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In vitro Studien für einen objektiven Vergleich geburtshilflicher Zugkräfte bei der Extraktion des Kalbes

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Nationalbibliografie;

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

1. Auflage 2008

© 2008 by Verlag: Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft Service GmbH, Gießen

Printed in Germany

ISBN 978-3-939902-91-1

Verlag: DVG Service GmbH Friedrichstraße 17

35392 Gießen 0641/24466 geschaeftsstelle@dvg.net

www.dvg.net

(5)

Tierärztliche Hochschule Hannover Klinik für Rinder

In vitro Studien für einen objektiven Vergleich geburtshilflicher Zugkräfte bei der Extraktion des Kalbes

INAUGURAL-DISSERTATION

zur Erlangung des Grades eines Doktors der Veterinärmedizin - Doctor medicinae veterinariae -

(Dr. med. vet.)

vorgelegt von Meik Becker

aus Fritzlar

Hannover 2008

(6)

Wissenschaftliche Betreuung: Prof. Dr. med. vet. Heinrich Bollwein

1. Gutachter: Prof. Dr. med. vet. Heinrich Bollwein 2. Gutachter: Prof. Dr. med. vet. Burkhard Meinecke

Tag der mündlichen Prüfung: 6. November 2008

Eine Arbeit mit Unterstützung durch die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

(7)

Meinen Eltern

Ingrid und August Becker

(8)
(9)

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Literatur ... 2

2.1 Der Geburtsweg...2

2.1.1 Anatomie des knöchernen Beckens ...2

2.1.2 Geburtsrelevante Parameter ...3

2.2 Das Kalb in Vorderendlage ...7

2.2.1 Geburtsrelevante Parameter des Vorderkörpers...7

2.3 Die physiologische Geburt ...11

2.3.1 Öffnungsstadium ...13

2.3.2 Aufweitungsstadium ...14

2.3.3 Austreibungsstadium ...15

2.4 Geburtsmechanik und Geburtskräfte ...17

2.5 Fetopelvines Missverhältnis...20

2.6 Manuelle Extraktion des Vorderkörpers ...21

2.6.1 Einzug und Auszug der Frucht ...22

2.6.2 Zugrichtung ...23

2.6.3 Zugkraft ...24

2.6.4 Zugmodi für den Auszug ...24

2.6.4.1 Der wechselseitige Auszug ... 27

2.6.4.2 Der gleichzeitige Auszug ... 29

3 Material und Methoden ... 32

3.1 Kälber ...32

3.2 Knöcherner Geburtsweg...32

3.3 Versuchsplanung ...33

3.4 Aufbau und Entwicklung der Kälber-Extraktionsanlage ...33

(10)

Inhaltsverzeichnis

3.4.1 Aufbau und Entwicklung der drehbaren Beckenhalterung...36

3.4.1.1 Beckenhalterung... 37

3.4.1.2 Drehgestell ... 39

3.4.2 Aufbau und Entwicklung der Auflageflächen für das Kalb ...40

3.4.2.1 Auflagefläche vor dem Beckeneingang ... 40

3.4.2.2 Auflagefläche hinter dem Beckenausgang ... 40

3.4.3 Aufbau und Entwicklung der Zug- und Steuerungsanlage...42

3.4.3.1 Aufbau der Zuganlage mit Drehzahlregelung ... 42

3.4.3.2 Die Steuerungsanlage ... 46

3.4.4 Aufbau und Entwicklung des Messsystems...48

3.4.4.1 Kraftaufnehmer... 48

3.4.4.2 Messmodul und Messkonverter... 51

3.4.4.3 Messsoftware ... 52

3.5 Durchführung der Untersuchungen...54

3.5.1 Geschwindigkeit der Zuganlage ...54

3.5.2 Überprüfung der Kraftsensoren ...54

3.5.3 Die Zugmodi ...55

3.6 Versuchsdesign...56

3.6.1 Vorversuch ...57

3.6.2 Hauptversuch ...57

3.7 Durchführung der Auszüge ...58

3.7.1 Messungen an den Kälbern...58

3.7.2 Einbau des knöchernen Geburtsweges...59

3.7.3 Der Auszug...62

3.7.3.1 Dokumentation der Auszüge ... 63

3.7.3.2 Speicherung und Auswertung der Daten... 64

3.8 Statistische Auswertung...67

4 Ergebnisse ... 69

4.1 Kälber ...69

4.2 Vergleich der Dimensionen von knöchernem Geburtsweg und Kälbern ...73

(11)

Inhaltsverzeichnis

4.3 Deskriptive Beurteilung der Änderungen der Kraft und Energie

in Abhängigkeit von Zeit und Körperstruktur ...73

4.3.1 Eintreten der Ellbogen ...78

4.3.2 Austreten der Brust...80

4.4 Vorversuch...81

4.4.1 Kraftmaxima bis zum Austreten des Kopfes bzw. Eintritt der Ellbogen ...81

4.4.2 Kraftmaxima bis zum Austreten der Brust ...82

4.4.3 Reproduzierbarkeit ...83

4.4.4 Einfluss der Lokalisation des Zugbeginns bei den wechselseitigen Zugmodi ...85

4.5 Hauptversuch...85

4.5.1 Kraft- und Energieaufwand bis zum Austreten des Kopfes ...85

4.5.1.1 Kraft- und Energievergleich an beiden Gliedmaßen ... 86

4.5.1.2 Kraft- und Energievergleich an einer Gliedmaße... 87

4.5.2 Kraft- und Energieaufwand bis zum Austreten der Brust...87

4.5.2.1 Kraft- und Energievergleich an beiden Gliedmaßen ... 88

4.5.2.2 Kraft- und Energievergleich an einer Gliedmaße... 88

5 Diskussion ... 90

5.1 Kälber ...91

5.2 Knöcherner Geburtsweg...92

5.3 Kälber- Extraktionsanlage ...94

5.4 Durchführung der Auszüge ...96

5.5 Kräfte und Energie als beurteilungsrelevante Größen...98

5.6 Auftreten der Maximalkräfte bei den Auszügen...100

5.7 Vorversuch...103

5.8 Zugempfehlung bis zum Austreten des Kopfes ...105

5.9 Zugempfehlung bis zum Austreten der Brust...108

5.10 Schlussfolgerungen und Ausblick...110

6 Zusammenfassung... 112

(12)

Inhaltsverzeichnis

7 Summary ... 115

8 Anhang ... 118

9 Verzeichnisse... 130

9.1 Literaturverzeichnis ...130

9.2 Abkürzungsverzeichnis ...145

9.3 Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen ...147

(13)

Einleitung

1 Einleitung

In den letzten Jahren wurde in der Literatur über einen deutlichen Anstieg der Totgeburtenrate beim Rind berichtet (BERGLUND et al. 1987; CHASSAGNE et al.

1999; DONOVAN et al. 2003; ESSMEYER 2006). Eine schlechtere Vitalität des Neugeborenen in der Perinatalphase (ZAREMBA et al. 1995), sowie diverse Verletzungen beim Kalb (FERGUSON et al. 1990; STEINHARDT et al. 1992;

AGERHOLM et al. 1993; FERGUSON 1994; MEE 2004) und auch die Zahl der Totgeburten sind nachweislich auf einen hohen Anteil falscher geburtshilflicher Maßnahmen zurückzuführen (BELLOWS et al. 1988; MCDERMOTT et al. 1992;

TOMASKOVIC et al. 1997). So hat ESSMEYER (2006) im Rahmen ihrer Dissertation bei allen totgeborenen Kälbern Frakturen oder Rippenluxationen bei Geburt durch schweren Auszug nachgewiesen. Diese Verluste sind zumindest teilweise vermeidbar (MEE 2004) und stellen nicht nur wirtschaftlich eine Bedeutung dar (NEVILLE et al. 1978; DEMATAWEWA u. BERGER 1997; ESSMEYER 2006), sondern spielen auch unter dem Aspekt des Tierschutzes eine wichtige Rolle (PADBERG 1993).

Schon bereits vor mehr als 175 Jahren wurden in der Veterinärmedizin erste Grundregeln zur Geburtshilfe beim Rind aufgestellt (BINZ 1830; GÜNTHER 1830).

Dennoch gibt es bis zum heutigen Tag immer noch kontroverse Ansichten über das korrekte Vorgehen bei der Geburt und es werden Empfehlungen sowohl für den wechselseitigen als auch den gleichzeitigen Zugmodus gegeben. Diese divergierenden Aussagen begründen sich vermutlich darauf, dass die meisten davon auf Empirie beruhen, was die Forderungen von HINDSON (1978) und SCHUIJT (1990), geburtshilfliche Maßnahmen mit objektivierbaren Methoden zu beurteilen, nachvollziehbar macht.

Ziel dieser Arbeit ist es daher, ein in vitro Modell zu entwickeln, mit dem die Zugkräfte und die Energien bei wechselseitigem und gleichzeitigem Auszug der Kälber durch den Geburtskanal miteinander verglichen werden können. Dies soll objektive Aussagen über den optimalen Zugmodus für die Entwicklung des Vorderkörpers ermöglichen.

(14)

Literatur

2 Literatur

2.1 Der Geburtsweg

Als Geburtsweg oder Geburtskanal werden diejenigen Teile des weiblichen Genitales und seiner Umgebung bezeichnet, durch welche die Frucht bei der Geburt in die Außenwelt gelangt (GRUNERT 1993). In der Geburtskunde spricht man vom knöchernen und vom weichen Geburtsweg (GRUNERT u. RÜSSE 1978). Die Größe des knöchernen Geburtsweges, welche durch das knöcherne Becken umgrenzt wird, bestimmt nach GRUNERT und RÜSSE (1978) die maximale Weite des Geburtskanals. Das knöcherne Becken kann ein Geburtshindernis darstellen (KÖNIG u. LIEBICH 2001) und ist aus Sicht der Geburtshilfe als Ganzes im Hinblick auf seine Raumverhältnisse zu betrachten (BAIER u. BERCHTHOLD 1981).

2.1.1 Anatomie des knöchernen Beckens

Das knöcherne Becken ist ein Teil der Beckenhöhle (NICKEL et al. 1992). Letztere wird dorsal durch das Kreuzbein und die ersten drei bis vier Schwanzwirbel, ventral durch das Schambein und das Sitzbein sowie beiderseits lateral durch das Darmbein und den Körper des Sitzbeins mit dem Pfannenkamm begrenzt (NICKEL et al. 1992).

