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Chronische myeloische Leukämie

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101 Chronische myeloische Leukämie

Für die deutsche Ausgabe Philipp le Coutre

Die chronische myeloische Leukämie (CML) ist eine klonale Erkran- kung der hämatopoetischen Stammzellen. Dieser Krankheit liegt das chimäre BCR-ABL 1-Genprodukt zugrunde, eine konstitutiv aktive Tyrosinkinase. Diese Tyrosinkinase entsteht durch eine balancierte re- ziproke Translokation zwischen den langen Armen der Chromoso- men 9 und 22, t(9;22)(q34;q11.2), die auch als Philadelphia-Chromo- som (Ph) bezeichnet wird und zytogenetisch nachgewiesen werden kann(Abb. 101-1). Unbehandelt verläuft die CML in der Regel bipha- sisch oder triphasisch mit einer frühen indolenten oder auch chro- nischen Phase, auf die oft eine akzelerierte Phase und dann eine ter- minale Blastenphase, die Blastenkrise, folgen. Vor der Einführung der selektiven BCR-ABL 1-Tyrosinkinasehemmer betrug die mediane Überlebenszeit 3–7 Jahre und die 10-Jahres-Überlebensrate lag bei et- wa 30 %. Die im Jahr 2000 in die CML-Standardtherapie eingeführten Tyrosinkinasehemmer haben die Behandlung und die Prognose der CML revolutioniert. Heute liegt die 10-Jahres-Überlebensrate unter der Behandlung mit Imatinib, dem ersten zugelassenen BCR-ABL 1- Tyrosinkinasehemmer, bei 85 %. Die allogene Stammzelltransplantati- on (SZT) ist ein kurativer, aber risikoreicher Ansatz, der heute nur noch als Zweit- oder Drittlinientherapie nach dem Versagen der Tyro- sinkinasehemmer angeboten wird.

INZIDENZ UND EPIDEMIOLOGIE

Die CML macht 15 % aller Leukämie-Erkrankungen aus. Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen (Männer : Frauen = 1,6 : 1).

Das mediane Alter bei Diagnosestellung beträgt 55–65 Jahre. Bei Kin- dern ist die Erkrankung selten; nur 3 % der CML-Patienten sind jün- ger als 20 Jahre, allerdings wird die Diagnose seit einigen Jahren ver- mehrt bei jüngeren Patienten gestellt. Die Inzidenz der CML nimmt mit dem Alter langsam zu und steigt ab einem Alter von 40–50 Jahren stärker an. Die jährliche Inzidenz liegt bei 1,5 Fällen auf 100.000 Ein- wohner. In den USA entspricht dies jährlich etwa 8000 Neuerkran- kungen, in Deutschland ca. 1500. In den letzten Jahrzehnten ist die Inzidenz weitgehend unverändert geblieben. Durch Extrapolation er- gibt sich eine weltweite Inzidenz von 100.000–200.000 Fällen. Bei ei- nem medianen Überleben von 6 Jahren lag die Prävalenz in den USA vor dem Jahr 2000 bei 25.000–30.000 Erkrankungen. Seit der Einfüh- rung der Tyrosinkinasehemmer wurde die jährliche Mortalität von 10–20 % auf etwa 2 % gesenkt. Daher wird auch die Prävalenz der CML in den USA zunehmen (etwa 100.000 im Jahr 2016) und bis zum Jahr 2030 ein Plateau bei etwa 180.000 Fällen erreichen. Die weltweite Prävalenz wird von der Verbreitung der Tyrosinkinasehem- mer und ihrem Effekt auf die Reduktion der weltweiten jährlichen Mortalität abhängen. Im Idealfall, bei dem die Tyrosinkinasehemmer flächendeckend eingesetzt werden, sollte sich die weltweite Prävalenz beim 35-Fachen der Inzidenz einpendeln. Das entspricht 3–4 Millio- nen Patienten.

ÄTIOLOGIE

Es gibt keine familiäre Häufung. Das Risiko für eine CML ist weder bei eineiigen Zwillingen noch bei Verwandten von Betroffenen er- höht. Hinsichtlich der Ätiologie gibt es keine eindeutigen Hinweise auf einen Zusammenhang mit der Exposition gegenüber Toxinen, Düngemittel, Insektiziden oder Viren. Allerdings kann die chronische Exposition von Benzol unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland als Berufskrankheit anerkannt werden. Patienten unter immunsuppressiver Therapie im Anschluss an eine solide Organ- transplantation tragen ein erhöhtes Risiko für eine CML. Nur selten tritt die CML sekundär nach der Therapie anderer Krebserkrankun- gen und/oder Strahlentherapien auf. Die Exposition gegenüber ioni- sierender Strahlung (z. B. nukleare Zwischenfälle, Strahlentherapie bei Spondylitis ankylosans oder Zervixkarzinom) erhöht dosisabhängig das CML-Risiko, das 5–10 Jahre nach der Exposition ein Maximum erreicht. Die mediane Zeit bis zum Auftreten einer CML bei den Überlebenden der Atombomben betrug 6,3 Jahre. Da die Inzidenz der CML nach dem Tschernobyl-Unfall nicht anstieg, ist zu vermuten,

dass nur hohe Strahlendosen zu einer CML führen können. Aufgrund des adäquaten Arbeitsschutzes war weder das CML-Risiko von Men- schen, die im Bereich der Kernernergie arbeiten, noch das CML-Risi- ko von Radiologen in der Vergangenheit erhöht.

PATHOPHYSIOLOGIE

In mehr als 90 % der CML-Fälle findet sich das klassische Philadel- phia-Chromosom t(9;22) (q34;q11.2). Es entsteht durch eine balan- cierte reziproke Translokation zwischen den langen Armen der Chro- mosomen 9 und 22 und kann in hämatopoetischen Zellen (mye- loischen und erythrozytären Zellen, Megakaryozyten und Monozyten;

seltener in reifen B-Lymphozyten und reifen T-Lymphozyten, aber nicht in Stromazellen), nicht jedoch in anderen Zellen des mensch- lichen Körpers nachgewiesen werden. Durch diese Translokation wer- den DNS-Sequenzen des zellulären Onkogens ABL 1 in die Major- breakpoint-cluster-Region (M-BCR) auf Chromosom 22 transloziert, wodurch das Hybrid-Onkogen BCR-ABL 1 entsteht. Dieses Fusions- gen kodiert in der Regel für ein neuartiges Onkogen mit einem Mole- kulargewicht von 210 kDa, das als p210-BCR-ABL 1 bezeichnet wird (b2a2 oder b3a2 oder auch e13a2 und e14a2 genannt)(Abb. 101-1B).

Die konstitutive Kinaseaktivität dieses BCR-ABL 1-Onkoproteins führt zur exzessiven Proliferation und zur reduzierten Apoptose der CML-Zellen, sodass sie einen Wachstumsvorteil gegenüber den nor- malen Blutzellen haben und es im Verlauf zur Suppression der nor- malen Hämatopoese kommen kann. Normale Stammzellen können aber persistieren und nach einer effektiven Therapie, z. B. mit Tyro- sinkinasehemmern, wieder aktiv werden. Die Bruchstelle liegt bei der Ph-positiven akuten lymphatischen Leukämie (ALL) meistens und seltener auch bei CML in der BCR-Region näher am Zentromer, der sog. Minor-BCR-Region (mBCR). Dadurch fusioniert eine kürzere BCR-Sequenz mit ABL 1 und es entsteht das kleinere BCR-ABL 1-On- koprotein p190-BCR-ABL 1 (e1a2). Bei CML kann diese Translokati- on mit einer schlechten Prognose assoziiert sein. Eine dritte, seltene BCR-Bruchstelle wird als Mikro-BCR (μ-BCR) bezeichnet. Sie führt zur Juxtaposition eines größeren BCR-Fragmentes an ABL 1 und pro- duziert ein größeres Onkoprotein, das sog. p230-BCR-ABL 1 (e19a2), das mit einem indolenteren Verlauf der CML assoziiert ist. Andere Transkripte wie b14a3 sind weitaus seltener.

Die konstitutive Aktivierung von BCR-ABL 1 führt zur Autophos- phorylierung und Aktivierung von zahlreichen Downstream-Signal- wegen, welche die Gentranskription, die Apoptose, die Stromaadhä- renz, die skelettale Organisierung und die Degradierung inhibitori- scher Proteine modifizieren. Zu diesen Transduktionswegen gehören RAS, mitogenaktivierte Proteinkinasen (MAP-Kinasen), Signaltrans- ducer und Aktivatoren der Transkription (STAT), Phosphatidylinosi- tol-3-Kinase (PI3K), MYC und andere. Diese Interaktionen werden überwiegend durch eine Tyrosinphosphorylierung vermittelt und set- zen die Bindung von BCR-ABL 1 an Adapterproteine, wie GRB-2, CRK, CRK-like (CRK-L) Protein und Src Homology Containing Pro- teins (SHC), voraus. Die meisten BCR-ABL 1-Tyrosinkinasehemmer binden an die BCR-ABL 1-Bindungsdomäne, verhindern die Aktivie- rung dieser Transduktionssignalwege und hemmen die nachgeschal- tete Signalgebung. Dadurch wird die Proliferation der CML-Zellen ge- hemmt und Apoptose induziert, sodass die normale Hämatopoese re- generieren kann.

Insgesamt sind an der BCR-ABL 1-vermittelten Zelltransformation unzählige Signalwege beteiligt. Es handelt sich um ein komplexes Netzwerk. Noch komplexer wird die Situation durch Unterschiede in der Signaltransduktion zwischen differenzierten CML-Zellen und frü- hen Vorläuferzellen. Beta-Catenin, Wnt1, Foxo3a, Transforming Growth Factor β, Interleukin-6, PP2A, SIRT 1 wurde unter anderen eine Beteiligung am Überleben der CML-Stammzellen zugesprochen.

In experimentellen Modellen konnte der kausale Zusammenhang zwischen der BCR-ABL 1-Translokation und der Entstehung von CML nachgewiesen werden. In Tiermodellen wurde durch Transfekti- on von BCR-ABL 1 in normale hämatopoetischen Zellen eine CML-

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ähnliche Erkrankung oder eine lymphatische Leukämie induziert, wo- durch das leukämogene Potenzial von BCR-ABL 1 als Onkogen nach- gewiesen werden konnte. Andere Modelle hingegen legen die Not- wendigkeit eines Second Hit nahe.

