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Archiv "Evaluation des osteoporotischen Frakturrisikos" (22.06.2001)

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O

steoporotische Frakturen sind kein Altersschicksal, sondern das Resultat einer weit in die indivi- duelle Patientenanamnese zurückrei- chenden, defizitären Entwicklung. Die- se betrifft allerdings nicht nur das Ske- lett, sondern den gesamten Bewegungs- apparat. Neben dem Knochen (zum Beispiel Verlust von Knochenmasse und -struktur) sind in unterschiedli- chem Ausmaß Muskulatur (zum Bei- spiel Atrophie), Nervensystem (zum Beispiel mangelnde Koordination) und Gelenke (zum Beispiel schmerzbeding- te Immobilisation) an der Manifestati- on einer Osteoporose beteiligt. Bei frühzeitiger Erkennung der relevanten Risikofaktoren und entsprechender In- tervention kann die Entwicklung einer Osteoporose verhindert oder zumin- dest hinausgezögert werden. Daher ist es ärztliche Aufgabe das individuelle Osteoporoserisiko frühzeitig zu erken- nen, sowie bei vorhandenem Osteo- poroserisiko in risikoadaptierter Weise zu intervenieren.

Im Folgenden wird das Vorgehen zur Evaluation des osteoporotischen Frak- turrisikos erläutert. Da gesicherte Er- gebnisse fast ausschließlich für postme- nopausale Frauen vorliegen, beschränkt sich die Aussage im Wesentlichen auf diese Patientengruppe.

Statistisches und

individuelles Osteoporoserisiko unterscheiden

Osteoporose ist eine häufige Erkran- kung, und es ist bereits heute abzusehen, dass aufgrund der demographischen Entwicklung unserer Bevölkerung die Zahl der manifest Erkrankten zuneh- men wird (25, 60). Allein in Deutsch- land sind zurzeit etwa sechs Millionen Menschen betroffen (48), wobei der Anteil der korrekt diagnostizierten und

therapierten Patienten weit unter 50 Prozent liegen dürfte.

Das kumulative, auf die verbleibende Lebenszeit bezogene Frakturrisiko be- trägt für eine 50-jährige Frau jeweils 16 Prozent für vertebrale Frakturen bezie- hungsweise proximale Femurfrakturen, und 15 Prozent für Radiusfrakturen (28). Rein statistisch ergibt sich hieraus für eine Frau in der frühen Menopause ein Gesamtfrakturrisiko von über 50 Prozent. Diese statistische Größe ist un- ter klinischen Gesichtspunkten jedoch wenig relevant, da das Risiko für osteo- porotische Frakturen nicht gleichförmig über die weibliche Bevölkerung verteilt, sondern auf bestimmte, besonders ge- fährdete Teilpopulationen konzentriert ist. Die Identifizierung derjenigen Pati- enten, die das höchste Risiko für zukünftige osteoporotische Frakturen besitzen, ist daher sowohl unter medizi- nischen als auch unter ökonomischen Gesichtspunkten essenziell. Strategien zur Prävention oder Therapie der Osteoporose sollten idealerweise früh

Evaluation des osteoporotischen Frakturrisikos

Zusammenfassung

Eine realistische Abschätzung des osteoporoti- schen Frakturrisikos gelingt nur, wenn neben der Knochendichte auch anthropometrische und anamnestische Risikofaktoren miterhoben werden. In unklaren Fällen dient die Knochen- umsatzrate als zusätzliche Information. Die ge- naue Anamneseerhebung ist der Schlüssel zur Evaluation des Osteoporoserisikos. Hier sollten Angaben zur familiären und eigenen Frak- turanamnese, zur Lebensführung, zum hormo- nellen Status, zur Medikation und zu Vorer- krankungen erhoben werden. Mit steigendem Alter treten zunehmend Faktoren in den Vor- dergrund, die Sturzneigung und Sturzfol- gen beeinflussen. Bestehende osteoporotische Frakturen, ob klinisch symptomatisch oder nicht, zählen zu den größten Risiken für weite- re Frakturen. Eine von fünf Patientinnen mit frischer Wirbelkörperfraktur frakturiert inner- halb von zwölf Monaten erneut. Die Indikation zur Knochendichtemessung sollte nur bei Pa- tienten mit nachvollziehbarem Frakturrisiko,

und nicht als Screeningtest gestellt werden. Ri- sikofaktoren unterschiedlicher Kategorien kön- nen sich gegenseitig verstärken. Das höchste Osteoporoserisiko und damit eine klare Indika- tion zur Intervention besteht, wenn mehrere anamnestische Risikofaktoren, eine deutlich erniedrigte Knochendichte und eine beschleu- nigte Knochenresorption vorliegen.

Schlüsselwörter: Osteoporose, Frakturrisiko, Knochendichte, Knochenumsatz

Summary

Evaluation of The Risk of Osteoporotic Fractures

A reliable evaluation of the risk of osteoporotic fractures includes the assessment of factors other than just bone density measurements.