Die in der Beckenpfanne (Acetabulum) verschmolzenen Teile des Scham-, Sitz- und Darmbeins bilden das Hüftbein (Os coxae). Die beiden gegenüberliegenden Hüftbeine sind ventral in der medianen Beckenfuge knorpelig und bindegewebig miteinander verbunden (NICKEL et al. 1992). Die Beckenfuge besteht aus zwei Teilen. Der Schambeinanteil verknöchert ab einem Alter von fünf Jahren, während die Sitzbeinsymphyse meist knorpelig ausgebildet bleibt (KÖNIG u. LIEBICH 2001).

Die Beckenfuge stellt eine feste, jedoch nicht starre Verbindung dar und kann bei weiblichen Tieren unter hormoneller Beeinflussung auseinanderweichen (KÖNIG u.

LIEBICH 2001). In die dorsal zwischen den Hüftbeinen bestehende Lücke fügt sich das Kreuzbein von ventral ein. Es besteht aus fünf Kreuzwirbeln, die im dritten bis fünften Lebensjahr miteinander verschmelzen (NICKEL et al. 1992). Das Kreuzbein und das Becken sind über ein straffes Gelenk, das Kreuzdarmbeingelenk,

(15)

Literatur

miteinander verbunden (NICKEL et al. 1992; KÖNIG u. LIEBICH 2001). Es stellt somit die Verbindung der Beckengliedmaße mit der Wirbelsäule her (KÖNIG u.

LIEBICH 2001). Unter Änderung der hormonellen Einflüsse um den Zeitpunkt der Geburt ist im Kreuzdarmbeingelenk eine Auflockerung festzustellen (SCHEBITZ 1980a; NICKEL et al. 1992).

Die Beckenbänder vervollständigen die seitliche Begrenzung des Beckens. Das breite Beckenband (Ligamentum sacrotuberale latum) entspringt am lateralen Rand des Kreuzbeins und inseriert an einer Anheftungslinie, kranial beginnend an dem Pfannenkamm bis kaudal zum Sitzbeinhöcker reichend (KÖNIG u. LIEBICH 2001).

Nach SCHULZ et al. (1968) und STEINER (1979) erschlafft beim graviden Tier das sonst straff gespannte Band ein bis zwei Wochen vor der Geburt. Dies wird auch als Einfallen oder Einbrechen der Beckenbänder bezeichnet, welches äußerlich von STEINER (1979) und HARTWIG (1983) zwei Tage ante partum beobachtet wurde.

2.1.2 Geburtsrelevante Parameter

Weite und Form des Beckens sind entscheidend für die Durchtrittsfähigkeit der Frucht. Besonderes Interesse gilt dabei dem Beckeneingang (Apertura pelvis cranialis), weil dieser häufig ein Geburtshindernis darstellt (PRICE u. WILTBANK 1978a; BELLOWS et al. 1988; JOHNSON et al. 1988). Immer wieder ist versucht worden, durch Messungen am Becken (Pelvimetrie) Angaben über die Weite des knöchernen Geburtskanals zu erhalten, um die Schwere des Geburtsverlaufs beurteilen zu können (HAMEL 1963; KRAHMER u. JAHN 1970; MENISSIER u.

VISSAC 1971; JAEKEL 1982; JOHNSON et al. 1988; HARTWIG 1993; WALKER et al. 1994). Durch die morphometrische Beurteilung freier Verbindungslinien, den Diametern zwischen festen Knochenpunkten, können Hinweise auf die Dimensionen der Beckenhöhle erhalten (KÖNIG u. LIEBICH 2001) und die Größe des knöchernen Geburtsweges objektiv eingeschätzt werden (BUDRAS 2002). Nachfolgend werden diese Diameter definiert und in Abbildung 2.1 und 2.2 dargestellt.

(16)

Literatur

Die Conjugata vera (Cv) gibt als mediane Verbindungslinie vom Promontorium ossis sacri zum kranialen Ende der Beckenfuge den Höhendurchmesser des Beckeneingangs an (MENISSIER u. VISSAC 1971; LASTER 1974; SCHLOTE et al.

1978; BARTOSIEWICZ 1983; BELLOWS et al. 1988; NICKEL et al. 1992). Die Pektenvertikale (Pv) ist die senkrechte Verbindungslinie zwischen dem kranialen Ende der Beckenfuge und der Ventralfläche des Kreuzbeins bzw. der Schwanzwirbel (HAMEL 1963; MORRISON et al. 1985; JOHNSON et al. 1988; SCHULZ et al. 1990;

VAN DONKERSGOED et al. 1990; NICKEL et al. 1992; WEIHER et al. 1992;

BASARAB et al. 1993; WALKER et al. 1994). Sie kennzeichnet den klinisch wichtigen und wirklichen Höhendurchmesser (GRUNERT u. RÜSSE 1978;

BERGLUND et al. 1987; NICKEL et al. 1992; HARTWIG 1993). Von den Querdurchmessern des Beckeneingangs ist die mittlere Beckenhorizontale, (mQ1) die wichtigste (BENESCH 1957a; MENISSIER u. VISSAC 1971; NICKEL et al.

1992). Sie beschreibt den Abstand zwischen den Tubercula musculi psoas minoris (KRAHMER u. JAHN 1970; LASTER 1974; SCHLOTE et al. 1978; BARTOSIEWICZ 1983; MORRISON et al. 1985; BASARAB et al. 1993). Der dorsale (dQ) und ventrale (vQ) Querdurchmesser sind für die Praxis wenig bedeutsam (NICKEL et al. 1992;

BUDRAS 2002). Die Diagonalen (D) im Beckeneingang bezeichnen den Abstand zwischen der Unterkante des Kreuzbeins in Höhe des Kreuzdarmbeingelenks einerseits und der Oberkante der Eminentia iliopubica andererseits (MENISSIER u.

VISSAC 1971; SCHULZ et al. 1990). Der Abstand zwischen der Mitte der beiden Pfannenkämme bildet den mittleren Querdurchmesser der Beckenhöhle (mQ2).

Dieser kann infolge ihrer Höhe beim Rind den Geburtsweg störend verengen (NICKEL et al. 1992; BUDRAS 2002). Als Querdurchmesser des Beckenausgangs (kQ) gilt die Entfernung zwischen den medialen Enden der beiden Sitzbeinhöcker (KRAHMER u. JAHN 1970; BARTOSIEWICZ 1983; NICKEL et al. 1992).

(17)

Literatur

Abb. 2.1: Beckenknochen des Rindes; Kranialansicht (mod. nach NICKEL et al.

(1992)).

dQ = dorsaler Beckeneingangsquerdurchmesser; mQ1 = mittlerer Beckeneingangsquerdurchmesser; vQ = ventraler Beckeneingangs- querdurchmesser; Cv = Conjugata vera; D = Diagonale des Beckeneingangs

Abb. 2.2: Beckenknochen des Rindes; Ansicht von links und etwas dorsal (mod.

nach NICKEL et al. (1992)).

Pv = Pektenvertikale; mQ2 = Beckenhöhlenquerdurchmesser; kQ = kaudaler Querdurchmesser

(18)

Literatur

Zur Beschreibung des Beckens werden in Zusammenhang mit Geburtsstörungen hauptsächlich die Pektenvertikale und die Beckenhorizontale herangezogen, da diese am besten die Beckenöffnung als kritische Größen des gesamten knöchernen Geburtsweges charakterisieren (SCHEBITZ 1980a; BERGLUND et al. 1987;

WEIHER et al. 1992). Der Beckeneingang selbst wird von der Linea terminalis umrahmt. Diese verläuft vom Promontorium ossis sacri über die Kreuzbeinflügel entlang der Linea arcuata zum Pecten ossis pubis (BERGLUND et al. 1987; NICKEL et al. 1992; KÖNIG u. LIEBICH 2001). Die von ihr umschriebene Beckeneingangsfläche (PA) hat eine rundlich-ovale Form, ihre Größe wird annäherungsweise nach der Formel für ein Rechteck (PRICE u. WILTBANK 1978b;

JOHNSON et al. 1988; WEIHER et al. 1992) oder eine Ellipse (MENISSIER u.

VISSAC 1971; MORRISON et al. 1985) berechnet.

Die innere Beckenmessung wurde bei verschiedenen Rinderrassen durchgeführt.

Die Autoren veröffentlichten Durchschnittswerte für die geburtsrelevanten Parameter von Rinderbecken der Rasse Charolais (SMIRNOV 1979), Blaue Belgier (MURRAY et al. 2002; COOPMAN et al. 2003), Hereford (BELLOWS et al. 1988; JOHNSON et al. 1988), Deutsches Fleckvieh (SCHEBITZ 1980a; JAEKEL 1982) und Deutsch Schwarzbunt (HAMEL 1963; KRAHMER u. JAHN 1970; STEINER 1979; WEIHER et al. 1992) in Abhängigkeit von Parität und Alter. Bisher wurden nur sehr wenige Studien zu Beckenmessungen bei der Rasse Holstein Friesian veröffentlicht.

ESSMEYER (2006) untersuchte in ihrer Studie die Becken von 153 Färsen und 301 Kühen dieser Rasse vor der Geburt. Für den Parameter der Conjugata vera (Cv) gab sie Werte bei Färsen von 17,6 ± 0,1 cm und bei Kühen von 19,78 ± 0,1 cm an. Bei dem mittleren Beckeneingangsquerdurchmesser (mQ1) betrugen die Diameter in der Gruppe der Primipara 16,76 ± 0,1 cm und in der Gruppe der Pluripara 18,98 ± 0,1cm.

(19)

Literatur

2.2 Das Kalb in Vorderendlage

Die physiologische Geburt des Kalbes erfolgt zu 95% (BUSCH u. SCHULZ 1993;

BOSTEDT 2003; MOMONT 2005) bis 98% (KALBE et al. 1988) in Vorderendlage.

Der Vorderkörper tritt dabei physiologischerweise in oberer Stellung und gestreckter Haltung in den Geburtsweg ein (BAIER u. BERCHTHOLD 1981; BUSCH 1993a;

GRUNERT u. ANDRESEN 1996), d.h. der Rücken der Frucht zeigt zum Rücken der Mutter und der gestreckte Kopf liegt auf den Vordergliedmaßen (GRUNERT u.

RÜSSE 1978; GRUNERT 1993). Nach BAIER und BERCHTHOLD (1981) sollte in Vorderendlage der Kopf mit dem Unterkiefer so auf den gestreckten Extremitäten liegen, dass die Nasenspitze mindestens den Fesselkopf erreicht. Laut BOECKER und RÜSSE (1983) kommen bei gestreckten Vordergliedmaßen beide Ellbogen unter dem Hals des Kalbes zu liegen, wodurch eine für die Geburt günstige Keilform des Vorderkörpers entsteht (RÜSSE 1983).

