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Archiv "Chronische Niereninsuffizienz: Diagnostik und Therapie" (08.10.1982)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 40 vom 8. Oktober 1982

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Chronische Niereninsuffizienz

Diagnostik und Therapie

Horst Brass*)

Aus der Medizinischen Klinik II

(Direktor: Professor Dr. med. Horst Brass)

der Städtischen Krankenanstalten Ludwigshafen am Rhein

Von den Auswirkungen der fortschreitenden urämischen Intoxikation bleibt praktisch kein System verschont. So sind z. B. betroffen: Haut, Herz- und Kreislaufsystem, Blut, Stoff- wechsel, Magen-Darm-Kanal, innere Sekretion, Knochen- und Nervensystem. Die Thera- pie der Urämie mittels Hämo- dialyse, Hämofiltration, Perito- nealdialyse und Nierentrans- plantation bietet heute einer Vielzahl von Patienten eine reelle Überlebenschance. Be- sonders die Nierentransplanta- tion ist geeignet, ein hohes Maß von Rehabilitation und Lebensqualität zu vermitteln.

Damit hat sich das noch vor wenigen Jahren fatale Schick- sal der Urämiekranken in einer Weise gewandelt, wie es der Kliniker Franz Volhard bereits vor 50 Jahren vorausahnte, als er sagte: „... wenn sich das Schicksal einer insuffizienten Niereerfüllt hat und der Nieren- rest nicht mehr genügt, dann kann keine ärztliche Kunst die tödliche Urämie aufhalten, solange es nicht gelingt, neue Nieren einzupflanzen" (5).

Die chronische Niereninsuffizienz ist ein klinisches Syndrom mit einer komplexen biochemischen und morphologischen Basis. Während die akute Niereninsuffizienz durch einen rasch einsetzenden Ausfall der renalen Ausscheidungsfunktion mit abruptem Anstieg zum Beispiel der harnpflichtigen Substanzen, saurer Valenzen im Blut und des Serum-Kaliums entsteht, entwickelt sich die chronische Niereninsuffi- zienz mehr oder weniger langsam progredient über Monate, Jahre, ja Jahrzehnte. Sie führt irreversibel zur terminalen Niereninsuffizienz, zur Urämie. Nimmt man die abnehmen- de Glomerulusfiltration als Maß der Nierenfunktion und die wichtigsten Retentionswerte im Serum — Kreati- nin, Harnstoff und Harnsäure — bei ansteigender Tendenz als die am zu- verlässigsten meßbaren klinisch- chemischen Parameter, so läßt sich daraus die in Tabelle 1 wiedergege- bene Stadieneinteilung der chroni- schen Niereninsuffizienz ableiten.

Mit der Progredienz der Niereninsuf- fizienz gehen eine Reihe biochemi- scher und pathophysiologischer Veränderungen einher: zum Beispiel renale Anämie, Phosphatstau mit Hypokalzämie, Störungen der Gerin- nung und des Hormonhaushaltes

(meist Unterfunktion: zum Beispiel Gonaden, Schilddrüse; seltener Überfunktion: zum Beispiel sekun- därer Hyperparathyreoidismus). Die Klinik der chronischen Niereninsuf- fizienz ist deshalb ein komplexes Syndrom, weil eine Vielzahl von Or- ganen simultan geschädigt wird.

Von den Auswirkungen der fort- schreitenden urämischen Intoxika- tion bleibt praktisch kein System verschont. So sind zum Beispiel be- troffen: Haut, Herz- und Kreislaufsy- stem, Blut, Stoffwechsel, Magen- Darm-Kanal, innere Sekretion, Kno- chen- und Nervensystem.

Ätiologie

Obwohl die Glomerulonephritis im Vergleich zu den Harnwegsinfekten und der Pyelonephritis relativ selten ist, steht die chronische Glomerulo- nephritis an der Spitze der Morbidi- tätsstatistik der chronischen Nieren- insuffizienz — vor allen Dingen im Terminalstadium. Dies liegt daran, daß selbst schwere und häufig mit Reinfektionen einhergehende Harn-

*) In Erinnerung an Herrn Professor Dr. med.

