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Archiv "Leistungsspektrum der modernen Liquordiagnostik" (20.01.1984)

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1. Einleitung

Pathologische Liquorbefunde ha- ben einen hohen diagnostischen Aussagewert bei der Erfassung entzündlicher und immunologi- scher Erkrankungen des Zentral- nervensystems (ZNS), aber auch bei intrakraniellen und spinalen Raumforderungen, sowie Liquor- zirkulationsstörungen. Die patho- g nostische Aussagefähigkeit einer veränderten kompositionellen Zu- sammensetzung des Liquors ba- siert auf der Vorstellung, daß der Liquor während seiner Zirkulation zwischen den arteriellen chorio- idalen Gefäßen und den venösen Sinus funktionell die extrazellulä- re Flüssigkeit des ZNS darstellt.

Dies ermöglicht intensive Aus- tauschvorgänge zwischen dem zentralnervösen Parenchym und dem Liquor. Die Zusammenset- zung des Liquors reflektiert somit den metabolischen und funktio- nellen Zustand des ZNS.

2. Klinisch-chemische Liquordiagnostik

2.1 Liquorproteine

Die morphologischen und funktio- nellen Eigenschaften der Gewebe- strukturen, die Blutkreislauf, ZNS und Liquorräume voneinander trennen, bestimmen die Funktion der Blut-Hirn-Schranke (BHS) und der Blut-Liquor-Schranke (BLS) und sind an der Aufrechterhaltung

eines von den Plasmaverhältnis- sen abweichenden Proteinmu- sters des Liquors beteiligt.

„Schrankenstörungen" führen zu einem vermehrten Einstrom von Serumproteinen in den Liquor- raum. Dies führt zu einer Anglei- chung des Liquorproteinprofils an das des Serums.

Generell gilt, daß die Konzentra- tion der verschiedenen Proteine im Liquor eine Funktion von deren Serumkonzentration, vom Funk- tionszustand der BHS und BLS und einer im ZNS stattfindenden Synthese bestimmter Proteine ist (Abbildung 1). Die differentialdia- gnostische Interpretation qualita- tiv und quantitativ veränderter Proteinfraktionen im Liquor ist da- her nur unter gleichzeitiger Be- rücksichtigung aller drei, die Li- quorproteinkonzentration bestim- mender Parameter sinnvoll.

2.1.1 Gesamtproteinbestimmung Die orientierende semiquantitative Schnellbestimmung des Liquor- Gesamtproteingehaltes erfolgt durch die Pandy-Reaktion: Die in einer Probe enthaltenen Proteine werden mit gesättigter wässeriger Phenollösung (Pandy-Reagenz) ausgefällt. Eine eintretende leich- te Opaleszenz der Probe gilt als normal, während eine stärkere Trübung oder ein Niederschlag als eine pathologische Erhöhung des Proteingehaltes der Probe ange- sehen wird.

Ziel der klinisch-chemischen und zytologischen Liquordia- gnostik ist die Erfassung pa- thologischer Abweichungen der Liquorzusammensetzung und deren Zuordnung zu funk- tionellen Veränderungen und Krankheitsbildern. Liquordia- gnostik als wichtige Voraus- setzung für eine gezielte The- rapie ermöglicht durch Ver- laufskontrollen die Objektivie- rung des Therapieerfolges.

Zur quantitativen Bestimmung der Liquorproteine wird üblicherweise die Biuret-Methode, neuerdings die Methode von Bradford und die Lasernephelometrie angewandt.

Bei der Bradford-Methode kann auf die bei der Biuret-Methode zwingend durchzuführende Säure- fällung der Proteine verzichtet wer- den. Die photometrische Quan- tifizierung der Proteine erfolgt di- rekt nach Färbung der Proteine mit Coomassie-Blau. Bei der Laserne- phelometrie wird monochromati- sches Licht beim Durchgang durch eine Küvette, in Abhängig- keit von der Proteinkonzentration der zu messenden Analysenprobe, gestreut. Das Streulicht wird fo- kussiert und löst in Abhängigkeit seiner Intensität auf einer Photo- diode ein elektrisches Signal aus, das über einen Recorder digital angezeigt wird.