2.2.1 Geburtsrelevante Parameter des Vorderkörpers

Bei der Passage des knöchernen Geburtsweges können verschiedene fetale Körperstrukturen Geburtsstörungen verursachen (BENESCH 1957b; RÜSSE et al.

1978; RÜSSE 1981; GRUNERT u. ANDRESEN 1996). Kopf, Ellbogen, Schulter, Brust, Scheitel-Steiß-Länge und Körpergewicht werden in der Literatur vorwiegend als geburtsrelevante Strukturen bei Kälbern in Vorderendlage genannt, worauf im Folgenden näher eingegangen wird.

Der Stirnbereich und die auf Augenhöhe des Kopfes liegenden Karpalgelenke bilden zusammen einen der größten Querschnitte (STEINER 1979; RÜSSE et al. 1985;

GRUNERT u. ANDRESEN 1996). SCHEBITZ (1980a) und BOECKER (1982) ermittelten bei Fleckviehkälbern für den Umfang von Kopf und Beinen Maximalwerte von 62,8 ± 4,2 cm bzw. 51,0 ± 2,1 cm. Die höchsten Werte für die dazugehörigen senkrechten Durchmesser lagen bei 19,6 ± 2,1 cm bzw. 14,6 ± 1,1 cm. Andere Autoren ermittelten die Kopfgröße an Hand von Messungen der Scheitelbreite (STEINER 1979; PADBERG 1993; ESSMEYER 2006). Diese wurde als Abstand

(20)

Literatur

zwischen den äußersten Punkten der Jochbögen definiert (STEINER 1979).

STEINER (1979) erhielt für Kälber der Rasse HF von Färsen und Kühen Mittelwerte von 10,7 bis 13,2 cm, wobei die Werte mit der Zahl der Paritäten der Muttertiere anstiegen. In der von ESSMEYER (2006) durchgeführten Studie zur Aufklärung der Ursachen einer erhöhten Häufigkeit von Totgeburten wiesen die Kälber von Färsen signifikant geringere Scheitelbreiten (11,96 ± 0,05 cm) auf als die der Kühe (12,29 ± 0,03 cm). PADBERG (1993) beobachtete dagegen keine solchen Zusammenhänge.

In seiner Studie zeigten die Kälber primiparer Muttertiere Werte von 13,5 ± 1,1 cm und diejenigen pluriparer Tiere von 13,4 ± 0,9 cm für die Scheitelbreite.

Im Rahmen von Kraftaufwandmessungen bei unterschiedlichen Zugmodi zur Extraktion des fetalen Schultergürtels durch ein Rinderbecken hat BOECKER (1982) unter anderem die Körperumfänge auf Höhe der Ellbogen vermessen. Dies erfolgte zum einen bei völliger Streckung der beiden Vordergliedmaßen und zum anderen bei beidseitig bzw. einseitig gebeugten Ellbogengelenken. Angaben zum Grad der Streckung oder Beugung der Gliedmaßen wurden von der Autorin nicht gemacht. Die aus den Angaben der Studie errechneten Werte zeigten, dass die Umfänge bei gestreckten Ellbogen mit einem Wert von 69,7 ± 5,8 cm wesentlich geringer waren als bei beidseitig gebeugten Ellbogengelenken mit einem Wert von 84,5 ± 6,0 cm.

Ähnliches galt auch bei einseitiger Ellenbogenbeugung mit einem Wert von 77,9 ± 6,5 cm. BOECKER (1982) verglich daneben auch die Umfänge auf Höhe der Buggelenke. Bei gestreckten Vordergliedmaßen war der durchschnittliche Umfang der aus den Angaben errechneten Werte mit 72,0 ± 6,4 cm kleiner als bei beidseitiger Schulterbeugehaltung mit einem Wert von 78,9 ± 7,7 cm. Für die einseitige Schulterbeugehaltung wurden keine Messungen angegeben. Nach BOECKER (1982) hatten die Kälber einen bedeutend schmaleren Umfang in der Schulterpartie bei gestreckten Vorderextremitäten als bei Abwinkelung beider Ellbogengelenke. Diese Körpermessungen wurden an zehn toten Kälbern von extern durchgeführt, nachdem jedes Kalb im Rahmen der Untersuchungen in verschiedenen Zugvarianten zunächst fünfzehnmal durch ein knöchernes Becken gezogen worden war.

(21)

Literatur

Im Bereich der Brust maßen SCHEBITZ (1980a) und BOECKER (1982) die größten senkrechten Durchmesser mit 25,9 ± 1,9 cm und 23,5 ± 1,8 cm. Die größten Umfänge auf Höhe des Brustkorbes lagen bei 75,0 ± 4,5 cm und 72,5 ± 4,5 cm. Die Brust war damit in Durchmesser und Umfang die größte fetale Struktur des Vorderkörpers. Allerdings ist der Thorax nach SCHEBITZ (1980a) beim Kalb im Gegensatz zum Kopf elastisch und kann sich so leicht der Form des mütterlichen Beckens anpassen.

Auch die Scheitel-Steiß-Länge (SSL) wurde des Öfteren auf Zusammenhänge zum Geburtsverlauf überprüft. BOECKER (1982) ermittelte für die SSL einen Wert von 89,2 ± 3,1 cm. Dieser Parameter allein erlaubt ihrer Ansicht nach aber so gut wie keine Aussage über das Gewicht oder die Größe der Kälber (BOECKER 1982). In der von PADBERG (1993) durchgeführten Studie zur Quantifizierung der Zugkräfte mechanischer Geburtshelfer nahm dagegen mit zunehmender durchschnittlicher Körperlänge die Schwere der Geburt zu. PADBERG (1993) klassifizierte dabei die Schwere der Geburt anhand der aufgewendeten Zugkräfte und der Extraktionsdauer.

Die Zugkräfte wurden in der Einheit Kilopond (kp) angegeben, wobei 1 kp ca.

9,81 Newton (N) entspricht. Die Einteilung wird hier zur besseren Übersicht in der Einheit Newton angegeben. Eine Zugkraft im Bereich bis 500 N pro Bein definierte der Autor als leicht, bis 800 N pro Bein als mittelschwer und eine Zugkraft im Bereich bis 1400 N pro Bein als schwere Zugkraft. So wurden von PADBERG (1993) bei leichter Zugkraft (n = 7) eine SSL von 92 ± 6,8 cm, bei mittelschwerer Zugkraft (n=11) eine SSL von 91 ± 7,0 cm und bei schwerer Zugkraft (n =6) eine SSL von 99

± 5,5 cm SSL ermittelt (PADBERG 1993).

Um Rückschlüsse auf die Größe des Kalbes zu ziehen wurde auch das Körpergewicht als ein bestimmendes Maß gesehen (PRICE u. WILTBANK 1978b;

PADBERG 1993; ESSMEYER 2006). Nach ESSMEYER (2006) waren bei schweren Kälbern auch die für die Geburt bestimmende Körperteile größer. Dies beobachtete ebenfalls STEINER (1979) und wies auch darauf hin, dass es große Schwankungen in Größe und Umfang bei Kälbern mit gleichem Körpergewicht gibt. Direkte

(22)

Literatur

Rückschlüsse vom Körpergewicht des Kalbes auf die Körperdimensionen können daher laut STEINER (1979) nicht gezogen werden. Auch BOECKER (1982) kam zu dem Ergebnis, dass das Körpergewicht allein keine sichere Aussage über dessen Körperumfänge erlaubt. Dagegen war die Schwere der Geburtshilfe nach PADBERG (1993) deutlich vom Körpergewicht abhängig. In der letztgenannten Arbeit betrug bei leichten Geburten das Körpergewicht von den Kälbern 41,3 ± 4,6 kg, bei mittelschweren Geburten 43,0 ± 5,6 kg und bei schweren Geburten 49, 5 ± 6,2 kg (PADBERG 1993).

(23)

Literatur

2.3 Die physiologische Geburt

Für den Begriff „physiologische Geburt“ gibt es eine Vielzahl von Definitionen.

NAAKTGEBOREN und SLIJPER (1969) verstehen darunter den unkomplizierten Übergang des Fetus vom intra- zum extrauterinen Milieu und SCHULZ et al. (1968) beschreibt diese als die Austreibung einer reifen, lebenden Frucht zusammen mit den Fruchthüllen und Fruchtwässern. ROBERTS (1986) dagegen schließt auch die Rückbildung des Uterus mit in den physiologischen Geburtsverlauf ein. Unter normalen Umständen ist die Geburt eine kontinuierliche Abfolge von Prozessen, bei denen ein Stadium meist unmerklich in das nächste übergeht. Die Zeitdauer der einzelnen Stadien ist dabei von der jeweiligen Rasse und dem Alter bzw. der Anzahl vorangegangener Geburten des Muttertieres abhängig (SLOSS u. DUFTY 1980a).

Aus klinischer Sicht gilt es als sinnvoll die Geburt in verschiedene Stadien zu untergliedern (BAIER u. BERCHTHOLD 1981; GRUNERT 1993), wobei diesbezüglich und im Blick auf die zeitliche Abgrenzung der einzelnen Abschnitte des Geburtsverlaufes bis heute keine einheitliche Meinung besteht. Grundsätzlich aber teilen die meisten Autoren die normale Geburt in drei Stadien ein, nämlich das Öffnungs-, das Austreibungs- und das Nachgeburtsstadium (GRUNERT u. RÜSSE 1978; BAIER u. BERCHTHOLD 1981; ROBERTS 1986; GRUNERT 1993; NOAKES 2001; BOSTEDT 2003; JACKSON 2007; NORMAN u. YOUNGQUIST 2007). SLOSS und DUFTY (1980a) zählen dagegen auch das Vorbereitungsstadium zu der normalen Geburt. Andere Autoren unterteilen das Austreibungsstadium nochmals in die Stadien der Aufweitung und der eigentlichen Austreibung (WALTHER u. MARX 1957; RÜSSE 1982a; MARX et al. 1987; SCHULZ u. SAUCK 1988; BUSCH 1993a;

BUSCH u. SCHULZ 1993; GRUNERT u. ANDRESEN 1996). Diese variable Einteilung der Geburt ist mit unterschiedlichen Angaben zu den Vorgängen und dem zeitlichen Ablauf der Austreibungsphase verbunden. Eine Zusammenfassung der in der Literatur dargestellten Angaben hinsichtlich der Dauer des Öffnungs-, Aufweitungs- und Austreibungsstadiums enthält Tabelle 2.1.

(24)

Literatur

Tab. 2.1: Zusammenfassung der Literaturangaben über die Dauer der Öffnungs-, Aufweitungs- und Austreibungsphase.