Robert Heintz, den verstorbenen Vorstand der Abteilung Innere Medizin II der Rhei- nisch-Westfälischen Technischen Hoch- schule Aachen

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 40 vom 8. Oktober 1982 27

(2)

Diagnose 1974 1979

Ätiologie unbekannt 2,4% 11,1%

Pyelo-(interstitielle) Nephritis

Zystennieren

andere

19,6%

9,0%

6,6%

21,2%

9,2%

3,4%

Glomerulonephritis 45,2% 30,7%

Drogen-Nephropathie 3,5% 3,5%

Heredo-familiäre Nephritis 3,5% 2,5%

Renovaskuläre Erkrankungen Systemerkrankungen

5,3% 7,6%

5,0% 10,8%

Stadium 1: Volle Kompensation mit normalen Retentionswerten, jedoch bereits eingeschränkter glomerulärer Filtration Stadium II: Kompensierte Retention, Kreatinin im Serum etwa 1,5

bis 6-7 mg/dl oft lang andauerndes Durchganssyndrom Stadium III: Dekompensierte Retention, Präurämie, Kreatinin etwa 8-12 mg/dl beginnende Zeichen der urämischen Intoxi- kation

Stadium IV: Terminale Urämie, Vollbild der urämischen Intoxikation Tabelle 1: Stadieneinteilung der chronischen Niereninsuffizienz

Tabelle 2: Verteilung der primären Nierenerkrankungen bei zur chronischen Therapie aufgenommenen Patienten (EDTA) (3)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Niereninsuffizienz

wegsinfekte langsamer und beni- gner bezüglich der Niereninsuffi- zienz verlaufen und keine solch ho- he Transmissionsrate zur Urämie be- sitzen wie die Glomerulonephritis, deren schwere Formen nahezu im- mer in die terminale Niereninsuffi- zienz führen —zum Beispiel die rapid progressive Glomerulonephritis. Be- rücksichtigt man die Statistik der Europäischen Dialyse- und Trans- plantations-Gesellschaft (EDTA), so ergibt sich das in Tabelle 2 darge- stellte Verteilungsmuster der Ätiolo- gie der chronischen Niereninsuffi- zienz bei Patienten mit Dialyse be- ziehungsweise Transplantation.

Diagnostik

Bei chronisch Nierenkranken kommt es sehr auf eine frühzeitige, sorgfältige und integrierte Untersu- chung der Patienten an. Schon bei

der Erstdiagnose muß eine (meist einer internistischen Klinik angeglie- derte) nephrologische Spezial- ambulanz eingeschaltet werden, um rechtzeitig noch möglicherweise ku- rativ behandelbare Erkrankungen zu entdecken. Eine enge Rückkoppe- lung mit dem einweisenden Haus- arzt und mit den nötigenfalls zu kon- sultierenden Fachkollegen (zum Beispiel Röntgenologe, Urologe, La- boratoriumsmediziner, Bakteriolo- ge, Immunologe, Pathologe) ist drin- gend geboten. Bei Patienten mit be- reits eingetretener Niereninsuffi- zienz kommt dem Hausarzt eine wichtige Aufgabe in der Führung der Kranken zu, zum Beispiel Überwa- chung der Trinkzufuhr, der Diät, der Pharmakotherapie — vor allem zum Beispiel des Blutdrucks. Bezüglich der klinisch-chemischen Diagnostik kann er sich im Regelfall auf die Hämoglobinbestimmung und den Urinstatus konzentrieren. Die

entscheidenden Verlaufskontrollen (zum Beispiel Serum-Kreatinin, Elektrolyte, Phosphat) sollten in den Nephrologischen Zentren erfolgen, um wegen der Gefahr einer zusätzli- chen — iatrogenen — Anämisierung die Venenpunktionen und Blutent- nahmen auf ein Mindestmaß zu be- schränken.

