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or allem über die Qua- lität der klinischen Aus- bildung in den USA und über die komplett andere Aus- bildungs„attitude“ der US- amerikanischen „teaching hos- pitals“ im Vergleich zu ihren deutschen Gegenparts wissen viele deutsche Ärztinnen und Ärzte zu wenig.Die maximal 80 Arbeits- stunden pro Woche waren zu- mindest bis noch vor wenigen Jahren Wunschdenken.Meine eigene Erfahrung in einem an- gesehenen chirurgischen Aus- bildungsprogramm an der Westküste waren oft 100 Stun- den und mehr. Ich kann mich an drei Monate erinnern,in de- nen ich keinen einzigen freien Tag, jede zweite oder aber jede dritte Nacht Dienst hatte und am nächsten Tag regulär bis spät abends weiterarbeitete.
Dass in den USA eine Fach- arztausbildung in drei Jahren zu machen sei, halte ich für ein Gerücht: Chirurgie dauert ex- akt fünf Jahre, eine renom- mierte Ausbildungs-Univer- sität fordert zusätzlich minde- stens ein, meist jedoch zwei eingelegte Forschungsjahre.
Abgesehen von diesen ex- tremen zeitlichen Anforderun- gen, ist das Ausbildungssystem allerdings in vielen Punkten dem unseren haushoch überle- gen. Man wird konsequent auf-
gebaut und ist ständig unter Überwachung, ob man sich adäquat entwickelt, und zwar sowohl rein fachlich wie auch als ärztliche Persönlichkeit.
Die Ausbildungszeit ist genau vorgegeben und ist exakt durchstrukturiert, jede/r weiß, welche Eingriffe er/sie in der nächsten Rotation durchführt, was er/sie auf dieser Rotation lernen wird. Die Fortschritte sind dergestalt, dass man an sich selbst bemerkt, wie man rasch besser wird.
Die Qualität der Absolven- ten eines Facharztprogramms sowie die von diesen erreich- ten Positionen sind das Aus- hängeschild der Ausbildungs- krankenhäuser. Es ist bekannt, wie viele Chefpositionen in ei- nem Fach in den vorangegan- genen Jahren von Absolventen
eines Programms besetzt wor- den sind. An genau diesen Da- ten orientieren sich auch die Studienabsolventen, wenn sie sich im National Residency Matching Program um eine Ausbildungsstelle bewerben.
Man bekommt also sehr viel, aber man bezahlt einen hohen Preis dafür:Das norma- le Leben verschwindet völlig aus dem Gesichtsfeld, man ist nur noch von seinen „peers“
umgeben, und man lernt, mit minimalstem Schlaf zu überle- ben und zu funktionieren.
Auch wir kannten Fälle von Verkehrsunfällen auf der Heimfahrt wegen Übermü- dung. Ich selbst hatte bis auf ei- ne kleine Karambolage stets Glück, aber nicht zu selten fie- len mir beim Abendessen nachts um elf die Augen zu und der Kopf in den Teller! In mei- ner Erfahrung haben nur we- nige Beziehungen oder Ehen diese Zeit überlebt.
38,5 Stunden sind sicherlich lächerlich knapp für Patien- tenversorgung, Ausbildung und in vielen Fällen For- schung und Lehre – sie ent- sprechen ja auch in den we- nigsten Fällen der Realität.
Aber es müssen meiner Mei- nung nach auch keine 90 Stun- den sein. Ebenso wenig ist es ein Drama, wenn bei uns die Ausbildung ein Jahr länger dauert als in den USA.
Das eigentliche Problem ist ganz anders gelagert: Es kommt darauf an, was man als Arzt in der Facharztausbil- dung mit seiner Zeit tatsäch- lich macht! Während sich die residents in US-Programmen vor allem auf ihre klinische Ausbildung und ihre akade- mische Weiterbildung kon- zentrieren, wird in deutschen Ausbildungskrankenhäusern mittlerweile mehr Zeit mit Dokumentationen und Zu- satzaufgaben aller Art als im Kontakt mit Patienten ver- bracht. In den US-Program- men gibt es keine Rotationen als „Privatassistent“, keine Bevorzugung oder Benachtei- ligung in Abhängigkeit von den Präferenzen eines Chefs oder eines Oberarztes, keine ständig befristeten Verträge.
Man wird aus den genannten Gründen als Fachkollege in der Ausbildung geschätzt und von den einzelnen „attend- ings“ (selbstständig und selbst- verantwortlich arbeitenden Oberärzten) nach Kräften ge- fördert.
Solange jedoch das ana- chronistische Feudalsystem an deutschen Hochschulen und Lehrkrankenhäusern in dieser Form weiter besteht und es keine Bringschuld von- seiten der Ausbildungskran- kenhäuser gibt, solange es bei uns keine klar strukturierte Ausbildung mit definierter Maximaldauer und mit ein- klagbaren Inhalten gibt,braucht aus Gründen der Ausbildungs- qualität über die paar Stun- den mehr oder weniger keiner zu jammern. Der Hund liegt woanders begraben.
Dr. med. Christof Birkenmaier
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A1120 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1616. April 2004
Medizin in den USA
Gute Ausbildung zu einem hohen Preis
Generika sind Zweitanmelderpräparate mit patentfreien Wirkstoffen, die preisgünstiger angeboten werden als die Originalpräparate. Der niedrige Preis für Nachahmer- präparate hat seine Ursache darin, dass der Hersteller kei- nen Forschungsaufwand finanzieren muss. Generika wer- den unter dem internationalen Freinamen
(international nonproprietary name, INN) auf den Markt gebracht, wenn der Patent-
schutz für das Originalpräparat ausgelaufen ist und der Wirkstoff von anderen Arzneimittelherstellern in den Han- del gebracht werden darf. Der internationale Freiname ist eine anerkannte Kurzbezeichnung, die die therapeutisch
wirksame Substanz des Medikaments benennt. Die thera- peutisch wirksamen Substanzen in Originalpräparaten und Nachahmerpräparaten sind identisch. Unterschiede gibt es nur bei den Zusatzstoffen, also beispielsweise bei Farbstoffen oder Bindemitteln. Für Generika gilt das in Deutschland übliche Zulassungsverfahren in gleicher Weise wie für Originalpräparate.
Allerdings müssen Hersteller von Generika bei patentfreien Wirkstoffen nur die Qualität des Präpara- tes nachweisen und können sich bei Wirksamkeit und Un- bedenklichkeit auf die Zulassungsunterlagen des Ori-
ginalherstellers berufen. EB
Generika
L E X I K O N
Foto:Cara Metz
Dass für amerikanische Assistenzärzte extrem lange Arbeitszeiten üblich sind, darüber berichtete das DÄ in Heft 8/2004 . Die Ausbildung ist dafür aber offenbar zielführender.
S T A T U S