCB in serum of full-term German neonates.

Lancet 1996; 348: 1035

Dr. G.-M. Lackmann, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Städtisches Klini- kum Fulda, Postfach 1380, 36013 Fulda

Polychlorierte Biphenyle und Hexachlorbenzol

im Serum reifer Neugeborener

Referenzen

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