• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die Haarzellen-Leukämie: Klinische und morphologische Befunde" (25.11.1983)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die Haarzellen-Leukämie: Klinische und morphologische Befunde" (25.11.1983)"

Copied!
6
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Heft 47 vom 25. November 1983 Aktuelle Medizin

Die Haarzellen-Leukämie

Klinische und morphologische Befunde

Volker Grouls

Aus dem Institut für Pathologie

(Leiter: Dr. med. W. Oehmichen) Mönchengladbach

Die Haarzellen-Leukämie wird heute als ein malignes Lym- phom niedriger Malignität auf- gefaßt. Kennzeichnend ist der Nachweis von lymphoiden Zellen mit fransenartigen Zy- toplasmaausläufern (Haarzel- len) in Ausstrichen des peri- pheren Blutes bei Befund- trias: (Hepato-)Splenomega- lie, fehlende Lymphknoten- Schwellungen und Panzy- topenie. Zytochemisch läßt sich zudem häufig die tartrat- resistente saure Phosphatase in den Haarzellen nachweisen.

Morphologisch zeigen sich diffuse Zellinfiltrate im Kno- chenmark mit wechselnd aus- geprägter argyrophiler Markfi- brose, die verantwortlich ist für eine Punctio sicca im Kno- chenmarkaspirat. Therapeu- tisch kommt bei Bestehen ei- nes Hypersplenie-Syndroms die Splenektomie in Betracht.

Ziel des Eingriffes ist, die durch erhöhte Blutzell-Seque- stration bedingte Panzytope- nie zu verbessern oderzu behe- ben. Da die Panzytopenie je- doch auch durch tumuröse

Knochenmarkveränderungen mitverursacht werden kann, hängt der Erfolg der Milzexstir- pation davon ab, welcher der beiden Faktoren überwiegt.

Als Haarzellen-Leukämie wird eine fakultativ leukämische Erkran- kung bezeichnet, die bereits frü- her unter dem Namen „leukämi- sche Retikuloendotheliose" be- kannt war und etwa 2 bis 5 Prozent aller Leukämien betrifft (10, 14, 19)*). Der Begriff der Haarzellen- Leukämie wurde 1970 von Plen- derleith eingeführt und rührt von den speziell in unfixierten Blutaus- strichen nachweisbaren typischen haarartigen Zytoplasmafortsätzen der Tumorzellen her (Abbildung 1). Eine den neoplastischen Haar- zellen äquivalente normale Lym- phozytenpopulation ist bisher noch nicht nachgewiesen worden.

Auch die Natur der Leukämiezel- len ist umstritten und nicht ganz definitiv geklärt. Während früher überwiegend ein histio-monozytä- rer Ursprung diskutiert wurde, herrscht heute weitgehend Einig- keit darüber, daß es sich unter an- derem wegen des Nachweises von Membran-lmmunglobulinen um eine lymphoproliferative Erkran- kung von B-Zellen handelt (13, 19, 24, 29).

In der Kiel-Klassifikation der ma- lignen Lymphome wird die Haar- zellen-Leukämie daher als B-Zell- Lymphom in die Gruppe maligner Lymphome niedriger Malignität vom lymphozytischen Subtyp ein- geordnet (Tab. 1).

Klinik

Das klinische Bild wird geprägt von einer chronisch verlaufenden Erkrankung mit der in typischen Fällen zu beobachtenden Befund- Trias (Hepato-)Splenomegalie, pe- riphere Panzytopenie und fehlen- de periphere Lymphknoten- schwellungen (10, 16, 11, 14, 1, 5, 6). An subjektiven Beschwerden werden von den Patienten oft nur mehr oder weniger deutliche, vor- nehmlich linksseitig lokalisierte abdominelle Schmerzen und Druckgefühle angegeben. Weiter- hin werden Gewichtsabnahme, Leistungsschwäche, Blutungsnei- gung oder unerklärbare Fieber- schübe beobachtet.

