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P 94-402Veränderungen in den Verbindungen

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des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung

P 94-402

Veränderungen in den Verbindungen zwischen Wissenschaft und Produktion

in Ostdeutschland

- Eine Problemskizze - Werner Meske

Berlin, November 1994

Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung gGmbH Reichpietschufer 50

10785 Berlin Tel.: 030/30874231 Fax: 030/2829504

e-mail: meske@medea.wz-berlin.de

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Inhalt

Zusammenfassung/Abstract...3

1. Einführung...5

2. Zu den Beziehungen zwischen Wissenschaft und Produktion in der D D R ... 7

2.1 Lineares Modell der Innovation...7

2.2. Hierarchische Leitungsstrukturen und gesetzliche Regelungen der Vertrags­ forschung...9

2.3. Forschungsprofile und -potentiale für die Forschungskooperation... 12

2.4. Wissenschaftsaufwand und -Wirksamkeit...15

3. Veränderungen in den Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bei deren Umgestaltung im Zeitraum 1990 bis 1994... ... 19

3.1. Makrostrukturelle Veränderungen von Wirtschaft und W issenschaft... 19

3.2. Die akademische Wissenschaft und ihre Verbindungen zur Produktion... 25

3.3. FuE in der W irtschaft... ... ... ...35

3.4. Aktuelle Entwicklungstendenzen und -probleme in der ostdeutschen FuE-Landschaft... 44

4. Fragen zur Perspektive der Verbindung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in O stdeutschland... 49

Literatur...53

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Zusammenfassung

Die Auswirkungen der Transformationsprozesse in Wissenschaft und Wirtschaft Ost­

deutschlands werden unter dem Aspekt der Verbindungen zwischen beiden untersucht. Der Niedergang der Wirtschaft hatte bereits 1990 zur weitgehenden Auflösung der in der DDR üblichen Forschungsverträge zwischen Betrieben und Akademie-Instituten bzw. Hoch­

schulen geführt. Obwohl für eine Wiederbelebung der ostdeutschen Wirtschaft Innovationen unerläßlich sind, ist der tatsächliche Umfang ihrer FuE, und zwar sowohl interne FuE- Tätigkeiten wie auch externe Auftrags-FuE, sehr gering. Ein wesentliches Merkmal der gegenwärtigen Industriestruktur ist das Verschwinden innovativer Großbetriebe und die Dominanz kleiner und mittlerer Unternehmen mit geringen Investitionsmöglichkeiten. Da­

durch findet auch die inzwischen weitgehend umgestaltete akademische Wissenschaft trotz ihrer günstigen strukturellen Voraussetzungen nur wenige für eine Zusammenarbeit geeig­

nete Partner in der Industrie. Diese Situation behindert einerseits den wirtschaftlichen Auf­

schwung; sie birgt andererseits die Gefahr des weiteren Auseinanderdriftens von akademi­

scher Wissenschaft (in Richtung reiner Grundlagenforschung) und Wirtschaft (in Richtung Zulieferer bzw. verlängerte Werkbank westdeutscher Unternehmen) in sich. Die Konsoli­

dierung der in Ostdeutschland neu entstandenen Einrichtungen in Wirtschaft und Wissen­

schaft und ihre stärkere regionale Vernetzung treten damit als wesentliche Probleme und Herausforderungen für die künftige Entwicklung in den Vordergrund.

Abstract

In this paper the consequences of the transformation processes in East German industry and science on the links between the two sectors is examined. By 1990 the decline of industry had already led to the extensive termination of the research contracts between enterprises on the one hand and Academy institutes and higher educational establishments on the other that had been usual in the GDR. Although innovation is indispensable for East German in­

dustry, and the academic landscape can once again offer favourable structural conditions, the actual extent of industrial RaD and contract research for industry is very restricted. An essential feature of the structure of industry is the disappearance of innovative large-scale enterprises and the prevalence of small and medium-sized companies with limited invest­

ment resources. This situation firstly hinders economic recovery and secondly involves the danger that academic science and industry will drift farther apart (the former towards pure basic research, the latter towards becoming a supplier of components or a "workbench an­

nex" for West German companies). Processes of restoring stability and stronger regional

networking of the newly established institutions in East Germany comes to the fore as a

problem and challenge.

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1. Einführung

Mit der Umgestaltung des Gesellschaftssystems in Ostdeutschland erfahren nicht nur W irt­

schaft und Wissenschaft grundlegende Veränderungen, sondern auch ihre früheren Verbin­

dungen. Deren effiziente Neugestaltung ist angesichts der nahezu übergangslosen Einbe­

ziehung Ostdeutschlands in den Wettbewerb auf dem gesamtdeutschen und internationalen M arkt eine entscheidende Voraussetzung für eine längerfristige, sich selbsttragende Wie­

derbelebung der ostdeutschen Wirtschaft.1

Durch "Institutionentransfer" von West nach Ost sollten die notwendigen Rahmenbedingun­

gen geschaffen werden, um in Ostdeutschland ein dem der alten Bundesrepublik analoges Gesellschaftssystem aufzubauen, geprägt insbesondere durch solche Merkmale wie D e­

mokratie, Föderalismus und Privatwirtschaft. Um das zu erreichen, sollte diese Umgestal­

tung möglichst rasch erfolgen, was wiederum die Gleichzeitigkeit von grundlegenden insti­

tutionellen Veränderungen erforderte. Diese Parallelität von Veränderungen in vielen gesellschaftlichen Bereichen und Ebenen hat sich inzwischen als eine besondere Schwie­

rigkeit des Umgestaltungsprozesses in Ostdeutschland erwiesen, insbesondere wegen der sich daraus ergebenden Unsicherheiten bezüglich des gesellschaftlichen Umfeldes bzw. der Rückkopplungen mit den verschiedenen "Umwelten". Die mit dem Institutionentransfer verbundenen Strukturbrüche auf allen Ebenen von Wirtschaft und Wissenschaft in O st­

deutschland führen dazu, daß hier die ohnehin komplizierten Umgestaltungsprozesse inner­

halb der neu entstandenen Betriebe und wissenschaftlichen Einrichtungen gleichzeitig mit externen Integrationsprozessen in einer sich dynamisch verändernden Umgebung bewältigt werden müssen.