Autor Öffnungsphase Aufweitungsphase Austreibungsphase WALTHER und

MARX (1957)

Kuh: 3 - 4 h Färse: 3 - 6 h

Kuh:0,5 - 22 h

Färse: 2 – 3 h 10 - 20 min SCHULZ et al.

(1968)

Kuh: 3 - 4 h

Färse: 3 – 6 h ca. 2 h 10 - 20 min

DUFTY (1973) k.a. n.d. 1 h 52 min

BAIER und BERCHTHOLD

(1981)

Kuh: 3 - 6 h

Färse:> 3 - 6 h n.d.

Kuh:3 h, teilweise 1,5 – 2 h Färse: 3 h, selten 5 – 6 h BAZER und FIRST

(1983) 2 – 6 h n.d. 30 – 40 min

HARTWIG (1983) Kuh: 146 (60 - 302) min

Färse: 131 (85 -193) min n.d. Kuh: 64 (23 – 144) min Färse: 61 (22 – 102) min ROBERTS (1986) Kuh: 1 – 4 h

Färse: länger als Kuh n.d. Kuh: 0,5 – 1 h

Färse: > 3 h MARX et al.

(1987) k.A. 55 min (Max.: 4 h) 2 min (Max.: 12 min)

SCHULZ und

SAUCK (1988) k.A. Kuh: 18,4 min

Färse: 53,6 min

Kuh: 2,6 min Färse: 2,9 min

GRUNERT (1993) 6 - 16 h n.d. Kuh: 0,5 – 1 h

Färse: 3 h

BUSCH (1993a) 6 – 12 h 3 h Bis zu 10 min

GRUNERT und ANDRESEN

(1996)

6 - 16 h Kuh: 0,5 – 1 h

Färse: 1 – 3 h 5 – 10 min

BOSTEDT (2003) 8 - 12 h n.d. Kuh: bis zu 2 h

Färse: 4 – 6 h WEHREND et al.

(2005) k.A. n.d. Kuh: 18,0 ± 2,1 min

Färse: 40,1 ± 1,5 min

JACKSON (2007) 4 - 24 h n.d. 0,5 – 3 h

NORMAN und YOUNGQUIST

(2007)

6 h

Färse bis 24 h n.d. Kuh: 2 – 4 h

Färse: länger als Kuh k.A. = keine Angaben; n.d. = nicht definiert; h = Stunden; min = Minuten, Max. = Maximum

(25)

Literatur

2.3.1 Öffnungsstadium

Nach RÜSSE (1965) weitet sich während des Öffnungsstadiums infolge einer Tonussenkung der glatten Uterusmuskulatur der Zervikalkanal im Bereich des inneren Muttermundes. Der Fetus sinkt in das kranioventrale Abdomen ab. Die supravaginale Ausbuchtung des Uterus verstreicht und die Klauenspitzen der Frucht gelangen direkt vor den sich öffnenden inneren Muttermund. Anschließend drücken die nach kaudal gerichteten tubocervikalen Öffnungswehen die Fruchthüllen vorsichtig, aber fortwährend in den Gebärmutterhalskanal (BAIER u. BERCHTHOLD 1981; GRUNERT 1993).

Äußerlich ist der Beginn der Öffnungsphase nur schwer zu erkennen. RÜSSE (1965) bezeichnet den Beginn dieses Stadiums auch als latente Phase der Geburt. Mit fortschreitender Dauer dieser Phase zeigen die Tiere vermehrt Verhaltensweisen wie Unruhe, Trippeln mit den Hintergliedmaßen und anhaltendes Schwanzabhalten (HARTWIG 1983; SCHULZ u. SAUCK 1988; BUSCH u. SCHULZ 1993). Nach BOSTEDT (2003) ist das Öffnungsstadium der Geburt mit dem Eintritt des auf den Karpalgelenken liegenden Kopfes in den Gebärmutterhals beendet. Da dies von außen ohne geburtshilfliche Untersuchungen schwer festzustellen ist, wird vielfach das Erscheinen der Phalangen in der Rima vulvae als Ende dieser Geburtsphase bezeichnet (WALTHER u. MARX 1957; SCHULZ et al. 1968; SCHULZ u. SAUCK 1988). Dagegen signalisiert laut BERGLUND et al. (1987) das Erscheinen der Allantois, nach GRUNERT und ANDRESEN (1996) die Ruptur der ersten Fruchtblase und gemäß RÜSSE (1983), HARTWIG (1983) und MARX et al. (1987) das Zerbersten der Amnionblase das Ende der Öffnungsphase und gleichzeitig den Beginn der Aufweitungsphase.

Die Angaben für die Zeitdauer der Öffnungsphase sind sehr unterschiedlich. Sie variieren von drei Stunden (WALTHER u. MARX 1957) bis zu 24 Stunden (JACKSON 2007). Meist werden Zeiträume von sechs bis 16 Stunden genannt (GREGORY 1977; GRUNERT u. ANDRESEN 1996).

(26)

Literatur

2.3.2 Aufweitungsstadium

Das Aufweitungsstadium ist nach WALTHER und MARX (1957) ein für den Geburtsablauf besonders entscheidender Vorgang. Durch die in den Geburtsweg drängenden Fruchtblasen bzw. nach deren Sprengung durch die Frucht selbst weitet sich dieser, insbesondere aber weiten sich der Hymenalring und die Vulva. Aufgrund des zunächst relativ hohen Widerstandes kommt es in dieser Phase zu einem scheinbaren Stillstand der Geburt (WALTHER u. MARX 1957; SCHULZ et al. 1968).

Nach völliger Öffnung des Muttermundes wird das Kalb durch eine Kontraktion soweit in das Becken des Muttertieres vorgeschoben, dass sein Kopf auf den inneren Muttermund einen Druck ausübt. Hierdurch werden über den Fergusonreflex Oxytocin induzierte Gebärmutterkontraktionen ausgelöst (RÜSSE 1965; 1983).

Anschließend setzt über Druckrezeptoren in der Vagina der Entleerungsreflex und damit die Bauchpresse ein (RÜSSE 1965; GRUNERT 1993). Die von Bauchpressen begleiteten Austreibungswehen schieben das Kalb pro Wehe im Normalfall um 0,5 bis 1cm (RÜSSE 1983) bzw. 1 bis 2 cm (GRUNERT 1993) im Geburtskanal voran.

Sobald das Flotzmaul in der Scham sichtbar wird, kann besonders bei Erstgebärenden eine erneute Verzögerung durch den sich weitenden Hymenalring eintreten (RÜSSE 1983; GRUNERT 1993).

Die Tiere legen sich während der ersten Wehen mit Bauchpressenstößen meist nieder und nehmen die Seitenlage unter Abspreizen der Beine ein (HARTWIG 1983;

RÜSSE 1983). Das Ende der Aufweitungsphase definieren GRUNERT und ANDRESEN (1996) mit dem Austreten der Stirn. Dies stimmt in etwa mit der Defintion von WALTHER und MARX (1957) und von SCHULZ und SAUCK (1988) überein, wonach der Beginn der Austreibungsphase dadurch gekennzeichnet ist, dass nach dem Abschluss einer Bauchpresse die Frucht nicht mehr in den Geburtsweg zurückgleiten kann. Bei Vorderendlage ist dies laut SCHULZ und SAUCK (1988) nach dem Austreten der Augenbögen des Kalbes durch die Rima vulvae der Fall.

(27)

Literatur

Eine Studie, bei welcher über einen Zeitraum von 25 Jahren 3582 Abkalbungen ausgewertet wurden, ergab für das Aufweitungsstadium eine durchschnittliche Zeitdauer von 55 Minuten, in Einzelfällen sogar von bis zu vier Stunden (MARX et al.

1987). Nach SCHULZ und SAUCK (1988) dauert die Aufweitung bei Färsen im Mittel dreimal länger als bei Kühen (x = 53,6 min; Min.: 16 min; Max.: 133 min; n= 7; vs

x = 8,4 min; Min.: 3 min; Max.:48 min; n= 16).

2.3.3 Austreibungsstadium

Der Austritt des Kopfes durch die Schamlippen erfolgt meist auf dem Höhepunkt einer Presswehe (GRUNERT 1993) und markiert, wie oben bereits erwähnt, den Übergang von der Aufweitungs- in die Austreibungsphase. Die nächste Wehe schafft in der Regel mühelos die Austreibung der Brustpartie bis zum Bauch des Kalbes (RÜSSE 1983). Zu diesem Zeitpunkt liegt das Kalb mit maximal nach vorne gebeugten Oberschenkeln und abgewinkelten Knie- und Sprunggelenken in der kleiner werdenden Gebärmutterhöhle. Die Kniegelenke des Kalbes stoßen am mütterlichen Beckenboden an, wodurch die nächste Wehe nur das Becken des Kalbes über die festsitzenden Kniegelenke in das mütterliche Becken schiebt. Hüft- und Kniegelenke werden so gleichzeitig in Streckstellung gebracht. Da Becken und Wirbelsäule der Frucht fest miteinander verbunden sind, wird durch das Kippen des Beckens über die Kniegelenke die bereits ausgetriebene Brust des Kalbes in Richtung Euter geschoben (RÜSSE 1965). Laut RÜSSE (1983) gleitet das Kalb aufgrund der erfolgten Querschnittsverkleinerung ohne weitere Verzögerung aus dem Geburtskanal und liegt dann mit seiner Wirbelsäule fast rechtwinklig zur Wirbelsäule des Muttertieres.

Nach WALTHER und MARX (1957) vollzieht sich die vollständige Austreibung des Kalbes in zehn bis 20 Minuten. Dagegen variiert sie nach MARX et al. (1987) zwischen zwei und zwölf Minuten. Detaillierte Angaben über die Gesamtdauer der Expulsion, also vom Erscheinen der Phalangen bis zur vollständigen Austreibung, machen WEHREND et al. (2005) im Rahmen ihrer Studie an extensiv gehaltenen Fleischrindern. Insgesamt dauerte diese Phase 19,7 ± 2,1 Minuten (Min.: 4 min;

(28)

Literatur

Max.: 99 min; n= 81), wobei bis zum Durchtritt des Kopfes 17,3 ± 2,3 Minuten (Min.:

3 min; Max.: 97 min) vergingen und für die weitere Austreibung nur noch 1,9 ± 1,7 Minuten (Min.: 1 min; Max.: 10 min) benötigt wurden. Die Austreibungsdauer lag bei Färsen mit durchschnittlich 40,1 ± 1,5 Minuten (n= 11) deutlich höher als bei Kühen, bei denen dieses Stadium 18 ± 2,1 Minuten (n= 70) währte. Diese Unterschiede kommen nach WEHREND et al. (2005) durch die zwischen Färsen und Kühen sehr stark differierenden Zeitintervalle bis zum Durchtritt des Kopfes zustande. Während dieser Geburtsabschnitt bei Kühen 15,3 ± 2,3 Minuten andauerte, betrug er bei Färsen 38,1 ± 1,5 Minuten. Im weiteren Verlauf der Expulsion waren keine zeitlichen Unterschiede mehr zu beobachten.