Anthropometric data, the patient’s personal and family history, life style, exposure to sex hormones, previous and present medication, as well as co-morbidity are all relevant factors influencing the risk of fracture and therefore

need to be taken into account. In the elderly, the propensity for falls are additional and increasingly important factors. Markers of bone turnover may be used in cases where the above assessment strategy leads to ambiguous re- sults. Prevalent osteoporotic fractures, whether symptomatic or not, are associated with the highest relative risk for new fractures. One out of five patients with a new vertebral fracture will experience a fracture again within twelve months. Bone density measurements should be ordered in patients with conceivable risk only, but not as a screening test. The various risk factor categories influence the risk of fracture partly independent from each other. If accumu- lated in an individual, these factors may en- hance risk in a supra-additive way. Patients presenting with multiple risk factors in their personal history, low bone density and high bone turnover are clear candidates for inter- vention and should be treated without delay.

Key words: osteoporosis, fracture risk, bone mineral density, bone turnover

Medizinische Klinik, Abteilung Innere Medizin I (Direktor:

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Reinhard Ziegler), Universität Hei- delberg

Markus J. Seibel

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einsetzen und über Jahre durchgehalten werden. Sie müssen daher nicht nur nachweislich wirksam, sondern auch si- cher, nebenwirkungsarm und „preis- wert“ sein (Kosten der Intervention ste- hen im Verhältnis zu ihrem Nutzen).

Diese Voraussetzungen können nur dann annäherungsweise erfüllt werden, wenn präventive oder therapeutische Maßnahmen risikoadaptiert erfolgen.

In erster Linie geht es also zunächst darum, Risikopatienten, die durch die Entwicklung einer Osteoporose poten- ziell gefährdet sind, möglichst sicher zu identifizieren.

Abschätzung des individuellen Frakturrisikos

Die mechanische Kompetenz des Kno- chens wird durch skelettale, muskuläre und neuronale Elemente bestimmt.

Diese sind ihrerseits wiederum von teils nicht beeinflussbaren (zum Beispiel Al- ter, Geschlecht), teils von beeinfluss- baren Faktoren (zum Beispiel Ernäh- rungs- und Trainingszustand) abhängig.

Im Gegensatz zur landläufigen Mei- nung ist das Frakturrisiko also nicht ausschließlich, sondern bestenfalls par- tiell von der Knochendichte abhängig.

Eine realistische Abschätzung des osteo- porotischen Frakturrisikos gelingt daher nur, wenn neben der Knochendichte auch unabhängige anthropometrische und anamnestische Risikofaktoren mit- erhoben werden. In unklaren Fällen kann außerdem die Knochenumsatzra- te als zusätzliche Information herange- zogen werden. Die meisten der bisher identifizierten Risikofaktoren gelten je- doch nur für die Hüftfraktur. Das Wis- sen über das Risiko für vertebrale und andere Frakturen ist derzeit noch frag- mentarisch.

In den letzten Jahren wurden eine Reihe von Risikofaktoren identifiziert, die unabhängig von der Knochendichte zur Entwicklung einer Osteoporose bei- tragen (Textkasten). Hierbei unterschei- det sich die Situation während der frühen Postmenopause von derjenigen im höheren Alter. In manchen Fällen be- stehen zudem fließende Übergänge zu sekundären Osteoporosen. Fast alle die- ser Risikofaktoren können ohne größe- re technische Hilfe erhoben werden.

Anthropometrische Risikofaktoren

Zu den anthropometrischen Risikofak- toren zählen das Alter und der hier- mit verbundene Knochenmasseverlust, das Geschlecht, der Menopausensta- tus, die Körpergröße und das Körper- gewicht beziehungsweise der Body- mass-Index.

Die Inzidenz osteoporotischer Frak- turen nimmt mit dem Alter zu. So steigt das relative Risiko (RR) für eine pro- ximale Femurfraktur mit jedem Fünf- Lebensjahre-Intervall um etwa den Faktor 2 an (5, 10, 56). Interessanter- weise nimmt der Knochenmassever- lust mit dem Alter eher zu (16, 26), ebenso wie die Inzidenz und Relevanz einer Reihe anderer Risikofaktoren.

Inwiefern demnach das Alter einen Risikofaktor per se darstellt, oder le- diglich summarischer Ausdruck einer Vielzahl prädisponierender, mit dem Alter assoziierter Faktoren ist, sei da- hin gestellt.

Aus verschiedenen Gründen ist die Prävalenz und Inzidenz osteoporoti- scher Frakturen bei postmenopausa- len Frauen höher als bei gleichalten Männern. So beträgt die Prävalenz von Wirbelkörperfrakturen bei Frauen 7,7 Prozent, bei Männern 5,3 Prozent, die nichtvertebraler Frakturen bei Frauen 12,7 Prozent, während diese sich bei Männern auf 1,4 Prozent beläuft (17, 43, 48). Diese Häufung hängt unter an- derem mit der niedrigeren Knochen- und Muskelmasse, dem klimakterisch bedingten Hypogonadismus und der längeren Lebenserwartung der Frau zusammen.

