• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Schlafstörungen: „Sozialer Jetlag“ und seine Folgen" (07.01.2013)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Schlafstörungen: „Sozialer Jetlag“ und seine Folgen" (07.01.2013)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 26 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 1–2

|

7. Januar 2013

E

s scheint kaum glaubhaft, aber heute kennt die moderne Schlafforschung und Schlafmedizin mehr als 100 unterschiedliche Schlaf- störungen, die alle eine starke Beeinträchtigung der Tagesak tivität (zum Beispiel Sekundenschlaf am Steuer), Berufsfähigkeit, Gedächt- nisleistung und der physischen und psychischen Gesundheit zur Folge haben. Es handelt sich also keines- wegs um harmlose Befindlichkeits- störungen, vielmehr stellen sie in ihrem gesamten Ausmaß ein hohes gesellschaftliches Problem dar.

Mit 2 000 Teilnehmern hat sich die 20. Jubiläums-Jahrestagung der Deut- schen Gesellschaft für Schlaffor- schung und Schlafmedizin (DGSM)

im Dezember in Berlin als bisher größter Kongress dieser Disziplin erwiesen. Er stand unter dem Motto Erich Kästners „Wer schlafen kann, darf glücklich sein“ und bewies, wie wichtig die Interdisziplinarität auf diesem Gebiet ist.

Nachtschlaf thematisieren Die Diagnostik der Schlafstörung findet nicht mehr allein im „stil- len Kämmerlein“ des Schlaflabors statt, sondern ist dank extrem ver- besserter Messtechniken am Kli- nikbett, in der Praxis oder sogar auf dem Mount Everest möglich. Wich- tig sei es, die Wachsamkeit von Hausärzten, Allgemeinmedizinern, Fachärzten und Klinikern auf den

Schlaf zu lenken. Denn Patienten sprechen selten von allein Schlaf- störungen an, die im Kontext einer Vielzahl von somatischen Erkrankun- gen stehen. Hier sei der einfühlende Arzt nötig, der nach der Qualität des Nachtschlafs fragt, wenn es „eigent- lich“ um eine schulische Leistungs- minderung, Herz-Kreislauf-Erkran- kung, Krebs oder Gedächtnisproble- me im Alter geht. Dies erklärte Prof.

Dr. med. Ingo Fietze, Charité – Uni- versitätsmedizin Berlin, als einer der beiden Kongresspräsidenten.

Zu den neuen, sehr einfach hand- habbaren, nichtinvasiven und zu- gleich sehr aussagefähigen Mess- konzepten gehört die Pulswellen- analyse. Hierbei handelt es sich um eine Diagnosemethode auf der Ba- sis ausgesendeter Infrarotlichtstrah- len, die reflektiert und von einem Sensor registriert werden. Infraro- tes Licht wird mit seiner speziellen Wellenlänge besonders gut von Hä- moglobin absorbiert.

Diese Lichtreflexion wird acht Stunden lang aufgezeichnet und gibt in der diagnostischen Auswer- tung Auskunft über den Funktions- zustand und eine mögliche Schädi- gung der Gefäße. Nach Angaben von Prof. Dr. med. Ludger Grote aus Göteborg, Schweden, der das Verfahren mitentwickelt hat, trägt der Patient in der Nacht lediglich ein kleines Messgerät am Handge- lenk, das mit einem Pulsoxymeter- Sensor am Finger gekoppelt ist.

Eine multizentrische Studie an 500 Patienten mit Schlafapnoe zeigte, wie ein gestörter Schlaf das Risiko, eine Herz-Kreislauf-Erkran- kung zu entwickeln, steigen lässt.

Dies ist mit dem aus dem Messver- fahren heraus entwickelten „Cardi- ac Risk Index“ einfach und schnell vom Arzt abzulesen.

Über die „innere Uhr“ des Men- schen sprach Prof. Dr. Till Roenne- berg, München. Der Schlaf mit sei- Die meisten der

325 Schlaflabore in Deutschland sind fachlich nicht interdiszi plinär

besetzt.

Foto: dpa

SCHLAFSTÖRUNGEN

„Sozialer Jetlag“ und seine Folgen

Mit Hilfe nichtinvasiver und mobiler Diagnoseverfahren lassen sich Schlafstörungen spezifizieren und das kardiovaskuläre Risiko der Patienten bestimmen.