Obwohl der Institutionentransfer von West nach Ost inzwischen sowohl in der Wirtschaft wie in der Wissenschaft weitgehend realisiert worden ist, sind in den neuen Bundesländern trotzdem keine regionalen Wirtschafts- und Forschungslandschaften entstanden, die denen in den alten Ländern entsprechen. Bei einer generellen Reduzierung des Forschungs- und Entwicklungs(FuE)-Personals in Ostdeutschland auf etwa 30 Prozent des 1989 in der DDR vorhandenen Bestandes ist z.B. in der Wirtschaft das FuE-Personal am stärksten abgebaut worden. Der Anteil dieses Sektors am gesamten FuE-Personal ist damit unter 50 Prozent

1 Ausgehend von analogen Überlegungen wächst auch in anderen Ländern M itte l- und Osteuropas das Interesse an der Analyse dieser Beziehungen und ihrer Wandlungen bei der gesellschaftlichen Trans­

form ation. Dadurch w ar es m öglich, entsprechende länderspezifische Forschungen im Rahmen eines ge­

meinsamen Projektes "Innovation Potential embodied in Changing Academy-Industry Relations in East Europe" zu koordinieren. Dieses Projekt w ird von K. Baläzs (Ungarn) geleitet und durch die Central European U niversity (CEU ) in Prag gefördert. Die vorliegende A rb eit ist im Rahmen dieses Projektes entstanden.

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gesunken. Weitergehende Unterschiede von der Makro- bis zur Mikroebene lassen sich erkennen bzw. vermuten (Meske 1993; Meske 1994).

Solche Befunde geben Anlaß, diese Veränderungen auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu untersuchen. FuE-Potentiale in der Wirtschaft selbst stellen zweifellos die engste Form dieser Beziehungen dar. Dieser Forschungssektor kann aber nicht isoliert vom gesamten Wissenschafts- und Innovations­

system gesehen werden, wie die Arbeiten zu nationalen Wissenschaftspotentialen (Meske 1989) und zu nationalen Innovationssystemen (Freeman 1987; Nelson 1994) gezeigt haben.

Es geht dabei vielmehr um ein jeweils spezifisches Netzwerk, das aus verschiedenen Institutionen und den sie verbindenden Aktivitäten und Interaktionen besteht und das beträchtlich in Umfang und Funktionsweise zwischen einzelnen Ländern variiert. Die grundlegenden Veränderungen in Ostdeutschland werfen deshalb eine Reihe von Fragen auf, wobei es einmal um die A rt der Veränderungen in Wirtschaft und Wissenschaft geht, zum anderen um die daraus resultierenden Konsequenzen für ihre Verbindungen, einschließlich der wechselseitigen Beeinflussung künftiger Entwicklungschancen.

Die vorliegende Arbeit versteht sich als ein Diskussionsbeitrag zu dieser umfassenden Problematik. Sie konzentriert sich auf drei Aspekte:

- Erstens wird die Ausgangssituation für die Umgestaltung der Forschungsverbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in Ostdeutschland charakterisiert. Es handelt sich dabei um die "Wissenschafts-Produktions-Beziehungen" in der DDR Ende der 80er Jahre.

- Zweitens werden die nach fast fünf Jahren Umgestaltung von Wirtschaft und Wissen­

schaft neu entstandenen FuE-Strukturen in beiden Sektoren insbesondere hinsichtlich der daraus ableitbaren Einflüsse auf die Beziehungen zwischen ihnen untersucht.

- Drittens werden aus dem Stand der Beziehungen zwischen Wissenschaft und Produktion mögliche Entwicklungstendenzen und Forschungsprobleme abgeleitet.

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2. Zu den Beziehungen zwischen Wissenschaft und Produktion in der DDR

Eine enge Verbindung zwischen Wissenschaft und Produktion gehörte im gesamten Zeit­

raum seit Ende des 2. Weltkrieges zu den Prämissen der Politik in Ostdeutschland. Diese Verbindung wurde deshalb weitgehend im Interesse der Durchsetzung politisch-ökonomi­

scher Interessen instrumentalisiert und auf vielfältige Weise zu realisieren versucht. Dabei kam es im V erlauf der über 40jährigen Entwicklung in den einzelnen Sektoren von FuE (außeruniversitäre Forschung mit ihrem Kern, der Akademie der Wissenschaften(AdW);

Universitäts- und Hochschulforschung; FuE in der Wirtschaft) durchaus zu Unterschieden in Ausmaß und Intensität sowie bei den Formen dieser Verbindungen.

Wie die Entwicklung der AdW im Forschungssystem der DDR zeigt, w ar es jedoch ein durchgängiges politisches Bestreben, eine möglichst enge und den ökonomischen Interessen dienende Bindung der Wissenschaft an die Wirtschaft zu erreichen.2 Im Ergebnis der spezifischen Ausgestaltung des FuE-Systems der DDR waren die hier Ende der 80er Jahre vorhandenen Wissenschafts-Produktions-Beziehungen hinsichtlich von FuE durch eine Reihe spezifischer Aspekte geprägt, die gleichzeitig wesentliche Ausgangspositionen für die nachfolgenden Umgestaltungen charakterisieren.

2.1. Lineares Modell der Innovation

Die Politik der DDR wurde durch ideologisch begründete Vorstellungen von einem linearen Modell der Innovation dominiert. Danach sollte die Nutzbarmachung der "Produktivkraft Wissenschaft" vor allem über eine Kette von der Grundlagenforschung bis zur Produktion, durch Sicherung der "richtigen Proportionen zwischen Forschung, Entwicklung, Konstruk­

tion, Projektierung, Technologie und Überleitung der Ergebnisse in die Produktion" (SED- Parteitag 1971: 60) erfolgen. In dieser Kette wurde der Produktion das Primat zugespro­

chen. Das ging sogar soweit, daß letzten Endes (nur) aus ihren Bedürfnissen an Produkten und Technologien auch die Aufgaben und Ziele für die Forschung, bis hin zur Grundlagen­

forschung, abgeleitet werden sollten: "Wir betrachten die Überleitung nicht primär als eine Aufgabe, für vorliegende Forschungsergebnisse Nutzungs- und Anwendungsmöglichkeiten zu suchen und zu finden. Es geht vielmehr darum, Forschungsaufgaben so zu bestimmen,

2 Bei der Untersuchung der "S truktur und Funktionsweise der industrieorientierten Forschung an der A k a ­ demie der Wissenschaften unter den forschungspolitischen Bedingungen der D D R" wurden sowohl diese Ausprägungen w ie auch ihre Wandlungen und die spezielle Situation in den 80er Jahren analysiert. Dabei konnte festgestellt werden, daß die gesamte E ntw icklung der Akademie der Wissenschaften seit ihrer W iedereröffnung im Jahre 1946 auf Befehl der Sowjetischen M ilitäradm inistration weitgehend durch das Bestreben geprägt war, ih r Forschungspotential fü r politische und ökonomische Ziele einzusetzen. Im Ergebnis dieser Bemühungen kam es zu engen Beziehungen von Akadem ie-Instituten zur W irtschaft und innerhalb der A d W auch teilweise zu einer Integration von Grundlagenforschung und Anw en­

dungsforschung (Meske, M ayntz 1990; Meske u. a. 1993).

