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Archiv "Disease-Management-Programm Brustkrebs: Schlusswort" (03.12.2004)

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Schlusswort

Die drei wesentlichen Aussagen im Ar- tikel zum DMP-Brustkrebs waren, dass

>die Behandlung von Brustkrebspa- tientinnen in Deutschland international vorzeigbar ist,

>das DMP Brustkrebs für den Medi- zinstandort Deutschland blamabel ist, denn Unter-, Über- und Fehlversorgung wurden frei erfunden und bisher nicht belegt,

>einfache,teilweise vorhandene Struk- turen ausreichen würden, um in weni- gen Monaten eine Innovationsoffensive für den Onkologiestandort Deutschland zu starten.

Die eingegangenen Leserbriefe be- stärken und stützen die in unserem Ar- tikel zusammengestellte Realitätssicht.

Dr. Hässler betont zu Recht, dass die Mortalität nur durch Mammographie- screening nennenswert reduziert wer- den kann. 15 Jahre seit Anstoß des Bun- desausschusses unkontrolliert 45 000 vermeidbare Sterbefälle anhäufen zu lassen ist ein Skandal. Natürlich gibt es Optimierungsreserven bei der Behand- lung, aber nicht nur beim Brustkrebs.

In den USA ist wahrscheinlich die sechsthäufigste Todesursache auf einen Fehler in der Behandlung zurückzu- führen. Das Institute of Medicine hat daraufhin Vorschläge für ein sicheres Gesundheitssystem zusammengestellt (1, 2) und gegen die Fragmentierung der Versorgung votiert (2). Ein wichti- ger Schritt ist die Nutzung der Techno- logie, die jedem Arzt die Langzeit- ergebnisse seiner Patienten zugänglich machen könnte, wie es Hässler fordert.

Zugang zu Vergleichen mit anderen und – falls nach der Transparenz noch erforderlich – Sanktionen können zur Optimierung beitragen. Seit 15 Jahren hätte eine Infrastruktur für die Mammo- graphie mit sicherem Zugang zu frühe- ren Befunden und Bildern eingerichtet werden müssen, zur Unterstützung der Ärzte und damit für eine hohe Qualität.

Für die gesamte Onkologie könnte eine solche Innovationsoffensive innerhalb von Monaten gestartet werden. Lang- samkeit impliziert nicht Qualität und Fortschritt.

Dr. Steigerwald fordert von den Behandlungseliten, zu protestieren und sich für rationale Strukturen einzumi-

schen. Nicht nur den Ärzten ist von den Kassen evidenzbasierte Medizin (EbM) vorzuschreiben. Auch die Wirksam- keit – besseres Ergebnis und größere Wirtschaftlichkeit – der schönen neuen DMP-Welt wäre im Sinne der EbM zu belegen. Aber das ist mit dem Ansatz bereits ausgeschlossen worden.

Mit adäquater Öffentlichkeitsarbeit agieren, nicht reagieren, Konzepte entwickeln, nicht Erfüllungsgehilfe auf dem Weg in eine kafkaeske Welt sein ist der von Dres. Kraemer, Schauder, Schlipf und anderen ausgesprochene und vielfach geteilte Appell an Berufs- und Standesvertretungen. Es ist ange- sichts der Thematik mehr als peinlich, wenn sich Berufsverbände rühmen, ein paar Cent mehr für die Dokumentation

herausgeholt zu haben. Medico medicus lupus ist auf allen Ebenen wirksam und selbstdiskreditierend. Die Bereitschaft, vernünftige Reformen mitzutragen, wenn sie ärztliches Handeln unterstüt- zen, ist überall spürbar. Reformbereit- schaft und Konzepte müssen aber glaubwürdig und mit Nachdruck nach oben vermittelt werden, was Dr. Goetze fordert. Bisher ohne Erfolg, denn die Lösungen sind aus einer anderen Welt.

Dr. Petschow spricht indirekt den Grund an, warum heute Politik so nega- tiv besetzt ist. Denken, Reden und Handeln passen in der Regel nicht zu- sammen. Man denkt an den Bankrott von Krankenkassen und muss um- verteilen, mehr als eine Milliarde Euro

allein bei der Behandlung von Brust- krebs. Das verkauft man der Bevölke- rung als Qualitätssicherung und ver- langt als Legitimation von den Ärzten für „Peanuts“ eine Dokumentation praktisch für ein schwarzes Loch. Viel- leicht liegt es an der Innovations- euphorie, die das Gestern alt erscheinen lässt. Es ist lange her (1637), dass René Descartes seine Regeln zum richtigen Vernunftgebrauch publiziert hat.