Die Ätiologie der Entstehung des molekularen BCR-ABL 1-Rear- rangements ist unbekannt. Mittels sensitiver molekularer Verfahren wie der Polymerase-Kettenreaktion (PCR), die BCR-ABL 1 in einer Konzentration von 1 : 108erfassen können, wurde die Translokation im Blut von bis zu 25 % der gesunden Erwachsenen und 5 % der ge- sunden Kinder nachgewiesen, jedoch in 0 % von Nabelschnurblutpro- ben. Daraus lässt sich schließen, dass BCR-ABL 1 wohl nicht CML auslösen kann. Da die Inzidenz der CML jährlich bei 1,5 pro 100.000 Menschen liegt, sind für die Entstehung der CML offensichtlich wei- tere molekulare Ereignisse oder eine schlechte Immunerkennung von Zellen mit BCR-ABL-Rearrangement erforderlich.

Die CML ist durch den Nachweis des BCR-ABL 1-Fusionsgens bei einem Patienten mit einer myeloproliferativen Neoplasie definiert.

Bei manchen Patienten mit dem typischen morphologischen Bild der CML findet sich im Standard-Karyotyp kein Philadelphia-Chromo- som, während die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) und/

oder molekulare Methoden wie die PCR BCR-ABL 1 nachweisen kön- nen. Die CML verläuft bei diesen Patienten wie die Ph-positive CML und spricht auf Tyrosinkinasehemmer an. Bei Patienten, bei denen dieser Nachweis nicht gelingt, bestehen atypische morphologische oder klinische Veränderungen, denen andere Diagnosen zugrunde lie- gen, wie die atypische CML, die chronische myelomonozytäre Leu- kämie oder myelodysplastische-myeloproliferative Neoplasien (MDS- MPN), die nicht auf Tyrosinkinasehemmer ansprechen und eine schlechte Prognose mit einem medianen Überleben von 2–3 Jahren haben. Durch den Nachweis von Mutationen in dem für den Granu- locyte-colony-stimulating-Faktor-Rezeptor kodierenden Gen (CSF3R) q34

q11.2

t(9;22)(q34;q11.2) A

Chromosomen 9

22

BCR

ABL Normal

5' e1 e1'

3'

3' e1a2

p210BCR-ABL1 p230BCR-ABL1 p190BCR-ABL1

e13a2 e14a2 e19a2 5'

e2' e12 e13 e14e15 e16

e19

1b

1a a2 a3

a11 Minor BCR

Major BCR

Mikro BCR

Translokation (9;22)

ABL- Bruchstelle

B

Abbildung 101-1 A.Die zytogenetische Aberration, das Philadelphia-Chromosom (Ph).B.Die Bruchstellen in den langen Armen von Chromosom 9 (ABL-Locus) und Chromosom 22 (BCR-Region) führen zu mindestens drei verschiedenen BCR-ABL 1-Onkoprotein-Transkripten: p210-BCR-ABL 1 (am häufigsten bei chro- nischer myeloischer Leukämie [CML]), p190-BCR-ABL 1 (bei zwei Drittel der Patienten mit Ph-positiver akuter lymphatischer Leukämie; selten bei CML) und p230-BCR-ABL 1 (selten bei CML und mit einem indolenten Verlauf assoziiert). Andere Transkripte (z. B. b14a3) sind seltener.(© 2013 The University of Texas MD Anderson Cancer Center.)

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bei chronischer Neutrophilenleukämie (90 % der Fälle) und einem Teil der atypischen CML sowie von SETBP1-Mutationen bei atypi- scher CML (25 % der Fälle) sowie von Mutationen im SF3B1-Gen bei MDS-MPN mit ringförmigen Sideroblasten und deutlicher Thrombo- zytose (MDS-MPD-RST; 50–70 % der Fälle, assoziiert mit einem län- geren medianen Überleben von 7 Jahren im Vergleich zu 3,3 Jahren beim SF3B1-Wildtyp-Gen), wird bestätigt, dass es sich um eigenstän- dige Krankheitsentitäten handelt.

Die Ereignisse, die mit dem Übergang der chronischen Phase der CML in die akzelerierte Phase oder der Blastenkrise assoziiert sind, sind schlecht verstanden. Häufig finden sich zusätzliche chromosomale Veränderungen, wie ein doppeltes Philadelphia-Chromosom, eine Tri- somie 8, ein Isochromosom 17 oder eine Deletion des kurzen Armes von Chromosom 17 (17p, assoziiert mit dem Verlust von TP53), 20q–

und anderen. Weitere molekulare Ereignisse, die zur Transformation beitragen, sind Mutationen von TP53, des Retinoblastoma-1-Gens (RB1), der myeloischen Transkriptionsfaktoren wie Runx1 und von Zellzyklusregulatoren wie p16. Unzähligen weiteren Mutationen oder funktionellen Veränderungen wurde eine Beteiligung an der blastären Transformation zugeschrieben, aber bislang konnte kein gemeinsames Muster nachgewiesen werden. Sicher ist bislang nur, dass BCR-ABL 1 selbst eine genetische Instabilität bedingt, durch die weitere molekulare Ereignisse begünstigt werden und es schließlich zur Blastenkrise kommt. Ein kritischer Effekt der Tyrosinkinasehemmer ist in diesem Zusammenhang die Stabilisierung des CML-Genoms mit Reduktion von BCR-ABL und damit der Transformationsrate. Insbesondere die früher beobachteten plötzlichen blastären Transformationen (d. h. eine abrupte Blastenkrise bei einem Patienten mit zytogenetischem Anspre- chen) sind inzwischen selten und treten manchmal bei jüngeren Pa- tienten in den ersten 1–2 Jahren der Behandlung mit Tyrosinkinase- hemmern auf (meist als plötzliche lymphoblastäre Transformation).

Nach dem dritten Behandlungsjahr sind Blastenkrisen bei anhaltender Therapie mit Tyrosinkinasehemmern selten. Zudem zeigen erste Erfah- rungen, dass die CML unter der Therapie mit Tyrosinkinasehemmern auch ohne zytogenetisches Ansprechen signifikant indolenter verläuft als früher unter Hydroxyurea/Busulfan.

Bei den Patienten, die eine Resistenz gegenüber Tyrosinkinasehem- mern entwickeln, wurden mehrere Resistenzmechanismen identifi- ziert. Die größte klinische Relevanz hat das Auftreten anderer Muta- tionen der ABL 1-Kinase-Domäne, welche die Bindung der Tyrosinki- nasehemmer an die katalytische Stelle (ATP-Bindungsstelle) der Ki- nase verhindern oder die Kinaseaktivität auch in Anwesenheit eines Tyrosinkinasehemmers aufrechterhält. Inzwischen sind mehr als 100 Mutationen von BCR-ABL 1 beschrieben, von denen viele eine relative oder absolute Resistenz gegenüber Imatinib vermitteln. Daraufhin wurden die Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation (z. B. Da- satinib, Nilotinib, Bosutinib) entwickelt sowie ein Tyrosinkinasehem- mer der dritten Generation (Ponatinib) mit signifikanter Wirkung ge- gen T 315I, eine Mutation der sog. Gatekeeper-Region, welche die Bindung von Tyrosinkinasehemmern verhindert und zur Resistenz gegenüber allen anderen Tyrosinkinasehemmern führt. Auch eine Überexpression von BCR-ABL 1 kann zur Resistenz führen.

KLINISCHES BILD

Die vorherrschenden Symptome der CML hängen von der Verfügbar- keit und dem Zugang zur Gesundheitsversorgung ab, wie körper- lichen Untersuchungen und Screeningtests. In den USA und auch in Deutschland wird die Diagnose der CML aufgrund des leichten Zu- gangs zum Gesundheitssystem bei 50–60 % der Patienten bei einer routinemäßigen Blutentnahme gestellt, sodass nur geringfügige kli- nische Symptome, wie z. B. Müdigkeit, vorliegen. In Gegenden mit schlechterem Zugang zum Gesundheitssystem weisen die Patienten oft Symptome auf, die mit einer höheren CML-Last und der deutli- cheren Splenomegalie und Anämie einhergehen. Diese assoziierten Symptome sind u. a. Bauchschmerzen, Gewichtsverlust und Müdig- keit. In diesen Gegenden ist zudem die Inzidenz der Hochrisiko-CML erhöht. Die bei den in den USA diagnostizierten Patienten vorherr- schenden Symptome sind in Tab. 101-1 zusammengefasst. Dies ist auch auf Patienten in Deutschland übertragbar.

&SYMPTOME

Die meisten Patienten mit CML (90 %) werden in der indolenten oder chronischen Phase vorstellig. Abhängig vom Zeitpunkt der Diagnose sind sie oft asymptomatisch (bei Diagnosestellung im Rahmen eines

Gesundheitschecks). Häufige Symptome, sofern vorhanden, sind Fol- gen der Anämie und der Splenomegalie. Dazu gehören Müdigkeit, all- gemeines Krankheitsgefühl, Gewichtsverlust (bei hoher Leukämie- last), ein frühes Sättigungsgefühl und Schmerzen im linken Ober- bauch aufgrund der Splenomegalie, die auch als Raumforderung wahrgenommen werden kann. Seltener sind thrombotische oder Hy- perviskositäts-Ereignisse (verursacht durch eine ausgeprägte Leukozy- tose oder Thrombozytose). Zu ihnen gehören z. B. Priapismus, kar- diovaskuläre Komplikationen wie auch Myokardinfarkte, Venen- thrombosen, Sehstörungen, Dyspnoe und respiratorische Insuffizienz, Benommenheit, Koordinationsstörungen, Verwirrtheit oder zerebro- vaskuläre Ereignisse. Zeichen der hämorrhagischen Diathese sind Netzhauteinblutungen, gastrointestinale und andere Blutungen. Pa- tienten, die sich in der akzelerierten Phase oder Blastenkrise präsen- tieren, zeigen zusätzliche Symptome, die auch bei akuter Leukämie auftreten können, wie Fieber unklarer Ursache, signifikanten Ge- wichtsverlust, starke Müdigkeit, Knochen- und Gelenkschmerzen, Blutungen und Thrombosen sowie Infektionen.