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daß die zur Überführung vorliegenden Forschungsergebnisse weitghend den volkswirt­

schaftlichen Erfordernissen und Möglichkeiten der DDR entsprechen" (Steinitz 1973: 16, 17).

Gerade in der Aufgabenfindung für die Wissenschaft sah der damalige Präsident der AdW, Hermann Klare, aber einen eigenen zweiten Problemkreis: "Damit das System Wissenschaft und Produktion aber ohne Störungen und einwandfrei funktioniert, muß auf zwei neuralgi­

sche Punkte hingewiesen werden: einmal die Umsetzung von Entwicklungsbedürfnissen der materiellen Produktion der Gesellschaft überhaupt in wissenschaftliche Ziel- und Pro­

blemstellungen und zum anderen die Überleitung von wissenschaftlichen Resultaten in die produktive gesellschaftliche Nutzung" (Klare 1973: 3).

Ausgehend von der Diskussion dieser Probleme und ihrer nicht zu übersehenden Relevanz in der Praxis wurde in den 70er Jahren die Aufgabenfindung und -Stellung für die Forschung zumindest in den politischen Orientierungen als relativ eigenständige und mehrfach determinierte Problematik anerkannt. Danach sollten "die Aufgaben für die Forschung in allen Instituten, Hochschulen, wissenschaftlichen Einrichtungen und in den Kombinaten stets zugleich aus den Bedürfnissen der Gesellschaft, dem Entwicklungsstand der jeweiligen Wissenschaftsdisziplin und aus den Reproduktionsbedingungen der sozialistischen Volkswirtschaft" abgeleitet werden (Hager 1974: 20; SED-Programm 1976: 47, 48). Für das ursprüngliche "Innovationsmodell" stellte das lediglich eine Modifizierung durch die Einbeziehung einer gewissen "Rückkopplung" bei der Ableitung von Forschungsaufgaben dar, deren entscheidende "Quelle" die Erfordernisse der Wirtschaft blieben (vgl. Schema 1).

Schema 1: Modifiziertes "lineares Modell" der Beziehungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft

(Ableitung von Forschungsaufgaben) andere Einflüsse

Ziele/Aufgaben --- Erfordernisse

G F -

Erkenntnis

> A F -

ie/Ergebnisse

E

neue Erzeu

► F e r tig u n g -

jnisse/Verfahren

A b s a tz

W i s s e n s c h a f t W i r t s c h a f t

Überleitung von Forschungsergebnissen in die Praxis GF = Grundlagenforschung

AF = Angewandte Forschung E = experimentelle Entwicklung

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In der Praxis änderte sich damit wenig an der Dominanz der Wirtschaft über die gesamte Forschung. In den 1985 von der Regierung der DDR beschlossenen "Grundsätzen für die Gestaltung ökonomischer Beziehungen der Kombinate der Industrie mit den Einrichtungen der Akademie der Wissenschaft sowie des Hochschulwesens" wurde z.B. festgelegt, daß

"die Beziehungen der Kombinate zur Akademie und zum Hochschulwesen ... in großem Umfang zu erweitern (sind). Dabei soll die Forschung an der Akademie und im Hoch­

schulwesen den Erfordernissen der ökonomischen und technisch-technologischen Ent­

wicklung der Kombinate weitgehend entsprechen... Mit dem Fünfjahrplan der Grundla­

genforschung ist im Zeitraum bis 1990 schrittweise zu gewährleisten, daß der größere Teil des wissenschaftlichen Potentials der AdW und des Hochschulwesens über Wirtschaftsver­

träge für die Aufgaben der Kombinate eingesetzt wird" (Grundsätze 1985: 9 ,1 0 ).

Die praktische Aufgabe bestand unter diesen Vorstellungen

- einmal darin, den Prozeß der Aufgabenfindung, -Übermittlung und -festlegung für die For­

schung durch entsprechende Planungs- und Koordinierungsprozeduren zwischen den be­

teiligten Partnern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft zu sichern und

- zum anderen darin, "zur Erhöhung der Wirksamkeit von Wissenschaft und Technik (den) Zusammenhang zwischen Forschung, Entwicklung, Projektierung, Investitionen und P ro­

duktion bis zum Absatz der Erzeugnisse durch die Leitung und Planung mit hoher Effek­

tivität zu beherrschen" (SED-Parteitag 1981: 23).

2.2. Hierarchische Leitungsstrukturen und gesetzliche Regelungen der Vertrags­

forschung

Die bei der praktischen Durchsetzung dieses Innovationsmodells entstehenden Koordinie- rungs- bzw. Weisungsprozesse sollten durch die durchgängige und umfassende Gestaltung von Leitungsstrukturen in Wirtschaft und Wissenschaft nach dem "Prinzip des demokrati­

schen Zentralismus" und durch übergreifende gesetzliche Regelungen für die Arbeit dieser Leitungen bewältigt werden. Danach wurde das gesamte Leitungssystem der DDR in Form einer Pyramide gestaltet. In diese Leitungspyramide waren sowohl Wirtschaft wie Wissen­

schaft durch die Unterstellung ihrer jeweiligen Leitungsspitzen unter den Ministerrat (= Re­

gierung der DDR) eingebunden. In der Wirtschaft betraf das die Industriezweig- und andere Ressort-Ministerien, wie z.B. das Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüter­

wirtschaft und das Ministerium für Bauwesen mit den ihnen zugeordneten Forschungs­

akademien (Akademie der Landwirtschaftswissenschaften bzw. Bauakademie). In der Wis­

senschaft waren es das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen sowie das Präsidium der AdW . Zugleich wurden innerhalb der Wirtschaft und der Wissenschaft parallele Lei­

tungshierarchien mit einander gleichrangigen Leitern aufgebaut; der Akademie-Präsident stand insofern im Range eines Ministers. Damit wurden strukturelle Voraussetzungen ge­

schaffen, um eine zentral organisierte und vor allem über die Vorgabe verbindlicher Aufga-

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ben einerseits und Ressourcenzuteilungen andererseits gesteuerte vertikale wie horizontale Verbindung innerhalb und zwischen den verschiedenen Leitungssäulen in Wirtschaft und Wissenschaft zu erreichen (vgl. Schema 2).

Schema 2: Zentralistisches Leitungs- und Kooperationssystem von Wissenschaft und W irtschaft in der DDR

Solche Verbindungen wurden auf allen Leitungsebenen hergestellt. Sie waren meist durch gesetzliche Regelungen für beide Partner vorgeschrieben. Die oberen Leitungsebenen hatten insbesondere Aufgaben der längerfristigen "strategischen" Orientierung durch inhaltliche Abstimmungen sowie der formalen Koordinierung von Plänen und Aktivitäten; die unteren Ebenen (Institute und Betriebe) gewährleisteten die unmittelbare Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Einrichtungen, meist auf der Grundlage von Leistungs- und anderen W irt­

schaftsverträgen.