M E D I Z I N R E P O R T

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 1–2

|

7. Januar 2013 A 27 ner klaren Tageszeitlichkeit ist an-

geboren, missachtet man dies zum Beispiel durch berufliche Gegeben- heiten oder ständige Interkontinen- talflüge, so wird der biologische Rhythmus gestört, der sich in zwei scharf trennbaren Chronotypen, dem Frühaufsteher („Lerche“) und dem Nachtmenschen („Eule“), in ihren unterschiedlichen Schlafens- zeiten und tageszeitlichen Leis- tungspeaks messbar abzeichnet.

Schlafstörungen bei Kindern Roenneberg bezeichnete ein stetiges Leben gegen die angeborene innere Uhr als „gefährlich“, wenn zum Beispiel die Eule frühmorgens in Schule oder Beruf Leistung bringen soll, während die innere Uhr noch Schlafenszeit signalisiert. Dieser

„soziale Jetlag“, bei dem biologi- sche und soziale Uhr im Widerstreit sind, führe nicht nur zum dauerhaf- ten Schlafdefizit, sondern nach ers- ten Studien auch zu Übergewicht, Diabetes, Depressionen, Alkoholis- mus und Auswirkungen auf das Immunsystem, da es stets zur „fal- schen“ Zeit aktiviert werde.

Aus der Schlafmedizin ist be- kannt, dass ungestörter und erholsa- mer Schlaf der Motor der Gedächt- niskonsolidierung ist, das heißt, das Erlebte und Erlernte des Tages wird in der Nacht im Schlaf verfestigt.

Die Frage, ob Atemstillstände wäh- rend des Schlafs (Schlafapnoe) auf die Gedächtnisleistung Einfluss ha- ben, wurde in einer psychiatrisch- psychologischen Studie mittels Kon- trollgruppen untersucht.

Schlafgestörte Patienten wiesen bei bestimmten Aufgaben am Mor- gen schlechtere Gedächtnisleistun- gen auf als gesunde Probanden, es war also keine echte Gedächtnis- konsolidierung in der Nacht erfolgt, wie Dr. med. Spiegelhalder, Frei- burg, erläuterte. Auch zeigte sich, dass bei psychischen Erkrankun- gen, wie zum Beispiel Depressionen, immer eine Schlafstörung auftritt, die die Gedächtnisleistung her absetzt.

Am Rande bemerkte er zur Frage des kindlichen Lernvermögens, es sei gut, Vokabeln am Nachmittag und abends das Klavierspielen zu erler- nen, der anschließende Schlaf ver- festige das gerade Erlernte.

Breiten Raum nahm auf dem Kongress die Frage der Schlafstö- rungen bei Kindern und Jugendli- chen ein. Neuere Studienergebnisse zu Schlafstörungen bei Grundschul- kindern im Kontext zu Umfang und Inhalt ihres Medienkonsums (Fern- sehen, PC-Spiele, Internet und Social- Media-Gebrauch) zeigten einer Köl- ner Schlafuntersuchung zufolge etwa 20 Prozent Ein- und/oder Durchschlaf - störungen in dieser Altersgruppe, wie Dr. med. Alfred Wiater, Vorstands- mitglied der DGSM, berichtete.

Mit steigendem Alter verringern sich diese Schlafstörungen, aber die Tagesmüdigkeit mit mehreren Mi- kroschlafepisoden nimmt infolge des späteren Zubettgehens zu und liegt bei Elfjährigen bei circa 30 Pro- zent. Wiater warnte davor, den Me- dienkonsum dieser Altersgruppe zu verdammen, er sei wichtig für die Entwicklung moderner Kinder. Die Bildschirmzeit liege bei ihnen bei circa einer Stunde am PC, sei also tolerabel. Wichtiger als die Zeit sei der Inhalt der Beschäftigung, der bei Jungen eindeutig zu Gewaltspielen

und bei Mädchen zum Aufenthalt in sozialen Netzwerken tendiere. Eine Studie der Charité – Universitätsme- dizin Berlin an 14- bis 18-jährigen Schülern prüfte die Gedächtnisleis- tung nach PC-Spiele-Konsum und bei lesenden Jugendlichen. Es stellte sich heraus – wie erwartet –, dass Ju- gendliche nach höherem Spielekon- sum einen schlechteren Schlaf und schlechtere Gedächtnisleistungen aufwiesen als Vielleser.