Dies ist auch deswegen notwendig, um die geeigneten Gefäße für die Anlage einer av-Fistel — beim Rechtshänder am linken Unterarm — langfristig zu schonen. Natürlich muß die Betreuung des Patienten auch im Hinblick auf eine reibungs- lose Information eng mit dem Haus- arzt koordiniert werden. Wenn bei einem Patienten eine chronische Niereninsuffizienz erstmals entdeckt wird, empfehlen wir eine stationäre Untersuchung in einer internisti- schen Klinik mit nephrologischem Schwerpunkt, um möglichst eine ätiologische Abklärung zu erzielen, woraus im Einzelfall unter Umstän- den eine kausale beziehungsweise progredienzverzögernde Therapie abgeleitet werden kann — etwa bei Systemerkrankungen (vor allen Din- gen beim systemischen Lupus ery- thematodes), komplizierten Harn- wegsinfekten, Gicht, Diabetes melli- tus und ganz besondes bei der Hy- pertonie.

Praktischer Untersuchungsgang

Genaue Erhebung der Anamnese und des klinischen Status.

Eingehende internistische Spe- zialuntersuchung mit EKG, Rönt- gen-Thorax, i. v. Pyelogramm, So- nographie der Abdominalorgane, Augenhintergrund, Skelettstatus (Röntgen, unter Umständen Kno- chenbiopsie).

Labordiagnostik

43

Zur Verlaufsbeurteilung: Hämo- globin, Kreatinin (Harnstoff, Harn- säure), Elektrolyte, anorganisches Phosphat.

Urin: Eiweiß, Zucker, Sediment, Urinkultur bei Verdacht auf Harn-

(3)

urämische Herzkrankheit Anämie koronare Herzkrankheit (Hyperzirkulation) Arteriosklerose Hypertonie (urämische Kardiopathie' Hypervolämie relat. Aorteninsuffizienz (Salz-Wasser-Retention)

Perikarditis Perikarderguß Myokardinfarkt Rhythmusstörung (z. B. bei Azidose, K+ T, K+

Lungenödem

Darstellung 1: Pathogenetische Faktoren des Syndroms „Urämische Herzkrankheit".

Anämie mit Hyperzirkulation, Hypertonie, Hypervolämie, koronarer Herzkrankheit und strukturelle Urämieveränderungen des Myokards führen zu einer urämischen Kardio- myopathie. Durch eine exzessive Hypertonie und Hypervolämie kann bei der termina- len Niereninsuffizienz eine relative Aorteninsuffizienz als Komplikation entstehen. Der urämische, oft hämorrhagische Perikarderguß, der relativ häufige Myokardinfarkt und schwerwiegende Rhythmusstörungen sind nicht selten tödliche kardiale Komplikatio- nen bei Patienten mit fortgeschrittener Urämie (1)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Niereninsuffizienz

wegsinfekt, bei Proteinurie in größe- ren Abständen quantitative Eiweiß- bestimmung (Biuret), Urin-Disc- Elektrophorese.

Q Spezialuntersuchungen zur Art- diagnose beziehungsweise zur ge- nauen Dokumentation der Nieren- funktion: Kreatinin-Clearance, Iso- topen-Clearance, Serum-Lipopro- teine, alkalische Phosphatase (kno- chenspezifische lsoenzyme), Leber- status, Elektrophorese, Immunglo- buline, antinukleäre Faktoren (bei positivem Ausfall: Antikörper gegen doppelstrangige DNS, bei Verdacht auf Sharp-Syndrom: ENA), Antikör- per gegen glomeruläre Basalmem- bran (Goodpasture-Syndrom), Kryo- globuline, Komplement, Gerin- nungsstatus.

0

Bioptische Untersuchungen:

Nierenbiopsie besonders bei ne- phrotischem Syndrom, Verdacht auf rapid progressive Glomerulonephri- tis und Systemerkrankungen, akutes glomerulonephritisches Syndrom als Schub einer chronischen Ne- phropathie.

Sternalpunktion bei Verdacht auf Plazmozytom, Knochenhistologie zur Klassifizierung der renalen Osteopath ie.

