• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Chronische lymphatische Leukämie: Aktualisierte Vorschläge zu Diagnostik und Therapie" (10.05.2002)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Chronische lymphatische Leukämie: Aktualisierte Vorschläge zu Diagnostik und Therapie" (10.05.2002)"

Copied!
7
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

ie chronische lymphatische Leuk- ämie (CLL) ist ein leukämisches Non-Hodgkin-Lymphom der B- Zellreihe. Mit einer jährlichen Inzidenz von 3/100 000 Einwohner ist sie in den westlichen Ländern die häufigste Leuk- ämie des Erwachsenenalters. Das me- diane Erkrankungsalter beträgt 65 bis 70 Jahre. Das CLL-Risiko nimmt mit

dem Alter zu, wobei kein Altersplateau erreicht wird. Etwa 20 Prozent der Pati- enten sind bei Diagnosestellung jünger als 55 Jahre. Die Anzahl dieser jüngeren Patienten ist in den letzten Jahren ange- stiegen. Dies liegt an der früheren Dia- gnosestellung anhand von Blutbildbe- stimmungen, die aus anderen Gründen durchgeführt werden. Die adäquate Be- ratung und Versorgung dieser jüngeren CLL-Patienten wird zukünftig einen größeren Stellenwert erhalten (30). Die Ätiologie der CLL ist unklar. Ein Ein- fluss von Umweltfaktoren wird disku- tiert, ist aber nicht gesichert. Genetische Faktoren spielen eine Rolle: Kinder von CLL-Patienten haben im Vergleich zur Normalbevölkerung ein erhöhtes Risiko, an einer CLL oder einer anderen lym- phatischen Neoplasie zu erkranken (50).

Klinische Symptomatik

Wie bei anderen Lymphomen gibt es kein verlässliches Leitsymptom der chronischen lymphatischen Leukämie. In frühen Stadien ist die CLL meist asym- ptomatisch. Das häufigste Symptom ist das Auftreten vergrößerter Lymphkno- ten. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es darüber hinaus häufig zu Be- schwerden wie herabgesetzter Lei- stungsfähigkeit, B-Symptomen und In- fekten.

Prognose

Die mittlere Überlebenszeit ab dem Diagnosezeitpunkt variiert abhängig vom Stadium zwischen zwei und mehr als zehn Jahren. Zur Abschätzung der Prognose werden die Stadieneinteilun- gen von Binet et al. 1981 (4) und Rai et al. 1975 (40) verwendet. Sie stützen sich auf das durch Palpation erfasste Aus- maß der Lymphadenopathie, Spleno- megalie und Hepatomegalie und die mittels Blutbild bestimmte Anämie und Thrombozytopenie. Diese Parameter allein reichen jedoch insbesondere bei jüngeren Patienten in frühen Stadien (Binet-Stadium A, Rai-Stadien 0-II) nicht aus, die individuelle Prognose zu- verlässig einzuschätzen. Folgende Para- meter sagen unabhängig vom Stadium einen ungünstigen Verlauf voraus (20, 53):

❃Eine Lymphozytenverdopplungs- zeit von weniger als zwölf Monaten.

❃Eine erhöhte Serum-LDH-Aktivi- tät.

❃Eine erhöhte Serum-b2-Mikroglo- bulinkonzentration.

❃Eine erhöhte Serum-Thymidin- kinase-Aktivität.

❃Ein erhöhter Serumspiegel des lös- lichen CD23.

❃Aberrationen der Chromosomen 11 (11q-) und 17 (17p-).

Chronische lymphatische Leukämie

Aktualisierte Vorschläge zu Diagnostik und Therapie

Zusammenfassung

Die Diagnostik und Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie hat sich stark gewan- delt. Neue Erkenntnisse zu Prognosefaktoren, vor allem aber zahlreiche neue Therapieverfah- ren, wie beispielsweise Purinanaloga, Hochdo- sistherapie und monoklonale Antikörper, trugen wesentlich zu diesem Fortschritt bei. Die Be- handlung der CLL ist heute wesentlich differen- zierter zu sehen als vor wenigen Jahren; sie er- fordert eine alters- und risikoangepasste Vorge- hensweise. Es ist gleichzeitig zu betonen, dass noch viele wesentliche Fragen zur Therapie der CLL offen sind. Nur durch Einbringen der Patien- ten in multizentrische Studien, wie sie die Deut- sche CLL-Studiengruppe im deutschsprachigen Raum durchführt, werden diese Fragen in den nächsten Jahren zu beantworten sein.

Schlüsselwörter: chronische lymphatische Leuk- ämie, Therapiekonzept, Diagnosestellung

Summary

Chronic Lymphocytic Leukemia

Diagnosis and therapy of chronic lymphocytic leukemia has been a subject of change during the past. Starting with the era of purine analogs, the last 15 years have brought a dynamic develop- ment of new investigative compounds for this disease. In addition, supportive treatment has im- proved with the use of hematopoietic growth factors (G-CSF, erythropoietin) and new anti- biotics, anti-viral and anti-fungal compounds.

Finally, the use of new prognostic parameters like molecular cytogenetics (fluorescent in situ hybridization), serum parameters (bbbb2-micro- globulin, thymidine kinase, CD23), and the assessment of disease activity might allow a more precise prediction of an individual patients’

prognosis, independent of the Binet or Rai stage.

Given this spectrum of new diagnostic and treat- ment modalities, hematologists are now chal- lenged to combine these tools to a new, optimiz- ed strategy of CLL management during the next decades. In this regard, it is obvious that prospec- tive, randomized trials are the only possibility to achieve rapid progress. Towards this end, the German CLL Study Group has developed a risk and age-adapted treatment strategy in several phase 3 trials. The overall goal of these studies is to improve the outcome (survival) of CLL patients by maintaining an optimal quality of life.