&KÖRPERLICHE BEFUNDE

Der häufigste körperliche Befund ist eine Splenomegalie, die abhängig von der Screeningfrequenz und dem Gesundheitssystem bei 20–70 % der Patienten auftritt. Seltenere Befunde sind eine Hepatomegalie (5–

10 %), eine Lymphadenopathie (5–10 %) und eine extramedulläre Er- krankung (Blasten-Nachweis außerhalb des Knochenmarks und der Milz, häufig als Hautläsionen oder subkutane Läsionen). Letztere sind ein Zeichen für eine CML-Transformation, sofern die Biopsie eine Prädominanz der CML-Blasten bestätigt. Weitere körperliche Befunde

TABELLE 101-1 Symptome und Befunde bei neu diagnostizierter Philadelphia-Chromosom-positiver chronischer myeloischer Leukämie in der chronischen Phase

Symptom/Befund Prozent

Alter60 Jahre (Median) 18 (46)

Weibliches Geschlecht 35–45

Splenomegalie 30

Hepatomegalie 5

Lymphadenopathie 5

Andere extramedulläre Erkrankungen 2

Hämoglobin < 10 g/dl 10–15

Thrombozyten

> 450 × 109Zellen/l 30–35

< 100 × 109Zellen/l 3–5

Leukozyten50 × 109Zellen/l 35–40

Knochenmark

5 % Blasten 5

5 % Basophile 10–15

Peripheres Blut

3 % Blasten 8–10

7 % Basophile 10

Zytogenetik: andere klonale Entwicklung als Philadelphia-Chromosom 4–5 Sokal-Risiko

Niedrig 60–65

Intermediär 25–30

Hoch 10

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können durch die bereits beschriebenen Manifestationen der Kompli- kationen durch die hohe Tumorlast (z. B. kardiovaskuläre und zere- brovaskuläre Blutungen) erhoben werden. Eine hohe Zahl an Baso- philen kann mit einer Überproduktion von Histamin einhergehen und zu Pruritus, Diarrhö, Hitzewallungen und sogar gastrointestina- len Ulzera führen.

&HÄMATOLOGISCHE UND KNOCHENMARKBEFUNDE

Bei unbehandelter CML findet sich oft eine Leukozytose bzw. eine Hyperleukozytose im Bereich von 10–500 × 109/l. Das periphere Dif- ferenzialblutbild zeigt eine Linksverschiebung der Hämatopoese mit Dominanz von Neutrophilen und dem Vorhandensein von Stabkerni- gen, Myelozyten, Metamyelozyten, Promyelozyten und Blasten (meis- tens≤5 %). Basophile und/oder Eosinophile sind oft vermehrt vor- handen. Thrombozytosen sind häufig, Thrombozytopenien hingegen selten und ein Hinweis auf eine schlechtere Prognose, eine Akzelerati- on oder eine andere Ätiologie. Bei einem Drittel der Patienten besteht eine Anämie. Unbehandelt finden sich bei 10–20 % der Patienten zy- klische Oszillationen der Zellzahlen. Biochemische Veränderungen sind eine niedrige Konzentration der leukozytären alkalischen Phos- phatase sowie hohe Spiegel von Vitamin B12, Harnsäure, Laktatdehy- drogenase und Lysozym. Eine dauerhafte, nicht erklärbare Leukozyto- se mit oder ohne Splenomegalie sollte zu einer Untersuchung des Knochenmarks mit zytogenetischer Analyse veranlassen.

Das Knochenmark ist hyperzellulär mit ausgeprägter myeloischer Hyperplasie und das Verhältnis von Granulo-/Erythropoese (G/E- Quotient) mit 15–20 : 1 hoch. Das Knochenmark enthält weniger als 5 % Blasten (wenn der Patient sich in chronischer Phase befindet). Bei höheren Werten ist die Prognose schlechter oder es besteht eine Transformation zur akzelerierten Phase (bei Werten≥15 %). Häufig findet sich eine Retikulinfaservermehrung (Silberfärbung nach Go- mori), die bei 30–40 % der Patienten im Grad 3–4 vorliegt. Vor Ein- führung der Tyrosinkinasehemmer wurde dieser Befund als ungüns- tig gewertet. Unter TKI-Therapie verschwindet die Retikulinfaserver- mehrung bei den meisten Patienten und ist kein prognostisch un- günstiger Faktor. Eine Kollagenfibrose (Giemsa-Färbung) ist bei Diagnosestellung selten. Unter der Behandlung mit Busulfan war eine Progression mit einer „Verbrauchsphase“ und Myelofibrose (Mye- lophthise oder leeres Mark) häufig (20–30 %), was aber seit Einfüh- rung der TKI selten geworden ist.

&ZYTOGENETISCHE UND MOLEKULARE BEFUNDE

Die Diagnose der CML ist unkompliziert und mit dem Nachweis von t(9;22)(q34;q11.2) mittels G-Banding gesichert, der in 90 % der Fälle gelingt. Dieses sogenannte Philadelphia-Chromosom (es wurde initial in Philadelphia als verkürztes Chromosom entdeckt), wurde später als Chromosom 22 (22q–) identifiziert (Abb. 101-1). Bei manchen Patienten finden sich komplexe Translokationen (variantes Ph-Chro- mosom), bei denen zusätzlich zu den Chromosomen 9 und 22 weitere Chromosomen transloziert sind (mindestens drei). Andere Patienten haben ein„maskiertes“ Philadelphia-Chromosom mit Translokatio- nen zwischen Chromosom 9 und einem anderen Chromosom als Chromosom 22 (die molekular ein BCR-ABL 1-Transkript aufwei- sen). Die Prognose dieser Patienten und ihr Ansprechen auf Tyrosin- kinasehemmer ist vergleichbar zu Patienten mit dem klassischen Phi- ladelphia-Chromosom. Bei etwa 5–10 % der Patienten finden sich in den Ph-positiven Zellen zusätzliche chromosomale Aberrationen. Da- zu gehören meistens eine Trisomie 8, ein doppeltes Philadelphia- Chromosom, ein Isochromosom 17 oder eine 17p-Deletion, 20q–

oder andere. Dies wird als klonale Evolution bezeichnet, die früher als Hinweis auf eine schlechtere Prognose galt, insbesondere wenn eine Trisomie 8, ein doppeltes Philadelphia-Chromosom oder Verände- rungen von Chromosom 17 vorhanden waren. Auch die seltenere Veränderung von Chromosom 3q26.2 hat eine schlechtere Prognose.

Inzwischen werden Techniken wie die FISH und die PCR zur Diag- nose der CML eingesetzt. Sie bilden die CML-Last der Patienten unter Tyrosinkinasehemmern sensitiver ab und können an peripheren Blut- proben durchgeführt werden, sind damit also schmerzfreier und an- genehmer. Bei CML-Patienten sollte zum Zeitpunkt der Diagnosestel- lung eine FISH durchgeführt werden, um den Anteil der Ph-positiven Zellen zu ermitteln, sofern die FISH statt der zytogenetischen Kno- chenmarkuntersuchung zum Monitoring des Therapieansprechens eingesetzt werden soll. Da die FISH zusätzliche chromosomale Ver- änderungen (klonale Evolution) übersieht, wird zum Zeitpunkt der

Diagnose eine zytogenetische Analyse empfohlen. Das BCR-ABL 1- Transkript liegt meist in einer der zwei Varianten: e13a2 (früher b2a2) und e14a2 (früher b3a2) vor. Etwa 2–5 % der Patienten haben andere RNA-Fusionstypen (z. B. e1a2, e13a3 oder e14a3). Bei diesen Patien- ten amplifizieren die Routine-Real-time-PCR-Primer oft nicht die BCR-ABL 1-Transkripte, v. a. in der quantitativen PCR, sodass es zu falsch negativen Ergebnissen kommt. Daher sind molekulare Unter- suchungen bei Diagnosestellung wichtig, um Art und Vorhandensein von BCR-ABL 1-Transkripten zu dokumentieren und fälschlicherwei- se „nicht nachweisbare“ BCR-ABL 1-Transkripte bei Kontrollunter- suchungen zu vermeiden, die den falschen Eindruck eines kompletten molekularen Ansprechens vermitteln würden. Das Vorhandensein ei- nes Philadelphia-Chromosoms bei negativer PCR nach Standard- methodik sollte zur Suche nach atypischen Transkripten veranlassen.

Sowohl die FISH als auch die PCR können aufgrund technischer Probleme falsch positiv oder falsch negativ sein. Daher muss sich die CML-Diagnose immer auf eine Knochenmarkuntersuchung mit Zy- togenetik stützen. Das diagnostische Knochenmark bestätigt das Vor- handensein eines Philadelphia-Chromosoms, weist eine klonale Evo- lution nach, d. h. zusätzliche chromosomale Aberrationen in Ph-posi- tiven Zellen (die von prognostischer Relevanz sein können), und quantifiziert den Anteil von Blasten und Basophilen im Knochen- mark. Bei 10 % der Patienten kann der Anteil der Blasten und Baso- philen im Knochenmark signifikant höher sein als im peripheren Blut, was eine schlechtere Prognose oder sogar eine Transformation der Krankheit definieren kann.