Der Referenzbereich der Gesamt- proteinkonzentration im Lumballi- quor beträgt innerhalb der ersten 10 Lebensjahre 0,24-0,32 g/I und ist bis zur 6. Lebensdekade relativ konstant (0,24-0,47 g/I), um mit zu- nehmendem Alter auf Werte bis maximal 0,57 g/I anzusteigen. Der Gesamtproteingehalt im Lumballi- quor ist durchschnittlich 1,7fach höher als im Ventrikel- (0,05-0,20 g/I) oder im Subokzipitalliquor (0,15-0,25 g/1). Mit Ausnahme des Präalbumin findet man einen Kon- zentrationsanstieg aller anderen Proteine von ventrikulär nach lum- bal, dabei bleibt das Konzentra-

Leistungsspektrum

der modernen Liquordiagnostik

Hans-Ingo Sarkander und Heinz-Michael Mayer

Aus dem Neuropathologischen Institut

(Geschäftsführender Direktor: Professor Dr. Jorge Cörvos-Navarro) und der Neurochirurgischen Klinik

(Leiter: Professor Dr. Mario Brock)

im Klinikum Steglitz der Freien Universität Berlin

(2)

Störungen der Liquor- Resorption • Produktion • Zirkulation

ZNS-lokalisierte

Proteinbiosynthese Liquorprotein-

konzentration

Serum- proteinkonzentration BHS

BLS

/7,e

ekeest..

Ori/re

Abbildung 1:

tionsverhältnis von Albumin zu Im- munglobulin G von 6:1 konstant.

Dies bildet die theoretische Grundlage für die Berechtigung der Korrelation der Albumin- und IgG-Konzentrationsgradienten im Liquor und im Serum zur Differen- zierung von Schrankenstörungen und ZNS-lokalisierten Immunpro- zessen (2.1.3.1).

2.1.2 Liquorelektrophorese

Die diagnostische Aussagekraft der Liquorelektrophorese ist ab- hängig von der Art des elektropho- resierten Liquors (zeltfreier Nativ- oder volumeneingeengter Liquor).

Wegen des geringen Proteinge- halts wird der Liquor üblicherwei- se vor der Auftragung auf Zellu- loseazetat-Folien volumeneinge- engt. Die vergleichende quantitati- ve Analyse der Proteine von Nativ- und volumeneingeengtem Liquor

ergab differente Ergebnisse, ins- besondere eine durch unspezifi- sche Adsorption bedingte Ver- minderung der Immunglobuline.

Wegen dieses fehlererzeugenden Einengungsvorganges sollten nur noch Elektrophoreseverfahren An- wendung finden, die eine Auftren- nung von Nativliquor ermögli- chen.

Die Mikrozonen-Elektrophorese auf Zelluloseazetat-Folie erfüllt diese Anforderung und ermöglicht bei relativ geringem Arbeits- und Zeitaufwand eine Aussage über das Vorliegen einer Liquordys- proteinose.

Einige häufig vorkommende den- sitometrische Absorptionsprofile mikrozonenelektrophoretisch auf- getrennter Nativliquorproben und deren diagnostische Bewertung sind in Abbildung 2 dargestellt.

2.1.3 Quantitative

Bestimmung von Proteinfraktionen Die vergleichende quantitative Be- stimmung einzelner Proteinfrak- tionen im Liquor und Serum er- möglicht neben der Beurteilung der BHS- und BLS-Funktion die Erkennung immunologisch aktiver Prozesse innerhalb des ZNS. Ver- schiedene Methoden unterschied- licher Präzision stehen zur quanti- tativen Messung von Proteinfrak- tionen im Liquor und Serum zur Verfügung:

O die radiale Immundiffusion nach Mancini

• die Elektroimmundiffusion nach Laurell

• die Lasernephelometrie

• die Fluoreszenzphotometrie O der Enzymimmunoassay.

