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3.7 Durchführung der Auszüge

3.7.3 Der Auszug

Vor Beginn jeder Untersuchung wurden die großen Auflageflächen vor und hinter der drehbaren Beckenhalterung mit einer transparenten Folie bedeckt (Dicke: 0,03 mm) und mit Klebeband abgeklebt. Das Kalb wurde in Vorderendlage, oberer Stellung und gestreckter Haltung in Richtung des Beckeneingangs in rechter Seitenlage auf die vordere Auflagefläche gelegt. Die gesamte Oberfläche des Kalbes wurde mit Gleitmittel auf Zellulosebasis (Firma WDT, Hannover, Deutschland) eingerieben. Die Herstellung des Gleitmittels aus dem Pulver erfolgte nach Anweisung des Herstellers. Auflageflächen und Beckenkanal wurden ebenfalls mit dem Gleitmittel dünn beschichtet. An dem Kopf wurde ein Kopfhalfter angelegt. An jeder Vordergliedmaße wurde eine Zugkette aus Metall proximal des Fesselgelenks so angebracht, dass die Öse palmar zu liegen kam. Das Kalb wurde nun über Zug an beiden Zugketten und mit Hilfe des Kopfstricks mit der Hand in den Beckeneingang gezogen. Das untere, rechte Karpalgelenk lag unter dem Unterkiefer des Kopfes und das obere, linke Karpalgelenk lag auf gleicher Höhe, war aber nicht, wie das rechte, zwischen Beckenboden und Kopf gelagert. Das manuelle Vorziehen wurde beendet sobald sich der Kopf kaudal des Promontoriums eingestellt hatte. Die exakt gleiche Einzugtiefe orientierte sich bei jedem Kalb individuell nach der Position des vorderen Augenwinkels zum Kreuzbeinende, wobei diese meist auf gleicher Höhe waren.

Beide Ellbogenhöcker wurden so weit vorgezogen, bis sie 7 bis 8 cm kranial des Beckenbodens entfernt waren. Die beiden Enden des Kopfstrickes wurden über ein Seil mit Karabinerhaken an ein 5 kg Gewicht an der Zuganlage eingehängt (3.4.3.1).

Die Zugseile der oberen und unteren Zugeinheit waren bei Nullstellung der Sensorschlitten auf gleicher Höhe. Das untere Zugseil wurde mit einem Karabinerhaken in ein markiertes Kettenglied der unteren Zugkette eingehängt. Das obere Zugseil wurde ebenfalls in ein auf gleicher Höhe markiertes Kettenglied der oberen Zugkette eingehängt. Die drehbare Beckenbefestigung wurde zu Beginn einer leicht nach dorsal entsprechenden Zugrichtung eingestellt. Der Abstand beider Ellbogenhöcker zum Beckenboden wurde erneut kontrolliert und eventuell korrigiert.

Der zuvor ausgeloste Zugmodus wurde in das mobile Steuerungspult der Zuganlage eingegeben und die Messwerterfassungssoftware eingeschaltet. Dabei musste

Material und Methoden

darauf geachtet werden, dass in diesem Moment keine Zugkraft an den Sensoren ansetzte, da zu Beginn der Datenaufnahme ein Nullpunktabgleich für die Kraftsensoren erfolgte. Nach zehn Sekunden wurde der angewählte Zugmodus gestartet. Die Extraktion wurde nach ca. 17 Minuten gestoppt. Der Nabel des Kalbes war in Abhängigkeit seiner Körpergröße in dieser Situation nur wenige Zentimeter von dem Beckenboden entfernt oder teilweise in den Beckeneingang eingetreten.

Die Zuganlage wurde auf Rücklauf beider Flanschmuttern geschaltet und die Karabinerhaken wurden ausgehängt. Das Kalb wurde anschließend mit manueller Zugkraft vollständig ausgezogen und wieder auf die vordere Auflagefläche gelegt.