Das Monitoring von CML-Patienten mittels Zytogenetik, FISH und/oder molekularen Techniken ist inzwischen Standard zur Ermitt- lung des Therapieansprechens. Sie sind zudem wichtig für die Beur- teilung der Compliance, den Nachweis von möglichen Therapieresis- tenzen, die Indikation für ein Umstellen des Tyrosinkinasehemmers und die Indikation für eine Suche nach Mutationen der Kinasedomä- ne. Wichtig ist, dass die Messverfahren des Monitorings vergleichbar sind. Ein partielles zytogenetisches Ansprechen ist definiert als das Vorhandensein von höchstens 35 % Ph-positiven Metaphasen in der Zytogenetik. Die molekulare Remission wird in log-Stufen gemessen und von standardisierten Laboren nach der sogenannten einheitli- chen Internationalen Skala (IS) angegeben(Tab. 101-2). Dabei kann die PCR positiv oder negativ sein. Im negativen Falle ist eine Mindest- menge an Housekeeping-Gen definiert, um die Sensitivität der einzel- nen Probe sicherzustellen. Es entspricht ca.≤10 % BCR-ABL 1-Tran- skripten auf der Internationalen Skala (IS). Ein komplettes zytogene- tisches Ansprechen ist gekennzeichnet durch das Fehlen von Ph-posi- tiven Metaphasen (0 % Ph-positiv) und entspricht etwa≤1 % BCR- ABL 1-Transkripten (IS). Bei einem guten molekularen Ansprechen (major molecular response, MMR) finden sich≤0,1 % BCR-ABL 1- Transkripte (IS) oder reduziert sich die CML-Last um etwa 3 log-Stu- fen gegenüber dem Ausgangswert. Ein molekulares Ansprechen MR4.5 entspricht < 0,0032 % BCR-ABL 1-Transkripten (IS), was einer Reduktion der CML-Last um mindestens 4,5 log-Stufen entspricht.

&BEFUNDE BEI CML-TRANSFORMATION

Die Progression der CML geht in der Regel mit einer therapierefrak- tären Leukozytose, einer zunehmenden Anämie, Fieber und All- gemeinsymptomen sowie einem erhöhten Anteil von Blasten und Ba- sophilen in Knochenmark und peripherem Blut einher. Zu den Krite- rien (nach WHO, unterscheiden sich zu den Kriterien, die z. B. in Stu- dien zur Anwendung kommen; siehe auch Baccarani et al. 2006) für eine akzelerierte Phase, die früher mit einem medianen Überleben von < 1,5 Jahren assoziiert war, gehören das Vorhandensein

TABELLE 101-2 Einheitliche Internationale Skala zur Angabe der molekularen Remission

MR-Level Nachweisbare Transkripte

(BCR-ABL pos.) (IS) Nicht nachweisbare Transkripte (BCR-ABL neg.)

MR3 0,1 % BCR-ABL

MR4 0,01 % BCR-ABL 10.000 ABL

MR4,5 0,0032 % BCR-ABL 32.000 ABL

MR5 0,001 % BCR-ABL 100.000 ABL

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von≥15 % peripheren Blasten, ≥30 % peripheren Blasten und Pro- myelozyten,≥20 % peripheren Basophilen, eine zytogenetische klona- le Evolution (das Vorhandensein von zusätzlichen chromosomalen Aberrationen zum Philadelphia-Chromosom) und eine Thrombozy- topenie von < 100 × 109/l (unabhängig von der Therapie). Etwa 5–

10 % der Patienten weisen bei Diagnosestellung eine akzelerierte Pha- se oder Blastenkrise auf. Die Prognose der akzelerierten Phase, die di- rekt bei Diagnose besteht, hat sich durch die Behandlung mit Tyro- sinkinasehemmern signifikant verbessert. Die mediane 8-Jahres- Überlebensrate beträgt 75 %. Auch das mediane Überleben einer ak- zelerierten Phase, die aus einer chronischen Phase hervorgeht, hat sich von früher im Median 18 Monaten auf eine 4-Jahres-Überlebens- rate von 70 % unter Tyrosinkinasehemmern verbessert. Da die meis- ten klinischen Kriterien, welche die akzelerierte Phase definieren, ihre prognostische Signifikanz eingebüßt haben, sollten die Kriterien für eine akzelerierte Phase revidiert werden. Die Blastenkrise ist durch das Vorhandensein von≥30 % Blasten im peripheren Blut oder Kno- chenmark oder durch extramedullären Befall (Blastennachweis außer- halb von Knochenmark und Milz, meistens Haut, Weichgewebe oder lytische Knochenläsionen) gekennzeichnet. Die Blastenkrise ist oft myeloisch (60 %), kann aber selten auch erythrozytär, promyeloisch, monozytär oder megakaryozytär sein. Bei etwa 25 % der Patienten tritt eine lymphatische Blastenkrise auf. Die Lymphoblasten enthalten eine terminale Deoxynukleotidtransferase und keine Peroxidase (gele- gentlich geringe Positivität von 3–5 %) und exprimieren lymphatische Marker (CD10, CD19, CD20, CD22). Allerdings exprimieren sie oft auch myeloische Marker (50–80 %), was diagnostisch verwirrend ist.

Dies ist wichtig, weil die lymphatische Blastenkrise der CML im Ge- gensatz zu anderen morphologischen Blastenkrisen auf eine ALL- Chemotherapie (z. B. Hyper-CVAD [Cyclophosphamid, Vincristin, Doxorubicin und Dexamethason]) in Kombination mit Tyrosinkina- sehemmern ansprechen kann (komplettes Ansprechen in 60–70 %;

medianes Überleben 2–3 Jahre).

&PROGNOSE UND VERLAUF DER CML

Vor der Einführung von Imatinib betrug die jährliche Mortalität an CML in den ersten beiden Jahren 10 % und danach 15–20 %. Die me- diane Überlebenszeit der CML betrug 3–7 Jahre (unter Hydroxyurea, Busulfan und Interferon-α-Therapie). Ohne die kurative Option der

allogenen SZT verlief die CML durch die Transformation in die akze- lerierte Phase oder Blastenkrise bei den meisten Patienten tödlich, da es nur selten unter Interferon zur kompletten zytologischen Remis- sion kam. Selbst die Krankheitsstabilität war nicht vorhersehbar, und bei manchen Patienten kam es plötzlich zur Blastenkrise. Unter der Behandlung mit Imatinib ist die Mortalität der CML in den ersten 16 Jahren auf 2 % gesunken. Mehr als die Hälfte der Todesfälle ist auf andere Ursachen als die CML zurückzuführen, wie altersbedingte Be- gleiterkrankungen, Unfälle, Suizide, andere Krebserkrankungen und andere Krankheiten (z. B. kardiale Ursachen, Infektionen, Operatio- nen). Die 10-Jahres-Überlebensrate beträgt nun 85 % oder 93 %, wenn nur die CML-assoziierten Todesfälle berücksichtigt werden (Abb. 101-2). Auch der Verlauf der CML ist gut vorhersehbar gewor- den. In den ersten zwei Jahren der Behandlung mit Tyrosinkinase- hemmern treten selten plötzliche Transformationen auf (1–2 %). Da- bei handelt es sich meistens um lymphatische blastäre Transformatio- nen, die durch eine Kombination aus Chemotherapie und Tyrosinki- nasehemmer mit nachfolgender allogener SZT behandelt werden können. Diese plötzlichen Transformationen lassen sich durch intrin- sische Mechanismen der bereits vor Therapiebeginn bei CML existie- renden Klone erklären, die nicht auf die Tyrosinkinasehemmer und insbesondere Imatinib ansprechen. Die Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation (Nilotinib, Dasatinib), die zur Erstlinientherapie eingesetzt werden, haben die Inzidenz der Transformation in den ers- ten 2–3 Jahren von 6–8 % unter Imatinib auf 2–5 % unter Nilotinib oder Dasatinib gesenkt. Unter kontinuierlicher Therapie mit Tyrosin- kinasehemmern ist eine Transformation zur akzelerierten Phase oder Blastenkrise selten und wird in den ursprünglichen Studien mit Ima- tinib bei einer Beobachtungszeit von 4–10 Jahren mit < 1 % pro Jahr beziffert. In der Regel entwickeln die Patienten eine Resistenz in Form eines zytogenetischen Rezidivs mit anschließendem hämatologischem Rezidiv und Transformation und nicht wie früher plötzlich und ohne Warnsignale eine Transformation.

Vor der Einführung von Imatinib gab es mehrere Faktoren zum Di- agnosezeitpunkt, die ein schlechtes Therapieansprechen bedingten und die in prognostische Modelle und Scoring-Systeme einflossen.

Dazu gehörten unter anderem ein höheres Alter, eine signifikante Splenomegalie, eine Anämie, eine Thrombozytopenie oder Thrombo- zytose, ein hoher Anteil von Blasten und Basophilen (und/oder Eosi-

1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

0,0

10

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 11 12 13 14

Jahre

Überlebenswahrscheinlichkeit

92 % 83 %

68 %

43 %

35 %

8 %

1,0

0,8

0,6

0,4

0,2

0,0

10

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Jahre

Überlebenswahrscheinlichkeit

41 %

19 %

5 % 2 % Überweisungsjahr

1980–2000 2001–2013 1980–2000 2001–2013

28 88 5 7 Median (Monate) 325

86 189 133 Todesfälle 398

258 196 175 Gesamt Akzeleriert

Akzeleriert Blastenkrise Blastenkrise CML-Phase

p < 0,001

p < 0,001

p = 0,015

A B

TKI 2001 bis heute (CML-assoziierte Todesfälle)

Behandlungsära Todesfälle

TKI 2001 bis heute (alle Todesfälle) 1996–2000 1991–1995 1983–1990

≤ 1982

445 17

445 39

581 178

367

415 308

227 220

220 Gesamt

Abbildung 101-2 A.Überleben bei neu diagnostizierter chronischer myeloischer Leukämie (CML) in der chronischen Phase, abhängig von der Behandlungsära (M.D. Anderson Cancer Center, Erfahrungen von 1965 bis heute). Die Ursachen der nicht CML-assoziierten Todesfälle bei 22 Patienten waren andere Krebserkran- kungen (n = 7), postoperative Komplikationen (n = 3), Autounfälle (n = 2), Suizid (n = 1), neurologische Ereignisse (n = 3), kardiale Ereignisse (n = 3), Pneumonie (n = 1) und unbekannt (n = 2).B.Überleben bei Patienten mit akzelerierter Phase und Blastenkrise, die an das M.D. Anderson Cancer Center überwiesen wurden, abhängig von der Behandlungsära. Zu erkennen ist ein signifikanter Überlebensvorteil durch Tyrosinkinasehemmer (TKI) in der akzelerierten Phase, aber nur ein mäßiger Effekt in der Blastenkrise. Bei den überwiesenen Patienten handelte es sich um Transformationen bei Diagnose und Transformationen nach der chro- nischen Phase.