Key words: chronic lymphocytic leukemia, thera- py, diagnosis

Deutsche CLL-Studiengruppe, Studienzentrale Genzen- trum (Leiter: Prof. Dr. med. Michael Hallek, Prof. Dr. med.

Bertold Emmerich) der Universität München

Michael Hallek Manuela Bergmann Bertold Emmerich

´ Tabelle 1C´

Typisches Oberflächenantigen-Profil der B-CLL

Zellenoberflächenantigen Expressionsintensität Membranständige

Immunglobuline Schwach

CD5 Positiv

CD23 Positiv

FMC7 Negativ

CD79b Negativ

(2)

❃Fehlen von somatischen Hyper- mutationen der Immunglobulin-VH- Genregion.

❃CD38-Positivität der CLL-Zellen.

❃Ein diffuses oder nichtnoduläres Knochenmarkinfiltrationsmuster.

Die Gewichtung dieser Prognose- faktoren wird derzeit in Studien ermit- telt.

Diagnostik

Zur Diagnose der CLL sind zwei Un- tersuchungen erforderlich: Die Beur- teilung des Blutbildes und des Blut- ausstrichs sowie die Immunphänotypi- sierung der Leukämiezellen des pe- ripheren Blutes (7). Darüber hinaus ist die histopathologische Begutach- tung eines vergrößerten Lymphkno- tens in diagnostischen Zweifelsfällen wichtig. Weitere Untersuchungen die- nen der Früherkennung von Kompli- kationen, der Einschätzung der Pro- gnose, der Feststellung der Ausbrei- tung der Leukämie sowie zur Verlaufs- beurteilung unter oder nach der The- rapie.

Blutbild und Blutausstrich

Typisch und Voraussetzung für die Diagnose einer CLL ist die permanen- te Erhöhung der absoluten Lympho- zytenwerte auf mehr als 5 G/L (G, Gig, 109). Im Blutausstrich findet man die typischen B-CLL-Zellen, das heißt kleine Lymphozyten mit einem schma- len Zytoplasmasaum und einem dich- ten Kern mit teilweise verklumptem Chromatin ohne erkennbare Nukleo- len. Charakteristisch sind Gumprecht- sche Kernschatten, die als Zelltrüm- mer zu finden sind.

Immunphänotypisierung

Zur Diagnose der CLL ist die im- munphänotypische Untersuchung der Lymphozyten aus dem peripheren Blut notwendig. Die malignen Zellen kön- nen so der B-Zellreihe zugeordnet werden. Der Nachweis der Leichtket- tenrestriktion (k- oder l-Typ) ist ein wichtiger Hinweis auf die Monoklona- lität der Zellen (12). Das typische An- tigenmuster der CLL-Zellen in der

Durchflusszytometrie ähnelt dem von Lymphozyten im Bereich der Mantel- zone sekundärer lymphatischer Folli- kel. Charakteristisch ist die Koexpres- sion des Antigens CD5 mit einer schwachen Expression von membran- ständigen Immunglobulinen (IgM mit oder ohne IgD) und der Expression von B-Zell-assoziierten Membrananti- genen wie CD19 und CD23. CD20 wird nur schwach, FMC7 sowie CD79b werden in der Regel nicht exprimiert.

Das typische Oberflächenantigenpro- fil der CLL ist in Tabelle 1zusammen- gefasst (10, 34).

Histopathologie eines vergrößerten Lymphknotens

Die Lymphknotenhistologie erlaubt die Bewertung der Lymphknotenar- chitektur, die bei Non-Hodgkin-Lym- phomen in unterschiedlicher Weise verändert ist. Dies ermöglicht eine bes- sere Abgrenzung der CLL von ver- wandten Entitäten, die ähnliche Ober- flächenmarker exprimieren. Insbe- sondere zum lymphoplasmozytischen Lymphom (Immunozytom), Mantel- zell-Lymphom und Marginalzonenlym- phom kann die Abgrenzung schwierig sein.

Die histologische Diagnose schafft hier zusätzliche Sicherheit. Sie erlaubt, die Erkrankung einer Entität der R.E.A.L.- oder WHO-Klassifikation zuzuordnen (21). Charakteristisch für das histologische Bild der CLL ist eine aufgehobene Lymphknotenarchitek- tur mit Verlust der Keimzentren und Obliteration der Sinus durch Infil- trate kleiner lymphatischer Zellen.

Die vorherrschenden Zellen sind klei- ne Lymphozyten mit verklumptem Chromatin, meist rundem Kern und gelegentlich einem kleinen Nukleolus.

Größere lymphatische Zellen werden regelmäßig gesehen (Prolymphozyten und Paraimmunoblasten), gewöhnlich angeordnet in Herden, den so genann- ten Pseudofollikeln oder Prolifera- tionszentren.

Die histopathologische Untersu- chung wird daher für alle Fälle emp- fohlen, in denen die Exzision eines vergrößerten Lymphknotens mittels eines wenig belastenden Eingriffs in Lokalanästhesie möglich ist.

Bestimmung sonstiger Laborparameter

Es sollen die Serum-LDH, die Serum- Elektrophorese zur Erkennung einer Paraproteinämie und die Serum- Immunglobuline zur Erfassung eines sekundären Antikörpermangels be- stimmt werden. Der Coombs-Test dient der Erkennung antierythrozytä- rer Autoantikörper. Aus den Blutbild- werten wird die Lymphozytenver- dopplungszeit (Beobachtung minde- stens über drei Monate) errechnet. Vor Einleitung einer Therapie sind zusätz- lich die Serumbestimmungen von Kreatinin, Harnstoff, Elektrolyten, Harnsäure, Bilirubin und Transamina- sen sowie der Urinstatus angebracht.

