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Archiv "Deutliche Zunahme des Adenokarzinoms im Ösophagus" (07.07.2000)

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M E D I Z I N

A1896 Deutsches ÄrzteblattJg. 97Heft 277. Juli 2000

T

umore im Ösophagus gehören in Deutschland zu den selteneren malignen Erkrankungen. Männer sind etwa achtmal häufiger betroffen als Frauen. 1992 erkrankten von 100 000 männlichen Einwohnern der Bundesre- publik acht an einem Tumor der Spei- seröhre (35). Da die Ösophaguskarzi- nome meist in einem fortgeschrittenen

Stadium diagnostiziert werden, ist die Prognose entsprechend schlecht. Aus diesem Grund zählt das Ösophaguskar- zinom für Männer zu den zehn häufig- sten Todesursachen bei Tumorerkran- kungen (42). Histologisch unterschei- det man zwischen dem Plattenepithel- karzinom (PC) und dem Adenokarzi- nom (AC) der Speiseröhre. Bis vor dreißig Jahren wurde nur in Einzelfäl- len ein AC gefunden. In den letzten bei- den Jahrzehnten mehren sich jedoch die Berichte über die Zunahme dieser Tumorentität. Insbesondere aus Ameri- ka stammen Daten, in denen das AC in-

zwischen mehr als die Hälfte aller Er- krankungen an Speiseröhrenkrebs aus- macht. In einer populationsbasierten Studie, die im Einzugsgebiet der Mayo- Klinik in den USA gemacht wurde, konnte Pera zwischen 1970 und 1990 ei- ne Inzidenzerhöhung dieses Tumors um das Fünffache feststellen (36). Das Adenokarzinom des Ösophagus ent- steht in circa 90 Prozent der Fälle in der so genannten Bar- rett-Mucosa. Dieser Endo- brachyösophagus, wie der Zy- linderzellersatz in peptischen Plattenepitheldefekten als Folge einer chronischen Re- fluxkrankheit auch genannt wird, wurde im Jahre 1950 zu- erst von Barrett beschrieben (2). Schon bald danach be- richteten Morson und Belcher (32) über eine Häufung von Adenokarzinomen bei Pati- enten mit Barrett-Mucosa.

Ein Kausalzusammenhang zwischen Adenokarzinom und Endobrachyösophagus wurde erst 1963 von Adler vermutet (1). Unterschiedlich beurteilt wird derzeit noch die Wahr- scheinlichkeit, mit der es zu einer mali- gnen Entartung im Endobrachyösopha- gus kommt. Prospektive und retrospek- tive Langzeitbeobachtungen zeigen ei- ne Inzidenz von Barrett-Karzinomen zwischen einem Karzinom in 52 bezie- hungsweise 441 Patienten-Beobach- tungsjahren (8). Das Risiko, an einem Adenokarzinom des distalen Ösopha- gus zu erkranken, ist damit für Patien- ten mit einem Endobrachyösophagus in den verschiedenen Studien zwischen 30- und 125-mal höher als das der Nor- malbevölkerung. Ob AC des Ösopha- gus, bei denen keine Barrett-Mucosa nachweisbar ist (circa zehn Prozent), ei- ne andere Ätiologie haben oder ob der Nachweis dieses spezialisierten Epi-

Deutliche Zunahme

des Adenokarzinoms im Ösophagus

Elfriede Bollschweiler Arnulf H. Hölscher

Zusammenfassung

Gastroenterologen und Chirurgen treffen im- mer häufiger auf Patienten mit einem Adeno- karzinom der Speiseröhre. Während in der For- schung an den Fragestellungen zum Thema Barrett-Karzinom gearbeitet wird, erfolgt im klinischen Alltag häufig keine Unterscheidung zwischen Plattenepithel- und Adenokarzinom des Ösophagus. Auf der Basis der klinischen Daten allein, lässt sich keine Aussage über eine mögliche Zunahme dieser Tumorform machen.

Ziel der Arbeit ist es, anhand von bevölke- rungsbezogenen Daten und der Literatur dar- zustellen, ob diese Zunahme real ist. Die Ergeb- nisse zeigen in fast allen westlichen Ländern ei- ne starke Zunahme der Adenokarzinome im Ösophagus. Auch für Deutschland kann dies gezeigt werden, allerdings stehen hier nur we- nige Daten zur Verfügung.