106 (62) Heft 3 vom 20. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

(3)

Prä-Alb. Alb. a 1 , a2, (3, Y

\ 1

I. Normalbefund: Gesamtprotein und alle Proteinfraktionen im Referenzbereich

II. Geringgradige Funktionsstörung der BLS

selektive Präalbuminvermehrung, Gesamtprotein im Referenzbereich

III. Ausgeprägte Funktionsstörung der BLS, Gesamtprotein und alle Proteinfraktionen vermehrt.

IV. ZNS-lokalisierter Immunprozeß, selektive y-Globulinvermehrung, Gesamtprotein im Referenzbereich

V. ZNS-lokalisierter Immunprozeß

und ausgeprägte BLS-Funktionsstörung, Gesamtprotein und alle Proteinfraktionen, mit

besonders ausgeprägter y-Globulin-Erhöhung, vermehrt

Die Nephelometrie ist ein Verfahren zur Messung der Intensität von Streulicht, das bei Durchtritt von Licht durch kolloiddisperse Lösun- gen, deren Teilchengröße kleiner als die Wellenlänge des einfallenden Lichtes ist, infolge des Tyndall-Effektes auftritt. Die Intensität des Streulichtes läßt sich als Funktion des Trübungsgrades der zu unter- suchenden Lösung entweder direkt (Tyndallometrie) oder indirekt (Tu rbidimetrie) messen. Die mathematische Funktionsbeziehung zwi- schen der Konzentration eines in Lösung befindlichen Stoffes und dem Grad der Abnahme der eingestrahlten Lichtintensität bei Durch- tritt durch diese Lösung wird durch die Rayleigh-Gleichung ausge- drückt:

I = 1 0 • n • d 6

Die Intensität des Streulichts (I) ist direkt proportional der eingestrahl- ten Lichtintensität (1 0), der Teilchenzahl (n) und der 6. Potenz des Teilchendurchmessers (d) und umgekehrt proportional dem Quadrat des Abstandes zwischen Lichtquelle und Küvette und der 4. Potenz der Wellenlänge (i.) des eingestrahlten Lichtes. F ist ein Faktor, in den die Brechungsindizes und die Winkelverteilung der Strahlung einge- hen. Die Aussagefähigkeit der Nephelometrie ist seit der Verwendung einer Helium-Neon-Lichtquelle (Laser-Nephelometrie), die kohärentes monochromatisches Licht emitiert, erheblich verbessert worden.

R 2 • /-4

Abbildung 2: Diagnostische Beurteilung der densitometrischen Absorptionsprofi- le der auf Zelluloseazetatfolie mikrozo- nenelektrophoretisch aufgetrennten Ni- g rosin-gefärbten Liquorproteine

Die Lasernephelometrie hat ge- genüber den unter Punkt 1 und 2 genannten Methoden den Vorteil der schnelleren Verfügbarkeit von Meßergebnissen und einer gering- gradig besseren Präzision. Nephez lometrische Ergebnisse sind in- nerhalb von 2 bis 4 Stunden ver- fügbar, während die Immundiffu- sion verläßliche Daten frühestens nach 24 Stunden ermöglicht.

Beide Verfahren sind Relativmes- sungen, die die simultane Bestim- mung geeigneter Standards und die Fertigung einer Eichkurve er- fordern. Das Prinzip der Laserne- phelometrie ist in der Abbildung 3 dargestellt.

Die Fluoreszenzphotometrie ist in der Empfindlichkeit der Absorp- tionsphotometrie überlegen. Das Prinzip der Fluoreszenzphotome- trie basiert darauf, daß Moleküle der Analysenlösung beim Durch- gang von UV-Licht durch die Küvette das kurzweilige UV-Licht absorbieren und anschließend als langwelliges Fluoreszenzlicht emittieren. Unter definierten Ver- suchsansordnungs- und Meßbe- dingungen besteht eine direkte Proportionalität zwischen der In- tensität der Fluoreszenzstrahlung und der Konzentration eines Stof- fes der Analysenlösung.

Der Enzymimmunoassay (EIA) ver- bindet die Spezifität der Antigen- Antikörper-Reaktion mit der Spe- zifität der Enzymaktivitätsbestim- mung. In Abhängigkeit von der Qualität der Reagenzien und der Analysenbedingungen erreicht der EIA die Präzision und Emp- findlichkeit anderer Immunoas- says (Radioimmunoassay, Immu- nofluoreszenztechniken).