Auch die Körpergröße (5) und das Körpergewicht (10, 14, 15) sind unab- hängig von der Knochendichte mit dem Frakturrisiko am proximalen Fe- mur assoziiert (Textkasten). Insbeson- dere untergewichtige postmenopausa- le Frauen weisen ein deutlich höheres Osteoporoserisiko auf als normal- oder übergewichtige Frauen gleichen Alters (10, 14, 20).

Ursächlich sind hierfür neben der eigentlichen Mangel- beziehungsweise Fehlernährung auch hormonelle (Hy- pogonadismus) und mechanische (feh- lendes „Fettpolster“) Faktoren wirk- sam.

A

A1682 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 25½½½½22. Juni 2001

Risikofaktoren für die Entwicklung einer primären oder sekundären Osteoporose Jüngere Patientinnen (unter 70–75 Jahre) A

Anntthhrrooppoommeettrriisscchhee RRiissiikkooffaakkttoorreenn::

höheres Alter, weibliches Geschlecht, niedriges Körpergewicht beziehungsweise Untergewicht (auch Anorexie), überdurchschnittliche Körper- größe

A

Annaammnneessttiisscchhee RRiissiikkooffaakkttoorreenn Frakturanamnese

Fraktur(en) ohne adäquates Trauma nach dem 45. Lebensjahr

Familiäre Osteoporosebelastung bei Eltern oder Geschwistern

Umwelt und Lebensführung

Bewegungsmangel

Calciummangel

Geringe Sonnenexposition

Rauchen

Alkoholabusus*

Sexualhormone

Zeit zwischen Menarche und Menopause < 30 Jahre

Menopause vor dem 45. Lebensjahr

Längerfristige Östrogenmangelzustände (Ame- norrhoe, Oligomenorrhoe)

Hyperprolaktinämie*

Hypogonadismus (alle Formen) Iatrogene Faktoren*

Glucocorticoide (länger als 6 Monate)

Antiepileptika

TSH-suppressive Therapie mit Schilddrüsenhor- monen (nur nach der Menopause)

Heparin (selten!) Erkrankungen*

Primärer Hyperparathyreoidismus

Langfristig unbehandelte Hyperthyreose

Hyper- und Hypocortisolismus

Multiples Myelom (Plasmozytom) / andere Ma- lignome (Tumorosteopathie)

Systemische Mastozytose

Rheumatoide Arthritis und andere systemisch entzündliche Erkrankungen

Malabsorptionssyndrome (M. Crohn, Sprue, Zu- stand nach Gastrektomie)

Ältere Patientinnen (über 70–75 Jahre) Alle die für jüngere Patientinnen genannten Fak- toren plus:

Geringe Muskel- und Fettmasse (Unter- und Fehlernährung)

Herabgesetzte Vigilanz (Gebrauch von Sedativa und Schlafmitteln, Demenz)

Verminderte motorische Kompetenz (Gehbe- hinderung, neurologische Erkrankungen)

Visuseinschränkungen (zum Beispiel schlecht angepasste Brille)

Stolperfallen im häuslichen Milieu

* Diese Faktoren sind vor allem mit sekundären Osteo- porosen assoziiert

Textkasten

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Anamnestische Risikofaktoren

Eine genaue Anamnese ist der Schlüs- sel zur Evaluation des osteoporotischen Frakturrisikos. Abzufragen sind fami- liäre und eigene Frakturereignisse, Le- bensstil, hormoneller Status, iatrogene Einflüsse (Glucocorticoide!) und beste- hende beziehungsweise durchgemachte Erkrankungen (Textkasten). Mit stei- gendem Alter treten für die Einschät- zung des Frakturrisikos zunehmend Faktoren in den Vordergrund, die Sturzneigung und Sturzfolgen beein- flussen.

Frakturanamnese

Die familiäre und persönliche Frak- turanamnese ist sehr bedeutsam für die individuelle Risikoabschätzung. Eine postmenopausale Frau, deren Mutter eine proximale Femurfraktur erlitt, hat ein zweifach höheres Risiko für eine derartige Fraktur als eine familiär un- belastete Frau gleichen Alters und mit gleicher Knochendichte (10, 12). In der Eigenanamnese sollte nach Frakturen gefragt werden, die nach dem 45. Le- bensjahr und ohne adäquates Trauma aufgetreten sind. Dabei ist Folgendes zu beachten:

❃Jede osteoporotische Fraktur zieht mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere Frakturen nach sich. Hierbei sind der Frakturtyp und die Knochendichte von sekundärer Bedeutung (das heißt Pa- tienten mit vertebralen Frakturen besit- zen ein erhöhtes Risiko für spätere ver- tebrale als auch nichtvertebrale Fraktu- ren (36, 37, 46, 54, 56, 61).

❃Das relative Risiko (RR) für neue osteoporotische Wirbelkörperfraktu- ren nimmt mit der Zahl prävalenter vertebraler Frakturen zu (40). Wäh- rend das RR bei einer prävalenten Wir- belkörperfraktur zwischen 2 und 3 liegt, steigt es bei zwei prävalenten Frakturen auf 5 und bei drei Frakturen auf 10 an (3). Als Regel gilt, dass sich das RR für weitere Wirbelkörperfrakturen mit je- der prävalenten vertebralen Fraktur verdoppelt bis verdreifacht.