Betroffen sind vor allem männli- che Patienten zwischen dem 40.

und 60. Lebensjahr (Altersspek- trum: 20 bis 80 Jahre) Untersu- chungen des peripheren Blutbil- des ergeben Leukozytenzahlen zumeist im unteren Normbereich von durchschnittlich 6000/mm 3 , wobei etwa 25 bis 85 Prozent aus Haarzellen bestehen (10).

Etwa 15 Prozent der Patienten ha- ben eine leichte Leukozytose, so daß der Nachweis typischer Haar- zellen leicht gelingt (14).

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 47 vom 25. November 1983 31

(2)

Andererseits zeigen etwa 85 bis 90 Prozent der Patienten eine ausge- sprochene Leukopenie und typi- scherweise auch Monozytopenie, so daß Haarzellen dann nur verein- zelt oder manchmal gar nicht in üblichen Blutausstrichen nach- weisbar sind (14).

Bei etwa 86 Prozent der Patienten besteht eine Thrombozytopanie mit Werten unter 100 000/mm3 .

Schließlich fällt eine normochro- me, unterschiedlich stark ausge- prägte Anämie auf.

Zytologie

Zytologisch handelt es sich bei den Haarzellen um 10 bis 18 f.A. gro-

Be Zellen mit fransenartigen Zyto- plasmaausläufern. Die Zellkerne sind etwas polymorph beschaffen und weisen eine rundliche bis bohnenartig ovoide, teils einge- dellte Konfiguration auf {Abbil- dung 1). - Eine Paraproteinämie gehört nicht zum Bild dieser Leuk- ämie.

Eine diagnostisch wertvolle Be- reicherung stellte die Entdeckung dar, daß im Zytoplasma der Haar- zellen das Isoenzym 5 der sauren Phosphatase durch Zugabe von Salzen der Weinsäure nicht hemmbar ist und somit im Gegen- satz zu der sauren Phosphatase der meisten übrigen Iymphozytai- den Zellen maligner Lymphome weiterhin darstellbar bleibt (18,

CD

Maligne Lymphome niedriger Malignität

~ Iymphozytische Lymphome

C> chronische lymphatische Leukämie vom B-Zeii-Typ

C> Haarzellenleukämie

C> chronische lymphatische Leukämie vom T-Zeii-Typ

[> Prolymphozytenleukämie

[> Mycosis fungoides- Sezary Syndrom

~ lmmunozytome

~ plasmozytisches Lymphom (Piasmozytom des Lymphknotens)

~ zentrozytisches Lymphom

~ zentroblastisch-zentrozytisches Lymphom

@ Maligne Lymphome hoher Malignität

~ zentroblastisches Lymphom

~ Iymphebiastisches Lymphom

C> vom Burkitt-Typ

C> vom convoluted type

C> unklassifizierbar

~ immunoblastisches Lymphom

Tabelle 1: Einteilung der malignen Non-Hodgkin Lymphome nach der Kiel-Klassifika- tion (gekürzt nach Lennert (19))

fDeroxydase 0

Sudan-Schwarz 0

Nap hto l-AS-D-C h I o razetat -Este rase 0

unspazifische saure Esterase ++- +++

unspazifische neutrale Esterase 0- +

saure Phosphatase mit oder ohne Tartrathemmung 0/+-++!+++

alkalische Leukozyten-Phosphatase 0

Tabelle 2: Zytochemische Charakteristika von Haarzellen (14, 11, 29, 31)

33). Der Nachweis der sogenann- ten tartratresistenten sauren Phosphatase (TSP) fällt in etwa 90 Prozent der Haarzellen positiv aus und läßt sich als ein rotgefärbtes Reaktionsprodukt nachweisen. Ei- ne entsprechende Reaktion zei- gen im übrigen auch Histiozyten und Ostecklasten sowie Gauchar- Zellen (28).

C> Dieser Enzymnachweis ist so-

mit zwar charakteristisch, aber nicht pathognomonisch für die Haarzellen Ieu käm ie.