Dr. Peters spricht rational das Krank- heitsbild an, das leider die weitgehende Wirkungslosigkeit des DMP begründet.

Lange vor der Primärtherapie findet die Metastasierung statt. Der Arzt kann nur die gesicherten Behandlungen optimal umsetzen und dann hoffen, dass die Pati- entin zum Beispiel bei einem pT1b- Tumor zu den 90 Prozent, bei pT1c zu den 72 Prozent, bei pT2 zu den 50 Prozent zählt, die geheilt wer- den und mehr als 15 Jahre ein er- fülltes Leben führen können. Der Epidemiologe hat die Fakten zu liefern und für die erforderlichen schlanken und nachhaltigen Struk- turen zu kämpfen. Er hat sich quasi als Dienstaufgabe für Public Health und für eine gute Versor- gung für die Bevölkerung, nicht nur für Einschreibungsfähige und -willige einzusetzen.

Besonderes Interesse verdienen auch Leserbriefe, die nicht einge- gangen sind: Niemand hat sich zu DMP Brustkrebs bekannt. Keine Evidenz für die vermeintliche Ver- sorgungskatastrophe wurde nach- geliefert. Keine Richtigstellung ist von Pressestellen eingegangen, die sonst reflexartig widersprechen, pars pro toto infrage stellen und Positives für ihre Institution verbreiten. Keine wissen- schaftliche Fachgesellschaft, die mit Un- ter- und Fehlversorgung eingeschüchtert wurde, hat aufgeatmet. Kein Berufs- verband hat eine Befreiungsoffensive von Bürokratie gestartet. Keine Standes- vertretung hat Stellung bezogen. Keine Persönlichkeit hat sich über zugesagte, aber nicht eingehaltene Gestaltungs- möglichkeiten empört.

>Welche Lernfähigkeit zeigt ein Land, wenn nicht dargelegt wird, wie eine sinnvolle Zielsetzung im autonomen Rä- derwerk von Gesetzesmaschinerie und Interessen ins Gegenteil gewendet wird?

T H E M E N D E R Z E I T

A

A3324 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 493. Dezember 2004

Mikroskopische Aufnahme eines Mammakarzinoms im Maßstab 170 : 1

(2)

T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 493. Dezember 2004 AA3325

>Welche Meinung hat eine Politik von ihrem Land, wenn erfundene Negativ- szenarien und bürokratischer Aktionis- mus existenziellen Geldtransfer in Milli- ardenhöhe begründen und als einmalige Qualitätsinnovation und Wirtschaftlich- keitsoffensive verkauft werden?

>Welche Moral herrscht in einem Land, wenn nicht zu haltende Heilungs- versprechen, Angstmache und Diskre- ditierungen von Krebspatienten einge- setzt werden, um hohe Einschreibungs- quoten zu erreichen?

>Welche Arroganz herrscht in einem Land, wenn Kritik und konstruktive Vorschläge nicht zur Kenntnis genom- men und echte Innovationen nicht an- gepackt werden?

>Welche Fantasielosigkeit und wel- ches Misstrauen herrschen in einem Land, wenn mit einem totalitären plan- wirtschaftlichen bürokratischen System jegliche Entwicklungsdynamik per Ge- setz unterdrückt wird?

>Welche Zukunft hat ein Land, wenn wissenschaftliche Fachgesell- schaften die Vorwürfe der Politik und Politikberatung widerspruchslos ertra- gen, dass sie schlechter als in anderen Ländern Rezepte ausstellen, schlechter Bestrahlungsgeräte bedienen, schlech- ter operieren, schlechter befunden, schlechter beraten und ihre Patienten schlechter begleiten?

Man kann nur in Anlehnung an Brechts Galileo schließen: Un- glücklich das Land, das fantasie- volle, selbstkritische, verantwortungs- bewusste, vernunftgeleitete, reform- fähige, ehrliche und sich einmischende Menschen so nötig hat und damit anerkennend allen danken, die mit Leserbriefen reagiert und vielen Mut gemacht haben.

Literatur

1. Committee on Quality of Health in America: Crossing the quality chasm – a new health system for the 21st century. Institute of Medicine. Washington: National Academy Press; 2001.

2. Kohn LT, Corrigan JM, Donaldson MS (ed): To err is human – building a safer health system. Committee on Quality of Health Care in America. Institute of Medicine. Washington: National Academy Press; 2001.

