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Das in vitro Modell wurde eigens für diese Studie vollständig neu entwickelt. Im Kernpunkt der Überlegungen standen dabei vor allem die Lage des Beckens, die Zuggeschwindigkeit sowie der Zugmodus und die Kraftaufnahme bei der Extraktion der Kälber.

In der Literatur wird die Zughilfe meist am liegenden Tier (SCHEBITZ 1980b; RÜSSE 1983; SCHUIJT u. BALL 1986; GRUNERT u. ANDRESEN 1996; BOSTEDT 2003), sowohl in der rechten (MOMONT 2005; NORMAN u. YOUNGQUIST 2007) als auch in der linken Seitenlage empfohlen (MEE 2004; WEHREND et al. 2005). Die Autoren, welche die rechte Seitenlage befürworteten, lieferten dafür keine Begründung (DROST 2005; MOMONT 2005; NORMAN u. YOUNGQUIST 2007). Dagegen wurden die Empfehlungen zur linken Seitenlage von einigen Autoren (MEE 2004;

WEHREND et al. 2005) mit Beobachtungen bei spontan erfolgten Geburten begründet. Daher wurde auch in der vorliegenden Studie das Becken entsprechend der linken Seitenlage bei der Kuh in das in vitro Modell integriert.

Bei der in vivo durchgeführten manuellen Zughilfe wird die Zugrichtung von der ziehenden Person und die optimale Positionierung des Kalbes in Relation zum Becken durch den Zug am Pecten ossis pubis während der Bauchpresse bestimmt (SCHEBITZ 1980a; SCHUIJT 1988). Die bei dem in vitro Modell vorhandene freie Beweglichkeit des knöchernen Geburtsweges in horizontaler Ebene berücksichtigte

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diese beiden Aspekte. Die optimale Zugrichtung und auch die maximale Pektenvertikale konnten sich damit in dieser Konstruktion bei jedem Auszug von selbst einstellen.

Ein wichtiger Aspekt dieser Studie war, ein Modell zu konstruieren, bei dem die verschiedenen Auszüge nach eindeutigen Kriterien, d.h. mit definierter Geschwindigkeit und gleich bleibenden Zugdifferenzen durchgeführt wurden. Dies war eine wichtige Voraussetzung für die Standardisierung der Versuche. Die Überprüfung der Zuggeschwindigkeiten lieferte in der vorliegenden Studie reproduzierbare Zugdifferenzen. Trotz ungleicher Belastungen, die vom jeweiligen Zugmodus abhängig waren, wurden an beiden Gliedmaßen nur kleinste Abweichungen im Bereich von wenigen Millimetern von den vorprogrammierten Zugdifferenzen auf Höhe der Sensorstände festgestellt. Des Weiteren erfüllte die Zuganlage einen in der Literatur (SLOSS u. DUFTY 1980b; GRUNERT u.

ANDRESEN 1996; NORMAN u. YOUNGQUIST 2007) geforderten gleichmäßigen und nicht ruckartigen Auszug. Die Zuggeschwindigkeit bzw. die Dauer der Auszüge wurde so gewählt, dass die Extraktion des Kalbes in etwa genauso viel Zeit beanspruchte wie bei der physiologischen Austreibungsphase einer Geburt. In der Literatur wurden vom Erscheinen der Phalangen bis zur vollständigen Austreibung des Kalbes Zeiten zwischen 10 bis 20 Minuten (WALTHER u. MARX 1957) bzw. 19,1

± 2,1 Minuten (WEHREND et al. 2005) angegeben. Die Auszüge der in dieser Studie durchgeführten Untersuchungen wurden bis zu dem Zeitpunkt von 15 Minuten und 22 Sekunden nach Beginn der Messungen ausgewertet. Zum einen waren die extrahierten Kälber in Abhängigkeit ihrer Körpergröße bis zu diesem Zeitpunkt mit dem größten Teil der Brust ausgezogen und zum anderen bot ein festes Zeitintervall gute Möglichkeiten für den Vergleich der Energien aller Zugmodi (s. 5.5). Bei einer physiologischen Geburt handelt es sich nicht um ein gleichförmiges Austreten des Kalbes aus den mütterlichen Geburtswegen, vielmehr ist die auftretende Geschwindigkeit von dem jeweils austretenden Körperteil bzw. dessen Geburtswiderstand abhängig und weist dementsprechend unterschiedlich schnelle Extraktionsintervalle auf. Da es sich bei den in dieser Studie durchgeführten

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Auszügen um eine gleichförmige Geschwindigkeit handelte, orientierte sich diese schließlich an der Geschwindigkeit, die die Körperpartien mit den größten Körperumfängen bis zur Austreibung des Vorderkörpers benötigen. So ist es auch zu erklären, dass nach einer Auszugszeit von über 15 Minuten nur der Vorderkörper des Kalbes extrahiert war.