❃Frauen mit präexistenten Fraktu- ren und erniedrigter Knochendichte weisen das höchste Risiko für weitere Frakturen gleichen oder anderen Typs auf (47, 61). Bei Frauen mit prävalenter

Fraktur, jedoch normaler Knochen- dichte, muss ebenso von einem erhöh- ten Frakturrisiko ausgegangen werden wie bei Frauen mit sehr niedriger Kno- chendichte, die (noch) keine Fraktur zeigen (61).

❃Osteoporotische Frakturen weisen eine erhebliche Dynamik auf. Von 100 Frauen, die heute eine neue (so genann- te inzidente) vertebrale Fraktur erlei- den, werden 20 Frauen innerhalb der

nächsten zwölf Monate eine weitere vertebrale Fraktur entwickeln (33).

Diese Erkenntnis verdeutlicht die Not- wendigkeit einer raschen Intervention auf ärztlicher Seite.

Der behandelnde Arzt sollte also stets davon ausgehen, dass Frauen, die bereits eine oder mehrere osteoporoti- sche Frakturen erlitten haben, unab- hängig von ihrer aktuellen Knochen- dichte in kurzer Zeit weitere Brüche er- leben werden.

Lebensführung

Eine Reihe von „life style“-Faktoren scheinen unabhängig von der Knochen- dichte das osteoporotische Frakturrisi- ko zu beeinflussen. Auch wenn für eini- ge von ihnen keine exakten Daten vor- liegen, ist die Berücksichtigung der in- dividuellen Lebensumstände bedeut- sam für die Abschätzung der langfristi- gen Osteoporosegefährdung.

Bewegungsmangel wirkt sich vor al- lem über die muskuläre und neuronale Minderutilisation negativ auf die Kno-

chendichte und -qualität aus. Das osteoporotische Frakturrisiko nimmt an der Hüfte mit zunehmendem kör- perlichen Aktivitätsgrad kontinuierlich ab (21). Umgekehrt ist Bewegungsar- mut bei älteren Patienten mit einem höheren Risiko für Schenkelhalsfraktu- ren verbunden (RR: 2,4) (56).

Der ebenfalls für unsere Breiten typische, diätetische Calciummangel führt zu einer chronisch negativen Cal-

ciumbilanz, die durch Mobilisation von Calcium aus dem Knochen kompen- siert wird. Diese Situation wird beim äl- teren und alten Menschen durch eine nicht nur während der Wintermonate mangelnde Sonnenexposition aggra- viert. Entsprechend berichten Bouillon et al. (4), dass circa 95 Prozent aller Pa- tienten über 70 Jahre einen latenten oder manifesten Vitamin-D-Mangel aufweisen!

Rauchen und Alkoholgebrauch schei- nen ebenfalls mit einem leicht erhöhten Frakturrisiko assoziiert zu sein (5, 42).

Hiervon abzugrenzen ist der chronische Alkoholabusus, der über unterschiedli- che Mechanismen (unter anderem Hy- pogonadismus) zur sekundären Alko- hol-Osteopathie führen kann (38).

Hormoneller Status, Medikation und Vorerkrankungen

Eine ausreichende Versorgung mit Se- xualhormonen ist bei beiden Ge- schlechtern für den Erhalt einer adä- quaten Knochen- und Muskelmasse es- 12

10 8 6 4 2

0 50 55 60 65 70 75 80 85 Wahrscheinlichkeit einer Fraktur (%)

Risikoscore

Grafik 1 Wahrscheinlichkeit einer proximalen Femurfraktur

bei steigendem anamnestischen Risikoscore. Un- tersucht wurden 5208 Männer und Frauen über 55 Jahre. Die anamnestischen Risikofaktoren für eine Osteoporose wurden nach einem mathematischen Modell gewichtet. Mit steigender Zahl anamnesti- scher Risikofaktoren beziehungsweise mit wach- sendem Risikoscore steigt die Wahrscheinlichkeit einer proximalen Femurfraktur. Die blaue Linie zeigt den Zusammenhang bei Verwendung anam- nestischer Risikofaktoren alleine, die rote Linie un- ter Hinzunahme der Knochendichtemessung. Mit steigender Zahl anamnestischer Risikofaktoren wird die Zusatzinformation der Knochendichte- messung geringer (aus: [5]).

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senziell (1). Langfristig hypogonade Frauen und Männer zeigen im Ver- gleich zu Gesunden eine massiv erhöhte Prävalenz osteoporotischer Frakturen (53). Für die Abschätzung des zukünfti- gen Frakturrisikos ist daher eine ge- naue Anamnese hinsichtlich der Expo- sition mit Sexualhormonen unerläss- lich. Postmenopausale Frauen sollten nach Zeitpunkt von Menarche und Me- nopause gefragt werden. Eine späte Menarche, eine Menopause vor dem 45.

