A 552 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 13|
28. März 2014STUDIEN IM FOKUS
Eine Reduzierung von Stress, de- pressiver Stimmung und Angstge- fühlen geben viele Raucher als Grund für Nikotinkonsum an und dafür, dass sie trotz des Wissens um körperliche Schäden nicht aufhören zu rauchen: Sie fürchten, es könne ihnen psychisch schlechter gehen.
In einer Metaanalyse von 26 Studi- en sind britische Forscher der Frage nachgegangen, welche Folgen eine erfolgreiche Raucherentwöhnung auf die Psyche hat. Ausgewählt wur- den Longitudinalstudien, in denen die psychische Gesundheit von kon- tinuierlichen Rauchern und von sol- chen, die aufgehört hatten, erfasst wurde, bei letzteren im Zeitraum vor bis mindestens 6 Wochen nach dem Rauchstopp (bis zu 8 Jahren).
Die Studienteilnehmer umfassten Populationen mit und ohne psych - iatrische Diagnosen. Die Teilnehmer hatten einen Konsum von durch- schnittlich 20 Zigaretten täglich an- gegeben, waren im Durchschnitt 44 Jahre alt und zu 48 % männlich. Die Effekte wurden als standardisierte Mittelwertdifferenz (SMD) angege- ben, jeweils bis zum längsten Zeit- punkt der Beobachtung von ehema- ligen und aktuellen Rauchern. Mi- nuswerte zeigen Besserungen der Symptome an. Für Angstsymptome betrug die SMD –0,37 (95-%-Kon- fidenzintervall [KI]) –0,70 bis –0,03), für Depression –0,25 (95-% - KI –0,37 bis –0,12), für die Kom - bination Angst/Depression –0,31 (95-% -KI –0,47 bis –0,14) und für
Distress –0,27 (95-%-KI –0,40 bis –0,13). Die Lebensqualität hatte sich bei Nikotinentwöhnten im Ver- gleich zu Rauchern verbessert (SMD –0,22), ebenso das Empfin- den positiver Gefühle (–0,40). Die Effekte unterschieden sich nicht zwischen Teilnehmern mit und ohne psychiatrische Diagnosen, und sie waren mit p-Werten zwischen 0,03 und 0,001 statistisch signifikant.
Fazit: Eine Raucherentwöhnung ist mit einer Besserung der psy- chischen Befindlichkeit assoziiert.
Die Effekte sind nach Angaben der Autoren mindestens so groß wie solche, die bei Antidepressiva oder Anxiolytika gefunden wurden.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Taylor G, McNeill A, Girling A, et al.: Change in mental health after smoking cessation: syste- matic review and meta-analysis. BMJ 2014;
348: g1151; doi: 10.1136/bmj.g1151 PSYCHISCHE FOLGEN DES RAUCHSTOPPS
Mentale Gesundheit bessert sich nach der Entwöhnung
Ein großer Teil der Patienten mit Philadelphia-Chromosom-positiver (Ph+) chronischer myeloischer Leu- kämie (CML) spricht über viele Jah- re auf den Tyrosinkinaseinhibitor (TKI) Imatinib an. Aber circa 17 % haben nach 8 Jahren keine komplet- te zytogenetische Response (CCyR:
keine Ph+ Zellen in Metaphasen im Knochenmark), 15 % haben ein Re- zidiv nach früherer CCyR und 5 % Medikamentenunverträglichkeiten.
TKI der zweiten Generation wie Ni- lotinib oder Dasatinib sind Optionen für die Anschlusstherapie, aber noch sind die durchschnittlichen An- sprechraten nicht optimal.
Das verstärkte Ausschleusen von Imatinib über Effluxpumpen wie MDR (multi drug resistance) ist ein wesentlicher Mechanismus der Re- sistenz. Im Rahmen einer Phase-II- Studie von CML-Patienten, die nach ungenügendem Imatinib-An- sprechen Nilotinib erhielten, wurde
untersucht, ob Genmutationen und die Expression von MDR1 mit dem Ansprechen und klinischen End- punkten (progressionsfreies Über- leben [PFS]) assoziiert sind. Für 83 Patienten (durchschnittlich 72 Jahre alt) waren die Daten komplett.
Eine hohe MDR1-Expression (MDR1/Referenz ≥ 2) war ein Prä- diktor für gutes Ansprechen auf Ni- lotinib als Zweitlinientherapie.
Eine gute molekulare Response (MMR; ≤ 0,1 % BCR-ABL-Tran- skripte in Leukozyten) wurde bei 41 % der Patienten mit hoher MDR1-Expression nach 4 Jahren erreicht im Vergleich zu 16 % bei niedriger Expression, die Rate der CCyR betrug 58 vs. 39 %, das PFS 67 vs. 46 % (hohe vs. niedrige MDR1-Expression; alle Unter- schiede statistisch signifikant).
Möglicherweise falle auch bei er- höhter MDR1-Expression die intra- zelluläre Nilotinib-Konzentration
nicht unter die Wirksamkeitsgren- ze, und es würden keine anderen, die Effekte von Nilotinib wesent- lich mindernden Resistenzmecha- nismen induziert, so die Autoren.
Zwei Polymorphismen im MDR1- Gen waren mit erhöhter Expression und besserem Outcome assoziiert.
Ein weiterer Prädiktor war die Tu- morlast: Bei BCR-ABL < 28 % be- trug die MMR-Rate nach 48 Mona- ten Nilotinib 48 %, bei BCR-ABL
≥ 28 % lag sie bei 21 %. Die Unter- schiede in CCyR und PFS waren hier nicht signifikant.
Fazit: Bei ungenügendem Anspre- chen von CML-Patienten auf Imati- nib kann die MDR1-Genexpres - sionsanalyse helfen, Patienten zu identifizieren, die mit hoher Wahr- scheinlichkeit von einer Zweitlini- entherapie mit Nilotinib profitieren.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Agrawal M, Hanfstein B, Erben P, et al.: MDR 1 expression predicts outcome of Ph+ chronic phase CML patients on second-line nilotinib therapy after imatinib failure. Leukemia 2014;
doi: 10.1038/leu.2014.6 CHRONISCHE MYELOISCHE LEUKÄMIE