Zur Abschätzung der Prognose kön- nen die Serum-Thymidinkinase und das Serum-b2-Mikroglobulin bestimmt werden.

Bildgebende Verfahren

Nach der körperlichen Untersuchung des Patienten mit der Erhebung des Lymphknotenstatus werden eine So- nographie des Abdomens und eine Röntgenuntersuchung des Thorax durchgeführt, um die Beteiligung ab- dominaler oder intrathorakaler Orga- ne und das Ausmaß der Lymphknoten- vergrößerungen in diesen Regionen abzuschätzen. Bei fraglichen oder Komplikationen verursachenden Lym- phomen ist auch eine Computertomo- graphie des Thorax oder des Abdo- mens notwendig.

Knochenmarkuntersuchung

Die zytologische und histologische Untersuchung des Knochenmarks ist zur Diagnosestellung nicht notwendig (7). Die histologische Untersuchung des Knochenmarks erlaubt, das Aus- maß und Muster der Knochenmark- infiltration durch die CLL (diffus, nodulär) zu bestimmen. Diese Para- meter haben prognostische Bedeu- tung. Bei unklaren Zytopenien im Ver- lauf der Erkrankung kann die Kno- chenmarkpunktion zur Klärung der Ätiologie (Leukämieinfiltration, ge- steigerte Megakaryopoese bei Au- toimmunzytopenie, Knochenmark- aplasie nach Chemotherapie) dienen.

(3)

Eine Knochenmarkpunktion mit zyto- logischer und histologischer Untersu- chung ist indiziert, wenn durch die Therapie eine vollständige Rückbil- dung aller Krankheitsmerkmale er- reicht wurde: Eine komplette Remissi- on der CLL kann erst nach Vorliegen des Knochenmarkbefundes festgestellt werden.

Zytogenetik

Bei mehr als 80 Prozent der CLL-Pa- tienten gelingt durch die Interphasen- zytogenetik (FISH, Fluoreszenz-in-si- tu-Hybridisierung) der Nachweis chro- mosomaler Aberrationen. Ihre biolo- gische Bedeutung ist unklar. Bestimm- te Aberrationen haben prognostischen Wert (13). Die Deletion von Chromo- som 13q ist am häufigsten (Tabelle 2).

Patienten mit Deletion 17p- oder 11q- haben eine schlechtere Prognose als Patienten mit normalem Karyotyp oder mit Deletion 13q-. Die Deletio- nen 17p- und 11q- treten nahezu aus- schließlich bei CLL-Klonen mit unmu- tierten Genen für die schwere Kette der Immunglobuline (IgH) auf. Patien- ten mit 11q-Deletion unterscheiden sich auch klinisch; sie zeigen oft eine ausgeprägte Lymphadenopathie und B-Symptomatik. Die prognostische Bedeutung der Trisomie 12 ist nicht ge- sichert. Die Bedeutung der zytogeneti- schen Befunde für die Therapieent- scheidung muss in prospektiven Studi- en geklärt werden.

Verlaufsbeurteilung unter Therapie

In der täglichen Praxis werden einfa- che klinische und hämatologische Pa- rameter verwendet, um das Anspre- chen auf die Behandlung zu beurtei- len. Nach den Empfehlungen der Na- tional Cancer Institute-Sponsored Working Group (NCI-WG) wird es wie folgt definiert (7): Eine komplette Remission liegt vor, wenn bei der klini- schen Untersuchung und mit bildge- benden Verfahren keine vergrößerten Lymphknoten und keine Hepatosple- nomegalie mehr nachweisbar sind, wenn der Patient keine Krankheits- symptome mehr aufweist und wenn die Zahl der neutrophilen Granulozyten mindestens als 1,5 G/L, die Zahl der

Thrombozyten mehr als 100 G/L und der Hämoglobinwert ohne Substituti- on mit Erythrozytenkonzentraten von mehr als 11,0 g/dL betragen. Die abso- lute Zahl der Lymphozyten muss unter einem Wert von 4 G/L liegen und im Knochenmark sollen weniger als 30 Prozent Lymphozyten vorhanden und kein Nachweis eines nodulären Befalls zu finden sein. Eine partielle Remissi- on liegt vor, wenn die Lymphadenopa- thie und/oder Hepatosplenomegalie um mindestens 50 Prozent abgenom- men haben. Zusätzlich muss minde- stens einer der folgenden hämatologi- schen Parameter erreicht werden:

Neutrophile Granulozyten mindestens 1,5 G/L, Thrombozyten mehr als 100 G/L oder Hämoglobin mehr als 11 g/dL oder eine Verbesserung der Wer- te um 50 Prozent. Die Remissionskri- terien müssen für die Dauer von min- destens zwei Monaten erfüllt sein. Von einer progredienten Erkrankung spricht man bei einer Zunahme der Lymphknotenvergrößerung und/oder der Hepatosplenomegalie um minde- stens 50 Prozent, bei Auftreten neuer Lymphome, bei einer Zunahme der zirkulierenden Lymphozytenzahl um mindestens 50 Prozent, beim Über- gang der Erkrankung in ein höheres Stadium oder bei der Transformation in ein hochmalignes Lymphom (Rich- ter-Syndrom).

Neben diesen Kriterien wird die Remission zunehmend molekularbio- logisch beurteilt. Neue, quantitative PCR-Verfahren erlauben heute den Nachweis einer minimalen Resterkran-

kung mit hoher Sensitivität. Hierbei werden spezifische Primer verwendet, mit deren Hilfe die klonspezifischen Immunglobulin-Genabschnitte ampli- fiziert und erkannt werden (43).