Beachtung von gravierenden Sekundärerkrankungen

Bei der internistisch-nephrologi- schen Untersuchung sowohl bei der Erhebung des primären Status als auch im Verlauf muß besonders auf Erkrankungen des Herz- und Kreislaufsystems geachtet werden:

Regelmäßige Blutdruckkontrollen (unter anderem Selbstmessung durch den Patienten), EKG, Echo- kardiographie.

Es kann infolge einer verspäteten Diagnostik und Therapie eine fatale Krankheitsentwicklung dadurch ent- stehen, daß z. B. eine fortgeschritte- ne hypertensive Kardiopathie und ei- ne urämische Herzkrankheit (UHK) mit Herzinsuffizienz sowie Perikardi- tis nicht mehr langfristig therapier- bar ist (Darstellung 1).

Therapie bei

chronischer Niereninsuffizienz Wenn aus einer chronisch pro- gredienten Nierenerkrankung eine fortgeschrittene Nieren insuffizienz durch Reduktion der Nierenmasse eingetreten ist, bestehen keine Chancen mehr bezüglich einer kura- tiven Therapie. Berechtigte Aussich- ten hat jedoch die „progredienzver- zögernde Behandlung".

Zum Beispiel können durch das Be- enden eines Analgetikaabusus die Nephropathie und die Nierenfunk- tion stabilisiert werden.

Bei der chronischen Pyelonephritis führt die gezielte Chemotherapie je- der Reinfektion zu einer Bremswir- kung auf die Progredienz — beson- ders dann, wenn zusätzliche Risiko- faktoren ausgeschaltet beziehungs- weise gebessert werden können (et- wa Gicht, Laxantienabusus, Diabe- tes mellitus). Jede chronische Hy- pertonie führt zwangsläufig zu einer

Schädigung renaler Gefäßstruktu- ren (Glomeruloskierose, Nephroan- giosklerose). Selbst bei einer primär renoparenchymatösen Hypertonie, zum Beispiel bei der chronischen Glomerulonephritis oder Pyelone- phritis, wirkt sich der Hochdruck in der Entwicklung zur Schrumpfniere ebenso nachteilig aus wie die primä- re Nierenentzündung.

Deshalb bedeutet jede konsequente antihypertensive Therapie eine die Progredienz der Nephropathie ver- zögernde Behandlungsmaßnahme.

Zwischen der kardialen und renalen Leistung besteht eine enge Wech- selbeziehung (kardiorenale bezie- hungsweise renokardiale Insuffi- zienz).

Jede Depression der kardialen Hä- modynamik führt zu einer Verminde- rung der Nierendurchblutung und/

oder im Falle einer Rechtsherz- insuffizienz zu einer Stauungsniere.

So kann die Therapie mit auch bei

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 40 vom 8. Oktober 1982 29

(4)

Jahre, % Überlebensrate Therapieverfahren

5 Jahre*) 1 2 3

Klinikdialyse 87 77 69 53

Heimdialyse 96 91 88 74

Lebend nieren-Transplantation Leichennieren-Transplantation

92 89 86 71

83 77 73 58

EDTA 1977-79 (3)

`) nach Gesamtregister unter Berücksichtigung der vorangegangenen Jahre (3) Tabelle 3: Prozentuale Patienten-Überlebensrate

der Niereninsuffizienz gut tolerier- ten Herzglykosiden (zum Beispiel Di- gitoxin und Meproscillarin) bei einer Myokardinsuffizienz die Nierenfunk- tion bessern.

Das gleiche gilt für den Einsatz in- tensiv wirksamer Diuretika (zum Bei- spiel Furosemid) bei der hydropi- schen Herzinsuffizienz mit sekundä- rem Nierenversagen (kardiorenale Insuffizienz).

Diätetische Therapie

Das wichtigste Prinzip der konserva- tiven Therapie bei der chronischen Niereninsuffizienz besteht auch heu- te noch in einer ausscheidungsge- rechten Flüssigkeitszufuhr — das heißt der Patient nutzt seine Mög- lichkeiten der Polyurie voll aus.