Bei dem EIA muß zwischen zwei verschiedenen Verfahrenstechni-

ken unterschieden werden: Abbildung 3: Prinzip der Laser-Nephelometrie

(4)

0,005 0,010 x 0,015 0,020 0,015

0,010

Y

0,005

\go,..s

ee-ee

_ Albumin im Liquor (WI) - - Albumin im Serum (g/1)

IqG im Liquor (q/1) Y =--

IgG im Serum (g/I) Graphische Auswertung der

Korrelation der Konzentrationsgradienten von Serum-Liquor-Albumin und -IgG

Schrankenstörung Normalbereich

esto,,NA

‘-‘

ZNS

\°`L2'

k

Abbildung 4:

• ELISA-Verfahren (enzyme lin- ked immunosorbent assay)

• EMIT-Verfahren (enzyme multi- plied immunotechnique).

Das EIA-ELISA-Verfahren dient der Bestimmung von Plasma- und Liquorproteinen, während das EIA-EMIT-Verfahren bisher auf die Bestimmung niedermolekularer Haptene beschränkt ist.

2.1.3.1 Differenzierung: Schran- kenstörung und/oder ZNS-lokali- sierter Immunprozeß

Da bei jeder ausgeprägten Schran- kenfunktionsstörung neben ande- ren Serumproteinen auch vermehrt IgG in den Liquorraum übertritt, ist es für die differentialdiagnostische Beurteilung einer IgG-Vermehrung im Liquor notwendig, anteilmäßig abschätzen zu können, ob diese IgG-Erhöhung ausschließlich Fol- ge einer Schrankenstörung ist, oder durch eine vermehrte IgG- Synthese infolge eines ZNS-Iokali-

sieden Immunprozesses verur- sacht wird, der seinerseits zu einer Schrankenfunktionsstörung füh- ren kann. Die durch Quotientenbil- dung zueinander in Beziehung ge- setzten Konzentrationen von Al- bumin und IgG im Liquor und im Serum ermöglicht eine solche an- teilmäßige Differenzierung. Dazu erfolgt entweder eine rechneri- sche (IgG-Index, Referenzbereich 0,4-0,6) oder visualisiert eine gra- phische Korrelation der Konzen- trationsgradienten von IgG und Albumin in das in Abbildung 4 dar- gestellte x-y-Koordinatensystem.

In diesem Zusammenhang sei auf die Arbeit von Reiber (7) hingewie- sen. Eine Abschätzung des Aus- maßes einer Schrankenstörung er- gibt sich aus dem numerischen Wert des Liquor-Serum-Albumin- konzentrationsg radienten. Denn, da Albumin nahezu ausschließlich hepatisch synthetisiert wird, zeigt eine Erhöhung von Albumin im Li- quor eine erhöhte Permeation von Serumproteinen in den Liquor-

raum infolge einer lokalen oder generalisierten Störung der BLS und/oder der BHS an. Eine exakte- re Analyse des Grades der gestör- ten Schrankenfunktion ist durch die Bestimmung der Konzentra- tionsgradienten höhermolekularer Serumproteine möglich. Tabelle 1 zeigt die Referenzbereiche für Al- bumin (MG 69 000 Dalton) und a2- Makroglobulin (MG 820 000 Dal- ton) sowie deren Serum-Liquor- Konzentrationsgradienten: Ge- ringgradige Störungen der BLS/

BHS prägen sich in einer Abnah- me des Albumin-Quotienten aus, während bei ausgeprägteren funk- tionellen und/oder morphologi- schen Alterationen zusätzlich der a2-Makroglobulin-Quotient ver- mindert ist.

2.1.3.2 Diagnostische Bedeutung der K/Ä-Relation

Bei entzündlichen Erkrankungen des ZNS kann es infolge der Sti- mulierung immunkompetenter 108 (64) Heft 3 vom 20. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

(5)

Protein Serum Liquor Quotient

Albumin 35 —55 0,1 —0,3 0,18-0,35

a2-Makroglobulin 1,5— 4,2 0,001-0,0005 0,84-1,5

Tabelle 1: Referenzbereiche von Albumin und u 2-Makroglobulin (G/I) und deren Serum-Liquor-Quotienten zur Erfassung von Funktionsstörungen der BLS

Abbildung 5:

Zellklone zu einer oligoklonalen Immunglobulin-Biosynthese kom- men. Diese oligoklonale Produk- tion von Immunglobulinen im ZNS führt zu einer erhöhten Konzentra- tion von Immunglobulinen im Li- quor und zu einer Verschiebung der KA-Relation der Immunglobu- line,-die ausschließlich im Liquor, nicht aber gleichzeitig im Serum nachweisbar ist. Wegen der gerin- gen IgA- und IgM-Konzentration im Liquor wird die Kik-Relation von IgG (Referenzbereich: 0,4-2,8, x ± 2s) bestimmt, die bei ZNS- lokalisierter oligoklonaler IgG- Synthese zu höheren Werten ver- schoben ist.