Über die für alle Ebenen und Säulen gültigen Mechanismen der

- Leitung (Unterstellungsverhältnisse mit Weisungsrecht und Rechenschaftspflicht), - Planung (lang-, mittel- und kurzfristige Pläne mit Verfahren der Planangebote von unten

nach oben und der Planfestlegungen und -Vorgaben von oben nach unten),

- Finanzierung aus zentralen bzw. zentral vorgegebenen Mitteln des Staatshaushaltes sowie aus eigenen (aber auch zentral eingeplanten bzw. vergebenen) Mitteln der Wirtschaft sollte eine "planmäßige", d. h. aufeinander abgestimmte und koordinierte Vorgehensweise aller beteiligten Partner erreicht werden. Hauptsteuerungsinstrumente waren dabei die ver­

bindliche Festlegung von Forschungs-, Investitions- und Produktionsaufgaben einerseits

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sowie die Zuteilung von Ressourcen andererseits. Solche Ressourcen waren in erster Linie finanzielle Mittel; viel wichtiger war aber oftmals die Zuweisung von Kontingenten an Per­

sonal, Investitionsgütern, Materialien usw.

Gleichzeitig wurde über die Leitungspyramiden das Primat von Politik und Ökonomie ge­

genüber der Wissenschaft gewährleistet. Dabei geschah dies nur in den seltensten Fällen durch direkte Interventionen oder über offenen Druck. Vielmehr w ar das Primat von Politik und Ökonomie von den Leitern in der Wissenschaft und auch von den meisten Wissen­

schaftlern, vor allem auf Grund der systembedingten langjährigen Sozialisierungsprozesse grundsätzlich akzeptiert und weitgehend intemalisiert worden. Dadurch mußten nur noch in (relativ seltenen) Konfliktfällen die jeweiligen Machtverhältnisse direkt und unvermittelt über Leitungsentscheidungen durchgesetzt werden, wie unsere Analysen bestätigt haben (M eske u. a. 1993).

Die in Schema 2 dargestellte Leitungspyramide hatte sich in dieser Form Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre mit der Bildung der Kombinate in der Wirtschaft und der N eu­

strukturierung von AdW und Hochschulwesen im Verlaufe der Akademiereform und der dritten Hochschulreform herausgebildet. Mit diesen Reformen waren AdW und Hochschu­

len gleichzeitig gesetzlich verpflichtet worden, ihr gesamtes Potential im Auftrag externer

"gesellschaftlicher Auftraggeber", d. h. insbesondere der Wirtschaft, einzusetzen. Mit der Forschungsverordnung von 1972 war diese Bestimmung gelockert und eine institutionelle Finanzierung von Akademie- und Hochschulforschung aus dem Staatshaushalt gesichert worden (vgl. die o.a. Modifikation des linearen Innovationsmodells). Trotzdem bestanden auch danach weiter enge Verbindungen dieser Einrichtungen zur Wirtschaft. Letztere hatte z. B. stets mindestens 30 Prozent der FuE-Kapazitäten der AdW vertraglich gebunden. Mit der Forschungsverordnung von 1985 wurde wieder eine stärkere Anbindung an die W irt­

schaft vorgeschrieben und ab 1986 ein Anteil der Vertragsforschung von mehr als 50 Pro­

zent der AdW-Kapazität - bei Differenzierung nach Wissenschaftsgebieten (vgl. Abb. 1) - gefordert.

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Abb. 1: Anteil der Fremdfinanzierung der AdW - Eigenleistungen nach Wissenschafts­

gebieten (%; eigene Berechnungen nach AdW-Jahrbuch 1989:155-171)

Tatsächlich kam es jedoch zu einer zunehmend formalen Verbindung, zu einer Tendenz der Abnahme echter Forschungsleistungen für die Wirtschaft und zu ihrem “Ersatz” durch Aufgaben mit dem Charakter technischer Entwicklungen. Das hing nicht zuletzt damit zu­

sammen, daß auch die Wirtschaft wegen fehlender Investitionsmittel und anderer Voraus­

setzungen weder in der Lage noch daran interessiert war, echte Produkt- oder Prozeß-Inno­

vationen auf der Grundlage von neuartigen Forschungsergebnissen zu realisieren.

2.3. Forschungsprofile und -potentiale für die Forschungskooperation

Ausgehend von den Erwartungen in die praxiswirksame Leistungsfähigkeit der Wissen­

schaft, später als deren "Produktivkraftfunktion" bezeichnet (Kosel 1987), wurden sowohl im akademischen Sektor wie auch in der Wirtschaft der DDR während ihrer gesamten Existenz FuE-Kapazitäten auf- und ausgebaut. Die in diesem Zusammenhang entwickelten ideologisch-konzeptionellen Vorstellungen über die "Kette Wissenschaft-Produktion", die hierarchischen Leitungsstrukturen und die über diese zentralistisch gesteuerten Beziehungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft führten zu spezifischen Ausprägungen in den Forschungsprofilen und organisatorischen Strukturen von FuE-Einrichtungen in der DDR.

Die Wirtschaft verfugte über den größten Anteil am FuE-Potential. Die betrieblichen FuE- Abteilungen in Betrieben und Kombinaten hatten insbesondere die Aufgabe, Produkte und Prozesse der laufenden Produktion zu "betreuen". Das schloß sowohl Qualitätssicherung wie auch Produkt- und Verfahrensverbesserungen ein; solche Arbeiten dienten aber auch der Vorbereitung und Produktionseinführung neuer Erzeugnisse und Verfahren bis hin zum Anlauf der Serienproduktion. Im Zusammenhang mit zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, Problemen mit der Rohstoffversorgung und anderen Engpässen bei Per­

sonal, Energie usw. wandelte sich diese Aufgabe in vielen Betrieben und Zweigen in den

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80er Jahren ständig weiter in Richtung der Überwindung auftretender Probleme im laufen­

den Produktionsprozeß. Hauptanliegen wurden dadurch der Erhalt bzw. das quantitative Wachstum des Produktionsumfangs, und zwar möglichst mit vorhandenen Anlagen und Technologien (bei Modifizierung bzw. Beibehaltung der Erzeugnisse). Daraus erwuchs zwangsläufig eine enge Verbindung zwischen den eigentlichen FuE-Arbeiten und den viel­

fältigen anderen Aufgaben der laufenden Produktionsüberwachung, -betreuung und -ra- tionalisierung, die wiederum eine exakte Trennung zwischen FuE-Tätigkeiten und anderen Tätigkeiten erschwerte. Neben den betrieblichen FuE-Abteilungen gab es in der Industrie auch relativ große, einzelnen (Industrie-)Ministerien bzw. später den Kombinaten zugeord­

nete, aber juristisch selbständige Forschungsinstitute. Im Bereich der Landwirtschaft bzw.