Beim Erwachsenen liegt das soge- nannte „augmentation limit" bei ei- ner Trinkmenge von 2 bis 2,5 1/die, das heißt diese Flüssigkeitszufuhr (am besten in Form von Tee über den Tag gleichmäßig verteilt) beför- dert maximale Mengen harnpflichti- ger Substanzen über den Endharn.

Wenn extrarenale Flüssigkeitsverlu- ste bestehen (zum Beispiel Erbre chen, Durchfälle), müssen diese mengenmäßig der Zufuhr zugerech- net werden. Kommt es trotz der so definierten Bilanzierung zu Ödemen (tägliche Gewichtskontrolle!), wird

0— 11

1970 71 72 73 74 75 76 77 78 79

Darstellung 2: Entwicklung der Nieren- transplantation in der Bundesrepublik Deutschland (4)

die Zufuhr reduziert oder ein stark wirksames Diuretikum unter Beach- tung der Elektrolythomöostase ver- abreicht (zum Beispiel 125-500 mg Lasix®/die (Furosemid) bei Serum- Kreatininwerten über 5 mg/dl).

Das Diuretikum dient nur der Be- handlung des Ödems — unter Um- ständen auch der Hypertonie. Es kann nicht die Niereninsuffizienz be- einflussen.

Letzteres gelingt nur dann, wenn zu- sätzlich eine hypervolämische hy- dropische Herzinsuffizienz vorliegt und die Abschöpfung der Volumen- überladung die kardiale Leistung

und damit auch die renale Hämody- namik in den gegebenen morpholo- gischen Grenzen bessert.

Die Kost soll phosphat- und bei Nei- gung zur Hyperkaliämie— kaliumarm sein. Bei Serum-Kreatininwerten über 4 mg/dI empfehlen wir im Sta- dium der kompensierten Retention eine Eiweißzufuhr von etwa 40-50 g/

die mit einem genügenden Anteil hochwertiger Proteine nach dem Muster der sogenannten Kartoffel-.

Ei-Diät.

Diese Kost ist küchentechnisch gui:

realisierbar und vermeidet langfri- stig einen Proteinmangel.

Funktionsersatz bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz

In den letzten Jahren haben die Be- handlungsverfahren mittels Hämo- dialyse, Hämofiltration und Perito- nealdialyse für eine Vielzahl von Pa- tienten mit terminaler Urämie nicht nur eine reelle Überlebenschance gebracht, sondern auch eine Be- herrschung der urämischen Intoxi- kation herbeigeführt, die einen ho- hen Grad von Rehabilitation mög- lich macht.

Der technische Fortschritt auf die- sem Gebiet, das heißt der apparati- ven Therapie, läßt in Zukunft eine weitere Verbesserung der Behand- lungsmöglichkeiten bei Patienten mit totaler Niereninsuffizienz er- warten.

Besonders bei kreislaufgeschädig- ten und hydropischen Patienten er- laubt das Verfahren der Hämofiltra- tion bessere Therapiemöglichkeiten als das der Hämodialyse.

Möglicherweise bringt die kontinu- ierliche ambulante Peritonealdialyse (CAPD) vor allem bei zuckerkranken Urämiepatienten langfristig Vorteile.

Schließlich konnten die Ergebnisse der Nierentransplantationen in den letzten Jahren deutlich optimiert werden. Eine Verbesserung der Im- munsuppression, der Spenderaus-

(5)

1 1 + 40-50 Pat.