Die immunologische Bestimmung des Leichtkettentyps des IgG im Liquor durch die radiale Immun- diffusion ermöglicht eine Differen- zierung zwischen entzündlichen und nichtentzündlichen neurolo- gischen Erkrankungen des ZNS.

Eine Abgrenzung der multiplen

Sklerose von anderen entzündli- chen ZNS-Erkrankungen allein durch die Bestimmung der K/X-Re- lation ist allerdings nicht möglich.

2.1.4 Immunologischer

Nachweis der multiplen Sklerose (MS)

Von besonderer diagnostischer Bedeutung für die Erfassung eines ZNS-lokalisierten Immunprozes- ses ist der direkte Nachweis oligo- klonaler Immunglobulin-G-Sub- fraktionen im Liquor, der bei feh- lendem Nachweis im gleichzeitig mituntersuchten Serum auf eine selektive Stimulierung IgG-produ- zierender Plasmazellklone im ZNS hinweist. Die Oligoklonie der im ZNS synthetisierten Immunglo- buline kann orientierend aus dem Wert der Kik-Relation erse- hen werden oder beweisend durch die Dünnschicht-lsoelektrofokus- sierung von nativem Liquor in Po- lyacrylamidgelen erbracht wer- den. Die polyacrylamid-gelelektro-

phoretische Auftrennung von Li- quorproben ist die Methode der Wahl für den Nachweis und für die Verlaufskontrolle der MS und zahlreicher anderer, mit immuno- logischer Aktivierung einherge- hender akut- und chronisch-ent- zündlicher, sowie degenerativer Erkrankungen des ZNS. Bereits im Früh- aber auch im Latenzstadium der MS ist in nahezu 90 Prozent der Fälle gelelektrophoretisch ein typisches oligoklonales Banden- muster nachweisbar, während die Elektrophorese des normalen Li- quors in dem entsprechenden Be- reich eine diffuse Verteilung der Immunglobuline ohne Bandenbil- dung zeigt (Abbildung 5).

2.1.5 Antinukleäre Antikörper (ANA)

Bei einer Mitbeteiligung des ZNS im Rahmen eines systematischen Lupus erythematodes gewinnt der Nachweis von Antikörpern gegen doppelsträngige DNS (anti-ds- DNS-AK) im Liquor mit kommerziel- len Radioimmunoassay-Kits zu- nehmend an Bedeutung. Es wird davon ausgegangen, daß zirkulie- rende DNS-anti-ds-Immunkomple- xe sich im ZNS an das Gefäßendo- thel anlagern und durch Bindung und Aktivierung von Komplement eine Immunkomplex-Vaskulitis in- duzieren, die zur Manifestation des neuro-psychiatrischen Er- scheinungsbildes führt.

Wesentlich für die Richtigkeit die- ser Annahme ist der bisher nicht erbrachte Nachweis, daß die im- munologischen Befunde im Li- quor (anti-ds-DNS-Titerverlauf) ei- ne Korrelation zum Krankheitspro- zeß und zum -verlauf besitzen.

2.1.6 Autoimmunerkrankungen des ZNS

Das Auftreten zytotoxischer Lym- phozyten, die gegen die enzepha- litogenen Determinanten der Mye- linproteine sensibilisiert sind, stellt ein initiales Ereignis in der Sequenz der Reaktionen dar, die der phenotypischen Ausprägung der Demylinisierung vorausgehen.