Therapieindikation

Die Entscheidung zur Therapie orien- tiert sich am Stadium der Erkrankung, am Vorhandensein von Symptomen und an der Krankheitsaktivität. Pati- enten im Stadium Rai III und IV oder Binet C sollen therapiert werden. Pati- enten in früheren Stadien sollen nur dann behandelt werden, wenn krankheitsassoziierte Symptome auf- treten. Krankheitsassoziierte Sympto- me, die eine Therapieentscheidung rechtfertigen, sind starke B-Sympto- me, eine starke Leistungsabnahme, sowie Symptome oder drohende Kom- plikationen durch Milz- oder Leber- vergrößerung und Lymphome (zum Beispiel Kompression der großen ab- dominalen Gefäße). Eine hohe Krank- heitsaktivität, welche durch eine Lymphozytenverdopplungszeit unter sechs Monaten oder rasch wachsende Lymphome objektiviert wird, gilt auch in frühen Stadien als Therapieindika- tion. Eine autoimmun-hämolytische Anämie oder eine sekundäre Immun- thrombozytopenie mit Blutungsgefahr werden mit Corticosteroiden behan- delt; sie allein sind keine Indikation zur zytostatischen Chemotherapie. In früheren Stadien der Erkrankung (Rai-Stadien 0-II, Binet-Stadien A und B) ohne Krankheitssymptome und ohne Krankheitsaktivität soll nicht therapiert, sondern lediglich re- gelmäßig kontrolliert werden („watch and wait“).

Die CLL wurde lange nur in pallia- tiver Intention behandelt, da es mit den konventionellen Therapiemaß- nahmen nicht möglich war, anhaltende Vollremissionen zu erreichen. Die Entwicklung neuer therapeutischer Möglichkeiten hat dies verändert.

Jüngere Patienten werden heute in- tensiver therapiert mit dem Ziel, mög- lichst lang anhaltende komplette Re- missionen zu erzielen und so das (krankheitsfreie) Überleben zu ver- längern.

´ Tabelle 2C´

Häufigste Chromosomenaberrationen bei der CLL

Chromosomenaberration Häufigkeit (%)

13q-Deletion 55

11q-Deletion 18

Trisomie 12 16

17p-Deletion 7

6q-Deletion 6

Trisomie 8 5

Trisomie 3 3

(4)

Studien der Deutschen CLL-Studiengruppe

Die Deutsche CLL-Studiengruppe (DCLLSG) hat sich zum Ziel gesetzt, die Behandlung der CLL nachhaltig zu verbessern. Im Vordergrund die- ser Bemühungen stehen die Verbesse- rung der Lebensqualität, die Verlän- gerung der symptom- und krankheits- freien Zeit und der Lebenszeit. Die DCLLSG hat aus diesem Grund für alle wesentlichen Alters- und Risiko- gruppen Therapiekonzepte entwickelt (Grafik).

Im CLL1-Protokoll für Patienten im Binet-Stadium A wird zunächst das Progressionsrisiko bestimmt. Pa- tienten mit hohem Progressionsrisiko (nichtnoduläre Knochenmarkinfiltra- tion oder Lymphozytenverdopplungs- zeit von weniger als 12 Monaten und

Erhöhung der Serum-Thymidinki- nase oder des Serum-b2-Mikroglobu- lins) werden nach Randomisierung entweder beobachtet oder mit Fludar- abin behandelt. Patienten mit einem niedrigen Progressionsrisiko werden beobachtet.

Bei Vorliegen einer eindeutigen Therapieindikation (Binet-Stadium C oder Stadium B mit Symptomen) wird je nach Alter nach dem CLL4- oder CLL5-Protokoll behandelt. Das CLL4-Protokoll für Patienten bis zu 65 Jahren vergleicht Fludarabin mit der Kombination aus Fludarabin und Cyclophosphamid (FC). Bei Anspre- chen auf Fludarabin oder FC wird im CLL4B-Protokoll geprüft, ob eine Konsolidierung mit dem monoklona- len Antikörper Campath-1H sinnvoll ist. Das CLL5-Protokoll für Patienten ab 66 Jahren vergleicht Chlorambucil

mit Fludarabin. Für die Rezidivsitua- tion werden Patienten im Rahmen des CLL6-Protokolls behandelt. Da- bei wird für alle Patienten die Kombi- nation Fludarabin, Cyclophosphamid und Mitoxantron (FCM) verwendet, die auch bei Fludarabin-refraktären Patienten noch Ansprechen erzielt.

Geprüft wird hier, ob die Gabe von G-CSF das Auftreten von schweren Infekten verhindert.

Die Protokolle werden ständig durch innovative Verfahren erweitert.

Neue Substanzen werden in Phase-2- Protokollen getestet. Auch experi- mentelle Therapieverfahren wie die Hochdosischemotherapie mit autolo- gem Stammzellersatz (CLL3-Proto- koll) oder die allogene Stammzelltrans- plantation (CLL3X-Protokoll) werden von der Deutschen CLL-Studiengrup- pe geprüft.

Grafik

Studien der Deutschen CLL-Studiengruppe; SZT, Stammzelltransplantation; Campath-1H, monoklonaler Antikörper gegen CD 52; Dexa-BEAM, Dexamet- hason, Carmustin (BCNU), Etoposid, Cytarabin, Melphalan.