Prof. Dr. rer. biol.-hum. Dieter Hölzel Dr. med. Jutta Engel (MPH)

Dr. rer. biol.-hum. Gabriele Schubert-Fritschle Klinikum Großhadern

Marchioninistraße 15, 81377 München

D

ie Krankenkassen zelebrieren das Wohl ihrer Versicherten: In bun- ten Broschüren versprechen sie, die Versorgung chronisch Kranker zu verbessern. Ich erhalte eine Karte mei- ner Versicherung, dass ich „. . . kostenlos Teilnehmer eines der leistungsstärksten und modernsten Betreuungsprogram- me für Menschen mit Diabetes werden . . .“ kann.Weitere Informationen fände ich „in den nächsten Tagen in Ihrem Briefkasten“. Ich bin seit 24 Jahren Typ- 1-Diabetiker. Disease-Management- Programm ist „. . . für Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2“. Die – für mich wertlosen – „weiteren Informationen“

kommen nach fünf Wochen.

Andere Versicherte erhalten einen Fragebogen, in dem Größe, Gewicht und Blutdruck erfragt werden. Wird dieser beantwortet, folgt die Aufforde- rung, einen oralen Glucosetoleranztest durchführen zu lassen. Es lägen Risiko- faktoren vor, die eine Klärung erfor- derten. Wenn sich ein Diabetes heraus- stelle, bestehe gleich die Möglichkeit, sich für das Disease-Management- Programm (DMP) „Diabetes mellitus“

einzuschreiben. Herr N. hat keinen Diabetes mellitus. Der Hausarzt hat wiederholt Nüchternblutzuckerwerte

< 100 mg/dl und sogar einen HbA1c- Wert zur Langzeitkontrolle bestimmt

— abrechnungstechnisch problema- tisch bei Nicht-Diabetikern. Das weiß die Versicherung. Aber im Hinblick auf die für die Krankenkassen insbesonde- re beim Risikostrukturausgleich wich- tige Zahl der DMP-Teilnehmer wird alles in Bewegung gesetzt. Je DMP- Teilnehmer erhält die Versicherung ein

„Kopfgeld“.

Welch ein Vorgehen! Verwaltungs- technisch, abrechnungsorientiert und geldgierig! Als niedergelassener Ver- tragsarzt soll ich jedem von den Ver- sicherungen Angeschriebenen ausein- ander setzen, warum ein Glucosetole- ranztest nicht indiziert ist. Ich muss

mich sogar rechtfertigen, warum dieser bisher nicht erfolgt ist. Der Hausarzt soll „Lotse“ des Patienten im Gesund- heitswirrwarr sein.

DMP sind für motivierte Patienten mit guter Compliance und risikobe- wusstem Verhalten gedacht. Das sind bei weitem nicht alle, die eine „DMP- bedienbare Diagnose“ haben, sich aber um ihre Erkrankung kaum kümmern, sondern alles dem Doktor überlassen.

Wer keine Verantwortung übernimmt, kann nachher nicht schuldig sein.

Wie viele „doctor hoppers“ sind darunter, die von Kollegen bereits mit Engelszungen zu mehr Eigenaktivität und -verantwortung zu motivieren ver-

sucht wurden. Aber wenn sie zum nächsten kommen, klagen sie, dass man ihnen „gar nichts“ über Risiken und Folgen dieser Erkrankung sowie Möglichkeiten der auch selbst zu ge- staltenden Therapie gesagt habe. Sie haben von Gewichtsreduktion, Blut- zucker- und Blutdruckmessung oder Umsetzung eigener therapeutischer Konsequenzen bisher nichts gewusst.

Mit Charme vermitteln sie, dass sie erst jetzt die richtige Stelle gefunden haben. Solche Aussagen motivieren – zumindest den Arzt. Aber Eigenschaf- ten wie Phlegma und Ignoranz lassen sich nicht einmal eben aus dem Weg räumen. Langjährig unwillige, ah- nungslos brillierende Patienten in ein DMP zu stecken ist zwecklos. Ebenso sind manche Menschen mit den An- sprüchen, die eine Therapieschulung sowie deren Konsequenzen an sie stellt, überfordert. Nicht jeder kann sein eigener „Case Manager“ sein.

Gerade hier kann der Hausarzt wirkungsvoll als „Lotse“ fungieren.

Entscheidend ist die Motivation des Patienten zur Kompensation seiner Erkrankung und Erhalt oder Wieder- gewinn seiner Fähigkeiten. Diese Motivation ist über finanzielle Anreize zu steigern. Dr. med. Wolfgang Wagener

Disease Management

Zum Wohl – von wem?

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