(6)

nophilen), eine Knochenmarkfibrose, Deletionen in den langen Ar- men von Chromosom 9 und eine klonale Evolution. Zur Definition von Risikogruppen wurden verschiedene Risikomodelle und Scoring- Systeme, die aus multivariaten Analysen abgeleitet worden waren, empfohlen. Ebenso wie Cisplatin nach seiner Einführung in die The- rapie des Hodenkarzinoms haben auch die Tyrosinkinasehemmer nach ihrer Einführung in die Behandlung der CML den prognosti- schen Wert der meisten dieser Prognosefaktoren und die Signifikanz der CML-Modelle (z. B. Sokal, EUROord, European Treatment and Outcome Study [EUTOS]) reduziert oder in manchen Fällen sogar aufgehoben. In der Ära der Imatinibtherapie stehen nunmehr be- handlungsassoziierte Faktoren prognostisch im Vordergrund. Der wichtigste therapeutische Endpunkt ist das Erzielen einer kompletten zytogenetischen Remission (CCR), das sicher prognostisch günstig für das Überleben ist. Eine gute molekulare Remission (MMR) redu- ziert das Rezidivrisiko und die Transformationsraten, verbessert aber das Überleben von Patienten mit kompletter zytologischer Remission nicht. Der Grund dafür liegt vermutlich in der Effizienz der Zweitlini- entherapie mit Tyrosinkinasehemmern, die bei ersten Hinweisen auf ein zytogenetisches Rezidiv gegeben werden sollten. Sofern in experi- mentellen Studien erreicht wird, dass keine BCR-ABL 1-Transkripte mehr nachweisbar sind, ist insbesondere bei dauerhaftem Ansprechen (> 2–3 Jahre) ein dauerhaftes molekulares Ansprechen ohne Therapie möglich (molekulare vs. funktionelle Heilung?) und ist bei Frauen mit Kinderwunsch eine zeitweise Therapiepause gerechtfertigt. Sofern keine gute oder sehr gute molekulare Remission erreicht werden kann, sollte nicht vom„Versagen“des jeweiligen Tyrosinkinasehem- mers ausgegangen und nicht zwangsläufig ein Wechsel des Tyrosinki- nasehemmers oder eine allogene SZT erwogen werden.

Die Langzeitergebnisse randomisierter Studien zeigen, dass Tyro- sinkinasehemmer der zweiten Generation und Imatinib bei CML mit niedrigerem Risiko ähnlich wirksam sind, dass aber Tyrosinkinase- hemmer der zweiten Generation bei Hochrisiko-CML einen größeren therapeutischen Vorteil haben.

BEHANDLUNG: CHRONISCHE MYELOISCHE LEUKÄMIE

Bei der Behandlung mit Tyrosinkinasehemmern beträgt das ge- schätzte 10-Jahres-Überleben 85 %. Seit dem Jahr 2001 wurden von der U.S. Food und Drug Administration (FDA) sechs Substan- zen zur Behandlung der CML zugelassen. Dazu gehören fünf oral applizierbare BCR-ABL 1-selektive Tyrosinkinasehemmer: Imati- nib (Glivec), Nilotinib (Tasigna), Dasatinib (Sprycel), Bosutinib (Bosulif) und Ponatinib (Iclusig). Zur Erstlinientherapie ist Imati- nib in einer Dosis von 400 mg/d p.o., Nilotinib in einer Dosis von 2 × 300 mg/d p.o. (Nüchtern-Einnahme), Dasatinib in einer Dosis von 100 mg/d p.o. und Bosutinib in einer Dosis von 2 × 400 mg/d zugelassen. Alle vier Substanzen sind zusätzlich zu Ponatinib (45 mg/d) auch zur Salvage-Therapie zugelassen (Nilotinib in ei- ner Dosis von 2 × 400 mg/d; Bosutinib in einer Dosis von 500 mg/

d). Aufgrund der Gefahr von arteriookklusiven Ereignissen unter Ponatinib wird oft empfohlen, dessen Dosis auf 15–30 mg/d zu re- duzieren, sobald der Patient auf die Therapie anspricht. Der glei-

che Zulasssungsstatus gilt auch in Deutschland. Imatinib (140 mg/

d), Bosutinib und Ponatinib sind auch zur Behandlung der CML- Transformation (akzelerierte Phase und Blastenkrise) zugelassen, Nilotinib hingegen nur zur Behandlung der chronischen und akze- lerierten Phase. Dasatinib, Nilotinib und Bosutinib werden als Ty- rosinkinasehemmer der zweiten Generation bezeichnet, Ponatinib als Tyrosinkinasehemmer der dritten Generation, da es derzeit als einziger Tyrosinkinasehemmer bei der T 315I-Mutation klinisch aktiv ist (sowie bei nicht mutiertem BCR-ABL 1 und BCR-ABL 1 mit weiteren häufigen Mutationen). Die Struktur von Nilotinib äh- nelt derjenigen von Imatinib, es ist aber 30-mal potenter. Dasatinib und Bosutinib hemmen neben ABL 1 auch die SRC-Familie der Kinasen, Dasatinib ist dabei 300-mal potenter und Bosutinib 30- bis 50-mal potenter als Imatinib. Im Gegensatz zu allen anderen Tyrosinkinasehemmern wirkt Bosutinib nicht gegen c-Kit und PDGFR. Ponatinib ist beim BCR-ABL 1-Wildtyp sowie bei mutier- ten BCR-ABL 1-Klinen effektiv. Es ist der derzeit einzige BCR- ABL 1-Tyrosinkinasehemmer, der gegen T 315I aktiv ist, eine Gatekeeper-Mutation mit Resistenz gegen die anderen vier Tyro- sinkinasehemmer (Tab. 101-3). Ponatinib hemmt auch VEGFR, was für die häufig unter der Therapie mit dieser Substanz auftre- tende Hypertonie verantwortlich sein könnte (Tab. 101-3). Die sechste zugelassene Substanz (nicht in Europa!) ist Omacetaxin (Synribo), ein Proteinsynthesehemmer, der das BCR-ABL 1-Onko- protein vermutlich noch selektiver hemmt. Es ist zur Behandlung der CML in der chronischen und akzelerierten Phase nach dem Versagen von mindestens zwei Tyrosinkinasehemmern zugelassen.

Zur Induktionstherapie wird Omacetaxin für 14 Tage in einer Do- sis von 2 × 1,25 mg/m2/d subkutan gegeben und zur Konsolidie- rungstherapie für 7 Tage. Die wichtigste Nebenwirkung von Oma- cetaxin ist die prolongierte Myelosuppression: Die Induktionsthe- rapie für 5–7 Tage und die Erhaltungstherapie für 2–5 Tage, evtl.

in Kombination mit einem Tyrosinkinasehemmer, sind vermutlich ähnlich wirksam und weniger toxisch(Tab. 101-3).

Imatinib, Nilotinib, Dasatinib und Bosutinib sind bei der CML zur Erstlinientherapie zugelassen. Die Langzeitergebnisse von Ima- tinib sind ausgesprochen gut. Bei einer Beobachtungsdauer von 8 Jahren beträgt die kumulative Inzidenz der kompletten zytogene- tischen Remission 83 % (zumindest einmal nachgewiesen), die bei 60–65 % der Patienten auch nach 5 Jahren schon vorhanden ist.

Die 10-Jahres-Überlebensrate beträgt 85 %. Unter den Patienten, die weiterhin Imatinib einnehmen, treten innerhalb von 4–8 Jah- ren < 1 % in die akzelerierte Phase oder Blastenkrise ein. In drei randomisierten Studien, von denen eine die zweimal tägliche Gabe von 300 mg bzw. die zweimal tägliche Gabe von 400 mg Nilotinib mit Imatinib verglich (ENEST-nd) und eine die tägliche Gabe von 100 mg Dasatinib mit Imatinib (DASISION) sowie eine die tägli- che Gabe von 400 mg Bosutinib mit Imatinib (BFORE), erzielten die Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation für die frühen Surrogatendpunkte signifikant bessere Ergebnisse. Dazu gehörten eine häufigere komplette zytogenetische Remission (85–87 % im Vergleich zu 77–82 %), eine gute molekulare Remission (MMR) (5-Jahres-Überlebensrate 76–77 % vs. 60–64 %) und MR4.5 (5-Jah-

TABELLE 101–3 Medizinische Therapieoptionen bei chronischer myeloischer Leukämie

Substanz (Handelsname) Zugelassene Indikationen Dosierung Wichtige Toxizitäten

Imatinib (Glivec) Alle Phasen 400 mg/d Siehe Text

Dasatinib (Sprycel) Alle Phasen Erstlinientherapie: 100 mg/d

Salvage-Therapie: 140 mg/d

Myelosuppression, Pleura- und Perikarder- güsse, pulmonale Hypertonie

Nilotinib (Tasigna) Alle Phasen außer der Blastenkrise Erstlinientherapie: 2 × 300 mg/d Salvage-Therapie: 2 × 400 mg/d

Diabetes mellitus, vasookklusive Erkrankun- gen, Pankreatitis

Bosutinib (Bosulif) Alle Phasen 500 mg/d Diarrhö

Ponatinib (Iclusig) Alle Phasen, aber nicht als Erstlini- entherapie

45 mg/d (künftig evtl. niedrigere Dosen, z. B. 30 mg/d)

Exantheme, Pankreatitis; vasookklusive Erkrankungen (10–20 %)

Omacetaxinmepesuccinat (Synribo) Versagen von≥2 Tyrosinkinasehem- mern

2 × 1,25 mg/m2/d für 14 Tage zur Indukti- onstherapie und für 7 Tage einmal im Monat zur Erhaltungstherapie

Myelosuppression

(7)

res-Überlebensrate 42–53 % vs. 31–33 %) sowie seltenere Transfor- mationen zur akzelerierten Phase und Blastenkrise (2–5 % im Ver- gleich zu 7 %). Allerdings wies keine der Studien für die Tyrosinki- nasehemmer der zweiten Generation einen Überlebensvorteil nach (mediane Beobachtungszeit: 5–6 Jahre). Dafür verantwortlich ist vermutlich der Umstand, dass komplette zytogenetische Remissio- nen letztlich mit allen Substanzen ähnlich häufig erzielt werden.