Lebensjahr, längerfristige Östrogen- mangelzustände (Oligo-/Amenorrhoe) oder sonstige Zeichen eines nicht be- handelten Hypogonadismus sollten

Anlass zu weiteren Überlegungen hin- sichtlich einer potenziellen Osteopenie oder Osteoporose sein.

Eine Reihe anderer Erkrankungen beeinflusst direkt oder indirekt die Kno- chen- und Muskelmasse und damit das Frakturrisiko (Textkasten). So führt ein langjähriger primärer Hyperparathy- reoidismus durch die chronische Calci- ummobilisation zur Osteopenie (51), das Frakturrisiko ist erhöht (30). Eine manifeste, unbehandelte Hyperthyreo- se (zum Beispiel autonomes Adenom, M. Basedow) kann ebenfalls zur Osteo- porose führen. Allein die anamnesti- sche Angabe einer abgelaufenen Hy- perthyreose scheint mit einem erhöh- ten Osteoporoserisiko assoziiert (10, 52).

Eine der wohl gefürchtetsten Kom- plikationen des endogenen oder exo- genen (iatrogenen) Cortisonexzesses

ist die osteoporotische Fraktur. Der un- ter Cortisonexzess auftretende Kno- chenmasseverlust kann rapide, das heißt innerhalb von wenigen Monaten verlaufen und zu multiplen Frakturen führen.

Der manifeste Hypercortisolismus, gleich welcher Genese, gilt daher als eigenständiger, relevanter Risikofak- tor, der auch beim noch „Knochenge- sunden“ eine osteoprotektive Inter- vention rechtfertigt (31). Ähnliches gilt für entzündliche System- (zum Bei- spiel rheumatoide Arthritis) oder Dar- merkrankungen (zum Beispiel M.

Crohn), die häufig ein Mischbild aus

krankheitsbedingter und iatrogener Knochenschädigung bieten. Auch Ma- labsorptionssyndrome (zum Beispiel Sprue, Zustand nach Gastrektomie) sind mit einem erheblichen Osteo- poroserisiko verbunden, insbesondere bei Patienten mit erniedrigter Kno- chendichte oder anderen, relevanten Risikofaktoren (49, 58).

Multiple Myelome und osteotrop metastasierende Malignome treten oft unter dem Bild einer sekundären Osteoporose mit schmerzhaften Spon- tanfrakturen in Erscheinung. Diese Frakturen sind also Komplikationen primär nichtskelettaler Erkrankun- gen, das Malignom ist als Ursache oder als „Risikofaktor“ im weitesten Sinne zu werten. Auch die seltene, sy- stemisch oder isoliert skelettal verlau- fende Mastozytose gehört in diese Ka- tegorie.

Besonderheiten im höheren Alter

Die proximale Femurfraktur („Schen- kelhalsfraktur“) ist die typische osteo- porotische Fraktur jenseits des 70.

Lebensjahres. Dementsprechend wird das Frakturrisiko im höheren Alter zu- nehmend durch die Sturzneigung und die Sturzbewältigung beeinflusst (10, 11, 20, 28, 29).

Im Gegenzug tritt die Bedeutung der in der früheren Menopause rele- vanten Risikofaktoren ebenso wie die Knochendichte mehr und mehr in den Hintergrund (Grafik 1).

Häufiges Fallen ist in der Gruppe der über 55 Jahre alten Personen der mit dem höchsten Risiko für proximale Femurfrakturen assoziierte anamne- stische Faktor (RR: 3,5) (5). Der Ge- brauch einer Gehhilfe war in dieser großen niederländischen Studie mit ei- nem relativen Risiko von 2,8 verbun- den, und damit in dieser Altersgruppe ein höher zu bewertender Risikofaktor als prävalente Frakturen (RR: 2,3) oder eine erniedrigte Knochendichte (RR: 1,5).

Diese Beobachtungen verdeutli- chen, dass Fallneigung, Sturzverhalten und Sturzfolgen wesentlich durch Mo- bilität und Koordinationsfähigkeit be- stimmt werden (20). Bei älteren Pati- enten sollte daher besonderes Augen- merk auf folgende Faktoren gerichtet werden:

❃Reduzierte Muskel- und Fettmas- se (zum Beispiel durch Unter- oder Fehlernährung)

❃Herabgesetzte Vigilanz („Benut- zen Sie Schlafmittel?“)

❃Verminderte motorische Kompe- tenz („Wie viele Stunden sind Sie am Tag auf den Beinen?“, „Können Sie sich aus einem Sessel erheben?“)

❃Verminderte neurologische Koor- dination („Benutzen Sie eine Gehhil- fe? Leiden Sie unter Gleichgewichts- störungen?“)

❃Visuseinschränkungen („Können Sie mit Ihrer Brille scharf sehen?

Wann wurde sie zuletzt angepasst?“)

❃Stolperfallen im häuslichen Mi- lieu.

Häufig ist zur realistischen Ein- schätzung der Situation die Befragung Angehöriger oder ein Hausbesuch nützlich.