BOECKER (1982) verglich bei ihren Untersuchungen ebenfalls gleichzeitige und wechselseitige Auszüge. Die abwechselnden Züge an den Extremitäten wurden bei ihr, wie bereits von BENESCH (1933) definiert, als schiefer Zug durchgeführt, d.h.

die zurückbleibende Gliedmaße wurde beim nächsten Zug stets nur auf die gleiche Höhe der vorgetretenen Extremität gezogen. Die von BOECKER (1982) gewählten Zugdifferenzen von 16 und 26,5 cm zwischen den Gliedmaßen entsprechen nicht den Verhältnissen, die in der Praxis üblicherweise angewandt werden. So zeigen die in der Praxis gängigen mechanischen Geburtshelfer mit wechselseitigem Zug Differenzen von etwa 5 cm auf. Daher wurden in der eigenen Arbeit kleinere Zugdifferenzen gewählt, bei denen die Gliedmaßen um 5 bzw. 10 cm versetzt wurden und durch abwechselndes Vorziehen Differenzen von maximal 5 bzw. 10 cm auf Höhe der Afterklauen erreicht wurden. Die Anwendung von zwei verschiedenen Zugdifferenzen beim alternierenden Auszug diente dazu, herauszufinden, ob Unterschiede in den Kräften bzw. Energien bei verschiedenen Differenzen bestehen.

Das Einhalten von Zugpausen beim gleichzeitigen Zug hatte wenig mit simulierten Wehenpausen gemein. Vielmehr sollte dies im gleichzeitigen Zugmodus die gleiche Durchschnittsgeschwindigkeit wie bei den wechselseitigen Auszügen gewährleisten.

Auf diese Weise sollte der Vorderkörper des Kalbes in allen Zugmodi die gleiche Zeit zur Anpassung an den Beckenring haben. Auch für den Vergleich der bei den verschiedenen Auszügen aufgewendeten Energie waren identische Auszugszeiten bei allen Zugmodi vorteilhaft.

5.4 Durchführung der Auszüge

Bei der Durchführung der Auszüge wurden vor allem das Einhalten von Grundregeln der Zughilfe und reproduzierbare Maßnahmen beachtet. Die Verwendung von

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Gleitmittel, die Fixierung des Kopfes und das Anlegen der Zugketten an die Gliedmaßen standen dabei im Vordergrund.

In der Geburtshilfe soll die Verwendung von Gleitmittel als Fruchtwasserersatz dienen und den Auszug damit erleichtern (SCHUIJT 1988; DROST 2005). Auch bei diesen Versuchen diente die Verwendung von ausreichend Gleitmittel der Reduzierung der beim Auszug auftretenden Reibung zwischen dem knöchernen Geburtsweg und dem Körper bzw. Haarkleid der Versuchstiere. Das vor jedem Auszug erneute gleichmäßige Verteilen des Gleitmittels ermöglichte dabei in dieser Hinsicht weitgehend konstante Verhältnisse.

Der Kopf der Kälber wurde mit Hilfe eines Kopfhalfters, an dem ein konstanter Zug von 50 N ansetzte, in gestreckter Haltung auf den Vordergliedmaßen fixiert. Nach RÜSSE (1981) bleibt die Position des Kopfes auf den Fesselgelenken durch die Fixierung erhalten. Laut SLOSS und DUFTY (1980b) und ROBERTS (1986) sei diese Maßnahme bei einem toten Kalb für den Auszug unabdingbar. Der ansetzende Zug von 50 N gewährleistete bei allen Auszügen eine für die Geburtshilfe vertretbare Zuglast. Darüber hinaus erleichterte dies den objektiven Vergleich aller Auszüge in allen Zugmodi, was durch einen intermittierenden manuellen Zug am Kopf schwierig gewesen wäre.

Für den Zug an den Gliedmaßen wurde jeweils eine Geburtskette mit der Öse so oberhalb des Fesselgelenks angebracht, dass die Glieder der Zugkette zwischen den Afterklauen auf der Palmarseite zu liegen kamen (SLOSS u. DUFTY 1980b;

GRUNERT u. ANDRESEN 1996). Nach ROBERTS (1986) kommt es dadurch zur Streckung der Klauen und zur Anhebung der Gliedmaßen, wodurch ein Aufliegen an dem Beckenrand verhindert werde. Die Verwendung von Zugketten war weniger mit dem Vorteil besserer Hygiene begründet (BOSTEDT 2003; DROST 2005), sondern vielmehr mit der Möglichkeit ihres genaueren Anbringens auf gleicher Höhe (WEHREND et al. 2003).

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