Schlüsselwörter: Ösophagus, Karzinom, Epide- miologie, Inzidenz

Summary

Rising Incidence of Esophageal Adenocar- cinoma

Gastroenterologists and surgeons see more and more patients with adenocarcinoma of the esophagus. There are a lot of research projects focussing on the "Barrett-Carcinoma". But in clinical practice often enough no difference is made between adeno- and squamous cell car- cinoma. Clinical data are not valid to objecti- vize the changing incidence of the Adenocarci- noma. The aim of our study was to analyse po- pulation-based data and literature concerning the time trend in the incidence of esophageal cancer. The results demonstrate a steady in- crease of esophageal adenocarcinomas in western countries. In Germany we found a similar trend but not as excessive as in the USA.

This may be caused by only few data.

Key words: esophagus, carcinoma, epidemiolo- gy, incidence

Klinik und Poliklinik für Visceral- und Gefäßchirurgie (Direktor: Prof. Dr. med. Arnulf H. Hölscher) der Univer- sität zu Köln

4 3 2 1 0

Fälle pro 100 000 Einwohner/Jahr

1960 1970 1980 1990 2000

Auf die Weltbevölkerung altersstandardisierte Inzidenzraten für das Adenokarzinom des Ösophagus von 1960 bis 1995 in den USA für weiße Männer, beobachtete Werte und Regres- sionskurve. Datenquelle: SEER-Report 1998

Grafik 1

(2)

thels wegen der geringen Ausdehnung oder des fortgeschrittenen Tumors nicht gelingt, ist nicht eindeutig geklärt.

Mehr AC als PC der Speiseröhre in den USA

Bisher gibt es wenig exakte Daten über die bevölkerungsbezogene Häufigkeit des Adenokarzinoms im Ösophagus.

Krankenhausstatistiken oder Berichte über Häufigkeiten dieser Tumorentität stellen eine Selektion dar und können höchstens als Hinweise auf mögliche Trends gelten. In den USA existiert eine bevölkerungsbezogene Tumorerfassung, die im SEER-Report (National Cancer Institute’s Surveillance, Epidemiology and End Results Program) zusammenge- fasst sind. Dieser enthält Daten von etwa zehn Prozent der US-Bevölkerung (39).

Die Analyse dieser Daten zeigt eine Wachstumsfunktion mit einem starken Anstieg für das ösophageale AC bei Männern weißer Hautfarbe (Grafik 1).

Im SEER-Report werden unter- schiedliche Häufigkeiten des Ösopha- guskarzinoms zwischen den Rassen be- schrieben. So tritt das PC bei Schwar- zen dreimal häufiger auf als bei Weißen, das AC findet man überwiegend in der weißen Bevölkerung. Während die In- zidenz für das PC sowohl für Weiße als auch für Schwarze konstant ist oder leicht abnimmt, steigt die Inzidenz des AC für beide Hautfarben an (3, 11). Ei- ne Zunahme der Inzidenz beschreibt Blot auch für Frauen. Ähnliche Berich- te gibt es aus anderen westlichen Indu- strienationen, zum Beispiel aus Norwe- gen (17), Dänemark (7, 31), England (37), Frankreich (27) und auch aus Au- stralien (29). Im Gegensatz dazu findet sich in Japan fast ausschließlich das PC des Ösophagus, sodass ein Zusammen- hang zwischen den Lebensgewohnhei- ten beziehungsweise genetischen Merk- malen und der Entstehung der bei- den histologischen Entitäten des Öso- phaguskarzinoms diskutiert wird. Auf- grund der genannten epidemiologi- schen Veränderungen stellt sich die Frage, ob in den deutschsprachigen Ländern eine ähnliche Entwicklung für das Ösophaguskarzinom festzustellen ist wie in den USA und anderen Län- dern Westeuropas.

Zunahme der Adenokarzinome auch in Deutschland

In Deutschland gibt es nur für das Saarland durch das Saarländische Krebsregister (38) und für die ehema- lige DDR bis zum Jahr 1989 durch das Gemeinsame Krebsregister der Neuen Bundesländer und Berlin (14) eine vollständige bevölkerungsbezogene Tumordokumentation. Nach dem Er- gebnis der amtlichen Bevölkerungs- fortschreibung lebten 1993 im Jahres- durchschnitt 1,1 Millionen Menschen im Saarland. Auf der Basis dieser Stichprobe versucht man auf die Ge- samtbevölkerung der alten Bundes- länder der Bundesrepublik Deutsch- land zu schließen. In Tabelle 1sind die

Inzidenzen für das Ösophaguskarzi- nom für die Jahre 1985 und 1993 im Saarland dargestellt.