Danach wurde das Kalb erneut mit Gleitmittel eingeschmiert und der gesamte Vorgang in allen Teilschritten exakt wiederholt. Nachdem beide Flanschmuttern wieder auf ihrer Startposition waren, wurde der ermittelte Zugmodus im Steuerungspult angewählt und die Extraktion per Zuganlage erneut gestartet.

Während des kompletten Auszuges wurde die horizontale Drehbewegung des Beckens sich selbst überlassen und nicht von außen beeinflusst.

3.7.3.1 Dokumentation der Auszüge

Bei jedem Auszug wurde ein schriftliches Protokoll angefertigt. Darin wurde jeder Zeitpunkt des Ein- und Austretens von Ellbogenhöckern, Schultern und Brustbein notiert. Um dies während der Untersuchung optisch zu erleichtern waren diese Körperstellen durch eine Rasur markiert worden. Bei den Ellbogenhöckern wurde der Kontakt zum kranialen Schambein notiert. Als vollständig eingetreten galt ein Ellbogen, wenn das Olekranon vollständig über das Schambein gezogen worden war. Das Eintreten der linken, oberen Schulter war mit dem Einziehen medial des Iliumschafts und das Austreten des Kopfes aus dem knöchernen Geburtsweg war mit dem vollständigen Austritt der Stirn unter dem kaudalen Rand des Kreuzbeins beendet. Das Austreten eines Ellbogenhöckers wurde als vollständiges Sichtbarwerden des Olekranon hinter dem Arcus ischiadicus definiert und notiert.

Bezüglich der Position der Brust wurde immer das beginnende Ein- und Austreten des Sternums zeitlich protokolliert.

Material und Methoden

Das Voranschreiten der beiden Gliedmaßen wurde bei jedem Auszug miteinander verglichen. Dabei wurde das Einhalten der für die Zugmodi festgelegten Differenzen auf Höhe der Afterklauen bei gleichzeitigem Zug in den Pausen und bei wechselseitigem Zug während der Zugwechsel mit einem Maßband kontrolliert (Abb. 3.18 a). Bei jedem Durchgang wurde ebenfalls der Vorlauf der beiden Zugeinheiten an der Skala der Zuganlage mehrfach notiert und das Einhalten der vorgegebenen Zugdifferenzen überprüft, wobei eine Abweichung von maximal 5 mm toleriert wurde (Abb. 3.18 b).

Abb. 3.18 a Abb. 3.18 b

Abb. 3.18: Kontrolle der Gliedmaßendifferenzen auf Höhe der Afterklauen (Abb. 3.18 a) und Kontrolle der Differenzen zwischen oberem und unterem Sensorvorlauf am Sensorschlitten (Abb. 3.18 b).

3.7.3.2 Speicherung und Auswertung der Daten

Nach jedem Auszug wurden die Messdaten mit Kälber- und Auszugsnummern gekennzeichnet. Die Speicherung erfolgte im ASCII- und DD-Format. Für die Auswertung wurden die aufzubringenden maximalen Zugkräfte als Kraftmaxima mit der Genauigkeit von 1 N beim Auszug des Vorderkörpers der Kälber angegeben. Mit Hilfe eines gesonderten Schaltbildes aus Modulen der DASYLAB® -Software für die Auswertung wurden die Kraft-Zeit-Kurven mit einem Linienschreiber dargestellt und vermessen (Abb. 3.19). Zusammen mit den im Protokoll dokumentierten Ereignissen wurden die Kraftmaxima der Summe beider Kraftsensoren und im Hauptversuch zusätzlich die Kraftmaxima an einer Gliedmaße bis zum Austreten des Kopfes und

Material und Methoden

bis zum Austreten der Brust ausgewertet. Die Abbildung 3.19 zeigt die Kraft-Zeit-Kurve eines wechselseitigen Auszuges mit einer Differenz von 5 cm und dem Zugbeginn an der oberen Gliedmaße. Auf der x-Achse ist die Zeit und auf der y-Achse die Kraft aufgetragen.