Es hat sich weiterhin gezeigt, daß gelegentlich in Fällen von Leuk- ämien mit zytologischen Charak- teristika einer chronischen lym- phatischen Leukämie, bei leukä- mischen Formen eines lmmunozy- toms, bei der Prolymphozyten- leukämie und beim Sezary-Syn- drom ebenfalls ein entsprechen- der positiver Enzymnachweis ge- führt werden kann, wobei unter Umständen als zusätzliche dia- gnostische Schwierigkeit auch in diesen Fällen manchmal eine irre- guläre fransenartige, pseudohaar- artige Zytoplasmaausbreitung der Leukämiezellen beobachtet wer- den kann (7, 14, 17).

Umgekehrt spricht wiederum das Fehlen der tartratresistenten sau- ren Phosphatase nicht zwangsläu- fig gegen das Vorliegen einer Haarzellen-Leukämie, da der En- zymgehalt der Tumorzellen offen- bar stark wechseln oder sogar vollständig fehlen kann (26). Die zytochemischen Charakteristi- ka der Haarzellen-Leukämie sind in Tabelle 2 zusammengefaßt; die klinische Differentialdiagnose wird in Tabelle 3 aufgeführt.

Die Sternalpunktion ergibt in etwa zwei Drittel der Fälle (1 0) nur sehr wenig Material und ist somit "trok- ken". ln diesen Fällen, wie auch in solchen, bei denen die klinische und zytologische Befundkonstel- lation Zweifel am Vorliegen einer Haarzellenleukämie aufkommen läßt, ist eine Beckenkamm-Biopsie absolut indiziert und ermöglicht

32 Heft 47 vom 25. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

(3)

Abbildung 1 (links oben): Haarzellen im peripheren Blutaus- strich mit feinen fransenartigen Zytoplasmaausläufern und teils eingekerbten Kernen. May-Grünwald

Abbildung 2 (rechts oben): Diffuses Infiltrat von Haarzellen im Beckenkamm-Biopsat. H. E.

Abbildung 3 (Mitte links): Lymphoide Markfibrose bei Haarzellen-Leukämie. Versilberung nach Gordon-Sweet Abbildung 4 (Mitte rechts): Sogenannte Pseudosinus in der Milz mit Auskleidung durch Haarzellen. H. E.

Abbildung 5 (unten links): Haarzellen in einem Portalfeld und in Sinus der Leber. Rote Anfärbung des Zytoplasmas durch Reaktion der tartratresistenten sauren Phosphatase.

Leberkeilbiopsat, Paraffineinbettung

zumeist durch den Nachweis des typischen Infiltratmusters die kor- rekte Diagnose (2, 14).

Morphologische Befunde

Knochenmark

Hier steht überwiegend eine diffu- se, in noch nicht so fortgeschritte- nen Fällen allerdings auch zellär- mere fokale Infiltration des Mark- raumes durch kleine lymphoide Zellelemente im Vordergrund, wo-

bei die Hämatopoese verdrängt wird. Die Zellen sind locker, unter- schiedlich dicht gelagert mit mä- ßig vermehrtem Zytoplasma und unscharfen Zeltgrenzen. Die zen- tral bis teils exzentrisch gelegenen Kerne weisen bei starker Vergrö- ßerung eine Polymorphie mit ovoi- den gebuchteten und eingekerb- ten Formen auf (Abbildung 2). Der typische Haarzellencharakter läßt sich im üblichen lichtmikroskopi- schen Schnitt nicht nachweisen.

Mitosen sind nicht erkennbar. Ei- ne noduläre Infiltration, wie sie für

andere maligne Lymphome cha- rakteristisch ist, besteht nicht (1, 10, 16, 32). In der Gitterfaserdar- stellung zeigt sich jedoch eine mä- ßig dichte bis ausgeprägte irregu- läre, teils streifige Faservermeh- rung mit einem zum Teil sehr dich- ten Maschenwerk argyrophiler Fa- sern (sogenannte lymphoide Markfibrose; Abbildung 3).