Betrachtet man für das Saarland den Verlauf der Inzidenz beider Tu- morentitäten im Ösophagus mithilfe einer Kurvenanpassung so ist für das PC ein leichter linearer Anstieg zu verzeichnen. Für das AC kann man ei- ne steilere Wachstumsfunktion zu- grunde legen, die vergleichbar ist mit der Anstiegsfunktion in den USA (Grafik 2).

Die Daten des Gemeinsamen Krebs- registers der Neuen Bundesländer und Berlin beziehen sich auf die 16 Millio- nen Einwohner der ehemaligen DDR.

Für das gesamte Gebiet der ehemali- gen DDR liegen vollzählige Daten (>

90 Prozent) von 1961 bis 1989 vor.

Nach 1989 wurde für die Neuen Bun- desländer und Berlin ein Melderück- gang verzeichnet. Seit 1995 steigt die Melderate wieder deutlich an (bis auf 70 bis 80 Prozent), sodass zukünftig wieder mit aussagekräftigen Daten zu

rechnen ist. Die altersstandardisierte Inzidenzrate des Ösophaguskarzinoms der männlichen Bevölkerung stieg dort von 2,8 im Jahr 1976 auf 4,4 Prozent im Jahr 1989. In Grafik 3sind die Inziden- zen für beide Histologien getrennt dar- gestellt. Sowohl für das PC als auch für das AC kann ein Anstieg gezeigt wer- den. In beiden Fällen verdoppelte sich die Inzidenz ausgehend von 1976 bis zum Jahr 1989. Die Inzidenz der sonsti- gen Ösophagusmalignome blieb wäh- rend dieses Zeitraums gleich.

In den deutschsprachigen Nachbar- ländern sind erst in den letzten Jahren Tumorregister eingerichtet worden, sodass eine Änderung der Inzidenzen noch nicht vorliegt. Die Daten aus dem Jahr 1992 zeigen aber ähnliche Häufig- keiten wie im Saarland, daher kann von aussa- gekräftigen Daten aus- gegangen werden (Ta- belle 2).

Diskussion

Aus den vorliegenden Daten aus den USA und Westeuropa lässt sich eindeutig eine Zu- nahme von Adenokarzinomen im Öso- phagus nachweisen. Dieser Anstieg der Inzidenz in den letzten 30 Jahren in den USA repräsentiert mit Abstand die höchste Zuwachsrate aller Tumo- ren (> 900 Prozent), mehr noch als die Zunahme des Melanoms der Haut, des Non-Hodgkin-Lymphoms (70 bis 120 Prozent) und des Lungenkrebses (220 bis 400 Prozent) (3, 10).

Auch für Deutschland lässt sich ein Anstieg der Inzidenz nachweisen. Die- ser fällt aber nicht so stark aus, wie für die anderen Länder gezeigt werden konnte. Ob diese Ergebnisse durch eventuelle strukturelle Gegebenheiten beeinflusst sind, wie sie in einem klei- nen Gebiet wie dem Saarland vorlie- gen können, lässt sich nicht beurteilen.

In den Gebieten der ehemaligen DDR stieg die Inzidenz der Adenokarzino- me im Ösophagus zwar auch an, aber ausgehend von einer sehr niedrigen In- zidenz. Dieser Anstieg ist vergleichbar mit der Zunahme der PC, sodass man in dem untersuchten Zeitraum nur von M E D I Z I N

A1898 Deutsches ÄrzteblattJg. 97Heft 277. Juli 2000

´ Tabelle 1CC´

Inzidenzraten* der männlichen Bevölkerung im Saarland für das Ösophaguskarzinom

19851993

Alle Karzinome des Ösophagus 6,1 8,3

Plattenepithelkarzinom 3,4 3,4

Adenokarzinom 0,8 1,2

* auf die Weltbevölkerung bezogen, altersstandardisiert (Fälle pro 100 000 Einwohner/Jahr) (Daten vom Saarländischen Krebsregister)

(3)

einer allgemeinen Zunahme von Mali- gnomen ausgehen kann.