1 1 Mill. p. a.

terminale Niereninsuffizienz

frühzeitig:

Diagnostik

Therapie 1

1

Amb. für Hämodialyse

Nieren- u. Hochdruck- (Zentrum-D., Heim-D., Transplantation kranke Limited-Care)

Darstellung 3: Die Versorgung von Patienten mit progredienter Niereninsuffizienz ruht im wesentlichen auf drei Säulen:

0 Der frühzeitigen Diagnostik und Therapie in Ambulanzen für Nieren- und Hoch- druckkranke in enger Zusammenarbeit mit dem Hausarzt,

C) der rechtzeitigen Behandlung mittels Hämodialyse beziehungsweise Peritoneal- dialyse im Stadium der totalen Niereninsuffizienz,

C) dem zunehmenden quantitativen und qualitativen Ausbau der Nierentransplan- tation bei Urämie- beziehungsweise Dialysepatienten. Nur durch eine optimierte, integrierte Weiterentwicklung von Hämodialyse (Peritonealdialyse) und Nierentrans- plantation können die jährlichen Zuwachsraten von etwa 40 Urämiepatienten/1 Million Einwohner angemessen versorgt werden

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Niereninsuffizienz

wahl und der Transplantationsfre- quenz läßt hoffnungsvolle Perspekti- ven zu (Tabelle 3).

Zukunftsaussichten unter statistisch-organisatorischen Aspekten

Ein Großteil chronisch progredien- ter Nephropathien hat eine immun- allergische oder autoaggressive Pa- thogenese — so die Glomerulone- phritis und vor allem die renalen Ma- nifestationen der Autoimmunopa- thien (zum Beispiel systemischer Lu- pus erythematodes, Goodpasture- Syndrom, Wegenersche Granuloma- tose, Panarteritis nodosa, Kryoglo- bulinämie, Schönlein-Henoch-Syn- drom). Deshalb dürften hier in der Zukunft neue therapeutische Ein- stiegstellen liegen, die das Ziel ha- ben, das Antigen (zum Beispiel Streptokokken, Hepatitis-B-Virus, Pharmaka) zu eliminieren, die Anti- gen-Antikörper-Reaktion zu suppri- mieren und die Immunkomplexe be- ziehungsweise die Antikörper zu be- seitigen (etwa durch Plasmasepara- tion). Zusätzliche therapeutische Möglichkeiten bestehen darin, die Mediatoren der Entzündung zu be- einflussen: zum Beispiel die disse- minierte intravakuläre Koagulation durch Heparin, Prostaglandine, In- dometacin.

Eine weitere therapeutische Per- spektive könnten Eingriffe am lym- phatischen System bieten, um die Dysfunktion der T-Lymphozyten zu behandeln. Schließlich muß der As- soziation chronisch renaler Erkran- kungen mit dem prädisponierenden

„genetischen Background" (zum Beispiel HLA [human lymphocyte antigen] System) eine große Beach- tung geschenkt werden. Mit den heute uns zur Verfügung stehenden Therapiemöglichkeiten gelingt es uns vor allem bei der progredienten Glomerulonephritis noch nicht, den chronischen Entzündungsprozeß zum Stillstand zu bringen.

Gehen wir von den behandlungsbe- dürftigen Patientenzahlen auf dem Boden einer terminalen Urämie aus, so müssen zur Zeit in der Bundesre- publik Deutschland nahezu 10 000

Patienten, das heißt etwa 160/1 Mil- lion Einwohner, mit der künstlichen Niere oder der Nierentransplanta- tion behandelt werden. 1984 dürften es etwa 15 000 Patienten sein.

Die Betreuung dieses Krankengutes bedarf eines großen organi- satorischen und finanziellen Auf- wandes.

Von 1970 bis 1976 wurden in der Bundesrepublik etwa 100 bis 200 Pa- tienten jährlich transplantiert. 1979 ist die Transplantationsfrequenz bei Patienten mit terminaler Nierenin- suffizienz auf rund 600 angestiegen (Darstellung 2). Der Bedarf liegt je- doch zur Zeit bei etwa 1500 Nieren- transplantationen jährlich. So erge- ben sich noch Wartefristen von zum Teil über zwei Jahren. Rund zwei Drittel der dialysepflichtigeh Patien- ten mit terminaler Niereninsuffizienz wären für eine Nierentransplanta- tion geeignet. Im Vergleich zur Hä- modialyse bringt die Nierentrans- plantation ein höheres Maß an Le- bensqualität, die Kosten liegen deut- lich niedriger. Es erhebt sich daher

die entscheidende Frage nach einer dringend gebotenen Optimierung der Transplantationsfrequenz.

Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit mit dem Ziel, die Bevölkerung und die Patienten über die guten Be- handlungsmöglichkeiten im Sinne einer Lebenserhaltung durch Nie- rentransplantation zu informieren, ist ein Gebot der Stunde. Gleichzei- tig muß unermüdlich um noch mehr Verständnis für die Organspende geworben werden. Die Ärzteschaft bedarf einer stärkeren Motivation und breiteren Information für die Probleme und die Notwendigkeit der Organentnahme. Chirurgische und urologische Schwerpunktkliniken müssen eine großzügige finanzielle Unterstützung erfahren, damit die sachlichen, organisatorischen, per- sonellen und räumlichen Vorausset- zungen für eine breiter angelegte Nierentransplantation optimiert wer- den können (2).

Die angemessene Versorgung von Patienten mit fortschreitender Nie- reninsuffizienz läßt sich in der Zu-

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 40 vom 8. Oktober 1982 31

(6)

kunft nur dann bewältigen, wenn so- wohl die rechtzeitige Diagnose, die konservative Behandlung, die Dialy- setherapie und die Nierentransplan- tation mit großem Engagement wei- terentwickelt werden (Darstellung 3).

Zusammenfassung

Das Syndrom der chronischen Nie- reninsuffizienz hat eine multikausale Ätiologie. Rechtzeitige Diagnostik und konservative Therapie können eine progredienzverzögernde Wir- kung entfalten. Kurative Behand- lung ist in der Regel nicht mehr möglich, wenn eine progrediente Reduktion der Nierenmasse abläuft.

Die engmaschige Betreuung von Pa- tienten mit Niereninsuffizienz in Am- bulanzen für Nieren- und Hoch- druckkranke muß in enger Zusam- menarbeit mit den niedergelassenen Ärzten dafür Sorge tragen, daß alle Möglichkeiten der konservativen Therapie ausgeschöpft werden. Im Terminalstadium (Urämie) bieten die Behandlungsverfahren Hämodialy- se, Peritonealdialyse und Nieren- transplantation einer Vielzahl von Patienten nicht nur eine reelle Über- lebenschance, sondern auch einen relativ hohen Grad von Rehabilita- tion. Eine Optimierung und Verbrei- terung des therapeutischen Arse- nals läßt sich durch eine Weiterent- wicklung der apparativen Detoxika- tionsverfahren und vor allem der Nierentransplantation erreichen.

Literatur

(1) Brass, H.: Langzeitbehandlung bei chroni- schen Nierenerkrankungen, Therapiewoche 31 (1981), 1918 — (2) Dreikorn, K.; Lenhard, V.;

Cohen, C.; Ritz, E.; Horsch, R.; Fischer, E.;

Clorius, J.; Röhl, L.: Aktueller Stand der Nie- rentransplantation: Stagnation oder Fort- schritt? DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 76 (1979) 2647-2659 — (3) EDTA: Combined report an regular dialysis and transplantation in Europe, X (1979) — (4) KFH (Gemeinnützige Körper- schaft für Dialyse und Nierentransplantation), Jahresbericht (1979), Kuratorium für Heimdia- lyse e. V. — (5) Volhard, F.: Handbuch Innere Medizin, 2. Auflage, Springer Berlin (1931) 805

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Horst Brass Direktor der Medizinischen Klinik II der Städtischen Krankenanstalten Bremserstraße 79

6700 Ludwigshafen am Rhein

Veränderungen

eines Pollenextraktes bei der Lagerung

Die Stabilität von Pollen- und ande- ren Extrakten ist von großer Bedeu- tung für die Diagnose einer allergi- schen Erkrankung und für eine eventuell daraus resultierende Im- muntherapie. Mit verschiedenen aufwendigen Untersuchungsmetho- den wurden die Veränderungen un- tersucht, die ein Extrakt aus Timo- theusgraspollen bei unterschiedli- chen Lagerungsbedingungen hin- sichtlich seiner Antigenität und All- ergenität erfährt. Bei Aufbewahrung bei 35° C verlor der Extrakt in 7 Ta- gen fast die Hälfte seiner Allergenak- tivität (gemessen im RAST-Inhibi- tionstest). Bei Aufbewahrung bei 4°

C trat kein wesentlicher Verlust auf.