Neuere Studien zur Gedächtnis- leistung älterer Menschen zeigten, dass man sehr interessanten neuro-

psychologischen, prädiktiven Mar- kern auf die Spur gekommen sei, die Gedächtniseinbrüche aufzeig- ten, die schon circa zehn Jahre vor dem Ausbruch einer neurodegene- rativen Erkrankung wie Parkinson oder Demenzformen auf diese auf- merksam machten. Diese wichtigen Marker bedürften noch umfassen- der Studien. „Da tut sich viel“, er- klärte Prof. Dr. med. Geert Mayer, Vorsitzender der DGMS.

Irrweg von Arzt zu Arzt Prof. Dr. rer. physiol. Thomas Pen- zel, Charité, erörterte als zweiter Kongresspräsident die Frage der In- terdisziplinarität des Faches Schlaf- medizin. Für viele Patienten be deute eine Schlafstörung, ausgelöst durch Schnarchen, Schlafapnoe, Narko- lepsie oder Restless-legs-Syndrom (RLS), einen langen Irrweg von Arzt zu Arzt, bis sie die angemessene Behandlung erführen.

Erschwerend komme hinzu, dass die meisten der derzeit 325 Schlaf- labore in Deutschland fachlich nicht interdisziplinär besetzt seien, sondern einer einzigen Fachabtei- lung angehörten. Penzel hielt es für sehr erstrebenswert, einige wenige, aber qualitativ hervorragende Kom- petenzzentren pro Bundesland auf- zubauen, in denen unterschiedliche Fachärzte den Patienten begutach- ten und gemeinsam einen individu- ellen Therapieplan diskutieren.

Auch die vielfältigen Selbsthilfe- gruppen für einzelne Schlafstörun- gen hatten viel Diskussionsraum auf dem Kongress. In Bezug auf das Phänomen der Restless legs sagte Lilo Habersack von der RLS- Vereinigung, man möge dieses belastende, den Schlaf erheblich beeinflussende Syndrom nicht als pure Befindlichkeitsstörung abtun, sondern als Erkrankung anerken- nen. Die Ursachen des Syndroms seien zwar wissenschaftlich nicht hinreichend erschlossen, Einfluss hätten mit einiger Sicherheit das dopaminerge System und der Ei- senstoffwechsel. Der Gesamtschlaf sei qualitativ insbesondere durch verringerte REM-Phasen vermin- dert und führe zunehmend zu Ge- dächtnisminderleistungen.

Dr. phil. Barbara Nickolaus Körperfunktionen

während des Schlafs können nicht nur im Schlaf- labor, sondern auch mobil abgefragt werden.

Foto: Your Photo Today

M E D I Z I N R E P O R T

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Nach Bedarf kann die nächtliche Dialyse zu Hause, am Urlaubsort oder auf Geschäftsreisen durchgeführt werden. Her- steller: Baxter Deutschland GmbH,

Da es laut Wetterprognose die Woche über weiter regnen wird, hat die Feuerwehr der Stadt Ludwigshafen den Betreibern des Filmfestivals auf der Parkinsel, der Sunset Lounge und

Ein Beispiel für eine neue Technologie ist die Quan- tifizierung der hämodynamischen Rele- vanz von Stenosen der Herzkranzge- fäße durch eine neuartige digitale Aus- wertung

Es kann jedoch da- von ausgegangen werden, dass sich die früheren Studien (sieben der zwölf Studien) auf vollfette Milchprodukte beziehen, da fettreduzierte Produkte erst nach

Wichtig ist, dass vor Reisebeginn auch an alles gedacht wurde, wie bei- spielsweise die eigene Medikamenteneinnahme, mög- liche Allergien oder der Immunstatus, damit Probleme mit

Damit sind viele Erkrankungen er- klärbar, die Ursache für eine funktionelle Störung kann so jedoch nicht ergründet werden, denn nicht alle As- pekte werden dabei

„Funktionelle Herz-Kreislauf-Beschwerden (fHKB) sind eine Regulations- und Koordinationsstörung, die nicht durch eine einseitige Hemmung oder Stimulation einzelner

Ihre antiarteriosklerotischen Eigenschaften gehen vor allem auf eine Cholesterinsenkung, Steigerung der fibrinolytischen Aktivität und eine thrombozytenaggregationshem-