Der Anstieg der AC im Ösophagus kann grundsätzlich durch Veränderun- gen der diagnostischen Verfahren und der Klassifikationssysteme innerhalb des untersuchten Zeitraums beeinflusst worden sein. So wurden in früheren Zeiträumen die AC im Ösophagus meist nicht von den PC unterschieden und ebenso Tumoren im gastroösopha- gealen Übergang häufig als Magenkar- zinome klassifiziert. Die topographi- sche Zuordnung war aufgrund der post- operativen Untersuchung nicht immer leicht. Blot (3) schließt aber aus den Daten des SEER-Reports, die eine Zu- nahme der Adenokarzinome im Öso- phagus und in der Kardia aufweisen, dass die Zunahme der AC im Ösopha- gus nicht ein relatives sondern ein ab- solutes Phänomen ist.

Über mögliche Ursachen für den Anstieg dieser Inzidenzen wird bisher nur spekuliert. Es ist anerkannt, dass sich das Adenokarzinom des Ösopha- gus in fast allen Fällen über Vorstufen der malignen Entartung im Barrett- Ösophagus entwickelt. Die Barrett- Mucosa entsteht als Folge eines lang andauernden Refluxes von Magen- be- ziehungsweise Duodenalinhalt in die Speiseröhre (18). In einer aktuellen epidemiologischen Studie in Schwe- den konnte der symptomatische Re- flux als Risikofaktor für die Entste- hung eines AC im Ösophagus nachge- wiesen werden (25). El-Serag konnte für die USA zwischen 1970 und 1995 eine signifikante Zunahme der Kran- kenhausaufenthalte mit der Diagnose gastroösophagealer Reflux (GER) auf- zeigen (40).

Es gibt Hinweise, dass gastroöso- phagealer Reflux häufiger bei überge- wichtigen Personen vorkommt, insbe- sondere bei solchen mit überwiegend im Bauchbereich angesiedelter Adi- positas (44). Dies kann ein Grund für den Anstieg der Inzidenz von AC- Karzinomen speziell in den Vereinig- ten Staaten und in einigen anderen eu- ropäischen Ländern sein, in denen die Prävalenz von Personen mit Überge- wicht in den letzten fünfzig Jahren deutlich angestiegen ist. In den USA waren 1960 23 Prozent der weißen Männer übergewichtig mit einem BMI

> 27,8 (BMI, Body-Mass-Index = Ge- wicht in Kilogramm dividiert durch das Quadrat der Körpergröße in Me- ter) und 1990 bereits 32 Prozent (24).

Der zu beobachtende Zusammen- hang zwischen Übergewicht und AC im Ösophagus kann auch an der Zusammensetzung der Ernährung lie- gen. Diätetische Faktoren, insbeson- dere hoher Fettkonsum, prädisponie- ren zum gastroösophagealen Reflux durch eine Verminderung des Drucks im unteren Ösophagussphinkter (44).

Zusätzlich zur fettreichen Ernährung wurden ein Mangel an Vitaminen wie

ß-Carotin, Retinol, Vitamin C und E, und geringer oder fehlender Genuss von Gemüse und Früchten als mögli- che Risikofaktoren für die Entstehung eines AC betrachtet (44, 33, 26, 13).

Es gibt mehrere Hinweise, dass ein erhöhter Alkoholkonsum eine mäßig- gradige Erhöhung des Risikos für die Entstehung eines AC im Ösophagus darstellt (44, 22, 6). In einigen aber nicht in allen Studien wurden unter Patien- ten mit AC im Ösophagus mehr Rau- cher und Trinker gefunden als unter Pa- tienten mit benignem Barrett-Ösopha- gus (16, 19, 21, 28). Dazu passt, dass

der Alkoholkonsum in allen westlichen Industrienationen während der letzten dreißig Jahre stark angestiegen ist.