(29)

Literatur

2.4 Geburtsmechanik und Geburtskräfte

Von besonderer Bedeutung für das Verständnis der Geburtsmechanik ist die Kenntnis der mittleren Beckenachse (GRUNERT u. RÜSSE 1978; HARTWIG 1993).

Die mittlere Beckenachse oder auch Führungslinie genannt, ergibt sich nach EMMERT (2000a) aus den gedachten Verbindungslinien durch die Halbierungspunkte der vom Beckenboden zum Beckendach an allen Punkten errichteten Senkrechten. Sie gibt die Verlaufsrichtung an, in welcher der Fetus bei der Geburt die Beckenhöhle passiert (HARTWIG 1993). Nach GRUNERT und RÜSSE (1978) und RÜSSE (1981) verläuft sie in einem schwach dorsal-konvexen Bogen (Abb. 2.3 a). Dagegen zeigt sie laut HARTWIG (1993) und BENESCH (1957a), bei gleicher Definition, eine S-förmige Krümmung. (Abb. 2.3 b und Abb. 2.3 c), d.h. sie verläuft im Beckeneingang aufsteigend, über der Symphyse horizontal und in Richtung Schwanzwurzel wieder aufsteigend.

Abb. 2.3 a Abb. 2.3 b Abb. 2.3 c

Abb. 2.3: Graphische Darstellungen der Führungslinien des knöchernen Beckens nach GRUNERT und RÜSSE (a), HARTWIG (b) und BENESCH (c).

Die Beckengelenke und -bänder entspannen sich unter dem hormonellen Einfluss der Geburt (SCHUIJT 1988). Vor allem durch die Auflockerungen des Iliosakralgelenks und der Beckenbänder wird der knöcherne Geburtsweg laut SCHEBITZ (1980b) nachgiebiger. Gerade bei Färsen kann sich der Beckenkanal dadurch vergrößern (RÜSSE 1982a; SCHUIJT 1988). Insbesondere in den letzten Tagen vor der Geburt kann laut HARTWIG (1993) ein Anstieg der horizontalen und vertikalen Beckenmaße beobachtet werden. In den Studien von SCHEBITZ (1980b) über Veränderungen des Beckenraums bei normalen Geburten vergrößerte sich die

(30)

Literatur

Pektenvertikale bei allen Tieren ab dem 5. Tag a.p. um ca. 15%. Bei primiparen Tieren beobachtete der Autor eine signifikante Zunahme dieses Parameters von 20,6

± 2,2 cm auf 24,6 ± 1,4 cm und bei pluriparen Tieren von 20,4 ± 1,8 cm auf 25,2 ± 1,6 cm (p < 0,01). Parallel dazu wurde von dem Autor ebenfalls eine Verlängerung des am Sitzbeinhöckerteil ansetzenden Lig. sacrotuberale latum um ca. 13%

beschrieben. So nahm dieses bei primiparen Rindern von 19,9 ± 2,3 cm auf 22,1 cm

± 2,8 cm und bei pluriparen Rindern von 19,6 ± 1,9 cm auf 22,4 ± 2,7 cm signifikant (p < 0,01) zu (SCHEBITZ 1980b).

Mit dem Einsetzen der Bauchpresse wird durch die Kontraktionen des M. rectus abdominis über das Lig. pubicum craniale (Tendo praepubicus) ein starker Zug am vorderen Schambeinrand ausgeübt (SCHEBITZ 1980a). Dies und die Auflockerung des Iliosakralgelenks sub partu ermöglichen so ein Ziehen des Beckenbodens nach kranioventral (GRUNERT 1993). Bei einem kalbenden Tier kann dieses Phänomen laut SCHUIJT (1988) in vollständiger Seitenlage an der Vorwärtsbewegung der Hintergliedmaßen während einer Bauchpresse beobachtet werden. Die damit eintretende Steilerstellung des Beckeneinganges führt laut SCHEBITZ (1980b) zu einer Vergrößerung der Pektenvertikale. Der Autor beschrieb in seiner Studie so eine weitere Erhöhung des Beckenraumes um 2,0 ± 0,6 cm (SCHEBITZ 1980a).

Beim Eintreten der Frucht in die Beckenhöhle ermöglicht das aufgelockerte Kreuzdarmbeingelenk darüber hinaus dem hinteren Teil des Kreuzbeines eine Aufwärtsbewegung gegenüber dem Beckenboden (SCHUIJT 1988). Dies sei besonders gut bei Tieren unter drei Jahren bei der Austreibung des fetalen Kopfes unterhalb des Kreuzbeines zu beobachten (SCHUIJT 1988). Nach BENESCH (1957b) wird dabei auch die Führungslinie noch stärker in Richtung Schwanzwurzel verschoben. Schließlich erweitert sich laut SCHUIJT (1988) die Höhe stärker im Beckenausgang (kH) als im Beckeneingang. Für seine Aussagen gab der Autor keine Messwerte an. SCHUIJT (1988) stellte die sich ändernden Höhenparameter durch die Beckenmechanik im Beckenein- und –ausgang bildlich in Abbildung 2.4 dar.

(31)

Literatur

Die gesamte Beckenmechanik funktioniert am besten am liegenden Tier (SCHUIJT 1988; GRUNERT 1993; NORMAN u. YOUNGQUIST 2007). Erst durch die Entlastung der Hüftgelenke beim Ablegen des Muttertieres können die Kontraktionen der Bauchmuskulatur den Beckengürtel so winkeln, dass die größtmögliche Höhe des Beckenraumes für den Eintritt der Frucht erreicht werde (RÜSSE et al. 1978;

SCHEBITZ 1980b).

Abb.2.4: Modifizierte Darstellung der Beckenmechanik mit einhergehender Vergrößerung der Pektenvertikale (Pv) im Beckeneingang und der kaudalen Höhe (kH) im Beckenausgang durch die Bauchpresse (A) und das bewegliche Kreuzbein (B) nach SCHUIJT (1988).

Das Eintreten der Schulter- und Ellbogengelenke der Frucht in den Beckeneingang führt nach JACKSON (2007) zu einer gewissen Verzögerung der Austreibung. Bei kleinen Früchten erfolgt der Durchtritt beider Vorderextremitäten im Bereich des Schultergürtels durch den Beckeneingang gleichzeitig. Bei größeren Früchten wird dagegen laut BAIER und BERCHTHOLD (1981) zunächst nur eine der Gliedmaßen in den Beckeneingang vorgeschoben, so dass die Schultergelenke nacheinander durch den Beckeneingang treten. Der Eintritt von Schulter und Brustkorb stellt laut HINDSON (1978) den größten Geburtswiderstand dar. MORTIMER und TOOMBS

(32)

Literatur

(1993) nannten hierfür nur den Brustkorb. Dies korreliert zeitlich mit dem Austreten des Kopfes aus der Vagina (MORTIMER u. TOOMBS 1993; JACKSON 2007). Auch DUFTY (1973) beobachtete fast ausnahmslos eine Verzögerung der Geburt bei Austreibung des Kopfes aus der Vulva, wobei sich der Fetus in den Wehenpausen häufig in die Vagina zurück bewegt habe. Schließlich werden Kopf und Schultergürtel mit jeder Presswehe weiter ausgetrieben.

Wehen, Bauchpresse und auch die Eigenbewegung der Frucht werden von BAIER und BERCHTHOLD (1981) als die an der Austreibung der Frucht beteiligten Kräfte angesehen. Die durchschnittliche Kraft für die Austreibung einer Frucht wurde bei einer spontan ablaufenden Geburt mit durchschnittlicher Beckengröße von HINDSON (1978) mit 637 N angegeben, wobei nach NORMAN und YOUNGQUIST (2007) die Gebärmutterkontraktionen einen Anteil von 40% und die Bauchpresse eine Anteil von 60% daran haben sollen. Auch RÜSSE (1983) und GRUNERT (1993) wiesen der Bauchpresse den größten Anteil für die Austreibung der Frucht zu.

2.5 Fetopelvines Missverhältnis

Das fetopelvine Missverhältnis definierte MOMONT (2005) als ein relatives Ungleichgewicht zwischen fetaler und maternaler Größe. Dabei wird zwischen relativ und absolut zu großer Frucht unterschieden. Von einer relativ zu großen Frucht spricht man, wenn das Gewicht der Frucht im Verhältnis zum Geburtsgewicht von Feten gleicher Rasse nicht zu groß, aber der Beckendurchmesser der Mutter abnorm klein ist. Bei absolut zu großen Früchten sind die Querdurchmesser der Frucht größer als die Durchmesser des normal ausgebildeten mütterlichen Beckens (GRUNERT u. ANDRESEN 1996). Für die Rasse Deutsche Schwarzbunte ist nach GRUNERT und ANDRESEN (1996) ein Fetus mit über 50 kg eine absolut zu große Frucht .

(33)

Literatur

Das fetopelvine Missverhältnis ist nach MOMONT (2005) die häufigste Ursache für die Dystokie beim Rind. Laut MEE (2004) ist das Missverhältnis von Fetusquerschnitt zum Beckendurchmesser der Mutter bei Färsen der wichtigste und bei Kühen der zweitwichtigste Verursacher von Schwergeburten. Als wichtigsten Grund bei Kühen nannte der Autor fehlerhafte Lagen, Stellungen und Haltungen des Fetus. Der geschätzte Anteil an Schwergeburten auf Grund des fetopelvinen Missverhältnis variiere bei Färsen zwischen 73,4 und 86,3% und bei Kühen zwischen 21,2 und 36,7% (MEIJERING 1984). Nach SCHAETZ (1981) und BUSCH (1993b) verursachen die unausgeglichenen Größenverhältnisse bei der Rindergeburt durchschnittlich etwa 40% aller Geburtsstörungen, wobei Erstgebärende drei bis vier mal häufiger als Mehrgebärende betroffen sind.

2.6 Manuelle Extraktion des Vorderkörpers

Unter der manuellen Extraktion versteht man das Ausziehen von Feten oder Fetusteilen aus dem Geburtsweg mit der Hand (EMMERT 2000b), um den natürlichen Abkalbeprozess zu unterstützen (MEE 2004). Nach ARBEITER (1993) ist dies die einfachste Form der Geburtshilfeleistung am Tier. In den Studien von TOMASKOVIC et al. (1997) war die manuelle Extraktion durch zwei bis drei Personen mit 63,6% die häufigste Hilfestellung bei der unterstützen Geburt.