Schon eine nur geringe Zunahme der Gitterfasern im Knochenmark führt dazu, daß die zellulären Markelemente retiniert werden

34 Heft 47 vom 25. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(4)

und somit nicht aspiriert werden können. Dies ist auch der Grund für die klinisch häufig beobachte- te trockene Sternalmarkpunktion (1' 25).

Nach geeigneter Fixierung in ei- nem Glutaraldehyd-Formoi-Cal- cium-Gemisch (sogenannte Köl- ner Lösung, Tabelle 4) und scho- nender Entkalkung in Äthylendi- amintetraessigsäure (EDTA) läßt sich häufig auch im paraffineinge- betteten Knochenstanzzylinder (wie ebenfalls in anderen Gewe- ben z. B. Milz, Leber, Lymphkno- ten) die charakteristische tartrat- resistente saure Phosphatase im lymphoiden Zellinfiltrat nachwei- sen (25, 26, 7, 8).

Milz

Der führende klinische Befund bei Haarzellen-Leukämie ist die Sple- nomegalie. Hier werden Organge- wichte zwischen 400 und 3800 Gramm festgestellt. Die tumorä- sen Zellinfiltrate finden sich diffus in der roten Pulpa verteilt bei zum Teil Atrophie der weißen Pulpa.

Die Sinus werden kompakt von den Haarzellen ausgefüllt und ob- literiert. Häufig fallen größere Blutseen und sogenannte Pseudo- sinus auf (21, 22). Dabei handelt es sich um tumorzellgesäumte ery- throzytenhaltige Hohlräume (Ab- bildung 4), die wahrscheinlich durch Ersatz vorbestehender Si- nusendothelien durch die lym- phoiden Zellen entstehen. Ferner läßt sich eine Aktivierung und Ver- mehrung von Milzmakrophagen mit Erythrophagozytose und Side- rose feststellen. Diese Verände- rungen .können als morphologi- sches Äquivalent eines gesteiger- ten Abbaues von innerhalb der durch Tumorzellen verschlosse- nen Sinus ratinierten Erythrozyten im Sinne eines Hypersplenie-Syn- droms gedeutet werden. Auch ins- besondere Thrombozyten werden stärker als normal in der Milz zu- rückgehalten und abgebaut. Das verstärkte Pooling in der Milz so- wie die erhöhte Sequestrationsra-

...

Chronische

lymphatische Leukämie

...

Prolymphozytenleukämie

...

Non-Hodgkin Lymphome (lmmunozytome)

...

Plasmazell-Leukämie

...

Sezary-Syndrom

...

Akute Monoblastenleukämie

...

Chronische

Monozytenleukämie

...

Maligne Histiozytose

...

Osteomyelofibrose

...

Aplastische Anämie

Tabelle 3: Klinische Differentialdiagnose der Haarzellen-Leukämie (14)

...

20 ml Glutaraldehyd- Iösung 25%ig

...

30 ml Formalin

(37% Formaldehydlösung)

...

15,8 g Calciumacetat (wasserfrei)

ad 1000 ml Aqua dest.; bei 4°C im Kühlschrank aufbewahren

Tabelle 4: Fixationslösung zur histologi- schen Bearbeitung von Gewebeproben mit hämatologischer Fragestellung (so- genannte Kölner-Lösung nach Schaefer (25, 26))

te peripherer Blutzellen tragen zu- sammen mit der Knochenmarkver- drängung durch Haarzellen ent- scheidend zu der peripher beob- achteten Panzytopenie bei (4).

Auffällig war bei einer eigenen Be- obachtung der Befund einer völlig infiltratfreien kleinen Nebenmilz bei gleichzeitig bestehender mas- siver Milzdurchsetzung.