(5)

Bausteine der

antileukämischen Therapie

Konventionelle Chemotherapie Chlorambucil. Als Standardtherapie für CLL-Patienten in fortgeschrittenen Stadien galt bisher eine orale Monothe- rapie mit Chlorambucil (48). Chloram- bucil ist eine alkylierende Substanz, die gewöhnlich gut vertragen wird. Mit Chlorambucil können Remissionsraten von bis zu 40 Prozent erreicht wer- den. Komplette Remissionen werden nur selten erzielt. Partielle Remissio- nen halten gewöhnlich nicht lange an.

Es bringt keinen Vorteil, Chlorambucil mit Corticosteroiden zu kombinieren, außer bei autoimmunologischen Kom- plikationen. Es bestehen zwei weitge- hend gleichwertige Applikationswei- sen:

❃ Chlorambucil 0,4 bis 0,8 mg/kg Körpergewicht am Tag 1. Initial wird 0,4 mg/kg KG verabreicht. Die Dosis wird von Kurs zu Kurs in Abhängigkeit vom Ansprechen und den auftretenden Nebenwirkungen um 0,1 mg/kg gestei- gert. Bei ungenügendem Behandlungs- erfolg kann die Zieldosis von 0,8 mg/kg KG unter Beachtung der Toxizität überschritten werden. Die Therapiezy- klen werden in Abständen von jeweils 14 Tagen wiederholt.

❃ Chlorambucil 0,07 bis 0,1 mg/kg KG pro Tag für die Dauer von 14 Ta- gen. Nach vierzehntägiger Pause kann der Therapiezyklus wiederholt werden.

Die Behandlung mit Chlorambucil sollte nach Möglichkeit bis zum maxi- malen Ansprechen durchgeführt wer- den. Dies dauert üblicherweise etwa 8 bis 12 Monate. Bei myelotoxischen Ne- benwirkungen sollte zunächst die Dosis reduziert werden.

Nach erfolgreicher Chlorambucil- Behandlung kann bei erneutem Pro- gress nach 12 Monaten wieder Chlor- ambucil eingesetzt werden. Ist die Er- krankung unter Chlorambucil-Thera- pie progredient oder hält die Wirkung der Behandlung weniger als 12 Monate an, sollten andere Medikamente ge- wählt werden.

Purinanaloga. Durch die Einführung der Purinanaloga Fludarabin und 2- Chlordesoxyadenosin (Cladribin) hat

sich die Behandlung der CLL stark ge- wandelt. Purinanaloga sind die ersten Substanzen, die auch als Monothera- peutika eine relativ hohe Rate an kompletten Remissionen erzielen (27). Fludarabin ist besser untersucht als Cladribin. Fludarabin wird in einer Dosierung von 25 mg/m2von Tag 1 bis Tag 5 in vierwöchentlichem Abstand intravenös verabreicht. Es werden bis zu 6 Zyklen durchgeführt.

In der Primärtherapie führt der Einsatz von Fludarabin zu An- sprechraten von etwa 80 Prozent; etwa ein Drittel aller Patienten erreicht ei- ne komplette Remission (26, 28). Bei Patienten, die mit Alkylanzien vorbe- handelt wurden, liegen die An- sprechraten zwischen 12 und 55 Pro- zent, bei Patienten, die auf Alkylanzi- en refraktär sind, zwischen 20 und 40 Prozent (2, 33, 44). In der bisher ein- zigen Phase-3-Studie, die Fludarabin direkt mit Chlorambucil bei nicht vor- behandelten Patienten verglich, er- zielte Fludarabin höhere Ansprechra- ten (70 Prozent gegenüber 43 Pro- zent), mehr komplette Remissionen (27 Prozent gegenüber 3 Prozent) und ein längeres progressionsfreies Über- leben (33 Monate gegenüber 17 Mo- nate), aber keine eindeutige Verlänge- rung des Gesamtüberlebens (39). Im Vergleich zu intensiveren Polychemo- therapie-Schemata wie CAP oder CHOP ist Fludarabin, bezogen auf die Ansprechraten und das progressions- freie Überleben, mindestens ebenso effektiv. Fludarabin führt auch im Re- zidiv nach vorangegangener, erfolgrei- cher Fludarabintherapie erneut zu ho- hen Ansprechraten zwischen 67 und 83 Prozent (6).

Hauptnebenwirkungen der Purin- analoga sind die Myelosuppression und Lymphozytopenie mit niedrigen Werten CD4+-positiver T-Lympho- zyten. Dies führt jedoch nicht zu einer höheren Infektionsrate im Vergleich zu ähnlich myelosuppressiven Thera- pien wie CAP. Das Spektrum der be- obachteten Keime ist jedoch anders als nach myelosuppressiver Alkylanzi- entherapie (1). In circa 1 bis 5 Prozent der Fälle kommt eine Autoimmunzy- topenie während der Therapie vor (24). Selten kommt es während der Fludarabin-Therapie zu einem Tu-

morlysesyndrom (8). Cladribin ist ähnlich wirksam wie Fludarabin (25, 42).

Purinanaloga-Kombinationen. Um die Therapie mit Purinanaloga weiter zu verbessern, wurden Kombinationen von Fludarabin mit Cyclophosphamid und/oder Mitoxantron untersucht, weil sie in vitro synergistisch wirken (3). Bei vorbehandelten Patienten führte eine Kombination von Fludar- abin und Cyclophosphamid zu An- sprechraten von über 80 Prozent (51).

Auch die Kombination von Fludar- abin und Epirubicin erzielte in einer Studie bei vorbehandelten Patienten Ansprechraten von über 80 Prozent, wobei etwa 30 Prozent eine komplette Remission erreichten (41). Die Drei- fachkombination Fludarabin, Cyclo- phosphamid und Mitoxantron indu- zierte in einer Studie mit rezidivierten Patienten 44 Prozent komplette Re- missionen (5). Häufigste Nebenwir- kung dieser Fludarabin-Kombinatio- nen sind schwere Infektionen.