im Bauwesen erfüllten solche Aufgaben vor allem die Institute der Akademie der Landwirt­

schaftswissenschaften bzw. der Bauakademie, die den jeweiligen Fach-Ministerien zu- und untergeordnet waren. Aufgabe der selbständigen Forschungsinstitute der Wirtschaft war es vor allem, durch angewandte Forschung und Entwicklung ökonomisch bedeutsame Pro­

dukt- und Prozeßinnovationen vorzubereiten. Sie stellten das eigentliche Forschungs- potential der Wirtschaft dar. Im Rahmen des zentralistischen Leitungssystems waren die Institute im allgemeinen für ganze Branchen oder Wirtschaftszweige zuständig. Sie waren dadurch wiederum relativ unkompliziert als wissenschaftliches Hinterland allen Betrieben eines solchen Zweiges zugänglich und unterstützten auch kleinere Produktionsbetriebe, die über keine eigenen FuE-Abteilungen verfügten. Insofern war auch in diesen Institutionen eine Tendenz zu beobachten, neben Forschung auch experimentelle Entwicklungen und teilweise sogar Produktionsberatung und -betreuung durchzuführen.

Ein Vorteil dieser besonderen DDR-Bedingungen bestand darin, daß langfristig enge Bindungen und gute gegenseitige Kenntnisse zwischen den Fertigungs- und den FuE-Be- reichen innerhalb der Wirtschaft (wie auch zwischen dieser und der akademischen Wissen­

schaft) gewachsen waren. Sie wurden durch zeitweiligen Personalaustausch vertieft. Ein Nachteil bestand darin, daß auf diese Weise nur ungenügend zwischen eigentlichen For- schungs- und anderen Tätigkeiten unterschieden wurde. Dadurch wurde oftmals verdeckt, daß mit zunehmenden Innovationsschwierigkeiten die eigentliche Forschungstätigkeit und die Orientierung auf echte Innovationen immer mehr zurückgingen. Im Unterschied zu füh­

renden Konzernen der OECD-Länder wurde selbst in den großen FuE-Zentren der Industrie keine Grundlagenforschung betrieben. Ihr Profil wurde zunehmend durch den Zwang zur Nachentwicklung international bekannter Erzeugnisse und Verfahren geprägt, die entweder wegen der Embargo-Bestimmungen oder übertriebener Autarkiebestrebungen nicht im­

portiert werden konnten oder sollten.

Als wissenschaftliches Hinterland und "Ergänzung" der wirtschaftseigenen FuE-Kapzitäten diente der akademische Bereich, d. h. die Universitäten und Hochschulen sowie die Aka­

demie der Wissenschaften (AdW) der DDR. Die Hochschulen hatten in erster Linie die

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Aufgabe der Lehre, d. h. der Aus- und Weiterbildung des hochqualifizierten Personals für alle Bereiche der Praxis und der Wissenschaft. Diese Funktion war in hohem Maße auf die Praxis orientiert und mit ihr verbunden. Die dadurch entstehenden Verbindungen ermöglich­

ten und begünstigten eine stark praxisorientierte FuE an Universitäten und Hochschulen. Es w ar in der DDR selbstverständlich, daß Studenten fast aller Fachrichtungen Praktika in Betrieben und anderen Einrichtungen während des Studiums absolvierten und in relevanten Fachrichtungen dort auch ihre Beleg- und Diplomarbeiten realisierten. Der seit Mitte der 70er Jahre stark gewachsene Lehrkörper, ergänzt durch einen relativ umfangreichen

"Mittelbau" an unbefristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern, erhielt bei stagnie­

renden Studentenzahlen in den 80er Jahren mehr Zeit für eigene Forschungen. Diese waren in Verbindung mit den genannten Ausbildungszielen und der Orientierung auf hohe Anteile an Vertragsforschung sehr oft praxisorientiert und bezogen die studentische Forschungska­

pazität mit ein. Damit w ar im Hochschulwesen der DDR - entgegen anderslautenden und sich bis heute haltenden Vorurteilen - durchaus eine erhebliche Forschungskapazität vor­

handen. Insbesondere im Bereich der Ingenieurwissenschaften und technischen Wissen­

schaften waren die Hochschulen ein wesentlicher Träger der akademischen Forschung in der DDR, was nicht zuletzt in der Verantwortung des Ministeriums für Hoch- und Fachschul­

wesen für die entsprechenden ingenieurwissenschaftlichen Forschungsprogramme innerhalb der in den 70er und 80er Jahren ausgearbeiteten "Konzeption der langfristigen Entwicklung der ... Grundlagenforschung" zum Ausdruck kam. Ein hoher Anteil ihrer Forschungska­

pazität, nach 1985 sogar der größere Teil, arbeitete auf vertraglicher Grundlage unmittelbar im Auftrag der Wirtschaft.

Die AdW w ar seit ihrer Wiedereröffnung im Jahre 1946 zielstrebig nach sowjetischem Vorbild als Gemeinschaft von Gelehrtengesellschaft und Forschungspotential aufgebaut worden. Ab Ende der 60er Jahre, nach der Akademiereform und der Profilierung als

"Forschungsakademie der DDR", wurde das Potential der AdW weiter ausgebaut. Die A ka­

demie wurde auf die Doppel funktion der Grundlagenforschung (Verfolgung und Aneignung des internationalen Erkenntnisfortschritts sowie eigene Beiträge dazu) und der Anwendung, d.h. der Nutzbarmachung von (für die DDR neuen) wissenschaftlichen Ergebnissen in der Praxis, insbesondere in der Wirtschaft, festgelegt.

Damit wurde in der DDR aber nicht nur die Organisation des Forschungssystems, sondern auch die funktionelle Arbeitsteilung zwischen Wirtschafs-FuE und akademischer Forschung anders gestaltet, als z.B. in der Bundesrepublik Deutschland. In der DDR erfolgte ein er­

heblicher Anteil unmittelbar anwendungsbezogener FuE für die Wirtschaft innerhalb des

"Staatssektors", d.h. an der AdW und anderen Forschungsakademien, aber auch im Hoch­

schulwesen.

