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raktisch allen Parkinson- Formen ist eine Ablassung der melanin-haltigen Zel- len der Substantia nigra ge- meinsam. Biochemisch geht diese Degeneration mit einem Mangel des Neurotransmitters Dopamin einher.Kardinalsymptome des Parkin- son-Syndroms sind Akinese , Rigor, Tremor, Bradyphrenie und vegative Störungen. Auf hirnatrophische Veränderungen oder zerebrovasku- läre Insuffizienz als extra-nigrale Veränderungen wurde in den letzten Jahren zunehmend hingewiesen („Parkinson-plus"). Verminderte Therapie ansprechkeit , vermehrte Nebenwirkungen und rascherer Krankheitsverlauf stehen hier im Vordergrund.
Depressive Verstimmungen können oft Vorläufer des Parkinson- Syndroms sein. Weit über die Hälfte der Patienten mit einem akineti- schen Parkinson-Syndrom weisen hirnorganische Abbauzeichen auf.
Gehäuft werden im CT hirnatrophi- sche Veränderungen nachgewiesen.
Sogenannte L-Dopa-induzierte Psy- chosen sind auch Ausdruck eines hirnorganischen Abbauprozesses.
Sie werden heute durch den Einfluß der Parkinsonmedikation nur häufi- ger gesehen oder ausgelöst und zei- gen somit ein fortgeschrittenes Sta- dium an. Entsprechendes gilt für so- genannte L-Dopa-induzierte Dyski- nesien. Diese treten zwar mitunter als „Früh-Dyskinesien” auf, neh- men aber doch im allgemeinen mit der Krankheitsdauer zu und weisen dann auf eine fortgeschrittene Krankheit hin.
Bei etwa einem Viertel der Kranken findet sich der sogenannte Tremor-Dominanz-Typ. Hier ist der Einsatz anticholinergisch wirksamer Medikamente induziert. Bei etwa
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zwei Dritteln der Patienten steht der rigid-akinetische Symptomenkom- plex im Vordergrund. Auch diese Fälle zeigen zur Hälfte einen Tre- mor. Etwa 10 Prozent Parkinsonpa- tienten zeigen einen benignen Ver- laufstyp, der eher für den Tremor- Dominanz-Typ zutrifft. Verläufe über 10 bis 15 Jahre ohne Invalidi- sierung sind möglich. Der maligne Verlauf (ebenfalls ~ 10 Prozent) ist vor allem bei Patienten vom Rigor- Akinese-Dominanz-Typ zu finden.
Eine rasche Progredienz, Therapie- resistenz und nachweisbare Hirn- atrophie zählen zu den Charakteri- stika. Rund 80 Prozent der Parkin- sonkranken zeigen den gewöhn- lichen Verlauf, das heißt in der Re- gel gute Ansprechbarkeit in den er- sten fünf Jahren und in weiteren fünf Jahren eine gewisse Therapierbar- keit mit Kombinationen. Erst dann tritt eine deutliche Behinderung oder Hilfsbedürftigkeit ein.
Vorteilhafte Kombination
Bei der oralen L-Dopa-Thera- pie liegen die Tagesdosen relativ hoch (2,0 bis 4,0 g/die), weil bereits ein Großteil vor Erreichen des ZNS decarboxyliert wird. Daher kommt es oft zu erheblichen Nebenwirkun- gen im gastrointerstinalen und kar- diovaskulären Bereich.
Die Kombination von L-Dopa mit (nur peripher wirksamen) De- carboxylase-Hemmern ist deshalb ein entscheidender Fortschritt. Im Madopar® beträgt das Verhältnis L- Dopa zu dem Decarboxylase-Hem- mer Benserazid 4:1. Ein vorsichtiges Aufdosieren und die Verteilung auf mehrere Einzeldosen erhöhen die Verträglichkeit. Bei Wirkverlust
nach einigen Jahren können ver- schiedene Medikamente zum Ein- satz kommen. Deprenil® als spezifi- scher MAO-Hemmer kann in den dopaminergen Neuronen angreifen und mitunter Akinesie und psychi- sches Verhalten bessern. Der Wir- kungsmechanismus der sogenannten Dopaminergika ist noch nicht end- gültig geklärt. Amantidin (PK- Merz®, Symmetrel®) kann vor allem gegen Akinesie und Rigor in Kombi- nationstherapie eingesetzt werden.
Bei vitalen akinetischen Krisen sind Amantidin-Infusionen das Mittel der Wahl. Als Antidepressiva stehen Imipramin (Tofranil®) oder Ami- tryptilin (Saroten®, Tryptizol®) zur Verfügung.
Von den sogenannten dopami- nergen Agonisten stand als erstes Bromocriptin (Pravidel®), ein halb- synthetisches Mutterkornalkaloid, zur Verfügung.
Begleitende Psychosen
Psychotische Bilder lassen sich mit L-Tryptophan oder bei stärkerer Ausprägung mit Dixyrazin (Esu- cos®) oder Melperon (Eunerpan®) beeinflussen. Bromazepam (Lexota- nil®) oder Tiaprid (Tiapridex®) ste- hen zur Beseitigung L-Dopa-indu- zierter Dyskinesien zur Verfügung.
Patienten mit hirnorganischem Abbau zeigen initial auf L-Dopa ei- ne Steigerung des psychischen An- triebs, gleiches geschieht durch Imipramim. Piracetam (Nootrop®, Normabrain®) verstärkt mitunter ebenfalls Unruhezustände.
Im Rahmen eines „Parkinson- Plus" kann bei einer zerebrovasku- lären Insuffizienz mit Infusionen niedermolekularer Dextrane (Rheo- macrodex®) oder Secale-Präparaten wie Hydergin® Tbl. oder Vincamin (Cetal ret. Kps.®) mitunter eine deutliche Besserung erzielt werden.
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G. Schnaberth, „Parkinson-plus", Fortschr. Med. 104 Jg. (1986) 10,209-212.
Univ.-Prof. Dr. med. G. Schnaberth I.
Neurol. Abt. Neurol. Krankenhaus Ro- senhügel, Riedelgasse 5, A-1130 Wien.
„Parkinson-plus
Bei nahezu zwei Dritteln der Patienten steht der rigid-akinetische
Symptomenkomplex im Vordergrund
Dt. Ärztebl. 84, Heft 8, 19. Februar 1987 (53) A-437