Das Tier sollte sich bei der manuellen Zughilfe in Seitenlage befinden (SCHEBITZ 1980b; RÜSSE 1981; SCHUIJT u. BALL 1986; ARBEITER 1993; GRUNERT u.

ANDRESEN 1996; BOSTEDT 2003; MOMONT 2005; JACKSON 2007). Laut NORMAN und YOUNGQUIST (2007) ermöglicht die Seitenlage eine gute Bewegung des Kreuzdarmbeingelenks im mütterlichen Becken, wodurch die Beckenmechanik bei der Bauchpresse effizient ausgenutzt werden kann. Ebenfalls kann gerade bei Färsen der knorpelige Teil der Symphyse in Seitenlage maximal bewegt werden (SCHUIJT 1988; NORMAN u. YOUNGQUIST 2007). Des Weiteren ist der Fetus mit reduzierter Kraft zu extrahieren, da sein Eigengewicht nicht erst auf die Höhe des Beckens angehoben werden muss (NORMAN u. YOUNGQUIST 2007). HINDSON (1978) errechnete über Vektoranalyse einen Verlust der Zugeffizienz am stehenden

(34)

Literatur

Tier um bis zu 30%. Auf Grund von Beobachtungen an spontan gebärenden Tieren, bei denen 95% der Tiere in linker Seitenlage abkalbten, empfahlen MEE (2004) und WEHREND (2005) ebenfalls die Zughilfe in linker Seitenlage durchzuführen.

Dagegen forderten andere Autoren die Kuh für den Auszug des Kalbes in die rechte Seitenlage zu bringen (MORTIMER u. TOOMBS 1993; DROST 2005; NORMAN u.

YOUNGQUIST 2007), wobei sie keine Gründe dafür nannten.

Die Zughilfe sollte synchron mit der Bauchpresse stets gleichmäßig und nie ruckartig durchgeführt werden (SLOSS u. DUFTY 1980b; WOHANKA et al. 1982; BUSCH 1993b; GRUNERT u. ANDRESEN 1996; BOSTEDT 2003; JACKSON 2007;

NORMAN u. YOUNGQUIST 2007). Zwei bis drei Personenkräfte zur Mithilfe beim Geburtsvorgang dürfen nicht überschritten werden (ARBEITER 1993; NOAKES 2001; MEE 2004).

2.6.1 Einzug und Auszug der Frucht

Bei der manuellen Extraktion des Kalbes in Vorderendlage unterscheidet man zwischen Einzug und Auszug (BUSCH 1993b; BOSTEDT 2003). Beim Einzug wird die Frucht so weit in das Becken gezogen, bis sich der Kopf mit der Stirnwölbung in die Kreuzbeinhöhlung eingestellt hat und die Ellbogenhöcker der Gliedmaßen am vorderen Schambeinrand anliegen (BENESCH 1957b; ARBEITER 1993). NORMAN und YOUNGQUIST (2007) bezeichnen dies auch als diagnostischen Zug, bei dem die Passagefähigkeit des Kalbes durch den Größenvergleich zwischen Fetus und Geburtskanal eingeschätzt werden kann. Dabei sollte es durch Zug von einer Person an beiden Vordergliedmaßen und dem Kopf möglich sein, bei vollständig geweitetem Geburtsweg, den fetalen Kopf in den Beckeneingang zu ziehen (SCHUIJT u. BALL 1986; BOSTEDT 2003; JACKSON 2007). Ist für den Einzug des Kopfes in die Beckenhöhle ein größerer Kraftaufwand nötig, ist die Extraktion per vias naturalis laut SCHUIJT (1986) auf Grund fetaler Übergröße nicht weiter zu verfolgen.

Bei dem Auszug werden die Ellbogenhöcker durch allmählich verstärkten Zug über den Schambeinrand in die Beckenhöhle eingezogen (BENESCH 1957b; RÜSSE

(35)

Literatur

1981; GRUNERT u. ANDRESEN 1996; BOSTEDT 2003). Durch weiteren Zug erfolgt das Eintreten der Schultern und der Brust in den Beckeneingang, welches sich nach JACKSON (2007) zeitgleich mit dem Austreten des Kopfes aus der Vagina und Vulva bzw. dem Sichtbarwerden der Augen des Kalbes vollzieht. Schulter und Brustkorb stellen laut HINDSON (1978) den größten Geburtswiderstand dar, wodurch von außen betrachtet der Eindruck entstehen kann, als ob der Kopf die Ursache für die erschwerte Extraktion sei (JACKSON 2007). Durch das Eintreten der größten fetalen Strukturen in den Beckeneingang und das zeitgleiche Austreten des Kopfes aus dem weichen Geburtsweg bedingt, müsse sich der Geburtshelfer für die Extraktion dieses Körperabschnittes die meiste Zeit nehmen (MEE 2004).

2.6.2 Zugrichtung

Für den Einzug des Kalbes in den Beckenkanal sollte der Zug leicht nach dorsal gerichtet werden (JACKSON 2007). Auf diese Weise wird der Fetus laut ROBERTS (1986) besser über die Beckenkante angehoben. SLOSS und DUFTY (1980b) empfehlen zu Beginn des Zuges die Zugrichtung parallel zur Körperachse zu richten.

Sobald der fetale Kopf aus der Vulva ausgetreten ist, sollte die Zugrichtung mehr nach ventral erfolgen (SLOSS u. DUFTY 1980b; NORMAN u. YOUNGQUIST 2007).

Auf diese Weise werde bei der Passage des Schultergürtels durch das Becken die Zugrichtung zunächst gering nach ventral geändert (ARBEITER 1993). Spätestens mit dem Austritt der Schultern aus dem Geburtskanal müsse der Geburtshelfer die Zugrichtung zu den Extremitäten der Kuh abwinkeln, wobei sich für die Passage des Fetus durch den Geburtskanal eine bogenförmige Zugrichtung ergebe (ROBERTS 1986). Eine zu frühe und zu exzessive Änderung der Zugrichtung, kann nach MEE (2004) Gelenkverletzungen und Rippenbrüche am Kalb zur Folge haben. Daher empfahl letztgenannter Autor, erst mit dem Austreten des Thorax die Zugrichtung um 45° zu den Sprunggelenken des Muttertieres abzuwinkeln, um den natürlichen Auszugsbogen zu simulieren (MEE 2004) und die anschließende Extraktion der fetalen Hüfte zu erleichtern (RÜSSE et al. 1978).

(36)

Literatur

2.6.3 Zugkraft

Im Laufe der Zeit wurden unterschiedliche Aussagen über die erlaubte Kraft bei der manuellen Extraktion gemacht. Dabei reichen die Angaben von zwei bis drei Personen (ARBEITER 1993; GRUNERT u. ANDRESEN 1996) über vier bis fünf (BINZ 1830; GÜNTHER 1830; BENESCH 1933) bis zu sechs Personen (RICHTER 1924). Auch der Einsatz von mechanischen Geburtshelfern ist nach wie vor umstritten (KONERMANN 1963). Auf Grund ihrer Kraftentwicklung bis über 4000 N (HINDSON 1978) bzw. 5400 N (KONERMANN 1966) entspricht dies laut HINDSON (1978) einer durchschnittlichen Zugkraft von über sieben Personen. Aus obstetrischer und tierschützerischer Sicht sind nach WEHREND et al. (2003) vor allem eine Zugkraftsperre bei 1500 N zum Standard zu erheben.

Als erlaubter Kraftaufwand für den Auszug am Muttertier in Seitenlage wurde die Zugkraft von zwei bis drei Männern empfohlen (ARBEITER 1993; GRUNERT u.

ANDRESEN 1996). Ihr Einsatz dürfe erst erfolgen, wenn der Einzug des Kalbes in das mütterliche Becken gelungen sei (RÜSSE 1981). Die Zugkraft von zwei kräftigen Männern entspreche dabei einer Kurzleistung von ca. 2470 N und einer Dauerleistung von ca. 1500 N (ARBEITER 1978). Eine mittlere Kraft von 1700 N reicht nach SCHUIJT (1990) aus um einen fetalen Beinbruch hervorzurufen. Vor dem Hintergrund, dass starke Personen eine Kraft bis zu 2000 N entwickeln können, sahen NORMAN und YOUNGQUIST (2007) die Auszugskraft von einer Person unter Berücksichtigung möglicher Verletzungen am Kalb (SCHUIJT 1991; AGERHOLM et al. 1993) als ideal an. Eine Zugkraft von mehr als zwei Personen sei bei schweren Auszügen demnach nicht zu überschreiten (NORMAN u. YOUNGQUIST 2007).

2.6.4 Zugmodi für den Auszug

Obwohl die manuelle Extraktion eine der ältesten Disziplinen in der Rindermedizin ist, gibt es in der Frage zu Art und Weise des Auszuges noch immer Unstimmigkeiten in der geltenden Literatur (BOECKER u. RÜSSE 1983;

WULLINGER 1985; BORZYMOWSKI 1990; SCHULZ et al. 1990; ARBEITER 1993;

(37)

Literatur

BUSCH 1993b; BOSTEDT 2003). Einige Autoren empfehlen die Anwendung eines gleichzeitigen, simultanen Zuges an beiden Gliedmaßen (FRANCK 1887; HARMS 1899; RICHTER 1924; BOECKER u. RÜSSE 1983; RÜSSE 1993). Andere sind dagegen der Meinung, dass der wechselseitige, alternierende Zug mit jeweils abwechselndem Ziehen an den Vordergliedmaßen den Auszug erleichtert (ALBRECHT u. GÖRING 1901; STOSS 1928; NUSSHAG 1947; BENESCH 1957b;

BAIER 1958; LIESS 1960; AEHNELT u. GRUNERT 1972; GRUNERT u.

ANDRESEN 1979; ARBEITER 1993). Die Empfehlungen beruhen dabei häufig nicht auf wissenschaftlichen Untersuchungen, sondern vielmehr auf subjektiven Erfahrungen (BOECKER u. RÜSSE 1983). Nachfolgend wird in Tabelle 2.3 eine Übersicht der Zugempfehlungen für den Auszug des Vorderkörpers gegeben.

Tab.2.2: Übersicht der Empfehlungen für den Zugmodus während der letzten 100 Jahre für den Auszug des fetalen Schultergürtels durch das mütterliche Becken.