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2.4. Wissenschaftsaufwand und -Wirksamkeit

Die AdW und das Hochschulwesen waren im Wissenschaftssystem der DDR nicht nur be­

sondere Sektoren mit eigenen Leitunghierarchien. Sie waren auch - ähnlich wie die Kombi­

nate im W irtschaftssektor - relativ komplex angelegt und schlossen neben der Grundlagen­

forschung und der Vertragsforschung für die Wirtschaft und andere Praxisbereiche einen hohen Anteil wissenschaftsrelevanter Infrastruktur (in Form selbständiger Dienstlei­

stungseinrichtungen bzw. als Abteilungen großer Forschungseinrichtungen) mit ein. Dazu gehörten insbesondere Kapazitäten für den wissenschaftlichen Gerätebau (Meske 1986) und für die Produktion spezifischer Materialien (z.B. radioaktive Isotope), aber auch ver­

schiedenartige Serviceeinrichtungen sowie Verlage und Druckereien. Die Anzahl der Ge­

samtbeschäftigten des Wissenschaftsbereichs der DDR w ar durch die Einbeziehung solcher Tätigkeitsbereiche relativ hoch. Seitens der Statistik wurde jedoch zwischen den ver­

schiedenartigen Tätigkeiten unterschieden und nur ein Teil der Beschäftigten als FuE-Per- sonal gezählt. Andererseits folgte die gut ausgebaute, detailliert und aktuell alle Einrichtun­

gen und Aktivitäten erfassende FuE-Statistik der DDR einer relativ weitgefaßten Auffas­

sung von FuE. Sie bezog in ihre Angaben auch Arbeiten und Aufwendungen ein, die zwar selbst nicht FuE-Tätigkeiten waren, aber für FuE durchgeführt wurden. Das waren z.B.

Gerätebau oder Prototypenfertigung in Produktionsbereichen für die FuE-Abteilungen . Im Vergleich zur OECD-Statistik auf der Basis des Frascati-Handbuchs (Frascati-Handbuch 1980) wurde dadurch insbesondere die betriebliche FuE-Kapazität wesentlich überhöht ausgewiesen. Wie die 1990 nach der OECD-Methodik durchgeführte vergleichbare Be­

rechnung der eingesetzten FuE-Ressourcen zeigte, mußten die DDR-Angaben beim FuE- Personal um 28 Prozent (im Wirtschaftssektor um 40 Prozent) und beim finanziellen FuE- Aufwand um 18 Prozent (im Wirtschaftssektor um 30 Prozent) reduziert werden (SV Wissenschaftsstatistik 1990). Dadurch wurde aber auch deutlich, daß tatsächlich in der DDR-Industrie relativ weniger FuE-Personal eingesetzt worden war als z.B. in der Industrie der BRD. Andererseits wurde in der DDR-Statistik generell das geistes- und so ­ zialwissenschaftliche Forschungspotential nicht unter FuE erfaßt. Tabelle 1 vermittelt einen Überblick über den Einsatz von Personal für FuE in der DDR im Jahre 1989, und zwar sowohl nach den Angaben der DDR-Statistik als auch nach den entsprechend der OECD- M ethodik weitgehend vergleichbar berechneten Daten.

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Tab. 1: F u E -P e rs o n a l 1989 in d e r D D R (in V b E /F T E * )

FuE-Personal nach Sektoren Staatssektor

Akademien u.a. außeruni­

versitäre Forschung

Wirtschaft Universitäten/

Hochschulen

DDR Insgesamt

(a) nach DDR-Statistik 38.200 FuE-P.

+5.600 GSW**

143.100 FuE-Personal

(dar. 120.400 in der Industrie)

13.800 FuE-P.

+2.600 GSW

195.100 FuE-P.

+8.200 GSW 43.800

(davon waren ca. 15.000 vertraglich für die Wirt­

schaft gebunden)

143.100

(+ vertraglich gebundene externe Kapazität von 21.500)

16.400

(davon c a 6.500 vertraglich für die Wirtschaft gebunden)

203.300

(dav. insg. ca. 165.000 o. 81% für die Wirt­

schaft [intern u. extern]

eingesetztes FuE-P.)

(b) nach OECD-Methodik

Aus den o.a. Daten der DDR wurden herausgerechnet:

5.700 Beschäftigte 30.800 Beschäftigte außerhalb von mit Tätigkeiten, die nach FuE-Einrichtungen und

O ECD nicht als FuE 26.600 Beschäftigte mit Tätigkeiten,

zählen die nicht als FuE zählen

so daß sich folgende vergleichbar berechnete Daten ergeben:

32.500 FuE-P. 85.700 FuE-P. 14.100 FuE-P.***

+5.600 GSW (dar. 73.500 verarbeitendes +2.600 GSW

Gewerbe)

132.300 FuE-P.

+8.200 GSW

38.100 85,700 16.700 140.500

* VbE/FTE = Vollbeschäftigteneinheit/Vollzeitäquivalent/ Full time equivalent

** G SW = Geistes- und Sozialwissenschaften (nur Akademien und Hochschulen, ohne Partei- und Gewerkschafts­

einrichtungen)

*** Erhöhung um 300 VbE durch Zuordnung von früher zur Wirtschaft gerechneten Hochschulen

Quelle: eigene Zusammenstellung nach SV Wissenschaftsstatistik 1990, SZS Jahresbericht 1989

Wie ein Vergleich der nach OECD-Methodik berechneten Daten der DDR mit dem Perso­

naleinsatz für FuE in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1989 ergeben hat, verfügte die DDR über ein etwa vergleichbar großes FuE-Personal wie die Bundesrepublik, wenn man es mit der Bevölkerung und der Anzahl der Beschäftigten wichtet (vgl. Tabelle 2)3.

3 Dabei ist zu beachten, daß auch die FuE-Statistik der Bundesrepublik Deutschland ihre Besonderheiten aufweist. "Eine umfassende Forschungsstatistik, die nach einem einheitlichen Verfahren die Forschungs­

tätigkeiten aller Sektoren erfaßt, gibt es in der BRD nicht. Erfassung und Aufbereitung von FuE-Daten er­

folgen dezentral, nach diversen - oft nicht nachgewiesenen Ansätzen. Die Anwendung der Empfehlungen der OECD, der UNESCO oder der EG erfolgt nur in Teilbereichen. E in einheitlicher, abgestimmter

"Methodenkanon" besteht m ith in nicht" (Trommer 1987: 141). Im Unterschied zur D D R w ird dadurch in der BR D das FuE-Personal eher zu niedrig ausgewiesen. So beruhen die Daten a u f fre iw illig e n M eldun­

gen der Unternehmen, wobei insbesondere nicht alle kleinen Unternehmen überhaupt erfaßt werden; in der akademischen Wissenschaft w ird das außerhalb der Stellenpläne fü r FuE eingesetzte Personal o ft nur unvollständig erfaßt.