Außerdem ist die sequenzielle Therapie mit Tyrosinkinasehem- mern (nach engmaschiger Überwachung und Umstellen der The- rapie bei Progression) bei den meisten Patienten hocheffektiv und erzielt trotz Rezidiven und einer Intoleranz nach der Initialther- apie adäquate Langzeitergebnisse.

Die Salvage-Therapie mit Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib oder Ponatinib führt in der chronischen Phase abhängig vom Salvage- Status (zytogenetisches oder hämatologisches Rezidiv), vom Re- missionstatus unter bisheriger Tyrosinkinasehemmertherapie so- wie vom Mutationsstatus zum Zeitpunkt der Umstellung bei 30–

60 % der Patienten zur kompletten zytogenetischen Remission.

Diese Remission ist in der Regel und insbesondere bei fehlender klonaler Evolution und Mutationen von Dauer. Ponatinib ist der einzige Tyrosinkinasehemmer, der bei einer T 315I-Mutation aktiv ist. 50–70 % der Patienten mit dieser Mutation, die mindestens zwei Tyrosinkinasehemmer erhalten haben, erreichen eine kom- plette zytogenetische Remission. Mit den neuen Tyrosinkinase- hemmern liegen die 5-Jahres-Überlebensraten bei Salvage-Thera- pie bei 70–75 % (im Vergleich zu < 50 % vor ihrer Zulassung). So erzielte Dasatinib in der Salvage-Therapie nach dem Imatinib-Ver- sagen in der chronischen Phase der CML in 46 % der Fälle nach sieben Jahren eine gute molekulare Remission (MMR), eine 7-Jah- res-Überlebensrate von 65 % und eine progressionsfreie 7-Jahres- Überlebensrate von 42 %. Derzeit hat der Einsatz der Tyrosinkina- sehemmer in der Salvage-Therapie die jährliche Mortalität durch die CML von früher 10–15 % auf≤5 % gesenkt.

Das Ziel der CML-Therapie wird im Rahmen von Studien an- ders betrachtet als im klinischen Alltag. Derzeit ist in der Praxis eine sog. funktionelle Heilung, definiert als ein vergleichbares Überleben von CML-Erkrankten im Vergleich zur Normalbevölke- rung, das Ziel. Inzwischen gilt die CML als indolente Erkrankung, die bei entsprechender Behandlung mit Tyrosinkinasehemmern, guter Compliance, engmaschiger Überwachung und bei Bedarf frühzeitiger Therapieumstellung auf andere Tyrosinkinasehemmer mit einem fast normalen Überleben assoziiert ist. Daher sind im klinischen Alltag das Erreichen und der Erhalt einer kompletten zytogenetischen Remission das Ziel, da dies bislang der Faktor ist, der sicher das Überleben verlängert. Eine gute molekulare Remis- sion ist mit einem längeren ereignisfreien Überleben assoziiert (und nicht gesichert auch mit einem längeren Überleben), und ei- ne sehr gute molekulare Remission (MR4 oder tiefer) bietet die Möglichkeit einer Unterbrechung der Tyrosinkinasehemmerthera- pie in klinischen Studien. Bei Nichterreichen dieser Therapieziele sollte weder ein anderer Tyrosinkinasehemmer gegeben noch eine allogene SZT durchgeführt werden. In Europa gilt der Verlust der MMR und der Anstieg der BCR-ABL-Transkripte um > 1 log-Stufe als Therapieversagen und es sollte eine Therapieumstellung erfol- gen. Allgemein üblich ist es, den jeweiligen Tyrosinkinasehemmer in der am besten vertragenen Dosis, die nicht zu Grad-3- bis -4- Nebenwirkungen nach WHO oder zu chronischen unerwünschten Ereignissen führt, so lange wie möglich weiter zu geben, bis entwe- der ein zytogenetisches Rezidiv auftritt oder inakzeptable Neben- wirkungen persistieren. Diese beiden Faktoren (also ein zytogene- tisches Rezidiv und aus Sicht von Arzt und Patient nicht tolerier- bare Nebenwirkungen) sind Indikatoren eines„Versagens“des je- weiligen Tyrosinkinasehemmers. Eine weitere zunehmend bedeutsame praktische Regel besagt, dass CML-Patienten ihr Le- ben lang täglich Tyrosinkinasehemmer erhalten sollten (chronisch, Transformation), entweder als Monotherapie (chronisch) oder als Kombinationstherapie (möglich bei Transformation, allerdings sind Kombinationen nicht formell zugelassen). Eine Ausnahme bilden vermutlich Situationen mit molekularer Heilung (elektives Absetzen des Tyrosinkinasehemmers mit engmaschiger Beobach- tung der für > 2–3 Jahre nicht mehr nachweisbaren BCR-ABL- Transkripte) oder nach allogener SZT und nicht mehr nachweisba- rer Krankheit.

Aufgrund der zunehmenden Prävalenz von CML (Kosten der Tyrosinkinasehemmer) und der sich häufenden Hinweise auf or- gantoxische Nebenwirkungen bei Langzeitbehandlung (z. B. renale Nebenwirkungen von Imatinib, arteriookklusive Effekte von Nilo- tinib, Dasatinib und Ponatinib) besteht ein immer größeres Inte- resse an der dauerhaften Eradikation der Krankheit (molekulare Heilung) mit anhaltender nicht neoplastischer, nicht klonaler Hä- matopoese nach Absetzen der Tyrosinkinasehemmer. Der erste Schritt in diese Richtung ist das Erzielen möglichst hoher Raten von sehr guter molekularer Remission (MR4 und besser) für min- destens zwei Jahre. Dieses Ziel ist derzeit bei 25–30 % der mit Ima- tinib behandelten Patienten und 40–45 % der mit Tyrosinkinase- hemmern der zweiten Generation behandelten Patienten erreich- bar. Dadurch wird bei etwa 15 % der Patienten nach Imatinibthe- rapie (ohne Tyrosinkinasehemmer) eine molekulare Heilung erzielt und bei 20–25 % der Patienten nach Behandlung mit einem Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation.

Die Empfehlungen des National Comprehensive Cancer Net- work (NCCN) und des European LeukemiaNet (ELN) definieren optimale erwartete, suboptimale/Warnung und ausbleibende Re- mission zu verschiedenen Zeitpunkten im Verlauf der Behandlung mit Tyrosinkinasehemmern. Diese Definitionen wurden wohl teil- weise in der Praxis fehlinterpretiert, weil Onkologen in den USA) wiederholt als Behandlungsziele ein gutes molekulares Ansprechen und eine Eradikation der Krankheit angeben. Außerdem erwägt ein erheblicher Anteil der Onkologen bei einem Patienten mit komplettem zytogenetischem Ansprechen einen Wechsel auf einen anderen Tyrosinkinasehemmer, sofern sie einen„Verlust des guten molekularen Ansprechens“ (Anstieg der BCR-ABL 1-Transkripte [IS] von < 0,1 % auf > 0,1 %) bemerken (in Europa nach ELN-Emp- fehlungen unter bestimmten Voraussetzungen empfohlen). Dies dürfte auf verschiedene Leitlinien von NCCN und ELN zurück- zuführen sein, die aufgrund neuer Daten immer wieder aktuali- siert wurden und verschiedene Behandlungsendpunkte berück- sichtigen. Obwohl beide Leitlinien molekulare Endpunkte als mög- liche Kriterien eines Versagens oder eines suboptimalen Anspre- chens vorschlagen, muss betont werden, dass bislang keine randomisierte Studie belegen konnte, dass ein Umstellen auf einen anderen Tyrosinkinasehemmer bei Patienten in kompletter zytoge- netischer Remission aufgrund des MMR-Verlusts für das Über- leben und andere Langzeitergebnisse besser ist als eine Umstellung zum Zeitpunkt des zytogenetischen Rezidivs. Der Grund dafür dürfte die hohe Wirksamkeit der Salvage-Therapie mit Tyrosinki- nasehemmern bei einem zytogenetischen Rezidiv sein.

Die Nebenwirkungen der Tyrosinkinasehemmer sind in der Re- gel leicht bis mittelschwer, können aber bei einer Langzeittherapie die Lebensqualität einschränken. Schwere Nebenwirkungen treten bei weniger als 5–10 % der Patienten auf. Häufige unerwünschte Wirkungen von Imatinib sind Flüssigkeitsretention, Gewichts- zunahme, Übelkeit, Diarrhö, Exantheme, ein Periorbitalödem, Knochen- oder Muskelschmerzen, Müdigkeit und andere (Häufig- keit: 10–20 %). Insgesamt lösen die Tyrosinkinasehemmer der zweiten Generation diese störenden Ereignisse seltener aus. Aller- dings führt Dasatinib in einer Dosis von 100 mg/d häufig zu einer Myelosuppression (20–30 %), insbesondere einer Thrombozytope- nie, sowie zu Pleuraergüssen (10–25 %) oder Perikardergüssen (≤5 %) und pulmonaler Hypertension (< 5 %). Unter der Behand- lung mit Nilotinib finden sich häufiger eine Hyperglykämie (10–

20 %), Pruritus, Exantheme, Hyperbilirubinämie (in der Regel bei Gilbert-Syndrom und meistens ohne klinische Folgen) sowie Kopfschmerzen. Außerdem löst es selten eine Pankreatitis aus (< 5 %). Bosutinib hat häufig lebertoxische Effekte und führt früh- zeitig im Therapieverlauf zu selbstlimitierenden gastrointestinalen Komplikationen, insbesondere Diarrhö (70–85 %). Unter der The- rapie mit Ponatinib sind Exantheme (10–15 %), Pankreatitiden (5 %), Erhöhungen von Amylase/Lipase (10 %) und Hypertonie (50–60 %; schwer bei 20 %) häufiger. Bei den meisten Tyrosinkina- sehemmern wurden arteriookklusive Ereignisse (kardiovaskulär, zerebrovaskulär und peripher-arteriell) beschrieben. Am höchsten scheint die Inzidenz bei Ponatinib zu sein, aber auch Nilotinib und Dasatinib führen deutlich häufiger zu derartigen Ereignissen als Imatinib. Da Nilotinib und Dasatinib das QTc-Intervall verlängern können, sollten sie bei Patienten mit im EKG verlängertem QTc-

(8)

Intervall (> 470–480 ms) zurückhaltend eingesetzt werden. Außer- dem sollten gleichzeitig nur Substanzen gegeben werden, die einen relativ kleinen oder gar keinen Effekt auf das QTc-Intervall haben.