Leber

Leberpunktate oder Keilexzisio- nen werden überwiegend wäh- rend einer Splenektomie entnom- men oder unabhängig davon dann, wenn gleichzeitig eine nicht

geklärte stärkergradige Hepato- megalie besteht und abgeklärt werden soll. Auch bei klinisch re- gelrechter Lebergröße lassen sich Haarzellen nachweisen, wobei die Infiltration allerdings möglicher- weise nur sehr diskret ist und dann oft nicht als neoplastisch er- kannt wird (34). ln jedem Fall sind zunächst intrasinusoidale lym- phoide Zellinfiltrate nachweisbar, die sich bei längerem Krankheits- verlauf auch zunehmend in den Portalfeldern akkumulieren (Abbil- dung 5; 1, 9). Eine Korrelation zwi- schen Ausmaß des Leberbefalls ei- nerseits und Leber-Milzgröße bzw.

Zahl der Haarzellen im Blut \ande- rerseits besteht nicht (34). Auffäl- lig ist manchmal eine deutliche Di- latation von Sinusaiden mit fast paliaseartigen Bildern (34). Unter Berücksichtigung der klini- schen Befundkonstellation und des morphologischen Leberbe- fundes läßt sich die Diagnose der Haarzellen-Leukämie mit großer Sicherheit bereits im Leberpunk- tal stellen. Bei entsprechender kli- nischer oder histologischer Ver- dachtsdiagnose sollte zusätzlich die Aktivität der tartratresistenten sauren Phosphatase dargestellt werden, da diese Reaktion nach eigenen Erfahrungen unter Um- ständen auch im Paraffinschnitt anhand gut formalinfixierter Punk- tatzylinder in Abhängigkeit aller- dings vom Enzymgehalt der Tu- morzellen positiv ausfällt. Ein bes- seres Ergebnis läßt sich jedoch nach Fixation in der oben angege- benen KölnerLösung erzielen.

Lymphknoten

Ein Lymphknotenbefall kommt bei der Haarzellen-Leukämie nur selten vor und betrifft vorwie- gend retroperitoneale und abdo- minelle, insbesondere splenohilä- re Lymphknoten. Gelegentlich sind auch axilläre Lymphknoten befallen (5, 19). Peripher vergrö- ßerte Lymphknoten sind somit nur in wenigen Fällen tastbar. Histolo- gisch besteht eine homogene, iso- morphe Infiltration durch lympho- Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 47 vom 25. November 1983 35

(5)

Klinischer Befund: (Hepato-)Splenomegalie

Fehlende periphere Lymphadenopathie Panzytopenie: Thrombopenie

Gran u lopenie Anämie Monozytopenie Blutbild : Haarzellen (TSP positiv) Sternalmark : Punctio sicca

Knochenbiopsie : Lymphoide Markfibrose; diffuses lymphozytisches Infiltrat (TSP positiv)

Tabelle 5: Diagnostische Konstellation bei Haarzellen-Leukämie

zytische Zellelemente, die etwas größer als typische Lymphozyten sind und wegen des relativ breiten Zytoplasmas der Haarzellen nicht so dicht beieinander liegen. Fer- ner besteht auch hier eine ent- sprechende Kernpolymorphie.

Das Infiltrat beginnt zunächst in der B-Zell-Region, d. h. in den Lymphknotenabschnitten nächst des Marginalsinus, um sich dann bei länger bestehendem Krank- heitsverlauf über den ganzen Lymphknoten auszudehnen und auch kapsuläre Abschnitte bzw.

das perinodale Fettgewebe zu in- filtrieren (19). Mitosefiguren sind hier wie auch in den anderen Or- ganen in den Leukämiezellen nicht nachweisbar.

Therapie und Prognose

Die Haarzellen-Leukämie nimmt bei etwa 30 Prozent der Patienten einen langsamen chronischen Verlauf. Häufig erliegen die Pa- tienten jedoch auch nach wenigen Monaten oder Jähren bereits le- bensbedrohlichen viralen, bakte- riellen und mykotischen Infektio- nen. Folgende Faktoren begünsti- gen dabei das Auftreten derartiger Infektionen (30): Chemo- und Kor- tikosteroidtherapie, Monozytende- fekt, verminderte zelluläre Immtin- abwehr sowie Granulozytopenie infolge tumoröser Knochenmarks- infiltration und/oder nach Chemo- therapie.