Hochdosistherapie

Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation (SZT). Die myeloablative Hochdosis(chemo)the- rapie mit nachfolgender autologer SZT ist ein interessantes, experimen- telles Therapieverfahren der CLL, das nur im Rahmen von Studien durchge- führt werden sollte (14, 31, 47). Der oft indolente Verlauf der Erkrankung und das hohe mediane Alter der Pati- enten sprachen bis vor wenigen Jahren gegen eine solche intensive Behand- lung. Durch die relative Zunahme des Anteils jüngerer Patienten (Alter jün- ger als 55 Jahre) mit hohem Risiko für Krankheitsprogress, sowie durch die Verbesserung der supportiven Maß- nahmen, wurde die Hochdosisthera- pie mit autologer SZT zunehmend be- deutsam. Die DCLLSG untersucht diese Therapiemodalität im CLL3- Protokoll, in das mehr als 200 Patien- ten eingeschlossen wurden. Die thera- piebedingte Mortalität liegt derzeit in den großen internationalen Studien und im CLL3-Protokoll der DCLLSG bei 5 bis 10 Prozent (14). Wegen dem Fehlen randomisierter Studien kann

(6)

nicht beurteilt werden, ob dieser The- rapieansatz eine bessere Langzeitpro- gnose als die konventionelle Chemo- therapie bewirkt.

Hochdosischemotherapie mit alloge- ner SZT. Aufgrund der hohen thera- pieassoziierten Mortalität der alloge- nen SZT bei der CLL, die zwischen 25 und 50 Prozent liegt (47), kann die Durchführung der allogenen SZT aus- schließlich im Rahmen von Studien empfohlen werden. Zu den Gründen für die hohe therapieassoziierte Mor- talität der allogenen SZT zählen der mit der CLL vergesellschaftete Im- mundefekt, aber auch die ungünstige Patientenselektion (viele Vortherapi- en). Nichtmyeloablative Konditionie- rungsprotokolle könnten die Ergeb- nisse verbessern (29). Für die allogene SZT spricht der Graft-versus-Leuk- ämie-Effekt, der auch bei der CLL ei- ne Rolle spielt, wie der erfolgreiche Einsatz von Spenderlymphozytentrans- fusionen zeigt (18, 46).

Therapie mit monoklonalen Antikörpern

Monoklonale Antikörper binden an definierte Oberflächenantigene und töten über verschiedene Wirkmecha- nismen (Apoptose, Komplementak- tivierung, antikörpervermittelte zel- luläre Zytotoxizität) die Leukämiezel- len. Durch den Einsatz monoklonaler Antikörper entstehen Möglichkeiten für die remissionserhaltende Therapie der CLL. Monoklonale Antikörper gegen CD20 (Rituximab) (19) oder gegen CD52 (Campath-1H Alemtuzu- mab) (15) werden zurzeit in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit unter- sucht. Die meisten Erfahrungen mit monoklonalen Antikörpern bestehen in der Rezidivbehandlung der CLL. In den bisherigen Studien führte Rituxi- mab allein zu kurz anhaltenden, par- tiellen Remissionen bei 20 bis 41 Prozent der Patienten (23, 36). Bei Pa- tienten mit hohen Leukämiezellzah- len im peripheren Blut besteht die Ge- fahr gravierender Nebenwirkungen, bedingt durch die Zytokinfreisetzung oder Agglutination der Leukämiezel- len (29a, 49). Der Stellenwert und die optimale Verabreichung von Rituxi-

mab bei der CLL sollen im Rahmen von Studien geprüft werden.

Der Antikörper Campath-1H ist bei der CLL besser untersucht. Cam- path-1H richtet sich gegen CD52, das von normalen B- und T-Lymphozyten und nahezu allen CLL-Zellen expri- miert wird. Nebenwirkungen von Campath-1H sind Myelosuppression und T-Zelldepletion, die zu infektiösen Komplikationen führen können (45).

Campath-1H zeigt seine Wirkung vor allem im peripheren Blut und Kno- chenmark. Campath-1H wurde bisher vorwiegend im Rezidiv eingesetzt und führt zu einem Ansprechen in etwa 42 Prozent der Fälle mit einem rezidiv- freien Intervall von mehr als 12 Mona- ten (37). In der Primärtherapie wurde eine Ansprechrate von 89 Prozent fest- gestellt (38). Der Einsatz von Cam- path-1H in der Erhaltungstherapie wird von der DCLLSG im CLL4B- Protokoll unter der Annahme unter- sucht, dass hierdurch verbleibende Leukämiezellen eliminiert werden können (16). Die Substanz wurde vor kurzem für die Rezidivtherapie der CLL zugelassen.

Strahlentherapie

In kurativen Therapiekonzepten wird die Strahlentherapie als Ganzkörper- bestrahlung im Rahmen myeloablati- ver Radiochemotherapie mit Stamm- zelltransplantation eingesetzt. Da aus diesbezüglichen Studien keine defini- tiven Ergebnisse vorliegen, ist der Einsatz der Strahlentherapie in die- sem Rahmen als experimentell zu betrachten. Eine Bestrahlung in pal- liativer Intention kann bei großen Lymphomen oder leukämischen In- filtraten, deren Beseitigung klini- sche Bedeutung hat, indiziert sein. Es kommen Strahlendosen zwischen 10 und 40 Gy bei normaler Fraktionie- rung zur Anwendung. Häufig ist ein ausreichender Therapieeffekt bereits bei Gesamtdosen von 20 Gy zu errei- chen. Eine große Milz, die durch ihre Raumforderung Beschwerden verur- sacht, oder ein Hypersplenismus kön- nen erfolgreich bestrahlt werden. Die- se Bestrahlung sollte in kleinen Ein- zeldosen erfolgen (0,3 bis 0,5 Gy 3 ⫻ pro Woche), da gelegentlich ein sehr

rascher Abfall von Thrombozyten und Leukozyten zu verzeichnen ist. Die Gesamtdosen liegen zwischen 3 und 10 Gy.