Diese Nebenwirkungen sind oft dosisabhängig und in der Regel bei Therapieunterbrechung und Dosisreduktion reversibel. Dosis- reduktionen sind individualisiert möglich. Die minimalen effekti- ven Dosierungen der Tyrosinkinasehemmer (aus verschiedenen Studien und Behandlungserfahrung) sind: Imatinib 200–300 mg/d, Nilotinib 2 × 150–200 mg/d, Dasatinib 20 mg/d, Bosutinib 300 mg/d und Ponatinib 15 mg/d.

Durch Langzeitbeobachtungen werden seltene, aber klinisch re- levante, schwere Toxizitäten offensichtlich. Bei 2–3 % der Patienten kommt es unter TKI-Therapie, besonders häufig unter Imatinib und Bosutinib, zu Nierenfunktionsstörungen und gelegentlich zur Niereninsuffizienz (Anstieg des Kreatininwertes um > 2–3 mg/dl), die in der Regel nach dem Absetzen und/oder einer Dosisredukti- on des Tyrosinkinasehemmers abklingen. Selten entwickeln die Patienten unter Tyrosinkinasehemmern eine periphere Neuro- pathie oder sogar eine zentrale Neurotoxizität, die als Demenz oder Alzheimer-Krankheit fehlinterpretiert werden und nach dem Absetzen der Substanz oft langsam abklingen. Unter Dasatinib wurden pulmonale Hypertonien beobachtet (< 1–2 %). Der Ver- dacht besteht bei Kurzatmigkeit und einem normalen Thorax- Röntgenbefund (Echokardiografie mit Messung des Pulmonalarte- riendrucks). Diese sind nach Absetzen von Dasatinib sowie unter gelegentlich notwendiger Gabe von Sildenafil rückläufig. Eine sys- temische Hypertonie findet sich öfter unter Therapie mit Ponati- nib. Hyperglykämien sowie gelegentlich der Diabetes mellitus sind unter Nilotinib häufiger. Außerdem wurden selten, aber doch sig- nifikant häufiger unter Nilotinib- und Ponatinib-Therapie arterio- okklusive und vasospastische Ereignisse der mittelgroßen und klei- nen Gefäße beobachtet, die vermutlich mit den Tyrosinkinasehem- mern zusammenhängen und Anlass für eine Unterbrechung der Therapie oder eine Dosisreduktion sein sollten. Zu diesen Ereig- nissen gehören Angina pectoris, koronare Herzkrankheit, Myo- kardinfarkte, periphere arterielle Verschlusskrankheit, transiente ischämische Attacken, zerebrovaskuläre Ereignisse, das Raynaud- Phänomen und eine progressive Atherosklerose. Diese Ereignisse sind zwar selten (< 5 %) (kumulative 10-Jahres-Rate 10 % unter Ni- lotinib 2 × 300 mg/d und 16 % unter 2 × 400 mg/d im Vergleich zu 2,5 % unter Imatinib), aber für die Langzeitprognose des Patienten relevant und treten deutlich häufiger auf als in der Allgemeinbe- völkerung. Am häufigsten sind schwere arteriookklusive und vaso- spastische Ereignisse unter Ponatinib 45 mg/d (5-Jahres-Rate 20 %).

ABSETZEN DER TYROSINKINASEHEMMER UND BEHANDLUNGSFREIE REMISSION ODER MOLEKULARE HEILUNG Mehrere Studien haben bestätigt, dass das Absetzen der Tyrosinkinasehemmer bei 40–

60 % der Patienten, bei denen für mindestens 2–3 Jahre keine BCR-ABL 1-Transkripte mehr nachweisbar waren, zu einer be- handlungsfreien Remission führt. Da die Inzidenz dauerhaft nicht nachweisbarer BCR-ABL 1-Transkripte etwa 20–45 % beträgt, er- reichen 13–22 % aller CML-Patienten, die mit Tyrosinkinasehem- mern behandelt werden, eine behandlungsfreie Remission oder ei- ne molekulare Heilung. Dieses Vorgehen gilt auch weiterhin als ex- perimentell, kann aber unter optimalen Bedingungen auch ambu- lant verfolgt werden. Dazu gehören: eine CML mit niedrigem Sokal-Risiko in der ersten chronischen Phase (keine Belege für Transformation), quantifizierbare BCR-ABL 1-Transkripte (e13a2, e14a2), eine Langzeittherapie mit Tyrosinkinasehemmern (5 bis

> 8 Jahre) mit nicht mehr nachweisbaren BCR-ABL 1-Transkripten für mehr als 2–3 Jahre (während dieser Zeit Evaluation alle 6 Mo- nate mittels ausreichend sensitiver PCR) sowie die Überwachung in einem Referenzzentrum, das eine rigorose Testung auf eine CML-Resterkrankung anbietet. Außerdem müssen die Patienten die häufigen Kontrolltermine wahrnehmen (PCR in den ersten 6 Monaten alle 1–2 Monate, dann für 2 Jahre alle 2 Monate und an- schließend alle 3–6 Monate).

ALLOGENE STAMMZELLTRANSPLANTATION Die allogene Stamm- zelltransplantation (SZT) stellt eine kurative Therapie der CML dar und führt zu Langzeitüberlebensraten von 40–60 %, nach neueren Studien zu 80–90 %, wenn sie in der chronischen Phase

durchgeführt wird. Die Frühmortalität nach SZT (innerhalb des ersten Jahres) beträgt 5–30 %. Obwohl 5- bis 10-Jahres-Über- lebensraten von 50–60 % beschrieben (und als Heilungsrate bewer- tet) wurden, verstarben 10–15 % der Patienten in den folgenden 10–20 Jahren an subtilen Langzeitkomplikationen der Transplanta- tion (und nicht an einem CML-Rezidiv). Todesursachen sind eine chronische Graft-versus-host Disease (GvHD), ein Organversagen, die Entwicklung sekundärer Krebserkrankungen. Insgesamt ist die Hazard Ratio für Mortalität höher als in der Allgemeinbevölke- rung. Weitere bedeutende Begleiterkrankungen sind Infertilität, chronische immunvermittelte Komplikationen, Katarakte, Hüft- kopfnekrose und andere Krankheiten mit Auswirkungen auf die Lebensqualität. Der Erfolg der Transplantation, die Heilung und die Frühmortalität in der chronischen Phase der CML sind von folgenden Faktoren abhängig: dem Patientenalter, der Dauer der chronischen Phase, dem Verwandtschaftsstatus des Spenders (ver- wandt oder unverwandt), der HLA-Übereinstimmung von Spen- der und Empfänger, der Konditionierungstherapie und anderen.

In der akzelerierten Phase erzielt die allogene SZT abhängig von der Definition der Akzeleration Heilungsraten von 20–40 %. So- fern nur eine klonale Evolution vorliegt, beträgt die Heilungsrate bis zu 40–50 %. Bei einer allogenen SZT in der zweiten chro- nischen Phase liegt die Heilungsrate bei 40–50 % und in der Blas- tenkrise bei≤15 %. Inzwischen werden Strategien implementiert, die bei einem molekularen oder zytogenetischen Rezidiv oder ei- nem hämatologischen Rezidiv bzw. einer Transformation nach al- logener SZT zur Anwendung kommen. Dazu gehören unter ande- rem der Einsatz von Tyrosinkinasehemmern zur Prävention oder Behandlung des Rezidivs, Infusionen von Spenderlymphozyten und eine sekundäre allogene SZT. Tyrosinkinasehemmer scheinen bei zytogenetischem oder molekularem Rezidiv nach allogener SZT hochwirksam erneut zytogenetische/molekulare Remissionen zu induzieren.

Wahl und Zeitpunkt der allogenen SZT Vor dem Jahr 2000 war die allogene SZT die Erstlinientherapie bei CML. Aufgrund der durchweg positiven Erfahrungen mit Tyrosinkinasehemmern wird sie nunmehr erst bei einem Versagen der Erstlinien-Tyrosinkinase- hemmer eingesetzt. Wichtige Aspekte sind der optimale Zeitpunkt und die Abfolge von Tyrosinkinasehemmern und allogener SZT (ob die allogene SZT als Zweit- oder Drittlinientherapie eingesetzt werden sollte). Bei Patienten in der Blastenkrise oder mit sich ent- wickelnder Blastenkrise sollten Kombinationen aus Chemothera- peutika und Tyrosinkinasehemmern zur Induktion der Remission verwendet werden und dann möglichst bald eine allogene SZT durchgeführt werden. Dasselbe gilt für Patienten, die aus der chro- nischen in eine akzelerierte Phase übergehen. Bei akzelerierter Phase zum Diagnosezeitpunkt ist eine Langzeittherapie mit Tyro- sinkinasehemmern gut wirksam (geschätzte 8-Jahres-Überlebens- rate von 75 %); der Zeitpunkt der allogenen SZT hängt vom opti- malen Ansprechen auf den Tyrosinkinasehemmer (Erreichen eines kompletten zytogenetischen Ansprechens) ab. Bei Rezidiven in der chronischen Phase hängt die Behandlungsabfolge von mehreren Faktoren ab: (1) dem Patientenalter und der Verfügbarkeit geeig- neter Spender, (2) den Risiken einer allogenen SZT, (3) dem Vor- handensein oder Fehlen einer klonalen Evolution und Mutationen, (4) der Anamnese des Patienten und Begleiterkrankungen sowie (5) dem Patientenwunsch oder der Arztempfehlung(Tab. 101-4).