Als Therapie der Wahl gilt die Splenektomie, deren Ziel darin be-

steht, die durch erhöhte lienale Blutzell-Sequestration bedingte Panzytopenie zu verbessern oder zu beheben. Da die Panzytopenie jedoch auch durch tumoröse Kno- chenmarkverdrängung entschei- dend mitverursacht werden kann, hängt der Erfolg der Milzexstirpa- tion davon ab, welcher der beiden Faktoren überwiegt (15).

Die Befunde, insbesondere ge- messen daran, wie sich die Blutpa- rameter nach dem Eingriff erho- len, deuten darauf hin, daß eine Thrombozytopenie bei der Haar- zellen-Leukämie am ehesten durch eine erhöhte Abbaurate in der Milz hervorgerufen wird, die Anämie wahrscheinlich teils durch erhöh- ten Abbau und teils durch eine Knochenmark-Insuffizienz verur- sacht wird und die beobachtete Granulozytopenie überwiegend Folge einer verminderten Produk- tion im Knochenmark ist (15).

Nach Untersuchungen von Jansen et al. (15) sollten daher nur Patien- ten mit sehr großer Milz (über 4 Zentimeter unter dem Rippenbo- gen) und schwerer Panzytopenie operiert werden. Ein ausreichen- der Effekt auf die Zusammenset- zung des peripheren Blutes kann in 40 bis 60 Prozent der Patienten postoperativ erreicht werden mit Hb-Werten über 11,0 g/dl sowie Granulozyten- und Thrombozyten- zahlen von über 1000/mm 3 bzw.

100 000/mm 3 .

Bei diesen Patienten ist die Pro- gnose auch wesentlich günstiger

(15). Die mittlere Überlebenszeit von Patienten mit Haarzellen- Leukämie beträgt insgesamt etwa 42 Monate (14).

Bei Milzgrößen von weniger als 4 cm unterhalb des Rippenbogens ist durch die Splenektomie keine Befundverbesserung zu erwarten, es sei denn, es ließe sich klinisch- nuklearmedizinisch und durch Be- stimmung von Blutzell-Abbaura- ten ein eindeutiges Hypersplenie- Syndrom nachweisen. Hervorge- hoben und betont werden muß je- doch, daß die Splenektomie jeden- falls nur Symptome der Erkran- kung beseitigen oder abschwä- chen kann, für sich allein aber kei- ne „Heilung" oder langfristige Re- mission von Haarzellen-Leukämie herbeiführt. Sehr bewährt und als wirksam erwiesen hat sich jedoch nach Erfahrungen von R. Gross (persönliche Mitteilung) die konti- nuierliche Gabe von kleinen Do- sen Chlorambucil (Leukeran) so- wie Prednisolon unterhalb der Cushing-Schwelle im Anschluß an die Splenektomie. Die grundsätzli- che und kategorische Ablehnung einer wohldosierten Zytostatika- therapie ist danach nicht berech- tigt.

Wegen des erhöhten Infektionsri- sikos und eines allerdings nicht immer vorhersagbaren Thera- pieeffektes sollte eine aggressive- re Chemotherapie nur bei zuneh- mender Befundverschlechterung und bei Patienten mit kleinen Mil- zen, aber ausgeprägter Panzyto- penie versucht werden (6, 15). Im Einzelfall lassen sich dadurch ebenfalls Vollremissionen errei- chen (6, 30).

Da die lebensbedrohliche Infek- tionsgefahr bei der Haarzellen- Leukämie nach Untersuchungen von Steward und Bodey (30) offen- bar weniger mit einer Granulozy- topenie korreliert, sondern eher auf die Verminderung des Mono- zytengehaltes zurückzuführen ist, scheint es schließlich sinnvoll, durch Gabe von Monozytenkon- zentrat die Infektionsgefährdung zu reduzieren.