(18)

Tab. 2: FuE-Personal in beiden deutschen Staaten 1989 (VbE = Vollbeschäftigteneinheit)

Sektor

BRD

Tsd. Pers.

(VbE)

D D R

Strukturvergleich nach Sektoren

DDR relativ zur BRD (33 in Sp.3 = 100% gesetzt) Tsd. Pers.

(VbE)

% zur BRD

Hochschulen 55 14 25 76

Außeruniversitäre

Forschung 51 32 63 191

Wirtschaft 297 86 29 88

Geistes- und Sozial­

wissenschaften 22 8 36 109

FuE-gesamt 425 140 33 100

Erwerbstätige (Mill.) 27,8 9,9 36

Bevölkerung (Mill.) 62,1 16,6 27

Q uelle: Eigene Berechnung nach Angaben in S V Wissenschaftsstatistik 1990, BUFO 1993, Statistisches Jahrbuch 1993, Beschäftigungsobservatorium Ostdeutschland 12/1994

Wie bereits erwähnt, ergaben sich aus der anderen Arbeitsteilung im Forschungssystem der DDR wesentliche Unterschiede gegenüber der Struktur in der BRD. Tatsächlich arbeitete ein erheblicher Teil des FuE-Personals in der außeruniversitären Forschung der DDR im Auftrag und im Interesse der Wirtschaft. Bei Einbeziehung der Vertragsforschung wurde der im Wirtschaftssektor der DDR vorhandene relativ geringere Personaleinsatz für FuE (Anteil des Wirtschaftssektors am gesamten FuE-Personal in der DDR 61 Prozent gegen­

über 70 Prozent in der BRD, vgl. Tab. 2) selbst unter Berücksichtigung der bundesdeut­

schen Auftragsforschung - mehr als kompensiert (nach DDR-Angaben läßt sich der in Tab.

1 ausgewiesene Anteil von 81% errechnen; selbst aus den nach OECD-Methodik be­

reinigten Daten läßt sich ein Anteil des für die Wirtschaft arbeitenden FuE-Personals von mindestens 73% ermitteln).

Ein weiterer wesentlicher Unterschied bestand darin, daß das für FuE eingesetzte Personal in der DDR mit weitaus weniger finanziellen und materiellen Mitteln als das in der Bundes­

republik ausgestattet w ar (vgl. Meske, Meyer, Melis 1990) und weiteren Restriktionen (z.B.

bei der Kommunikation) unterlegen war. Durch diese Faktoren wurden in der DDR die Funktionsweise und die Effektivität, aber auch schon die Zielstellungen und nicht zuletzt die Ergebnisse von FuE-Tätigkeiten in allen drei Sektoren nachteilig beeinflußt. Das gilt für die Patentergiebigkeit ebenso wie für die Häufigkeit und den “impact” von Publikationen.

Unsere diesbezüglichen Analysen führten bereits Anfang 1989 zu der Schlußfolgerung, daß in der DDR "gegenüber den führenden Ländern ein weiterer Tempoverlust sowohl bei den Aufwendungen für die Wissenschaft wie insbesondere bei ihren Ergebnissen und der prak­

tischen Wirksamkeit festzustellen (is t)... Außerdem ist das realisierte Invest-Volumen in der DDR zu gering, um selbst vorliegende Neuheiten rechtzeitig in der benötigten Menge national wie international anzubieten... Die von dieser Situation ausgehenden Wirkungen

(19)

sind vielfältig; sie durchdringen das gesamte Innovations- und Wissenschaftssystem der

DDR und stellen bereits jetzt eine ernsthafte Gefährdung seines wirksamen Funktionierens

dar" (Meske 1989a: 34, 24). Eine Einschätzung, die bald danach sehr deutlich bestätigt

worden ist.

(20)

3. Veränderungen in den Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft bei deren Umgestaltung im Zeitraum 1990 bis 1994

3.1 Makrostrukturelle Veränderungen von Wirtschaft und Wissenschaft

Nach der politischen "Wende" Ende 1989 wurden im Jahre 1990 wesentliche Veränderun­

gen im Gesellschaftssystem der DDR durchgeführt. Sie begannen in der ersten Hälfte 1990 mit Veränderungen des politischen Systems und der staatlichen und wirtschaftlichen Leitun­

gen. Mit der Einführung der Deutschen Mark als Währung ab 1. 7. 1990 erreichten sie eine qualitativ neue Stufe. Schließlich führte der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik am 3. 10.

1990 zur vollständigen Eingliederung Ostdeutschlands in das grundlegend anders gestaltete Gesellschaftssystem der Bundesrepublik.

M it diesem Beitritt war zwangsläufig die Beseitigung des früheren zentralistischen Leitungs­

systems verbunden, indem die Regierung und andere staatliche Leitungen der DDR aufge­

löst wurden. Ihre Funktionen entfielen völlig bzw. wurden nachfolgend durch die Bundes­

regierung sowie die Regierungen der im Osten Deutschlands gebildeten fünf neuen Bundes­

länder übernommen. Damit entfielen auch die institutionellen Grundlagen für die früher in der DDR zentral organisierten und finanzierten Kooperationsbeziehungen zwischen W is­

senschaft und Produktion. Sie hätten demzufolge auf ein für beide Seiten in Ausmaß und Inhalt effektives und angemessenes Niveau überführt werden können. Über die N otwen­

digkeit solcher Veränderungen gab es nach den Erfahrungen in der DDR und angesichts der neuen Bedingungen keine Zweifel. Anfang 1990 gab es tatsächlich vielerlei Bestrebungen in dieser Richtung.

Für die Wirtschaft Ostdeutschlands hatten sich nach der "Wende" 1989 durch die neuen weltpolitischen Konstellationen die Marktbedingungen im In- und Ausland drastisch ver­

schlechtert. Es kam bereits im Jahre 1990 zu einem weitgehenden Zusammenbruch des Marktes für DDR-Erzeugnisse, der bei voller Handelsliberalisierung, gleichzeitiger Aufwer­

tung der Währung und vollständigen politischen sowie verwaltungsmäßigen Umwälzungen praktisch unvermeidlich w ar (Hoffmann 1991). Das gilt einmal für den Export; auf ihn entfielen 1989 immerhin 20% der gesamten Industrie- und Bauproduktion, im Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbau sogar 40%. Da der Hauptteil dieser Exporte (etwa 60%) auf die ehemaligen RGW-Länder entfiel, die selbst vor großen wirtschaftlichen Problemen standen und nicht in der Lage waren, im bisherigen Umfang DDR-Erzeugnisse zu "harten"