Supportive Therapie

Infektprophylaxe

Infektionen sind weiterhin eine Hauptkomplikation der CLL. Die Hy- pogammaglobulinämie ist einer der wichtigsten Gründe für das erhöhte Infektrisiko, aber auch T-Zelldefekte spielen eine Rolle (32). Häufige Ein- trittspforte für bakterielle Erreger ist die Mukosa, besonders im Bereich des Respirationstrakts. Unter Chemothe- rapie begünstigt darüber hinaus die Neutropenie bakterielle Infektionen durch gramnegative und grampositive Erreger und erfordert erhöhte Auf- merksamkeit. Zu den häufigsten Mi- kroorganismen gehören unter Alky- lanzientherapie Staphylococcus aure- us, Streptococcus pneumoniae, Hae- mophilus influenzae, Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae und Pseudo- monas aeruginosa (35). Mit Ein- führung der Purinanaloga trat eine Verschiebung des Erregerspektrums mit vermehrtem Nachweis opportuni- stischer Erreger, wie Pneumocystis ca- rinii, Listerien, Mycobacterium tuber- culosis, Nocardien, Candida, Asper- gillen und Herpesviren ein (1).

Vor diesem Hintergrund ist er- staunlich, dass die optimale Infektpro- phylaxe bei der CLL bisher nicht durch kontrollierte Studien definiert ist. Unklar ist beispielsweise, ob die prophylaktische Gabe von Granulo- zyten-Wachstumsfaktoren (G-CSF, GM-CSF) die Zahl der infektiösen Komplikationen reduziert. Bei CLL- Patienten mit Hypogammaglobulin- ämie und rezidivierenden Infekten konnte in der bisher einzigen kontrol- lierten Studie kein Vorteil bezüglich der Vermeidung schwerwiegender Infektionen gezeigt werden (9). Tu- morbedingte Anämien sind bei der CLL häufig. Ob hier der Einsatz von Erythropoetin sinnvoll ist, wie neue Ergebnisse nahelegen, bedarf der wei- teren Prüfung in kontrollierten Studi- en.

(7)

Autoimmunologische Komplikationen

Die autoimmun-hämolytische Anä- mie (AIHA) ist eine häufige Kompli- kation der CLL. In 11 Prozent der CLL-Patienten tritt im Verlauf eine AIHA auf (11). Nach Einführung von Fludarabin wurde eine Zunahme der Inzidenz von AIHA befürchtet, da die CD4+-T-Zell-Suppression dies begün- stigen könnte. In zwei randomisierten Studien, die Fludarabin im Vergleich zu CAP oder CHOP bei fortgeschrit- tener CLL prüften, zeigte sich kein signifikant erhöhtes Risiko für das Auftreten AIHA durch Fludarabin.

Dennoch sollte bei klinisch manifester AIHA Fludarabin nicht eingesetzt werden. Ein positiver Coombs-Test ohne Zeichen einer AIHA oder eine anamnestisch bekannte AIHA stellen nach derzeitigem Kenntnisstand keine Kontraindikation für Fludarabin dar, andere Therapiealternativen sollten aber zunächst bevorzugt werden. Ist in dieser Situation Fludarabin dennoch die sinnvollste Therapieoption (zum Beispiel bei Refraktärität gegen Alky- lanzien), sollte die Therapie unter engmaschiger Kontrolle von Serumbi- lirubin, LDH, Haptoglobin, und Reti- kulozyten zum Ausschluss einer Hä- molyse erfolgen.

Die Therapie der ersten Wahl bei AIHA ist die Gabe von Corticostero- iden. Bei Nichtansprechen oder Kon- traindikation für Corticosteroide wird die Splenektomie, bei weiterer Persi- stenz der AIHA eine Therapie mit Azathioprin oder Cyclophosphamid empfohlen. Der Einsatz von Ciclo- sporin A (mit dem üblichen Monito- ring und unter Beachtung der Neben- wirkungen) stellt ebenfalls eine Option dar. Mycophenolat mofetil (MMF) wird derzeit als weitere Therapieopti- on unter Studienbedingungen von der DCLLSG getestet (52).

Bei etwa 2 bis 3 Prozent der CLL- Patienten tritt eine Autoimmun- thrombozytopenie (AITP) auf. Die Therapie entspricht der Behandlung der primären AITP. Sie sollte sich an der Blutungsneigung orientieren und nicht allein an den Thrombozytenwer- ten. In der Regel sind Patienten mit Thrombozytenzahlen von mehr als 30 G/L nicht therapiebedürftig. Die in-

itiale Therapie besteht in der Gabe von Corticosteroiden. Tritt kein The- rapieerfolg ein, so kann eine Sple- nektomie erwogen werden (17). Die intravenöse Verabreichung von Im- munglobulinen in hoher Dosis ist bei Patienten indiziert, bei denen elektive Operationen geplant sind, die refrak- tär auf obige Therapien sind sowie in Notfallsituationen. Die Anwendung von Ciclophosphamid, Vincristin, Da- nazol, Ciclosporin A, Mycophenolat mofetil, Plasmaaustausch oder Im- munabsorption kann in Einzelfällen hilfreich sein. Bei lebensbedrohlichen Blutungen müssen Thrombozyten substituiert werden. Es muss bedacht werden, dass aufgrund der immunolo- gischen Genese mit einem höheren Bedarf an Thrombozytenkonzentra- ten zu rechnen ist (11).