Gleichzeitig mit der Zu- nahme des Adenokarzinoms in der Speiseröhre gab es enorme Änderungen im Ver- brauch von Medikamenten, die die Funktion im obe- ren Gastrointestinaltrakt be- einflussen. H2-Rezeptor-Blok- ker wurden 1975 vor Beginn der beschriebenen epidemio- logischen Veränderungen ein- geführt und gehörten sehr bald zu den am meisten ein- genommenen Medikamen- ten für Patienten mit dyspep- tischen Beschwerden. Der Rückfluss von Duodenalse- kret in die Speiseröhre för- dert im Tierexperiment die Entstehung von Tumoren in der Speiseröhre. Ratten, bei denen die Säure im Magen geblockt wurde, hatten ein dreifach höheres Risiko für die Entstehung dieser Tumo- ren (21). In einer englischen Untersuchung wurde eine signifikant höhere Mortalität an Ösophaguskarzinomen in einer Gruppe von Patienten festgestellt, die H2-Rezeptor- Antagonisten eingenommen hatten (die Patienten wurden über zehn Jahre prospektiv nachbeobachtet), im Ver- gleich zu Patienten ohne die- se Dauermedikation. Die Rate der beobachteten zu den erwarteten Karzinomfäl- M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 97Heft 277. Juli 2000 AA1899

Inzidenz Adenokarzinom pro 100 000 Einwohner/Jahr

19851990 1995

1,5

1

0,5

0

Auf die Weltbevölkerung altersstandardisierte Inzidenzrate des Adenokarzinoms im Ösophagus der männlichen Bevöl- kerung in den Jahren 1985 bis 1993 im Saarland. Beobach- tete Werte und Regressionsgerade. Datenquelle: Krebsregi- ster des Saarlands

4 3 2 1 0

Inzidenz pro 100 000 männlicher Einwohner/Jahr

19751977 1979 1981 1983 1985 1987 1989 1,6

0,2 0,4

3,3

Adenokarzinom Plattenepithelkarzinom

Zunahme der Ösophaguskarzinome in den Ländern der ehe- maligen DDR. Auf die Weltbevölkerung altersstandardisier- te Inzidenzrate der Karzinome im Ösophagus (PC, Platte- nepithelkarzinom; AC, Adenokarzinom) für die männliche Bevölkerung in den Jahren 1976 bis 1989. Beobachtete Wer- te und Regressionsgerade. Datenquelle: Gemeinsames Krebsregister der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklen- burg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen

Grafik 2

Grafik 3

(4)

len fiel zwar in den ersten Jahren, stieg aber im Verlauf unter H2-Blocker-Ein- nahme wieder an (9).

Es wird diskutiert, ob durch die Säu- resuppression andere aggressive Fak- toren, wie zum Beispiel Gallensäuren stärker wirken können (34). Bei den Protonenpumpen-Inhibitoren, wie zum Beispiel Omeprazol, konnte in einigen Studien auch eine Reduzierung des Gal- lerefluxes nachgewiesen werden (30).

Die Argumentation, dass die Magen- säuresuppression die Tumorentstehung fördert, kann eventuell dadurch belegt werden, dass die Prävalenz der atrophi- schen Gastritis, einer Vorstufe der mali-

gnen Entartung beim Magenkarzinom, signifikant höher war bei Patienten, die wegen Helicobacter-pylori-Infek- tion und Refluxösophagitis mit Omepra- zol behandelt wurden, als bei Patienten, die nur eine Antirefluxoperation erhal- ten hatten (23). Ob diese Befunde auch auf die Kardia und die Barrett-Mucosa zu übertragen sind, ist bisher nicht klar.

Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die intestinale Metaplasie der Kardia sich von der Barrett-Mucosa unter- scheidet (41).

Bei einer Vielzahl anderer Medika- mente, die in der Lage sind, den Druck im unteren Ösophagus-Sphinkter zu senken, wie Anticholinergika, ß-Mime- tika, -Rezeptor-Antagonisten, Bron- chodilatatoren, Calciumkanalblocker, Narkotika und Antihistaminika, ist der Verbrauch innerhalb der letzten 30 bis 40 Jahre stark angestiegen. Dieser Me- chanismus könnte auch an der steigen- den Inzidenz des Adenokarzinoms ur- sächlich beteiligt sein (46). Vaughan konnte allerdings für die Einnahme der

meisten dieser Substanzen kein erhöh- tes Risiko für das AC im Ösophagus finden; er berichtete aber über eine Er- höhung dieses Risikos für Personen mit jahrelang medikamentös therapiertem Asthma (45).

Die diskutierten Ursachen der Zu- nahme der AC im Ösophagus sind zum jetzigen Zeitpunkt noch spekulativ.

