KASSENÄRZTLICHE BUNDESVEREINIGUNG
Nicht über jedes Stöckchen springen
Deutliche Worte des KBV-Vorsitzenden
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igentlich schade – da kommt der neue Vorstandsvorsitzen- de der Kassenärztlichen Bundesver- einigung (KBV), Dr. med. Andreas Gassen, am 5. Mai zu einer Diskus- sionsveranstaltung der Vereinigung Liberaler Ärzte Nordrhein-Westfa- len, und nur wenige niedergelasse- ne Ärzte nehmen die Gelegenheit wahr, den Chef ihrer Selbstverwal- tung einmal persönlich zu erleben.Gassen nutzte den Auftritt in seiner Hei- matstadt Düsseldorf zu einer Tour d’hori- zon über das, was ak- tuell auf der gesund - heitspolitischen Agen- da der KBV steht.
Diese werde derzeit stark von den Verein- barungen im Koaliti- onsvertrag bestimmt.
Gassen ist besorgt,
„dass vieles davon di- rekt in ein Gesetz
fließt, und zwar mit hoher Ge- schwindigkeit“. Deshalb müsse die Selbstverwaltung etwa beim Thema Wartezeiten eigene Lösungen an- bieten, um Schlimmeres zu verhin- dern. „Die KBV lehnt zwar grund- sätzlich den Eingriff in das Termin- management der Praxen ab, wird aber nicht darum herumkommen, eine eigene schlanke Selbstverwal- tungslösung zu präsentieren.“ Der Politik wäre es am liebsten, sagte Gassen, die KBV verhalte sich wie eine Exekutivbehörde des Ministe- riums. „Wir können den körper- schaftlichen Auftrag nicht komplett ignorieren, aber wir können und werden nicht über jedes Stöckchen springen“, betonte der KBV-Vorsit- zende.
In Richtung Krankenhäuser gab es deutliche Worte. Bei deren Ent- lassmanagement sieht Gassen er-
heblichen Handlungsbedarf. „Es ist nicht einzusehen, dass Krankenhäu- ser DRGs mit prä- und poststationä- ren Leistungen abrechnen und die Patienten mit tropfender Drainage- wunde in die Praxis schicken.“ Es dürfe auch nicht passieren, dass Pa- tienten ohne Medikation am Wo- chenende aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen werden. „Wir wollen eine Mitgabe von Medika-
menten für mindes- tens drei Werktage.“
Auch das Vorgehen der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft bei der Umsetzung der ambulanten spezial- fachärztlichen Versor- gung beurteilte der KBV-Vorsitzende kri- tisch. Bei den Ver- handlungen sei es durchgehend darum gegangen, Vorstöße der Krankenhäuser, zum Beispiel gegen die Festschreibung einer fachärztlichen Versorgung, abzuwehren. „Alle fast schon aber- witzigen Regelungen, die wir da implementieren, dienen letztlich nur dazu, die vergleichsweise gleich langen Spieße auch gleich lang zu erhalten.“
Weiteres wichtiges Thema ist für Gassen die Förderung der am- bulanten Weiterbildung. Mittler- weile gebe es viele Fächer, bei de- nen die Ärzte in Weiter bildung wesentliche Inhalte in der Klinik kaum mehr vermittelt bekämen.
Über ein Stiftungsmodell mit Geld aus GKV und PKV sollen fi- nanzielle Anreize für die ambu- lante Weiterbildung geschaffen werden. „Wichtig ist, dass die Kollegen ihr Fach in vollem Um-
fang lernen.“
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Thomas Gerst
Foto: Georg J. Lopata
Andreas Gassen, KBV-Vorstandsvorsitzender
A 876 Deutsches Ärzteblatt