• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Verwaltungsaufwand im Krankenhaus: Urstände der Bürokratenseele" (07.02.2003)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Verwaltungsaufwand im Krankenhaus: Urstände der Bürokratenseele" (07.02.2003)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A

A356 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 67. Februar 2003

E

s ist ein Witz.Während Tau- sende Assistenzärzte noch die neuesten Codierrichtli- nien studieren und versuchen, durch unermüdliche Ver- schlüsselungstätigkeit „ihre“

Klinik vor dem finanziellen Ruin zu retten, hat die Gesell- schaft für Qualitätssicherung in Hessen ein Projekt an hessi- schen Krankenhäusern gestar- tet: die „Qualitätssicherung in der Schlaganfallbehandlung“.

Dabei handelt es sich um die statistische Erfassung aller in den Krankenhäusern behan- delten Schlaganfallpatienten.

Die Ärzte sollen zu diesem Zwecke für jeden Patienten ei- nen detaillierten Erfassungs- bogen ausfüllen.Zeitaufwand:

15 bis 30 Minuten je Patient.

Als kleiner Anreiz zur Sorgfalt wird ein „Zuschlag“ von 3,07 Euro je Fall gewährt, bei feh- lender ärztlicher Compliance droht hingegen ein „Abschlag in Höhe des 20fachen der inter- nen Zuschläge“, also ein Buß- geld von 61,40 Euro je Fall. Das hat was Neues, nicht wahr! Er- zwungener Gehorsam durch Strafandrohung. Ärzte und Krankenkassenvertreter zwin-

gen Ärzte zu statistischen Son- deraufgaben.Warum? Erwar- ten die Initiatoren etwa Wider- stand gegen das Projekt? Von Ärzten? Es darf gelacht wer- den.Haben wir doch alle bishe- rigen Kröten wie ICD-10 und ICPM-Verschlüsselung relativ kritiklos geschluckt.

Es sei angemerkt, dass infol- ge der Finanzmisere im ambu- lanten Gesundheitswesen die Anzahl der stationär behandel- ten Patienten seit Jahren stetig steigt und gleichzeitig die durchschnittliche Verweildauer in der Klinik kontinuierlich sinkt, was logischerweise einen erheblichen Mehraufwand für Ärzte und Pflegekräfte bedingt.

Ein Ende dieses Trends ist nicht absehbar.

Zudem hat sich das Aufga- benspektrum der Klinikärzte erheblich geändert. Es gibt ei- ne Entwicklung hin zu mehr

Bürokratie im Dienste der Kostenträger und der Politik, weg von der Arbeit am Pati- enten und weg von einer soli- den Fort- und Weiterbildung.

Dazu passt, dass die Stellen- schlüssel für Ärzte in den letzten Jahren, aus Kosten- gründen versteht sich, nur marginal aufgestockt wurden.

Man braucht nicht viel Fantasie, um zu prognostizie- ren, dass in Zukunft jedes ko- stenrelevante Krankheitsbild in ein statistisches Programm gepresst und per Fragebogen in den Kliniken abgefragt werden wird. Aus der irrwitzi- gen anfallenden Zahlenflut – in meiner Abteilung derzeit zehn bis 30 Ziffern pro Pati- ent auf der nach oben offenen ICD/ICPM-Skala – entsteht zwangsläufig ein zusätzlicher Stellenmehrbedarf in den Krankenhäusern.

Stellt sich die Frage, warum diese Zusatzbelastungen den Ärzten auferlegt werden. Et- wa, weil sie die Einzigen wären, die dazu qualifiziert ge- nug sind? Falsch! Es sind die Ärzte, weil sie fast alle in ei- nem Abhängigkeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen, weil Überstunden in vielen Klini- ken immer noch kein Thema sind, über das man spricht, weil Jungmediziner gewissenhaft, belastbar und unterwürfig sind, und vor allem, weil nur durch sie der bürokratisch- monströse Kraftakt quasi ko- stenneutral zu haben ist. Ganz nebenbei fallen wunderbare Zahlenkolonnen für die Kon- trolleure ab, die ohne jeden Zweifel dazu benutzt werden, den Ärzten zu beweisen, dass sie die Patienten noch schnel- ler, rationeller und billiger zu behandeln – Entschuldigung – zu managen haben.

Diejenigen, die verantwort- lich sind für die Produktion des Zahlenmülls, haben auch die Pflicht, unsere knappen Zeit- ressourcen zu berücksichtigen.

Vor allem aber sollten sie Qua- lität statt Quantität liefern, nämlich ein verständliches und praktikables Abrechnungssy- stem. Nach der Prämisse „so viel Statistik wie nötig, so wenig Müll wie möglich“ sollten die Experten dies eigentlich hin- kriegen können. Sie haben ja keine Patienten zu betreuen.

Dr. med. Karlheinz Westermann S T A T U S

Urstände der Bürokratenseele

Verwaltungsaufwand im Krankenhaus

Foto:Peter Wirtz

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nachdem der erste Praxis- schock überwunden war, reflektierte ich die ersten Probleme des Berufs- einstiegs: Wie kommuniziere ich mit erfahrenen Krankenschwestern und -pflegern?.

Heute entscheiden sich et- wa 50% der jungen Menschen mit abge- schlossenem Medizinstudium in Deutsch- land für eine Arztkarriere im Ausland oder gegen den Arztberuf, zum Beispiel

Mit der eigenen Er- fahrung jedoch hatte die Entschei- dung, defensiv zu behandeln oder nicht, nichts zu tun: Ärzte, die bereits Drohungen erfahren hatten, verhiel- ten

Nach Befragungen der DKG werden 14 Prozent der Krankenhäu- ser die interne Budgetierung erst mittel- oder langfristig einführen, nur 16 Prozent aller befragten

Die Erfah- rungen im Umgang mit medizinisch- technischen Verfahren sind abhän- gig von Untersuchungs- und Behand- lungsfrequenzen, die dann nur noch für einenTeil der Ärzte

Folgende Rechnung liegt dieser Aussage zugrunde: Außerhalb des Bereitschaftsdienstes leisteten ange- stellte Berliner Ärzte abzüglich der durch Freizeitausgleich abgegoltenen

Die Zeit für die eigentlichen ärztlichen Aufga- ben werde mehr und mehr durch Büro- kratismen verknappt, ohne dass sich die Qualität der Behandlung oder auch de-

Bei den berufstätigen Ärzten hat die Zuwachsrate ebenfalls deut- lich über dem langfristigen Durch- schnitt gelegen: fast 6500 Ärztinnen und Ärzte Netto-Zugang bedeutet über