Aufgrund der beobachteten Trends steht es aber außer Zweifel, dass Bar- rett-Karzinome deutlich zugenommen haben und in den nächsten Jahren wei- ter ansteigen werden. Möglichkeiten der Beeinflussung dieser Entwicklung bestehen durch Vermeidung der disku-

tierten auslösenden Mechanismen. Das Ziel einer medikamentösen Beeinflus- sung des gastroösophagealen Refluxes muss sein, die Entstehung der Barrett- Mucosa zu verhindern. Dies kann nur durch eine Langzeittherapie erfol- gen.

Eine andere potenzielle Möglich- keit die Karzinomentstehung zu ver- hindern, ist die frühzeitige Refluxaus- schaltung durch Fundoplikation – vor Entwicklung eines Barrett-Ösopha- gus. Nach entstandenem Barrett-Öso- phagus kann durch diese Refluxaus- schaltung zwar noch ein günstiger Ef- fekt erwartet werden, Karzinome sind jedoch auch nach Fundoplikation be- obachtet worden (20). In den letzten Jahren werden endoskopische Verfah- ren zur Entfernung des potenziell malignen Barrett-Epithels erprobt, um eine Regeneration des Plattenepithels zu erreichen. Neben den weitverbrei- teten Thermokoagulationsverfahren unter Verwendung von Laser oder Elektrokoagulation stehen auch die

photodynamische Therapie (PDT) und die endoskopische Mukosaresektion (EMR) zur Verfügung. Ob diese Ver- fahren geeignet sind, eine komplette Ablation des unerwünschten Epithels zu erreichen, ist bisher nicht eindeutig geklärt (12). Ebenso fehlen Studien zu den Langzeitergebnissen bezüglich der Karzinomentstehung.

In jedem Fall sollen Patienten mit Barrett-Mucosa endoskopisch über- wacht werden, um dadurch frühzeitig eine maligne Entartung zu erkennen.

Patienten mit einem AC in der Spei- seröhre, das im Frühstadium entdeckt wird, haben eine sehr gute Prognose, die im Vergleich zur Durchschnittsbe- völkerung kaum eingeschränkt ist (19). Diese Daten beruhen auf dem Prinzip der radikalen Operation. In den letzten Jahren werden in Studien auch endoskopische Verfahren für die Behandlung von solchen Frühkarzino- men erprobt. Die Langzeitergebnisse für diese Therapieverfahren liegen al- lerdings noch nicht vor (15).

Aufgrund der hier aufgeführten epidemiologischen Fakten über das Adenokarzinom im Ösophagus wer- den Gastroenterologen und Chirurgen in den kommenden Jahren häufiger mit dieser Tumorentität konfrontiert werden. Die Erforschung der Entste- hung, Prävention und Therapie dieses Tumors ist in den vergangenen Jahren bereits deutlich intensiviert worden.

Es besteht aber noch ein Bedarf für weitere Forschungen, da das Daten- material bisher häufig nur für Vermu- tungen ausreicht.

Danksagung:Für die Daten des Saarländischen Krebs- registers bedanken wir uns bei Herrn Dr. Hartwig Ziegler und für die Daten des Gemeinsamen Krebsregisters der Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom- mern, Sachsen-Anhalt und der Freistaaten Sachsen und Thüringen bei Frau Dr. Eisinger.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2000; 97: A-1896–1900 [Heft 27]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift für die Verfasser:

Priv.-Doz. Dr. med. Elfriede Bollschweiler Klinik und Poliklinik für Visceral- und Gefäßchirurgie der Universität zu Köln

Joseph-Stelzmann Straße 9, 50931 Köln

E-Mail: Elfriede.Bollschweiler@medizin.uni-koeln.de M E D I Z I N

A1900 Deutsches ÄrzteblattJg. 97Heft 277. Juli 2000

´ Tabelle 2CC´

Inzidenzraten* der männlichen Bevölkerung in Österreich und der deutschsprachigen Schweiz für das Ösophaguskarzinom von 1992

alle nur

Ösophaguskarzinome AC des Ösophagus

Österreich, Tirol 4,2 0,3

Schweiz, Basel 5,4 1,5

Graubünden 4,7 0,3

St. Gallen 5,5 1,1

Zürich 3,6 0,7

* auf die Weltbevölkerung bezogen, altersstandardisiert (Fälle pro 100 000 Einwohner/Jahr) (Parkin 1997)

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