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Archiv "Transparenz der Mortalitätsdaten: Ethische Bringschuld" (25.02.2011)

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A 384 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 8

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25. Februar 2011

KOMMENTAR

Prof. Dr. med. Jürgen Ennker,

Ärztlicher Direktor, Mediclin-Herzzentrum Lahr/Baden

W

er in Deutschland ein Auto er- wirbt, weiß um PS, Hubraum und Zylinder. Wer sich für die Behand- lung in einem bestimmten Kranken- haus entscheidet, kennt hingegen nur wenige objektive Qualitätskriterien.

Angesichts von jährlich etwa 100 000 akuten kardial bedingten To- desfällen in Deutschland müsste die Notwendigkeit der Aufklärung hinsicht- lich Präventions- und Therapiemöglich- keiten eigentlich selbstverständlich sein

(um nur ein Beispiel zu nennen). Das Engagement, mit dem sich die Patien- ten um Informationen über Behand- lungsstrategien, Risiken und Kranken- häuser bemühen, nimmt zudem immer mehr zu. Insofern besteht ein Bedarf, Erkrankten derartige Informationen zu- gänglich zu machen, Fragen zu beant- worten und Ängste zu lindern. Diese In- formationen können helfen, Vertrauen zum Arzt aufzubauen, was auch Ein- fluss auf den Behandlungserfolg hat.

Bereits 1995 verschickten wir aus dem Herzzentrum Lahr/Baden erstmals nach dem Vorbild der Society of Sur - geons in den USA erhobene Mortali- tätsdaten an unsere Einweiser und ver- öffentlichten diese per Jahresbericht (www.mediclin.de/herzzentrum-lahr, Stichwort Qualität). Diese Vorgehens- weise sorgte vor allem in den herzchir - urgischen Reihen für Unruhe. Es wurde unterstellt, wer ein in der Medizin ne- gativ besetztes Marketing betreibe, ver- suche sich einen Wettbewerbsvorteil zuungunsten der Kollegen zu verschaf- fen. Weiterhin wurde bemängelt, dass die Daten keiner externen Prüfung un- terzogen worden waren. Eine für die Datenprüfung autorisierte unabhängige Institution gibt es in Deutschland aller- dings bis heute nicht. Andere fürchte- ten eine Verunglimpfung der eigenen

Institution: Weil ein Vergleich plötzlich möglich war, wurden eben nicht nur die positiven, sondern auch negative Er- gebnisse aufgezeigt. Aber wie in den USA und später anderswo deutlich wurde, kann ein Vergleich der Leistun- gen darüber hinaus zu einer Qualitäts- verbesserung zum Vorteil der betroffe- nen Patienten und zum Wettbewerbs- vorteil des leistungstransparenten Krankenhauses führen. So wurde 1989 im US-Bundesstaat New York das me-

dizinische Benchmarking eingeführt.

Die Folge war ein Rückgang der Morta- lität von koronarchirurgisch operierten Patienten von 3,5 auf 2,5 Prozent im Jahr 1994 (www.health.state.ny.us).

Nach einer Vergleichsanalyse und einer Ergebnisauswertung ergriffen die Klini- ken dort Maßnahmen, um die Qualität der Behandlung zu erhöhen und im Wettbewerb besser abzuschneiden.

Allerdings wurde auch ein nicht un- wesentlicher Kritikpunkt deutlich: die Möglichkeit der Risikoselektion. Hochri- sikopatienten könnten abgelehnt oder an andere Krankenhäuser verwiesen werden, um die Statistiken zu schüt- zen, lautet die berechtigte Sorge. Dies kann nur vermieden werden, indem ri- sikoadjustierte Resultate veröffentlicht werden, die den Einfluss der Hochrisi- kopatienten auf das Ergebnis auslö- schen. Daher veröffentlichte die Bun- desgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS), neuerdings das Institut für ange- wandte Qualitätsförderung und For- schung im Gesundheitswesen (AQUA), neben den reinen Zahlen auch die nach dem Euroscore risikoadjustierten Ergebnisse der einzelnen Kliniken. Dies hilft, den Anreizen zur Selektion der Hochrisikopatienten entgegenzuwirken.

Leider waren beziehungsweise sind je- doch zum Beispiel herzchirurgische

Daten (BQS, AQUA) derzeit nicht ver- gleichbar, weil die Follow-up-Rate teil- weise nur bei 70 Prozent liegt (statt wie zu verlangen bei 100 Prozent).

Neben diversen Bundesstaaten in den USA ist auch Großbritannien be- reits weiter als Deutschland. Dort wer- den alle herzchirurgischen Ergebnisse auch operateurbezogen veröffentlicht (http://heartsurgery.cqc.org.uk). In sei- nem Artikel „What is value in health care“ (NEJM 2010; 363: 2477–81) führt M. E. Porter aus: „Value in health care is measured by the outcomes achieved.“ In der Folge gilt es, medizi- nische Ergebnisse transparent zu ma- chen. Denn durch einen Ergebnisver- gleich wird es zu einer Verbesserung des „value“ im Gesundheitswesen kommen. Hierdurch werden Patienten, Finanzierer und Bereitsteller von Ge- sundheitsleistungen profitieren. Die ökonomische Belastbarkeit des Ge- sundheitswesen steigt.

Die gute Nachricht: Wegen der Um- strukturierungen im Gesundheitswesen steigt derzeit in Deutschland die Akzep- tanz der medizinischen Transparenz.

Die Kliniken sind gezwungen, sich ver- schärften Kostenzwängen zu unterwer- fen, was auch zu einem Wettbewerb der Kliniken untereinander führt. Der Wettbewerb aber wird in allererster Li- nie über die Transparenz der Leistun- gen und Ergebnisse gesteuert. Dies gilt für jeden Wirtschaftssektor.

Um die Diskussion über die Daten- qualität zu beenden, gilt es, einen ex- ternen Begutachtungsprozess zu etab- lieren, der die Veröffentlichung von fal- schen und unvollständigen Daten aus- schließt. Bis dahin aber sehen wir die Veröffentlichung valider Qualitätsdaten als eine ethische Bringschuld an, die jeder Akteur des Gesundheitswesens zum Wohl des Patienten zu erfüllen hat. Denn die Beurteilung medizini- scher Leistungserbringer ergibt sich nicht aus der Anzahl der Publikationen oder durchgeführten wissenschaftli- chen Studien, so wichtig diese auch sind, sondern primär aus der überprüf- baren Behandlungsqualität.

TRANSPARENZ DER MORTALITÄTSDATEN

Ethische Bringschuld

T H E M E N D E R Z E I T

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