Wechselseitiger Auszug Gleichzeitiger Auszug ALBRECHT (1914)

STOSS (1928; 1944)

BENESCH (1933; 1936; 1942; 1947;

1952; 1957b)

WALTHER und MARX (1957) LIESS (1950; 1960)

BAIER (1958)

AEHNELT und GRUNERT (1972) GRUNERT und ANDRESEN(1979) SLOSS und DUFTY(1980b)

WOHONKA (1982) ARBEITER(1978; 1993) JACKSON (2007)

RICHTER (1912; 1920; 1924) WOLLRAB (1969)*

RÜSSE (1981)*

RÜSSE (1982b; 1983)

BOECKER und RÜSSE (1983)

GRUNERT und ANDRESEN (1984;

1996)*

BUSCH (1993b)*

NOAKES (2001)*

MEE (2004)*

NORMAN und YOUNGQUIST (2007)*

* Die Autoren empfehlen ein wechselseitiges Einziehen der Ellbogen/ Schultern mit nachfolgend gleichzeitigem Auszug des Schultergürtels

(38)

Literatur

In den ersten Lehrbüchern der Geburtshilfe wurde ein gleichzeitiger Zug angeraten (BINZ 1830; FRANCK 1876; 1887). Um dies zu gewährleisten, sollten dafür die Geburtsstricke der beiden Vordergliedmaßen nach HARMS (1884; 1896) umeinander gedreht werden. Auch RICHTER (1912; 1920; 1924) und TAPKEN (1899; 1921) sahen in einem gleichzeitigen Zug an den Extremitäten den besten Zugmodus. Dagegen empfahlen viele Autoren den abwechselnden Zug an beiden Gliedmaßen für den Auszug des Vorderkörpers (ALBRECHT u. GÖRING 1901;

ALBRECHT 1914; STOSS 1928; 1944; NUSSHAG 1947; LIESS 1950; BAIER 1958;

LIESS 1960; AEHNELT u. GRUNERT 1972; ARBEITER 1978; GRUNERT u.

ANDRESEN 1979; ARBEITER 1993). Andere Autoren wiederum gaben erst nach wechselseitigem Einziehen beider Ellbogenhöcker über den Schambeinrand (SCHEIBEL 1910; RÜSSE 1981; 1983; GRUNERT u. ANDRESEN 1984; BUSCH 1993b; GRUNERT u. ANDRESEN 1996; NOAKES 2001; MEE 2004) bzw. beider Schultern durch den Beckeneingang (NORMAN u. YOUNGQUIST 2007) den gleichzeitigen Zug als optimalen manuellen Zugmodus an.

Bei relativ großen Früchten gelingt der Auszug laut ARBEITER (1993) häufig erst nach schraubenartiger Drehung des Kalbes im Beckenring. Nach SCHULZ et al.

(1990) sollte wechselseitig und gleichzeitig gezogen und dabei auch das Kalb gedreht werden. Durch die Drehung der fetal dorsoventralen Ebene um 45° zu der maternalen sacropubis-Ebene (Abb. 2.5) entstehen laut SLOSS und DUFTY (1980b) ähnliche Verhältnisse wie bei der physiologischen Geburt. Nach Meinung von NORMAN und YOUNGQUIST (2007) kann sich auf diese Weise der Vorderkörper des Fetus an das mütterliche Becken anpassen, wodurch sich die ideale Position für den Auszug ergebe.

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Literatur

Abb.2.5: Querschnitt der fetalen Stellung im knöchernen Geburtsweg bei manueller Extraktion auf Höhe der Schultern bzw. des Thorax nach SLOSS u. DUFTY (1980b).

2.6.4.1 Der wechselseitige Auszug

Von BENESCH (1933) wurde der Begriff der „schiefen Stellung“ in die Lehre der Rindergeburtshilfe eingeführt. Er empfahl das wechselseitige Eintreten der Ellbogengelenke über den Schambeinrand in die Beckenhöhle bis beide Enden der Gliedmaßen gleich weit aus dem Geburtsweg hervorragen. Danach ist der wechselseitige Zug fortzusetzen (BENESCH 1957b) und erst mit dem vollständigen Austreten von Kopf und Gliedmaßen durch gleichzeitigen Zug unter Einhaltung der Führungslinie zu ersetzen (BENESCH 1957b). Die abwechselnd an je einer Vordergliedmaße und schließlich auch am Kopf angreifenden Zugkräfte fördern laut BENESCH (1933; 1936; 1942; 1947; 1952; 1957b) die Anpassung des Brustkorbes an die Raumverhältnisse im Geburtsweg, insbesondere im knöchernen Anteil. Der Vorderkörper des Fetus trete vor allem mit seinen größten Querdurchmessern (Ellbogen- und Buggelenkbreite) nicht plötzlich und gleichzeitig in das Becken ein (BENESCH 1957b), sondern er werde in schiefer Stellung durch den Beckenein- und -ausgang hindurchgezogen (Abb. 2.6). Aus diesem Grund sei das Anschleifen beider Vordergliedmaßen mit einer Zugleine laut BENESCH (1936) zu verwerfen (Abb. 2.7).

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Literatur

Abb. 2.6: Das kräftige Vorziehen einer Vorderextremität hat nach BENESCH (1933) ein ungleichzeitiges Eintreten der Bug- und Ellbogengelenke in den Beckenring und daher ein schiefes Hindurchtreten des Brustgürtels durch das Becken zur Folge.

Abb. 2.7: Gleichzeitiger Zug am Kopf und an den Extremitäten hat nach BENESCH (1933) ein unvermitteltes Eintreten der größten Querdurchmesser des Vorderkörpers in das Becken zur Folge.

Auch LIESS (1950; 1960) und ARBEITER (1978; 1993) waren der Meinung, dass der schiefe Zug eine Schrägstellung des Schultergürtels bewirkt und damit ein kleinerer Durchmesser erzielt wird als bei gleichzeitigem Zug an beiden Vordergliedmaßen.

STRAITON (1978) erläuterte den wechselseitigen Zug durch den Vergleich mit

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Literatur

einem Menschen, der durch eine enge Öffnung schlüpfen will und sich dabei auch nicht mit beiden Schultern zugleich durchzwänge. Nach STRAITON und HOLLWICH (1996) dürfe demnach erst mit dem Austreten der Schultern an beiden Beinen gleichzeitig gezogen werden. DUFTY (1973) beobachtete in seiner Studie zur überwachten Rindergeburt ein ungleiches Austreten der Gliedmaßen aus der Vulva.

Das linke Bein erschien in 24 von insgesamt 37 Geburten vor dem rechten in der Schamspalte. In den anderen 13 Fällen war es umgekehrt. Angaben zur Lage des Muttertieres bei der Geburt wurden von dem Autor aber nicht gemacht. SLOSS und DUFTY (1980b) folgerten daraus, dass auch bei spontanen Geburten beide Schultern ebenfalls nacheinander das mütterliche Becken passieren, wodurch der fetale Durchmesser verringert werde. Zuerst soll demnach an der vorgetretenen Gliedmaße und anschließend alternierend auch an der anderen gezogen werden, bis die Schultern nach außen durchgetreten sind (SLOSS u. DUFTY 1980b).

Bei in rechter Seitenlage befindlichen Kühen forderten einige Autoren zuerst die linke, unten liegende Gliedmaße des Kalbes und mit dem Eintreten des Ellbogens und der Schulter in den Beckeneingang auch die rechte Gliedmaße vorzuziehen (MORTIMER u. TOOMBS 1993; NORMAN u. YOUNGQUIST 2007). Eine Begründung dafür wurde aber nicht genannt. Das simultane Einziehen von Ellbogen und Schultern bezeichneten die Autoren als Fehler. Allerdings empfahlen NORMAN und YOUNGQUIST (2007) nach dem wechselseitigen Einbringen der fetalen Schultern in den Beckeneingang, den Auszug des Schultergürtels durch den Geburtsweg mit gleichzeitigem Ziehen fortzusetzen.

2.6.4.2 Der gleichzeitige Auszug

BOECKER (1982) verglich an zehn toten, neugeborenen Kälbern den Kraftaufwand zur Entwicklung des fetalen Schultergürtels bei gleichzeitigem oder wechselseitigem Zug an den Vorderextremitäten. Dazu wurden die Kälber mit Hilfe eines mechanischen Geburtshelfers durch ein knöchernes Rinderbecken gezogen. Die dazu erforderliche Kraft wurde mittels elektrischer Zugmessdosen registriert. Bei dem abwechselnden Zug wurde die Extremität, an der jeweils gezogen wurde, um je

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Literatur

16 cm bzw. je 26,5 cm gegenüber der anderen Gliedmaße vorgezogen. Danach wurde die zurückliegende Gliedmaße auf die gleiche Höhe nachgezogen. Kurz vor dem vollständigen Austreten des Kopfes aus dem knöchernen Becken wurden nach BOECKER (1982) die maximal gestreckten Ellbogengelenke über den vorderen Schambeinrand in das mütterliche Becken geschoben. Für den Auszug des Kopfes benötigte man beim gleichzeitigen Zug an beiden Vorderextremitäten eine Kraft von durchschnittlich 316 N. Beim abwechselnden Zug an beiden Extremitäten mit einer Differenz von jeweils 16 cm wurden durchschnittlich 393 N und bei einer Differenz von jeweils 26,5 cm durchschnittlich 500 N für den Auszug des Kopfes und somit für das Eintreten der Ellbogen benötigt (BOECKER u. RÜSSE 1983). Für den Auszug der Schultern waren bei gleichzeitigem Zug durchschnittlich 349 N, bei abwechselndem Zug mit einer Differenz von jeweils 16 cm 516 N und bei einer Differenz von jeweils 26,5 cm sogar durchschnittlich 565 N erforderlich (BOECKER u. RÜSSE 1983). Die Kraftaufwandmessungen ergaben, dass der gleichzeitige Zug an beiden Extremitäten eine geringere Zugkraft erfordert als der wechselseitige (BOECKER 1982). BOECKER und RÜSSE (1983) sahen in diesen Ergebnissen einen Beweis dafür, dass der gleichzeitige Zug die optimale Methode zur Entwicklung des Kalbes im Rahmen der manuellen Geburtshilfe darstellt, wobei die Ergebnisse keiner statistischen Analyse unterzogen wurden. Die Autoren erklärten ihre Beobachtungen damit, dass ein wechselseitiger Zug an der nicht gestreckten Extremität durch Zurückdrücken von Muskulatur und Aufrichten des Oberarms zu Stauungen führe. Dieses Phänomen bedinge eine Behinderung der Beckenpassage.