A

A1686 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 25½½½½22. Juni 2001

20 18 16 14 12 10 8 6 4 2

0 –3 –2 –1 0 1 2 Risiko Schenkelhalsfraktur (RR)

Knochendichte (SD) T = –2,5

Grafik 2 Frakturrisiko (relatives Risiko, RR) am proximalen

Femur und Knochendichte (gemessen am Radius [grün], Calcaneus [blau] und Schenkelhals [rot]). Es ist zwar an allen Messorten ein Zusammenhang zwischen Abnahme der lokalen Knochendichte und Zunahme des Frakturrisikos nachweisbar, dieser ist aber für den „Messort des tatsächlichen Geschehens“ am stärksten. Bei einem T-Wert von - 2,5 SD (entspricht der WHO-Definition der Osteo- porose) ist das Frakturrisiko an der Hüfte gegenü- ber einer normalen Knochendiche (T= 0 SD) je nach Messort um den Faktor 3 bis 13 gesteigert (nach: [8]). (SD, Standardabweichung)

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Niedrige Knochendichte

Zahlreiche prospektive Studien haben gezeigt, dass Knochendichtemessungen prognostische Informationen zum Frak- turrisiko liefern (64). Unter den verschie- denen osteodensitometrischen Metho- den wurde bisher die Messung mittels DXA (DXA, dual X-ray absorptiometry) hinsichtlich des osteoporotischen Frak- turrisikos am besten validiert: Für eine postmenopausale Frau verdoppelt bis verdreifacht sich das Frakturrisiko an Wirbelsäule beziehungsweise Hüfte mit jeder Abnahme der Knochendichte um 1 Standardabweichung vom Mittelwert gesunder 30-jähriger Frauen (Grafik 2) (32, 33). Nach Marshall et al. (34) ist der prädiktive Wert der Osteodensitometrie hinsichtlich des zukünftigen Fraktur- risikos höher einzustufen als die Bestim- mung des Serumcholesterinwerts hin- sichtlich des Herzinfarktrisikos. Die Knochendichtemessung trägt damit we- sentlich zur quantitativen Abschätzung der individuellen Frakturgefährdung bei.

Dennoch ist die Spezifität der Kno- chendichtemessung ungenügend, um als Screeningmethode eingesetzt zu werden.

Die Osteodensitometrie sollte daher im Rahmen der klinischen Primärevaluation vor allem als ein weiterer, wenngleich be- deutender Risikofaktor aufgefasst wer- den. Eine Knochendichtemessung ist nur dann aussagekräftig, wenn sie korrekt durchgeführt und in Synopsis mit den übrigen klinischen Daten des Patienten interpretiert wurde. Die Bedeutung der Knochendichte für das zukünftige Frak- turrisiko nimmt zum einen mit der Zahl anamnestischer und anthropometrischer Risikofaktoren (Grafik 1), zum ande- ren mit zunehmendem Alter ab. Die Knochendichtemessung sollte daher aus- schließlich bei Personen mit nachvoll- ziehbarem, zum Beispiel anamnestischen Osteoporoserisiko eingesetzt werden.

Zum 1. April 2000 wurde die Kno- chendichtemessung bei Frauen ohne be- reits vorhandene osteoporotische Frak- tur aus dem Leistungskatalog der Kran- kenkassen gestrichen. Dies mit der Be- gründung, dass der Einsatz der Osteo- densitometrie für die Primär- und Sekun- därprävention unter Kostengesichts- punkten ineffizient sei, da im Vergleich zum Aufwand zu wenige Frakturen durch eine frühzeitige Messung verhin-

dert würden. Mit dieser Entscheidung wurde eine umfassend validierte Metho- de zur frühen Evaluation des osteoporo- tischen Frakturrisikos für eine große Zahl potenziell Gefährdeter eliminiert.

Da die zurzeit verfügbaren anamnesti- schen Risikoscores nicht ausreichend va- lidiert sind, wird durch dieses Vorgehen eine risikoangepasste Intervention vor Eintritt der Fraktur (Prävention) er- schwert. Dieser Logik zufolge muss das Risiko zunächst in Form einer mani- festen Fraktur realisiert werden, bevor weitere diagnostische und therapeu- tische Maßnahmen ergriffen werden können. Angesichts der Tatsachen, dass

auch klinisch stumme Wirbelkörperfrak- turen zu funktionellen Einschränkungen führen (40), dass eine erste osteoporoti- sche Fraktur weitere Frakturen nach sich zieht (33), und dass Frakturen bei adä- quater Intervention zum Teil verhindert werden können, ist diese Strategie zu- mindest fragwürdig.

In umfangreichen Studien konnte mittlerweile gezeigt werden, dass be- stimmte Verfahren zur Ultraschallunter- suchung am Knochen (zum Beispiel Cal- caneus) gut geeignet sind, um das Aus- maß der Frakturgefährdung unabhängig von der „konventionell“ erhobenen

Knochendichte abzuschätzen (zum Bei- spiel [23]). Die Methode ist in den USA zwischenzeitlich zur Risikoevaluation zugelassen. In Deutschland steht diese Zulassung derzeit noch aus, Empfehlun- gen zur Anwendung in der Praxis sollten zurückhaltend gehandhabt werden.