(6)

Abbildung 6a (links):Akute, exsudative Phase einer bakteriellen Meningitis mit Nachweis von Streptokokken, ':j? 14 Jahre, 8370/3 Zellen- Abbildung 6b (rechts): Akute Meningitis, exsudative Phase

Abbildung 7: Malignes Non-Hodgkin-Lymphom mit ZNS-Beteili- Abbildung 8: Astrozytomzellen im Liquorsediment, d' 5 Jahre,

gung, c;> 61 Jahre, 96000/3 Zellen 40/3 Zellen

Alle gegen andere Komponenten des ZNS gerichteten zellulären lm- munreaktionen sind Epiphänome- ne, die den Untergang von Gehirn- parenchym anzeigen. Demyelini- sierende Antikörper beschleuni- gen im Zusammenwirken mit den zytotoxischen Lymphozyten den zeitlichen Verlauf des Entmar- kungsprozesses, ohne diesen je- doch ursächlich auszulösen. Bei den immunologischen Reaktio- nen, die initial in die Pathogenese der Autoimmunerkrankungen des ZNS involviert sind, handelt es sich um rein zelluläre Vorgänge.

2.2 Glukose im Liquor

Die Bestimmung der Glukose im Liquor erfolgt in erster Linie zur orientierenden Abgrenzung bakte- rieller von viralen Meningoenze- phalitiden. Der mittlere Glukose- gehalt des Liquors beträgt norma- lerweise etwa 65 Prozent der je- weiligen Serumglukosekonzentra- tion und ist wegen dieser engen Konzentrationskorrelation nur bei simultaner Bestimmung beider Werte . zu interpretieren. Zuneh- mend wird auf die Bedeutung der Messung der Laktatkonzentration 112 (68) Heft 3 vom 20. Januar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

im Liquor zur Differenzierung zwi- schen einer Bakterien- und Vi- rusmeningitis hingewiesen. Die Trenngrenze der Laktatkonzentra- tion wurde auf 3,5 nmol/1 Laktat festgelegt. Eine Abgrenzung ge- genüber anderen neurologischen Erkrankungen mit erhöhtem Lak- tatgehalt im Liquor ist ohne größe- re Schwierigkeiten möglich.

2.3 Laktat im Liquor

Neben der Differenzierung zwi- schen bakteriellen und viralen Me-

(7)

ningitiden haben sich Laktatbe- stimmungen im Liquor als patho- gnostisches Indiz für Nachweis, Verlauf und Prognose zerebraler ischämischer Insulte bewährt.

Beim ischämischen Insult kommt es infolge der Hypoxie des betrof- fenen Gehirnareals zu einer Zu- nahme des anaeroben Glukoseab- baus, dessen Endprodukt das Lak- tat ist. Dabei korreliert der Anstieg der Laktatkonzentration positiv mit der Größe des infarzierten Ge- bietes. Am dritten Tag nach Ein- tritt des Insultes kommt es — zeit- lich korreliert mit der maximalen ödementwicklung — zu einem ma- ximalen Anstieg des Laktats, der wesentliche Rückschlüsse für die Prognose des Patienten ermög- licht. So verstarben Patienten mit schweren Insulten und Laktatwer- ten über 4 nmo1/1 (Normalwert <

2,1 nmo1/1) innerhalb von zwei Mo- naten nach Eintritt des Insultes.

3. Liquorzytologie

Der normale Liquor ist wasserklar, jede farbliche und konsistentielle Veränderung zeigt pathologische Abweichungen an. Normale zellu- läre Liquorbestandteile sind Lym- phozyten und Monozyten, etwa im Verhältnis 2 zu 1. Gelegentliches Vorkommen von epithelialen, lep- tomeningealen, ependymalen und chorioidalen Zellen ist ohne pa- thognostische Bedeutung. Der obere Normalbereich der Gesamt- zellzahl liegt bei 4 bis 5 Zellen pro j11 Liquor i. e. 12-15/3 Zellen. Ne- ben Zellzahlerhöhung zeigen Än- derungen der zellulären Liquor- komposition, insbesondere das Auftreten von Granulozyten, Ery- throzyten, Tumorzellen und Hä- moblasten sowie zytomorphologi- sche Veränderungen der Lympho- und Monozyten (Transformation) und die Verschiebung ihrer relati- ven Anteile pathologische Prozes- se im Bereich des ZNS an.