Abb. 3.19: Auswertungs-Layout einer Kraft-Zeit-Kurve in einem Linienschreiber mit Vermessungseinstellung bei wechselseitigem Zugmodus mit einer Differenz von 5 cm. Die aufzubringenden Kräfte [N] beider Sensoren sind in Abhängigkeit der Zeit [min:s] dargestellt.

rote Linie= Kraftkurve [N] des oberen Sensors; blaue Linie= Kraftkurve [N] des unteren Sensors; grüne Linie= Kraftkurve [N] der Summe von oberen und unteren Sensor

An den acht Kälbern des Vorversuchs (Nr. I bis VIII) wurden 86 Auszüge durchgeführt, wobei von 33 der wechselseitigen Auszüge mit Zugbeginn an der oberen Gliedmaße 16 mit einer Differenz von 5 cm und 17 mit einer Differenz von 10 cm durchgeführt wurden. Von 34 wechselseitigen Auszügen mit Zugbeginn an der unteren Gliedmaße wurden 16 mit einer Differenz von 5 cm und 18 mit einer Differenz von 10 cm extrahiert. Die Anzahl im gleichzeitigen Zugmodus betrug 19 Auszüge. Für die Auswertung der Reproduzierbarkeit wurden die Kraftmaxima des jeweils sechsten und siebten Auszugs im identischen Zugmodus miteinander

Material und Methoden

verglichen. Der Vergleich des Zugbeginns an der oberen oder unteren Gliedmaße erfolgte jeweils ohne Berücksichtigung der Kraftmaxima, welche beim ersten Auszug aufgetreten waren. Bei den Kälbern im Hauptversuch (Nr. IX bis XX) wurden insgesamt 84 Auszüge in den wechselseitigen Zugmodi mit Differenzen von 5 cm und 10 cm und im gleichzeitigen Zugmodus durchgeführt. Die jeweils zweiten bis siebten Auszüge der zwölf Versuchstiere kamen zur Auswertung, so dass in allen drei Zugmodi jeweils 24 Auszüge ausgewertet wurden.

Für die Bestimmung der Energie, die notwendig war, um das Kalb durch das Becken zu ziehen, wurden die Daten im ASCII- Format in Microsoft Office Excel® 2003 importiert. Die Energie (E) lässt sich aus dem Zeitintegral über die Kraft (F) und der Zuggeschwindigkeit (v) berechnen.

( )

Während der Auszüge wurden für jeden Sensor jeweils 10 Messwerte pro Sekunde gespeichert. Zusätzlich wurde auch die Gesamtkraft als Summe der von beiden Sensoren gemessenen Kräfte aufgezeichnet. Somit lagen für jedes Zeitintervall Δt mit der Dauer von 0,1 s drei Messwerte vor, nämlich die mittlere Kraft des Zeitintervalls Δt für den oberen und unteren Sensor, sowie die Gesamtkraft als Summe beider Kräfte. Da die Zeitintervalle sehr klein waren (Δt = 0,1 s), konnte das Zeitintegral durch eine entsprechende Summation der Messwerte ersetzt werden.

wurde für jeden Sensor getrennt durchgeführt. Anschließend wurde die Gesamtenergie als Summe der Energiewerte der beiden Sensoren berechnet.

Entsprechend den Auswertungen der Kraftmaxima wurde auch die Berechnung der

Material und Methoden

Energie in zwei Abschnitte, das Entwickeln des Kopfes und der Brust, getrennt. Die zeitliche Grenze zwischen den beiden Abschnitten stellte der Zeitpunkt der geringsten Zugkraft zwischen erstem und zweitem Kraftmaximum dar. Als zeitliche Trennung der Energieauswertung wurde für jedes Kalb ein individueller Zeitpunkt aus dem Verlauf der Kraft-Zeit-Kurven gewählt, der zwischen den Zeitpunkten 5 min 14 s und 5 min 50 s lag.