36 Heft 47 vom 25. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

(6)

Schlußbetrachtung

Bei der Haarzellen-Leukämie han- delt es sich um eine inzwischen wohlbekannte klinikopathologi- sche Entität mit charakteristi- schem klinischen Bild und typi- schen morphologischen Befun- den (Tabelle 5).

In der überwiegenden Zahl der Fälle läßt sich die Diagnose auf- grund der klinischen Befundkon- stellation und dem Nachweis von Haarzellen im peripheren Blutaus- strich sicher stellen. Charakteristi- scherweise zeigen die Zellen eine positive tartratresistente saure Phosphatasereaktion, wobei je- doch bedacht werden muß, daß der Nachweis dieses intrazytoplas- matischen Enzyms — wie oben dar- gelegt — für sich allein nicht spezi- fisch, d. h. nicht pathognomo- nisch für die Haarzellen-Leukämie ist. Fälle, bei denen eine Spleno- megalie im Vordergrund des klini- schen Bildes steht ohne eindeuti- ge zytologische bzw. zytochemi- sche Befunde, können durch hi- stologische Untersuchungen (Beckenkamm-, Milz-, Leberpunk- tat) und durch den Nachweis eines typischen Infiltratmusters eventu- ell in Kombination mit der Darstel- lung der tartratresistenten sauren Phosphatase sicher diagnostiziert werden.

Voraussetzung dafür ist jedoch ei- ne optimale Gewebefixierung, die neben einer verbesserten zytologi- schen-histomorphologischen Be- urteilung auch die Durchführung diagnostisch hilfreicher Enzymbe- stimmungen an den Tumorzellen erlaubt.

Herrn Dr. W. Oehmichen zum 60.

Geburtstag gewidmet.

Literatur beim Sonderdruck, zu beziehen beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Privatdozent Dr. med. V. Grouls Institut für Pathologie

Limitenstraße 90

4050 Mönchengladbach 2

Praxisform und Zahl der Laboruntersuchungen bei Hochdruckpatienten

Die Auswirkung der zunehmen- den Zahl von Gemeinschaftspra- xen auf die Häufigkeit verschiede- ner Labor-, EKG- und Röntgen- untersuchungen bei Hypertoni- kern war Gegenstand einer Unter- suchung in den USA. Retrospektiv wurden die Akten von 351 hyper- tensiven Patienten überprüft, die von 30 verschiedenen Internisten in Gruppen- oder Einzelpraxen in der Umgebung von Boston be- treut wurden. Der Schweregrad der Hypertonie war in allen drei Gruppen vergleichbar, und auch die Hypertonieeinstellung war in allen drei Gruppen gleich gut.

Die Hauptaussage der Studie ist, daß an Patienten, die in großen Gruppenpraxen (mehr als vier Ärzte) betreut wurden, zweimal so viele Untersuchungen (6,4/Pat./

Jahr) vorgenommen wurden wie an Patienten, die in kleinen Grup- penpraxen (zwei bis vier Ärzte) (3,5 Pat./Jahr) oder in Einzelpra- xen (3,3 Pat./Jahr) ärztlich ver- sorgt wurden. In gleicher Weise waren die Untersuchungskosten für die Patienten in großen Grup- penpraxen doppelt so hoch.

Eine multiple Regressionsanalyse zeigte im einzelnen, daß folgende Untersuchungen in großen Grup- penpraxen gehäuft vorgenommen wurden: EKG (p < 0,05), Röntgen- Thorax-Aufnahmen (p < 0,01), Blutbild (p < 0,01), Urinstatus (p < 0,05).

Diese Unterschiede waren nach- weisbar unabhängig von Alter oder Geschlecht der Patienten, vom Alter des Arztes und von der Verfügbarkeit von Untersu- chungsgeräten.