3.1 Blutung

Frische Blutungen in den Liquor- raum (z. B. bei Angiom- oder An- eurysmarupturblutung, hyperten-

siver Massenblutung mit Einbruch in den Liquorraum, Kontusions- oder operativ bedingter Blutung) sind im Liquorsediment erkennbar an den frischen Erythrozyten und dem starken Anstieg polymorpho- nukleärer Zellen. Später sichert der Nachweis des Blutabbaues durch Erythro- phagen und Hämo- siderophagen die Diagnose.

3.2 Entzündung

Infolge des starken Anstieges der polymorphkernigen Granulozyten (bis 20 000 pro jt1) ist der Liquor bei der akuten bakteriellen Menin- gitis trüb bis rahmig. Bei der licht- mikroskopischen Betrachtung von Gram- oder Methylenblau-Präpa- raten sind häufig extra- und/oder intrazellulär Bakterien nachweis- bar, die eine vorläufige (Ver- dachts-)Diagnose ermöglichen, die durch bakteriologische Unter- suchung verifiziert werden muß.

Während der akuten Entzün- dungsphase der bakteriellen Me- ningitis besteht das Liquorsedi- ment vorwiegend aus neutrophi- len Granulozyten und vereinzelten Mono- und Lymphozyten. Unter der einsetzenden Antibiotikathera- pie nimmt die Zellzahl ab, das Se- diment ist gekennzeichnet durch degenerative Veränderungen der neutrophilen Granulozyten und durch das Auftreten von Makro- phagen und transformierten Lym- phozyten mit geringer Mitosehäu- figkeit. In der Reparationsphase sind nur noch wenige Granulozy- ten nachweisbar, Monozyten und Makrophagen zeigen degenera- tive Veränderungen; auch der Grad der Lymphozytentransforma- tion nimmt ab, und die kleinen inaktiven Lymphozyten überwie- gen anteilmäßig. Auch die Virus- meningitiden sind im Initialsta- dium durch das Überwiegen von Granulozyten im Sediment ge- kennzeichnet. Danach kommt es zu einer lymphozytären Pleozyto- se mit Zellzahlen, die in der Regel 1000 pro jt1 nicht überschreiten.

Die Abbildungen 6a und 6b zeigen die exsudative Phase einer akuten bakteriellen Meningitis mit Nach- weis von Streptokokken.

3.3 Tumorzellen

Voraussetzung für den Nachweis von Tumorzellen im Liquor ist eine enge räumliche Beziehung des Tumors zu den Liquorräumen und die tumorspezifische Fähigkeit zur Zellexfoliation. Die Nachweishäu- figkeit von Tumorzellen im Liquor ist bei metastatischen (sekundä- ren) Hirntumoren größer als bei den primären Hirntumoren, da ein Teil der histologisch benignen pri- mären Tumoren von einer die Zell- exfoliation ausschließenden Kap- sel umgeben oder so lokalisiert ist, daß kein Anschluß an das Liquor- system gegeben ist. Die Beurtei- lung der Herkunft von Tumorzel- len („Artdiagnose") ist schwierig und bei den primären Tumoren am ehesten im Fall von Glioblastoma multiforme und dem Medullobla- stom möglich. Bei Karzinommeta- stasen des ZNS ist die Zuordnung maligner Zellen im Liquor häufig dem histologischen Typ (Platten- epithel-Karzinome mit und ohne Verhornung, Adeno-Karzinome, undifferenzierte Karzinome), selte- ner jedoch dem Ursprungsorgan nach möglich. Zu den am häufig- sten nachweisbaren sekundären Hirntumoren gehört neben den Karzinommetastasen das maligne Lymphom, das in nahezu 30 Pro- zent der Fälle mit einer ZNS-Betei- ligung einhergeht. Die Abbildung 7 zeigt den Liquorsedimentbefund bei einem malignen Non-Hodgkin- Lymphom mit ZNS-Beteiligung (9 61 Jahre, 9600/3 Zellen). In Abbil- dung 8 sind Astrozytomzellen im Liquorsediment (c$ 5 Jahre, 40/3 Zellen) zu sehen.

Literatur im Sonderdruck (zu beziehen beim Verfasser.) Anschrift der Verfasser:

Privatdozent Dr. med.

Hans-Ingo Sarkander

Neuropathologisches Institut Dr. med. Heinz-Michael Mayer Neurochirurgische Klinik Klinikum Steglitz

der Freien Universität Berlin Hindenburgdamm 30 1000 Berlin 45

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