Die isolierte aplastische Anämie (pure red cell aplasia) tritt häufig in ei- nem frühen Erkrankungsstadium auf.

Anämie, Retikulozytopenie und ein Mangel an Vorläuferzellen der Ery- thropoese im Knochenmark sind cha- rakteristisch für diese Erkrankung.

Therapie der ersten Wahl ist die Gabe von Corticosteroiden. Tritt innerhalb von vier Wochen kein Therapieerfolg ein, werden die Corticosteroide mit Ciclosporin A kombiniert.

Konsensusempfehlungen

Seit Veröffentlichung der letzten Empfehlungen (22) ist neues Wissen zur Pathogenese, Diagnostik und The- rapie entstanden. Insbesondere die therapeutischen Möglichkeiten haben sich in den letzten Jahren erheblich er- weitert, unter anderem durch die Ver- fügbarkeit monoklonaler Antikörper und die zunehmenden Erfahrungen mit der Hochdosistherapie. Daher kann derzeit für viele Situationen kei- ne verbindliche Therapieempfehlung gegeben werden. Beispielsweise ist zurzeit unklar, ob die primäre Chemo- therapie der B-CLL mit Chlorambucil oder Fludarabin erfolgen soll. Aus diesem Grund muss es oberstes Anlie- gen sein, alle Patienten innerhalb von klinischen Studien zu therapieren. Die DCLLSG hat ein Konzept für eine al- ters- und risikoangepasste Behand-

lung der CLL im Rahmen von Studien entwickelt (Grafik). Langfristiges Ziel dieser Bemühungen ist die kontinuier- liche Optimierung der Behandlung, um höhere Ansprechraten, längere Krankheitsfreiheit, bessere Lebens- qualität und eines Tages vielleicht die Heilung der Erkrankung zu erreichen.

Ohne die dokumentierte Behandlung der Patienten in klinischen Therapie- optimierungsstudien wird sich aller- dings kein entsprechender Erkennt- nisfortschritt erzielen lassen.

Der Text wurde erarbeitet von der Deutschen CLL-Studi- engruppe unter Mitwirkung der folgenden Kolleginnen und Kollegen: L. Bergmann (Frankfurt), L. Böning (Mün- chen), G. Brittinger (Essen), R. Buhmann (München), P.

Daniel (Berlin), V. Diehl (Köln), H. Döhner (Ulm), B. Dör- ken (Berlin), P. Dreger (Kiel), G. Ehninger (Dresden), A.

Engert (Köln), A. Franke (Magdeburg), H. Heimpel (Ulm), K. P. Hellriegel (Berlin), M. Herold (Erfurt), W.

Hiddemann (München), G. Hopfinger (Wien), D. Huhn (Berlin), U. Jäger (Wien), W. Kern (München), W. Knauf (Berlin), M. Kneba (Kiel), H.-J. Kolb (München), W. D.

Ludwig (Berlin), K. Lechner (Wien), O. Meyer (Berlin), A.

Neubauer (Marburg), C. Nerl (München), C. Peschel (München), H. Pralle (Gießen), M. Rummel (Frankfurt), B. Schmitt (München), N. Schmitz (Hamburg), S. Serke (Berlin), W. Siegert (Berlin),H. Stein (Berlin), S. Stilgen- bauer (Ulm), T. Südhoff (Bochum), E. Thiel (Berlin), M.

Wilhelm (Würzburg), N. Willich (Münster).

Manuskript eingereicht: 15. 8. 2001, revidierte Fassung angenommen: 27. 11. 2001

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2002; 99: A 1294–1301 [Heft 19]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Michael Hallek Deutsche CLL-Studiengruppe, Studienzentrale

Genzentrum der Universität München Feodor-Lynen-Straße 25

81377 München

E-Mail: CLLSTUDIE@LRZ.UNI-MUENCHEN.de Weitere Informationen im Internet:

www.DCLLSG.de

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Narzissen können aber auch sehr gut in gemischten Sträußen verwendet werden, wenn man sie für mehrere Stunden oder über Nacht separat in Wasser stellt, bis aus der Schnittstelle

XANTEN. Wer am Wochen- ende das Frühlingsfest besucht, wird eventuell nicht mit leeren Händen nach Hause gehen, es gibt einiges zu gewinnen oder mitzunehmen. Beim Reisemarkt kann

Bei allen Patienten unter 20 Jahren bei Erstdiagnose und bei Pa- tienten mit idiopathischer Pankreatitis und einem oder mehr Verwandten mit einer chronischen Pankreatitis oder ei-

Zunächst werde durch eine epi- durale elektrische Teststimulation be- ziehungsweise intrathekale Infusion von Opioiden über eine gewisse Zeit geprüft, ob die Schmerzen anspre-

chronischer Niereninsuffizienz Wenn aus einer chronisch pro- gredienten Nierenerkrankung eine fortgeschrittene Nieren insuffizienz durch Reduktion der Nierenmasse eingetreten

Bei den von uns untersuch- ten Patienten mit post-operativ gesi- chertem Phäochromozytom zeigte sich jedoch kein diagnostischer Zu- gewinn im Vergleich zur (wiederhol-

Definition: Rechtsventrikuläre Hypertrophie infolge einer Erkran- kung der Lungen einschließlich ihrer Gefäße, die zu einer Erhöhung des Lungengefäßwiderstandes führt.

Die Diagnose der B-CLL wird durch den Nachweis einer anhaltenden Erhöhung der Blutlymphozytenzahl über fünfmal 10 9 /l sowie des für die- se Erkrankung charakteristischen