Hingegen werde durch den Zug an beiden Extremitäten der Körper des Kalbes gleichmäßig gestreckt, wodurch sich dessen Gesamtumfang deutlich vermindere. So sollte laut BOECKER und RÜSSE (1983) der Geburtshelfer bei der Durchführung der manuellen Extraktion bestrebt sein, die günstige Keilform des Kalbes bei seinem Eingreifen zu bewahren. Sobald Kopf und Vorderbeine des Kalbes mit den Karpalgelenken ins mütterliche Becken eingezogen sind, dürfe nur noch an beiden Beinen gleichmäßig und gleichzeitig gezogen werden (BOECKER u. RÜSSE 1983).

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Literatur

PADBERG (1993) nahm bei 24 Rindergeburten (14 Färsen und 10 Kühe) die entstehenden Kräfte bei Anwendung des mechanischen Geburtshelfers auf. Dafür wurden jeweils ein Kraftaufnehmer für jede Gliedmaße in die Auszugseinrichtung integriert und über Messkonverter sowie einem eigens dafür entwickelten Computersystem die auftretenden Zugkräfte in Form von Potentiogrammen aufgezeichnet. Der Autor beobachtete in seiner Studie zeitweise ungleiche Zugkräfte an beiden Gliedmaßen bzw. überwiegende Zugkraft an nur einem Bein bei Anwendung des mechanischen Geburtshelfers. Die Höhe der unterschiedlichen Belastungen der fetalen Gliedmaßen erreichte Werte von 300 bis 1000 N (PADBERG 1993). Ungleichmäßige Belastungen der fetalen Gliedmaßen traten bei steigender Zugkraft seltener auf. Dennoch konnte in der Gruppe der Schwergeburten nicht nur die gleichmäßigste Belastung festgestellt werden, sondern auch die größten Differenzen in den Zugkräften zwischen beiden Gliedmaßen. Nach PADBERG (1993) besteht für das Kalb in diesen Momenten ein erhöhtes Verletzungsrisiko, weshalb die gleichmäßige Kraftausübung an beiden Gliedmaßen sehr wichtig sei (PADBERG 1993; WEHREND et al. 2003).

Weitere Autoren sprachen sich für das zuerst wechselseitige Einbringen der Ellbogen mit dem gleichzeitigen Auszug an beiden Vordergliedmaßen aus (WOLLRAB 1969;

GRUNERT u. ANDRESEN 1984; BUSCH 1993b; GRUNERT u. ANDRESEN 1996;

NOAKES 2001; MEE 2004; NORMAN u. YOUNGQUIST 2007). Nur BUSCH (1993b) und MEE (2004) stützten ihre Empfehlungen für den gleichzeitigen Auszug mit den Untersuchungen von BOECKER und RÜSSE (1983). Eine Begründung für die sich ändernde Empfehlung vom wechselseitigen (AEHNELT u. GRUNERT 1972;

GRUNERT u. ANDRESEN 1979) zum gleichzeitigen Auszug (GRUNERT u.

ANDRESEN 1984; 1996) wurde von den Autoren nicht gegeben.

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Material und Methoden

3 Material und Methoden

3.1 Kälber

Die Auszüge wurden an 20 Kälbern des Tierbestandes des Instituts für Nutztiergenetik des Friedrich Löffler Instituts in Mariensee und des Patientenguts der Klinik für Rinder der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover durchgeführt. Alle Tiere waren vor oder unmittelbar nach der Geburt gestorben. Die Kälber wurden im Zeitraum von Juli 2006 bis Oktober 2007 unmittelbar nach ihrem Tod gewogen, mit kaltem Wasser gereinigt, mit Handtüchern getrocknet und bei - 21°C eingefroren.

Dazu wurden die toten Kälber im Tiefkühlraum (Firma Sibbe, Wunstorf/ Deutschland) der Klinik für Rinder der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover an den Sprunggelenken gestreckt und mit dem Kopf zum Boden aufgehängt. Alle Tiere gehörten der Rasse Holstein Friesian an und wurden nach klinischer Beurteilung des Reifegrades der Früchte (RÜSSE u. GRUNERT 1993) als reif bewertet. Vor den Untersuchungen wurde jedes Kalb für 72 bis 96 Stunden bei 4°C in die Vorkühlzelle gelegt. Unmittelbar vor Beginn der Auszüge wurde jedes Kalb gewogen, extern vermessen und mittels Computertomograph auf Frakturen der Gliedmaße und Rippen untersucht. Zum Zeitpunkt der Untersuchungen waren die Kälber gut beweglich und ihr Abdomen war weich und fluktuierend.

3.2 Knöcherner Geburtsweg

Als knöcherner Geburtsweg diente das Becken einer 72 Monate alten Kuh der Rasse Holstein Friesian. Das Tier hatte vor der Euthanasie ein Gewicht von 612 kg und einen Body Condition Score (BCS) von 2,5 aufgewiesen. Die Kuh war Patient der Klinik für Rinder der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, hatte elf Tage vor ihrem Tod abgekalbt und eine generalisierte Peritonitis aufgewiesen. Das Becken wurde aus dem Tierkörper ohne die großen Beckenbänder herausgetrennt und mit Hilfe eines Computertomographen vermessen. In seinen Dimensionen entsprach es gemäß den Studienergebnissen von HEUN et al. (2008) einem Becken mittlerer Größe der Rasse Holstein Friesian. In Kooperation mit dem Anatomischen Institut

(45)

Material und Methoden

der Tierärztlichen Hochschule Hannover wurde die Konservierung und Lagerung des Beckens durchgeführt. Die Fixierung des Beckens erfolgte für zwei Wochen in zehnprozentigem technischen Formalin (CVH-Chemie-Vertrieb GmbH, Hannover/

Deutschland). Zwischen den Untersuchungen der einzelnen Versuchstiere wurde das Becken in einem Behälter mit ausreichend Wasser gelagert. Alle zwei Wochen wurde das Becken zum Schutz vor mikrobiellem Verderb erneut für mindestens drei Tage in Formalin zwischengelagert und danach gewässert.

3.3 Versuchsplanung

In dieser Studie sollten die auftretenden Zugkräfte bei gleichzeitigem und wechselseitigem Auszug von Kälbern durch den knöchernen Geburtsweg miteinander verglichen werden. Für die Durchführung vergleichender Zugkraftmessungen musste zuerst ein dafür geeignetes in vitro Modell konstruiert werden, welches als Kälber-Extraktionsanlage bezeichnet wurde. Nach Fertigstellung des in vitro Modells wurden in einem Vorversuch die Reproduzierbarkeit der Methode überprüft und die wichtigsten Zugmodi für den Hauptversuch bestimmt. Der folgende Hauptversuch sollte zeigen, ob signifikante Unterschiede zwischen gleichzeitigem und wechselseitigem Zugmodus bei dem Auszug des Vorderkörpers bestehen.

3.4 Aufbau und Entwicklung der Kälber-Extraktionsanlage

In der entwickelten Kälber-Extraktionsanlage befand sich das Becken in Seitenlage und war horizontal frei drehbar montiert. Mit Hilfe einer Zugmaschine wurden die Kälber durch Zug an den Vorderbeinen mehrfach mit verschiedenen Zugmodi durch den knöchernen Beckenring ausgezogen, wobei die Reihenfolge der verschiedenen Zugmodi mittels Losverfahren festgelegt wurde. Die an den Vordergliedmaßen auftretenden Zugkräfte wurden mit in den Zugweg zwischen Vordergliedmaßen und Zugmaschine eingebrachten Kraftmessdosen registriert und über eine Software ausgewertet.

Sowohl die Planung als auch die Fertigung der Anlage wurde durch Mitarbeiter des Instituts für Allgemeine Radiologie und Medizinische Physik der Stiftung Tierärztliche

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Material und Methoden

Hochschule Hannover unterstützt. Die entwickelte Kälber-Extraktionsanlage bestand aus vier Komponenten. Ihr Aufbau ist in der Abbildung 3.1 in einer Übersichtsskizze schematisch dargestellt. Aufbau und Funktion der einzelnen Komponenten werden in den folgenden Kapiteln (3.4.1 bis 3.4.4) detailliert beschrieben.

Abb. 3.1: Übersichtsskizze der Kälber-Extraktionsanlage in Seitenansicht.

1 = drehbare Beckenhalterung; 2 = Auflageflächen vor (a) und hinter (b) der drehbaren Beckenhalterung für das Kalb; 3 = Zugmaschine mit Steuerungseinheit; 4 = Messtechnik zur Erfassung der auftretenden Zugkräfte beim Auszug; der Pfeil zeigt die Zugrichtung

Die Kälber-Extraktionsanlage hatte insgesamt eine Länge von etwa sechseinhalb und eine maximale Höhe von eineinhalb Metern. Für die meisten Komponenten wurden Metallwinkelprofile unterschiedlicher Breite und Stärke verwendet. Diese waren mit Langlöchern im Abstand von 25 mm ausgestattet und konnten untereinander verschraubt werden. Für die Verschraubungen wurden überwiegend Sechskantschrauben DIN 933 (M 6,0 x 16 mm), Sechskantmuttern DIN 934 (M 6,0) und Unterlegscheiben DIN 125 (6,4) verwendet. Die Stabilität in den Ecken wurde durch das Einbauen von Eckwinkeln (70 x 70 mm) erhöht. Alle für die Konstruktion verwendeten Metallteile waren verzinkt oder wurden eigenständig durch Grundieren und Lackieren gegen Korrosion geschützt. Die Verwendung der Metallwinkelprofile als Grundgerüst für die Anlage war dabei sehr praktisch, da bauliche Änderungen relativ einfach und schnell getätigt werden konnten. Bei der Konstruktion der Kälber- Extraktionsanlage wurde darauf geachtet, dass bei dem Auszug der Kälber durch

1

2a 2b

3 + 4

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Material und Methoden

das knöcherne Becken die Höhen der einzelnen Komponenten kein zusätzliches Hindernis zum Beckenring schufen.

Die Abbildung 3.2 zeigt ein Übersichtsfoto der Kälber-Extraktions-Anlage im Untersuchungsraum. Bei den Untersuchungen wurden die toten Kälber auf die vordere Auflagefläche (2a) gelegt. Mittels Zugmaschine (3) wurden sie durch den knöchernen Geburtsweg der drehbaren Beckenhalterung (1) auf die hintere Auflagefläche (2b) gezogen. Die Messtechnik (4) erfasste die bei dem Auszug auftretenden Zugkräfte.

Abb. 3.2: Übersichtsfoto der Kälber-Extraktionsanlage.

1 = drehbare Beckenhalterung; 2 = Auflageflächen vor (a) und hinter (b) der drehbaren Beckenhalterung für das Kalb; 3 = Zugmaschine mit Steuerungseinheit; 4 = Messtechnik zur Erfassung der auftretenden Zugkräfte beim Auszug

1

2a

2b

3 4

4

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