Patienten, die zum Zeitpunkt des Rezidivs eine T 315I-Mutation haben, sollten Ponatinib erhalten, und es sollte insbesondere in der Blastenphase sowie vermutlich auch in der akzelerierten Phase eine allogene SZT geplant werden (aufgrund der unzureichenden Langzeiterfahrungen mit Ponatinib). Patienten mit Mutationen von Y253 H, E255K/V und F359V/C/I sprechen besser auf Dasati- nib oder Bosutinib an und solche mit Mutationen von V299 L, T 315A und F317 L/F/I/C besser auf Nilotinib. Die Wahl des Tyro- sinkinasehemmers hängt ab von Begleiterkrankungen wie Dia- betes mellitus, Hypertonie, pulmonalem Hypertonus, chronischen Lungenerkrankungen, Herzkrankheiten und Pankreatitis. Patien- ten mit klonaler Evolution, ungünstigen Mutationen oder fehlen- der guter/kompletter zytogenetischer Remission innerhalb eines Jahres nach Therapieumstellung des Tyrosinkinasehemmers errei- chen nur kurz anhaltende Remissionen. Daher sollte bei ihnen die allogene SZT im Rahmen der Salvage-Therapie als dringlicher

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TABELLE 101-4 Allgemeine Empfehlungen/Vorschläge zum Ein- satz der Tyrosinkinasehemmer und der allogenen Stammzelltransplantation (SZT) bei chronischer myeloischer Leukämie (CML)

CML-Phase Einsatz der Tyrosin-

kinasehemmer Erwägen der allogenen SZT Akzelerierte Phase oder

Blastenkrise

Interimstherapie zur Re- duktion der CML-Last auf ein Minimum

Sobald wie möglich (Ausnahme: akzelerierte Phase zum Diagnose- zeitpunkt der CML) Versagen von Imatinib in

der chronischen Phase, T 315I-Mutation

Ponatinib zur Reduktion der CML-Last auf ein Minimum

Abhängig von den Lang- zeitergebnissen von Po- natinib

Versagen von Imatinib in der chronischen Phase, keine klonale Evolution, keine Mutationen, gutes initiales Ansprechen

Langzeittherapie mit Zweitlinien-Tyrosinkina- sehemmern

Drittlinientherapie nach Versagen der Zweitlini- entherapie mit Tyrosinki- nasehemmern

Versagen von Imatinib in der chronischen Phase, klonale Evolution oder Mutationen oder keine zytogenetische Remis- sion unter Zweitlinien- Tyrosinkinasehemmern

Interimstherapie zur Re- duktion der CML-Last auf ein Minimum

Zweitlinientherapie

Ältere Patienten (≥65–

70 Jahre) nach Versagen von Imatinib in der chronischen Phase

Langzeittherapie mit Salvage-Tyrosinkinase- hemmern

Nicht zwingend zuguns- ten einer guten Lebens- qualität in chronischer Phase

Merke:Bei Mutationen von Y253 H, E255K/V oder F359V/C/I bevorzugter Einsatz von Dasatinib oder Bosutinib und bei Mutationen von V299 L, T 315A oder F317 L/F/I/C bevorzugt Nilotinib.

angesehen werden. Patienten ohne klonale Evolution oder Muta- tionen beim Rezidiv, die unter der Salvage-Therapie mit Tyrosinki- nasehemmern eine komplette zytogenetische Remission erreichen, erzielen lang anhaltende Remissionen, sodass die allogene SZT als Drittlinientherapie in Betracht kommen kann. Ältere Patienten (65–70 Jahre oder älter) und Patienten mit hohem Mortalitätsrisi- ko bzgl. allogener SZT sollten diese kurative Option bei Krank- heitskontrolle in der chronischen Phase mit oder ohne zytogeneti- sche Remission um mehrere Jahre hinauszögern(Tab. 101-4). In den Entwicklungsländern, in denen inzwischen Generika von Imatinib mit jährlichen Kosten von 400–3000 US-Dollar erhältlich sind, ist die Erstlinientherapie mit Imatinib kosteneffektiv. Die Zweitlinientherapie mit allogener SZT, eine heilende Einmalthera- pie mit Kosten von 20.000–100.000 US-Dollar kann bei CML als kostengünstigere nationale Gesundheitsstrategie bei CML erwogen werden (anstatt von Tyrosinkinasehemmern der zweiten Generati- on mit jährlichen Kosten von 40.000–100.000 US-Dollar).

Tab. 101-4fasst die allgemeinen Empfehlungen zur Therapieabfol- ge zwischen Tyrosinkinasehemmern und allogener SZT zusam- men.

THERAPIEKONTROLLEN BEI CML Das Erreichen einer andauern- den kompletten zytogenetischen Remission nach 12-monatiger Therapie ist als einziger konsistenter prognostischer Faktor des Überlebens der therapeutische Endpunkt bei CML. In Europa und Deutschland ist das Erreichen einer MMR nach 12 Monaten als optimal definiert, eine CCR sollte nach 6 Monaten erreicht sein.

Wird die Remission nicht innerhalb dieses Zeitraums erreicht oder treten später zytogenetische oder hämatologische Rezidive auf, ist von einem Therapieversagen auszugehen und auf eine andere The- rapie umzusteigen. Da die Salvage-Therapie mit anderen Tyrosin- kinasehemmern zu einem guten Ergebnis führen kann, muss die Compliance des Patienten bei fortgeführter Therapie mit einem Tyrosinkinasehemmer sichergestellt und die Therapie bei einem gesicherten zytogenetischen Rezidiv umgestellt werden, sofern dies nicht durch mangelnde Therapietreue aufgetreten ist. Patienten,

die eine Erstlinientherapie mit Imatinib erhalten, sollten eng- maschig überwacht werden, bis eine komplette zytogenetische Re- mission dokumentiert wurde. Anschließend werden im Abstand von 3–6 Monaten eine FISH (nur wenn keine standardisierte PCR-Analyse möglich ist bzw. ein atypisches Transkript vorliegt) und eine PCR des peripheren Blutes durchgeführt (zur Überprü- fung der Konkordanz der Ergebnisse). Bei Bedenken hinsichtlich einer Veränderung der BCR-ABL 1-Transkripte können die Kon- trollen auch häufiger (z. B. alle 2–3 Monate) erfolgen. Eine Über- wachung nur mittels PCR ist nur bei gutem molekularem Anspre- chen (MMR) gerechtfertigt. Ein zytogenetisches Rezidiv unter der Therapie mit Imatinib ist ein Hinweis auf ein Therapieversagen und Indikation für das Umstellen auf einen anderen Tyrosinkina- sehemmer. In dieser Situation helfen Mutationsanalysen bei der Auswahl der nächsten Substanz; Mutationen werden bei 30–50 % der Patienten nachgewiesen. Da die Mutationsanalysen mittels Standard-Sanger-Sequenzierung (der derzeit in den meisten kli- nischen Labors eingesetzten Technik) nur bei≤5 % der Patienten in kompletter zytogenetischer Remission (bei denen Bedenken hinsichtlich einer Zunahme der BCR-ABL 1-Transkripte bestehen) überhaupt Mutationen nachweisen, sind sie bei ihnen nicht ange- bracht. Ein frühes Ansprechen innerhalb von 3–6 Monaten ist ein Vorhersagefaktor für das Langzeitergebnis, einschließlich des Er- zielens eines zytogenetischen Ansprechens (BCR-ABL 1-Tran- skripte≤10 %). Das Fehlen dieses Ansprechens auf die Imatinib- therapie wurde mit einem deutlich schlechteren Überleben assozi- iert.

Bei einer Erstlinientherapie mit Tyrosinkinasehemmern der zweiten Generation (Nilotinib, Dasatinib) ändern sich die Thera- piekontrollen leicht bzw. in Europa gar nicht, da die Definitionen identisch sind. Die Patienten sollten nach 3–6 Monaten Therapie- dauer eine komplette zytogenetische Remission (oder BCR-ABL 1- Transkripte≤10 %) erreicht haben. Das Nichterreichen ist mit ei- nem schlechteren ereignisfreien Überleben, häufigeren Transfor- mationen und einem schlechteren Gesamtüberleben assoziiert. Al- lerdings ist das 3- bis 5-Jahres Überleben dieser Patienten mit 80–

90 % immer noch hoch und besser, als nach einer allogenen SZT zu diesem Zeitpunkt zu erwarten ist. Für ein Umstellen der Thera- pie bei Patienten, die nur langsam darauf ansprechen, wurde kein Langzeitnutzen belegt, wohl hingegen bei einer Veränderung der Therapie bei belegter Resistenz. Daher wird dieses ungünstige An- sprechen auf die Therapie als Warnsignal interpretiert. Es ist je- doch unbekannt, ob eine Umstellung auf einen anderen Tyrosinki- nasehemmer zu diesem Zeitpunkt das Langzeitergebnis verbessern würde.

BEHANDLUNG DER AKZELERIERTEN PHASE UND DER BLASTENKRI- SE Patienten in der akzelerierten Phase oder Blastenkrise sollten einen Tyrosinkinasehemmer vorzugsweise der zweiten oder dritten Generation (Dasatinib, Nilotinib, Bosutinib, Ponatinib) allein oder in Kombination mit einer Chemotherapie erhalten, um die CML- Last vor einer allogenen SZT zu reduzieren. Die Monotherapie mit einem Tyrosinkinasehemmer erzielt in der akzelerierten Phase (tiefe hämatologische) Ansprechraten von 30–50 % und in der Blastenkrise von 20–30 %. In der Blastenkrise ist eine zytogeneti- sche und insbesondere eine komplette zytogenetische Remission selten (10–30 %), und wenn, nur vorübergehend. Derzeit laufen Studien mit Tyrosinkinasehemmern in Kombination mit einer Chemotherapie. Allgemein zeigt die Erfahrung, dass die Kombina- tion aus einem Tyrosinkinasehemmer und einer Chemotherapie häufiger zu einem Ansprechen führt, das dann auch dauerhafter ist und das Überleben verbessert. Dies gilt insbesondere für die lymphatische Blastenkrise, in der die Kombination aus einer ALL- Chemotherapie und einem Tyrosinkinasehemmer bei 60–70 % der Patienten eine komplette Remission und ein medianes Überleben von 2–3 Jahren bewirkt (im Vergleich zu früheren Ansprechraten von 40–50 % und einem medianen Überleben von 12–18 Mona- ten). Dadurch ist bei vielen Patienten eine allogene SZT bei mini- maler CML-Last oder in einer sekundären chronischen Phase möglich, sodass mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Langzeitüber- leben erzielt werden kann. In der nicht lymphatischen Blastenkrise erreicht die Kombination aus AML-Chemotherapie und einem Ty- rosinkinasehemmer bei 30–50 % der Patienten eine komplette Re- mission und ein medianes Überleben von 9–12 Monaten (im Ver-

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