Beschleunigter Knochenumsatz

Die Knochenumbaurate lässt sich an- hand biochemischer Marker abschätzen (63). Ein beschleunigter Knochenum- satz ist unabhängig von Anamnese und

Knochendichte mit einem höheren Frakturrisiko vergesellschaftet. So steigt das Risiko einer osteoporotischen Frak- tur mit jeder Zunahme des Knochenum- satzes um eine Standardabweichung über den Mittelwert prämenopausaler Frauen um den Faktor 2 (62). Dies be- deutet, dass bereits ein Messwert im Be- reich der oberen Norm statistisch mit ei- nem vierfach gesteigerten Frakturrisiko assoziiert ist. Patientinnen mit hohem Knochenumsatz und niedriger Kno- chendichte weisen ein wesentlich höhe- res Frakturrisiko auf als Frauen mit niedriger Knochendichte und normalem

´ TabelleCC´

Beispielschema zur Risikoklassifikation

Nicht gesteigertes Gesteigertes Hohes Frakturrisiko Frakturrisiko Frakturrisiko (Indikation zur

Intervention)

Mehr als ein Risikofaktor?*1 Nein Fakultativ*2 Ja

Knochendichte: Nein Fakultativ*2 Nein

T-Wert unter –1 SD, jedoch über –2,5 SD?

Knochenumsatz: Nein Fakultativ*2 Ja

beschleunigt?

Knochendichte: Nein Nein Ja

T-Wert unter –2,5 SD?

Prävalente osteoporotische Nein Nein Ja

Frakturen vorhanden?

SD, Standardabweichung

*1Da bisher keine integrierten und unabhängig validierten Risikoscores existieren, ist jede quantitative Angabe von Risikofaktoren bis zu einem gewissen Grad willkürlich. Hinzu kommt, dass manche anamnestischen Risikofaktoren stärkere Bedeutung besitzen als andere (Beispiel: Glucocorticoide versus Rauchen).

*2Ein intermediäres Risiko ist anzunehmen, wenn nur eine der ersten drei Fragen mit „Ja“ beantwortet wird. Ein intermediäres Risiko kann bereits bestehen, wenn zum Beispiel mehrere anamnestische Risikofaktoren (Frage 1) vorliegen, aber Knochendichte und -umsatz noch normal sind. Je mehr der ersten drei Fragen mit „Ja“ beantwortet werden, desto stärker nähert sich das absolute Risiko der interventionsbe- dürftigen Gruppe.

(6)

Knochenstoffwechsel (62). Knochen- dichte und Knochenumsatz sind dem- nach gleichwertige Risikofaktoren für osteoporotische Frakturen.

In der Praxis sind die Verhältnisse et- was komplexer. Sowohl der Knochen- stoffwechsel selbst als auch die ge- bräuchlichen Labormarker unterliegen erheblichen intra- und interindividuel- len Schwankungen. Daher kann aus der einmaligen Messung eines Umbaumar- kers in der Regel keine diagnostische oder gar therapeutische Konsequenz ge- zogen werden. Wie die Knochendichte- messung sollten auch die Knochenum- baumarker nur im Zusammenhang des klinischen Bildes und nur mit ausrei- chenden Hintergrundkenntnissen einge- setzt werden. Zum gegenwärtigen Zeit- punkt sollten biochemische Knochen- marker nur dann verwendet werden, wenn anhand anderer Risikofaktoren (einschließlich der Knochendichtemes- sung) keine Klarheit über das osteopo- rotische Risiko gewonnen werden kann.

Die Assoziation zwischen bestimm- ten Genpolymorphismen (zum Beispiel Vitamin-D-Rezeptor, Kollagen-Typ- Ia1) und Frakturrisiko ist derzeit Gegen- stand intensiver Forschung. Eine solche Untersuchung in der Praxis ist gegen- wärtig sinnlos und teuer, da hieraus kei- ne Konsequenzen resultieren. Bedauer- licherweise werden derartige Untersu- chungen von einigen kommerziellen La- boratorien angeboten, sodass die Gefahr besteht, dass auch hier der wissenschaft- lich hart erarbeitete Kredit um den Preis kurzfristiger Gewinne aufs Spiel gesetzt wird.

Risikoabschätzung in der Praxis

Patienten mit gesicherter osteoporoti- scher Fraktur werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit weiter frakturieren, das Risiko ist in diesen Fällen evident, ebenso wie die Indikation zur Diagno- stik und Therapie. Schwieriger gestaltet sich die Risikoevaluation bei Fehlen ei- ner eindeutigen osteoporotischen Frak- tur. Hier muss auf anthropometrische beziehungsweise anamnestische Anga- ben, Knochendichte und gegebenenfalls Knochenumsatz zurückgegriffen wer- den.