Dies gilt für Extrakte, die in COCA- Lösung aufbewahrt wurden. Bei Phosphatpufferung und Zusatz von Glycerol waren die Veränderungen bei höheren Lagerungstemperatu- ren nicht so ausgeprägt. Bei beiden Lagerungsformen kam es bei höhe- ren Temperaturen zusätzlich auch zu einem Verlust an Spezifität. Diese Untersuchungen werfen ernste Fra- gen bezüglich des Einsatzes von derartigen Extrakten, besonders zu diagnostischen Zwecken, auf. Sie

Anderson, M. C.; Baer, H.: Antigenic and allergenic changes during storage of a pollen extract, J. Allergy Clin. Immunol. 69 (1982) 3-10, Dr. Harold Baer, Bureau of Biologics, FDA, 8800 Rockville Pike, Bethesda, MD 20 205, U.S.A.

Risikofreie

Schwangerschaft gleich risikofreie Geburt?

Nach der Münchener Perinatalstu- die kamen 54,4 Prozent der Schwangeren risikofrei zur Ge- burt. Davon blieben nur 37,3 Pro- zent auch unter der Geburt risiko- frei. Risiken, die sich erst im Ver- lauf der Geburt einstellten (Ver- laufsrisiko), führten zu einer Sec- tiorate von 20,4 Prozent und in 43,6 Prozent der Fälle zu einer va-

ginalen operativen Entbindung.

Daraus wurde eine Rate von 36 Prozent Spontangeburten gegen- über 88,5 Prozent im Kollektiv der risikofreien Geburten errechnet.

Das heißt, daß für Geburten auch nach risikofreier Schwangerschaft eine Operationsbereitschaft ge- währleistet sein muß. Eine risiko- freie Schwangerschaft stellt dem- nach kein ausreichendes Krite- rium dar, um auf eine apparative Überwachung sub partu zu ver- zichten. See

Elsner, H.: Unvorhergesehene Geburtsrisiken nach risikofreier Schwangerschaft, Gebh. u.

Frauenheilk. 42 (1982) 431-435, Frauenklinik im Klinikum Großhadern, Marchioninistraße 15,8000 München 70

Effekt der Nachsorge beim Korpus-Karzinom

340 Patientinnen mit einem Endo- metriumkarzinom wurden einem in- tensiven Nachsorgeprogramm zur Früherkennung von Rezidiven un- terzogen. Dabei wurden 26 Rezidive (7,6 Prozent) festgestellt, die in ei- nem Drittel aller Fälle symptomlos verliefen. Eine Früherkennung ist nur dann sinnvoll, wenn eine erfolg- reiche Rezidivtherapie angeschlos- sen werden kann. Nach primärer Operation dominiert die Strahlen- therapie (33 Prozent), nach primärer Bestrahlung aber die Rezidivopera- tion (21 Prozent). 46 Prozent konn- ten nur symptomatisch behandelt werden. Der Früherkennung und da- mit der adäquaten Therapie sind da- durch Grenzen gesetzt. Die Primär- therapie ist deshalb zu verbessern.

Generell sollte die Operation der er- ste Therapieschritt sein, bei Myome- triuminfiltrationen sind eine Schei- denstumpfkontakttherapie und eine perkutane Bestrahlung erforderlich.

Die alleinige Bestrahlung sollte im- mer kombiniert sein (perkutan und Kontakt). Eine Gestagenbehandlung ist stets anzuschließen. See

Prager, W.: Zur Effektivität eines Programmes der Rezidivfrüherkennung beim Endome- triumkarzinom, Zbl. Gynäkol. 104 (1982) 482-488, Radiolog. Klinik, DDR 7010 Leipzig, Liebigstraße 20

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