Bemerkenswert scheint auch, daß die Arztbesuche in großen Grup- penpraxen eher seltener waren (4,3 -T 3,2 pro Jahr) als in Einzel- praxen (5,4 -T- 3,5 pro Jahr). Ge- häufte ambulante Untersuchun-

gen führen auch zu keiner Reduk- tion der Krankenhausaufenthalte, da Patienten aus großen Grup- penpraxen 0,069 mal/Jahr hospi- talisiert werden mußten und Pa- tienten von Einzelpraxen eher we- niger: 0,048.

Die vorliegenden Befunde zeigen, daß Internisten in großen Grup- penpraxen signifikant mehr Un- tersuchungen zur Abklärung und Behandlung von umkomplizierten Hypertonikern anordnen als Inter- nisten in kleinen Gruppenpraxen oder in der Einzelpraxis.

Da die häufigeren Zusatzuntersu- chungen auch wesentlich höhere Kosten verursachen, haben die Ergebnisse der Studie große fi- nanzielle Bedeutung für das ge- samte Gesundheitswesen.

Möglicherweise führt die höhere Erwartungshaltung eines Patien- ten, der eine Gruppenpraxis auf- sucht oder die Organisations- struktur dieser Praxen zu den er- höhten Kosten.

Ob diese Befunde auf die Verhält- nisse in der Bundesrepublik Deutschland übertragbar sind, in der große Gruppenpraxen mit mehr als vier Kollegen die seltene Ausnahme darstellen, muß erst noch geklärt werden. Eine wichti- ge Aussage dieser amerikani- schen Studie — sie macht die Fra- ge der Übertragbarkeit noch inter- essanter — ist auch, daß in der Häufigkeit der Anordnung von Un- tersuchungen kein Unterschied zwischen Einzelpraxen und Ge-

meinschaftspraxen mit zwei bis vier Ärzten besteht.

Schießlich sei noch gesagt, daß die genannten Aussagen nur für die Betreuung von Hypertonikern gelten und daß bei anderen Krankheiten möglicherweise ganz andere Gesetzmäßigkeiten zu fin- den sind. Krs

Epstein, A. M.; Begg, C. B.; McNeil B. J.: The effects of group size an test ordering for hy- pertensive Patients, New England Journal of Medicine 309 (464-468) 1983, Dr. Epstein Center for the Analysis of Health Practices, Harvard School of Public Health, 677 Hunting- ton Ave. Boston, Mass. 02115 U.S.A.

38 Heft 47 vom 25. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die nach Ausbruch der GA I schwere, irreversible neurologische Schädigung der betroffenen Kinder muß Anlaß für vermehrte Anstren- gungen einer Diagnosestellung bei möglichst

Die Diagnose der B-CLL wird durch den Nachweis einer anhaltenden Erhöhung der Blutlymphozytenzahl über fünfmal 10 9 /l sowie des für die- se Erkrankung charakteristischen

Nach einer Interpretation von Antonius Weber, Haupt- geschäftsführer des Deut- schen Bäderverbandes, ist mitentscheidend für diese Entwicklung eine strukturelle Veränderung

Fortbildung, Gedächtnistraining, Gymnastik und aktive Erholung. Die politische Kraft des älteren Menschen ist seither gewachsen. Sie ist i m heimatlichen Bereich und

Sowohl die Testosteron- als auch die Östradiolwerte korrelieren nicht mit dem Patientenalter in der jeweiligen Gruppe, es findet sich jedoch in beiden Gruppen eine

Tab.14: Befunde der histologischen Untersuchung der Fesselgelenke des Probanden Y.2: 5209/99; 310 MBq Yttrium-90; 3 ml Kortikosteroid voli; 4 Wochen Beobachtungszeit; hinten rechts

Bis zu 95 Prozent der Augenverletzungen sind leicht und können meist ambulant behandelt werden, die restlichen fünf Prozent führen häufig zu einer lebenslangen Behinderung..

Zudem wurden zwölf Patienten nach der MRD-Messung in kompletter Remission separat betrachtet, da ihr Marker, der in der Erstdiagnose mittels Myeloid Panel