In einem ersten Schritt sollte versucht werden, zunächst die individuellen an- thropometrischen und anamnestischen Risikofaktoren möglichst vollständig zu identifizieren. Diese Faktoren sind aller- dings in unterschiedlichem Ausmaß mit dem osteoporotischen Frakturrisiko as- soziiert. Für die Praxis ist es daher wich- tig, vor allem Risikofaktoren abzufra- gen, die in der entsprechenden Alters- gruppe häufig und mit einem hohen rela- tiven Risiko für osteoporotische Fraktu- ren verbunden sind. Mit anderen Wor- ten: Ein M. Cushing hat zwar ein sehr hohes Osteoporoserisiko, ist aber in der Gesamtbevölkerung recht selten. Dage- gen sind Zyklusstörungen, Bewegungs- und Calciummangel, Rauchen, Unterge- wicht oder Schlafmittelgebrauch keine Seltenheit. Die wichtigsten Daten, die während der Anamnese und Untersu- chung auf jeden Fall erhoben werden sollten, sind:

❃Alter, Geschlecht, Körpergewicht und Körpergröße beziehungsweise Bo- dymass-Index (Untergewicht?)

❃Familiäre Osteoporosebelastung, Frakturen in der Eigenanamnese

❃Lebens- und Ernährungsgewohn- heiten (Calciummangel? Sonnenexposi- tion? Rauchen? Alkoholgebrauch?)

❃Östrogenstatus (Menarche, Meno- pause, Östrogenstatus vor der Meno- pause?)

❃Medikation (Glucocorticoide, Se- dativa?)

❃Fallneigung (Vigilanz? Gehbehin- derung? Visuseinschränkungen?)

Eine individuelle Häufung von Risi- kofaktoren verstärkt das Risiko für osteoporotische Frakturen. Bei älteren Patienten steigt die Fallneigung mit der Zahl der anamnestischen Risikofakto- ren (11, 55). Gegenwärtig wird ver- sucht, anamnestische Risikoscores zu entwickeln, mit deren Hilfe eine einfa- chere und zuverlässige Identifizierung von Hochrisikopatienten möglich wäre (6, 18, 59). Allerdings existiert bisher noch kein allgemein validierter Risiko- score, der allen praktischen Anforde- rungen gerecht würde. Nach wie vor ist es daher ärztliche Aufgabe, das Osteo- poroserisiko anhand der individuellen Situation jedes einzelnen Patienten ab- zuschätzen.

Anamnestische Angaben, Knochen- dichte und Knochenumsatz definieren

zum Teil voneinander unabhängige Ri- siken und können sich daher gegenseitig verstärken. Eine Patientin mit niedriger Knochendichte und mehreren wichti- gen anamnestischen Risikofaktoren hat eine höhere Frakturwahrscheinlichkeit als eine Frau mit gleich niedriger Kno- chendichte ohne andere Risiken. Ähn- lich verhalten sich Knochendichte und Knochenumsatz: Frauen mit niedriger Knochendichte und hohem Knochen- umsatz akquirieren im Verlauf signi- fikant häufiger osteoporotische Frak- turen als Frauen mit gleich niedriger Knochendichte, jedoch normalem Kno- chenumsatz. Ein hohes Osteoporose- risiko und damit eine klare Indikation zur Intervention besteht, wenn meh- rere anamnestische Risikofaktoren vorliegen, die Knochendichte an der LWS oder am Schenkelhals einen Wert im osteopenischen (T-Score: –1 SD bis –2,5 SD) oder osteoporotischen (T-Score < –2,5 SD) (SD, Standardab- weichung) Bereich aufweist, und die Knochenresorption über den präme- nopausalen Normwert gesteigert ist.

Die Tabellesoll das Prinzip der Risiko- abschätzung verdeutlichen und aufzei- gen, dass anamnestische Angaben, Kno- chendichte und Knochenumsatz bis zu einem gewissen Grad unabhängige Risi- ken darstellen, die auf die zukünftige Frakturgefährdung Einfluss nehmen. Je nach Fall sind nicht alle Parameter not- wendig, um eine praktikable Risikoab- schätzung durchzuführen. Es gilt: Je un- klarer die Verhältnisse, desto mehr Da- ten müssen erhoben werden, um zu ei- nem vernünftigen Konzept zu gelangen.

Danksagung: Der Autor bedankt sich für wertvolle Dis- kussionsbeiträge und Anregungen von D. Felsenberg, Berlin, H.-P. Kruse, Hamburg, J. D. Ringe, Leverkusen, J.

Semler, Berlin, R. Ziegler, Heidelberg, sowie für die Un- terstützung der Deutschen Akademie der osteologischen und rheumatologischen Wissenschaften.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 1681–1689 [Heft 25]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.

Anschrift des Verfassers:

Priv.-Doz. Dr. med. Markus J. Seibel Medizinische Klinik, Abteilung Innere Medizin I Universität Heidelberg

Bergheimerstraße 58, 69115 Heidelberg E-Mail: Markus_Seibel@med.uni-heidelberg.de

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 25½½½½22. Juni 2001 AA1689

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