HEMEN DER ZEIT
Das „Koblenzer Modell Psycho- therapie" beinhaltet die Errichtung und begleitende Evaluation einer Koordinationsstelle zur Verbesse- rung der Kommunikation und Orga- nisation im Bereich der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung mit dem Ziel, das vorhandene Ange- bot an psychotherapeutischen Lei- stungen effektiver zu nutzen.
Nach einem Stufenplan, der wie- derholte Anpassungen des Modell- vorhabens ermöglicht (Vorversuchs-, Feldversuchs- und Modellversuchs- phase), werden Psychotherapiebe- dürftige bzw. Psychotherapiesuchen- de, denen bislang noch keine ent- sprechenden therapeutischen Mög- lichkeiten eröffnet werden konnten, im Hinblick auf ihre Therapiebedürf- tigkeit untersucht und anschließend adäquaten therapeutischen Maßnah- men zugeführt. Durch diesen speziel- len Untersuchungsansatz können ne- ben Erleichterungen für die betroffe- nen Patienten auch versorgungsrele- vante Daten erhoben werden, die für die Sicherstellung der psychothera- peutischen Versorgung bedeutsam sind.
Derzeit liegen erste Ergebnisse aus der Feldversuchsphase vor. Die Einbindung des Modells in die regio- nale psychotherapeutische Versor- gung ist durch die flächendeckende Mitarbeit zahlreicher niedergelasse- ner ärztlicher und nichtärztlicher Psychotherapeuten gesichert. Diese helfen durch die Bereitstellung ihrer Leistungsdaten in einer Zentralen Informationsbörse Psychotherapie, die regionalen psychotherapeuti- schen Angebote transparent zu ma- chen und durch Anpassungsmaßnah- men die Versorgung in Einzelfällen zu gewährleisten. Bei Anfragen von Therapiesuchenden, Ärzten, Kran- kenkassen und Patientenangehörigen an die Koordinationsstelle werden mit Hilfe der Zentralen Informati- onsbörse Psychotherapie dem Perso-
KURZBERICHTE
nenkreis rasch Hinweise auf entspre- chende therapeutische Möglichkei- ten eröffnet.
Die bei der Erhebung von an- onymen diagnostischen Daten mit- wirkenden ärztlichen und nichtärztli- chen Psychotherapeuten haben eine
„Arbeitsgemeinschaft Psychothera- pie" gebildet, in der die Ergebnisse des Modells unter den Aspekten der quantitativen wie qualitativen Ver- sorgung bewertet werden. Bei auftre- tenden Engpässen werden Lösungs-
Durch die Mehrarbeit der ange- stellten Ärztinnen und Ärzte werden dem Arbeitsmarkt im Berliner Ge- sundheitswesen theoretisch 3 899 Vollzeitstellen entzogen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Kontakt- und Informationsstelle für arbeitslose Ärztinnen und Ärzte in Zusammenarbeit mit dem Institut für Soziologie der FU Berlin und der Beschäftigungs- und Qualifizierungs- Gesellschaft Gesundheit im Frühjahr 1993. Sie wurde im Berliner Ärzte- blatt vorgestellt.
Folgende Rechnung liegt dieser Aussage zugrunde: Außerhalb des Bereitschaftsdienstes leisteten ange- stellte Berliner Ärzte abzüglich der durch Freizeitausgleich abgegoltenen Stunden im Monat 198 537 Über- stunden. Dazu kämen 244 602 nicht durch Freizeit abgegoltene Bereit- schaftsstunden und 200 229 Stunden gewünschte Teilzeitarbeit. Damit verfüge der Bereich des Gesund- heitssystems, in dem angestellte Ärz- te arbeiten, theoretisch über eine Ar- beitszeitreserve von monatlich 643 368 Stunden.
ansätze gemeinsam erarbeitet und umgesetzt.
Die Koblenzer Ergebnisse bele- gen, daß durch das Zusammenwirken der entwickelten Strukturen ein flexi- bles System geschaffen wurde, mit dem sich der von der Bevölkerung geäußerte Bedarf an psychothera- peutischen Leistungen näher diffe- renzieren und effektiver als bisher befriedigen läßt:
Bei den mehr als 500 Anfragen an die Koordinationsstelle im Zeit- raum Januar bis Mitte August 1993 konnte den Therapiesuchenden bis auf wenige Fälle (unter 0,5 Prozent) weitergeholfen werden.
Dr. med. Reinhard Antpöhler, Ärztlicher Leiter;
Dr. phil. Peter Löcherbach, Koordinator
Lege man eine monatliche Ar- beitszeit von 165 Stunden zugrunde, so entsprächen die 643 368 Stunden 3 899 Vollzeitstellen. Auch wenn die Umsetzung der Überstunden und der Stunden aus gewünschter Teilzeitar- beit in Arbeitsstellen schwierig sei, so ergäben sich auf jeden Fall immer noch 1 480 Stellen aus 244 602 Be- reitschaftsstunden.
Außerdem wurden etwa 3 000 Berliner Ärzte zur Arbeitssituation befragt: 64 Prozent sind an der Re- duktion aller Überstunden außerhalb des Bereitschaftsdienstes interes- siert, 22 Prozent wollen jedoch nur die unbezahlten Stunden reduziert haben.
Dagegen befürworten 88 Pro- zent den Abbau von Bereitschafts- dienstüberstunden zugunsten von Neueinstellungen. Möglichkeiten zur Reduktion von Überstunden sehen 67 Prozent der befragten Ärzte in der Einstellung zusätzlichen Personals und 55 Prozent in der Verbesserung der Arbeitsorganisation. 74 Prozent befürworten die Einrichtung von Teilzeitarbeitsstellen. EB
Psychotherapie
Bedarfsgerechte Versorgung
Arbeitszeitreserven
Überstunden der Berliner Ärzte
Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 44, 5. November 1993 (31) A1-2911