Ärzteschaft lehnt poliklinische Ausbildung an
Lehrkrankenhäusern ab
Das praktische Jahr am Ende des Medizinstudiums soll sich nach Auffassung des Bundesgesund- heitsministeriums nicht auf die Ausbildung am Krankenbett kon- zentrieren, auf die die neue Appro- bationsordnung bisher allein ab- stellt. Ein erster Entwurf des Bun- desministeriums für Jugend, Fami- lie und Gesundheit zur Änderung der Approbationsordnung, der in Kürze dem Bundesrat zur Be- schlußfassung zugeleitet werden soll, sieht die Einbeziehung einer bis zu vier Monate dauernden poli- klinischen Ausbildung in dieses praktische Jahr vor. Die Bundes- ärztekammer hat (übereinstimmend auch mit der Haltung der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung) eine derartige Änderung der Approbati- onsordnung strikt abgelehnt. Diese Ablehnung wurde in einer Stellung- nahme gegenüber dem Ministerium wie folgt begründet:
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Die Einführung einer poliklini- schen Ausbildung im letzten Jahr des Medizinstudiums widerspricht den Intentionen der Approbations- ordnung. Es ist unbestritten, daß die Approbationsordnung eine pra- xisnahe ärztliche Ausbildung an- strebt. Eine praxisnahe Ausbildung kann aber auf eine gründliche Aus- bildung am Krankenbett nicht ver- zichten. Da bereits die Kranken- hausfamulatur weggefallen ist zu- gunsten einer Famulatur in Allge- meinpraxen und anderen Einrich- tungen des werksärztlichen, versi- cherungsärztlichen und öffentli- chen Gesundheitsdienstes, darf die Ausbildung am Krankenbett im In- ternatsjahr nicht verkürzt werden.0 Eine praxisnahe Ausbildung des Medizinstudenten muß auch die Möglichkeit beinhalten, die ambu- lante Tätigkeit des Arztes kennen- zulernen. Es ist fraglich, ob die
neugestaltete Famulatur dafür wirklich geeignet ist. Um diese Fra- ge zu beantworten, liegen aber noch nicht genügend praktische Erfahrungen vor. Keinesfalls aber darf deswegen die Ausbildung am Krankenbett verkürzt werden.
9 Vordringliches Anliegen einer Ausbildung im ambulanten Sektor der ärztlichen Tätigkeit muß es sein, dem Studenten die Probleme der Allgemeinpraxis zu vermitteln.
Dafür ist die Ausbildung in der Po- liklinik im allgemeinen nicht geeig- net. Die Polikliniken haben sich im Laufe der Zeit zu Spezialambulato- rien entwickelt, die im wesentli- chen Spezialuntersuchungen und spezielle Therapie auf Überwei- sung von Fachärzten durchführen.
In gleichem Maße hat die prakti- sche Bedeutung der Polikliniken für die Ausbildung der Medizinstu- denten abgenommen. Medizinalas- sistenten waren bisher in den Poli- kliniken der Universitäten nur in ganz geringem Umfang tätig. Auch für Polikliniken an Lehrkranken- häusern ist eine derartige Entwick- lung vorauszusehen. Der Internats- student wird in der Poliklinik nicht die typischen Patienten einer Fach- arztpraxis zu sehen bekommen, sondern nur ein „gefiltertes" Pa- tientengut mit spezieller diagnosti- scher bzw. therapeutischer Frage- stellung.
Außerdem sei zu befürchten, daß an den Lehrkrankenhäusern die notwendigen Einrichtungen für die praktische Ausbildung am Kran- kenbett zurückgestellt und dafür Polikliniken eingerichtet würden.
Ähnlich lautende Stellungnahmen wurden auch vom Hartmannbund, vom NAV, vom Marburger Bund und vom Verband der leitenden Kran- kenhausärzte abgegeben. Der Mar- burger Bund und der Verband der leitenden Krankenhausärzte wiesen eindringlich auf die mangelnde räumliche und personelle Ausstat- tung der Krankenhäuser für einen poliklinischen Unterricht hin. Zi/DÄ Die Information:
Bericht und Meinung
Förderung der Niederlassung
3058 Heft 43 vom 24. Oktober 1974 DEUTSCHES ARZTEBLATT
„Mit Hilfe einer Vielzahl von Förde- rungsmaßnahmen auf einer völlig freiwilligen Grundlage sind vor al- lem in den letzten beiden Jahren deutliche Erfolge bei einer bedarfs- gerechten Steuerung der Nieder- lassung von Kassenärzten erzielt worden; nicht nur die Zahl der nie- dergelassenen Ärzte insgesamt konnte erhöht werden, sondern erstmals nach langen Jahren der Stagnation und des Rückgangs auch die Zahl der praktischen Ärz- te in Land- und Stadtrandgebie- ten," stellten sie fest. Und weiter:
„Aus unseren handgreiflichen Er- folgen leiten wir die Zuversicht ab, daß mit unseren Förderungsmaß- nahmen auch und erst recht in Zu- kunft eine bedarfsgerechte und gleichmäßige ambulante Versor- gung der Bevölkerung gewährlei- stet werden kann."
Direkt auf die beiden Gesetzesvor- haben eingehend, indirekt aber noch weiterreichende Forderungen zurückweisend, heißt es dann in der Erklärung: „Folgt der Gesetz- geber aber politischen Überlegun- gen, die für alle theoretisch denkbaren Eventualitäten vor- sorglich eine Lösung zu fi- xieren wünschen, so fordern wir mit allem Nachdruck, daß die Ein- schränkung der Niederlassungs- freiheit der Ärzte und möglicher- weise eine Verlagerung des Si- cherstellungsauftrages auf die Kran- kenkassen wirklich nur ‚Ultima ratio' für den Fall sein darf, daß alle Bemühungen der Kassenärztli- chen Vereinigungen auf Dauer kei- nen Erfolg hätten. In diesem Sin- ne betrachten Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesverei- nigung eine Steuerung der Nieder- lassung mit unterschiedlichen Mit- teln, wie sie in den Gesetzentwür- fen Bayerns und Bonns nach einem etwaigen Mißerfolg aller denkbaren Förderungsmaßnahmen vorgese- hen ist, lediglich als eine Notbrem- se, die nach ihrer Überzeugung niemals gezogen werden muß."
Im Gegensatz zu den eingangs zi- tierten Urhebern „aktueller politi- scher Tendenzen", die die an sich