Devisen zu kaufen, verlor die DDR-Industrie mit der Währungsumstellung allein dadurch etwa 10% ihres Absatzes. Hinzu kam, daß auch ein Großteil der früheren Exporte in die kapitalistischen Länder nur zu Dumpingpreisen realisiert bzw. im innerdeutschen Handel zu speziellen Konditionen abgewickelt worden war. Da diese Bedingungen entfielen, ging auch dieser Markt weitgehend verloren. Gleichzeitig hörte die Binnennachfrage nach Investitions-

(21)

gütern völlig auf und auch der Absatz von Konsumgütern ging infolge des Käuferverhaltens und aggressiver Marketingstrategien der großen Handelsketten deutlich zurück. Dadurch verlor die DDR-Industrie nicht nur den größten Teil ihrer Exportmärkte, sondern auch einen erheblichen Anteil des Binnenmarktes. Diese Absatz- und Produktionsausfälle, verstärkt durch ökologisch bedingte Stillegungen, wirkten sich wiederum auf die Zulieferindustrien aus. All dies führte zu den bekannten Kettenreaktionen - bis hin zum Kaufkraft- und Nachfrageausfall selbst bei dringend benötigten Handwerker- und anderen Dienstleistungen für die Bevölkerung. Das Ausmaß dieser Einbrüche in der industriellen Basis wird dadurch belegt, daß selbst 1993, als bereits wieder ein Produktionswachstum zu verzeichnen war, erst knapp 60 Prozent des konsumtiven und investiven Bedarfs der neuen Länder aus eigener Produktion gedeckt wurden. Dieser Produktionsrückgang betraf wie­

derum in erster Linie relativ FuE-intensive Zweige wie Elektrotechnik/Elektronik, Maschi­

nenbau, pharmazeutische und chemische Erzeugnisse, da die DDR hier vor allem für den RGW-Raum Produzent und oft "Nach-Erfinder und -Entwickler" international bekannter Erzeugnisse war. Im offenen - und noch dazu ungleichen - Wettbewerb mit den "Original"- Produzenten gab es relativ geringe Überlebenschancen, so daß der Anteil der ostdeutschen Unternehmen am deutschen Export technologieintensiver Güter 1992 nur noch 1,9 Prozent betrug (Bericht 1994: 3, 4).

Angesichts dieser Veränderungen waren sich die meisten Kombinate bzw. die aus diesen in die "Eigenständigkeit" entlassenen Betriebe bereits im Jahre 1990 darüber im klaren, daß ohne Produkt- und Prozeßinnovationen ihre Marktpositionen und damit ihr Überleben unter den Bedingungen der Marktwirtschaft nicht gesichert werden können. Eine schriftliche Befragung im III. Quartal 19904 ergab, daß selbst die Firmen, die nach ihrer Meinung über in der technischen Leistungsfähigkeit wettbewerbsfähige Erzeugnisse verfügten, im Preis-/

Leistungsverhältnis, im Service, im Design usw. ihre Voraussetzungen als wenig günstig einschätzten (vgl. Tab.3).

4 Bei dieser gemeinsam von west- und ostdeutschen Instituten im A uftrag der Foischungsministerien beider deutscher Staaten durchgeführten Erhebung wurde im Juli 1990 eine Auswahl von 304 Industrie­

unternehm en - V E B - der D D R, von denen bekannt war, daß sie FuE betreiben, angeschrieben. 165 A ntw orten konnten in die knapp term inierte Auswertung einbezogen werden. Diese schriftliche Befra­

gung wurde durch eine Reihe von Interviews in FuE-intensiven Kom binaten und Betrieben ergänzt.

(Becher u. a. 1990: 31)

(22)

Tab. 3: Selbsteinschätzung der Marktfaktoren durch ostdeutsche Betriebe (J u li/ A ugust 1990)

Faktor

Antworten der befragten Betriebe (%) sehr positiv positiv Techn. Leistungsfähigkeit der Produkte 15 70

Lieferzeiten, Pünktlichkeit 12 56

Flexibilität, Anpassungsfähigkeit 12 56

Design, Gestaltung 6 44

Preis-/ Leistungsverhältnis 9 38

Service 2 24

Quelle: Becher, u.a. 1990: 38

Im 1. Halbjahr 1990 gab es demzufolge in der Wirtschaft der DDR Bestrebungen, die lang­

fristig gewachsene "Forschungskooperation" mit Akademien und Hochschulen an die neuen Bedingungen anzupassen und insbesondere mit den bekannten Instituten, Forschungsgrup­

pen und Wissenschaftlern fortzusetzen. Der erste gravierende Einschnitt erfolgte hierbei mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen den beiden Staaten ab 1. 7. 1990.

Damit wurden die Betriebe auf eine neue finanzielle Grundlage gestellt. Verbunden w ar dies mit Auflagen, alle nicht für die unmittelbare Auffechterhaltung der laufenden Produktion notwendigen Ausgaben einzuschränken bzw. ganz einzustellen. Hintergrund hierfür war das sich damals herausbildende Konzept der "Privatisierung vor Sanierung", wodurch es den neuen Eigentümern überlassen bleiben sollte, das künftige Profil zu bestimmen.

Damit stießen die zur Überwindung der Schwierigkeiten dringend notwendigen Innovatio­

nen in den einzelnen Betrieben auf große Probleme. Sie ergaben sich insbesondere bei der Finanzierung von Investitionen und selbst von interner wie externer FuE, einschließlich der notwendigen Verbesserung der Sachausstattung von FuE (vgl. Tab.4).

(23)

Tab. 4: Innovationsprobleme ostdeutscher Betriebe (Juli/ August 1990)

Art des Problems

Innovationsprobleme bei befragten Betrieben (Anzahl der Antworten in %; Mehrfachnennungen)

große Probleme Probleme

Finanzierung von Investitionen 60 85

Finanzierung interner FuE 56 79

Sachausstattung FuE 36 78

Finanzierung externer FuE 47 68

Markterschließung /Zusammenarbeit mit Kunden 24 66

Abschätzung Marktpotential 25 65

Abwanderung FuE-Personal 13 33

Qualifikation FuE-Personal 4 19

Informationen übertechn. Entwicklungstrends 6 18

Quelle: Becher u.a. 1990:11

So wurden seitens der Betriebe aus finanziellen Gründen praktisch alle Verträge mit Aka­

demien und Hochschulen zum 1. 7. 1990 gekündigt und aufgelöst. Das betraf gleicherma­

ßen die bisherigen vertraglichen Beziehungen der Kombinatsbetriebe mit den zum Kombinat gehörenden selbständigen Forschungsinstituten, die im Rahmen der Neustrukturierung aus dem Kombinatsverband herausgelöst und als selbständige Betriebe, d. h. als sogenannte

“Forschungs-GmbH”, weitergeführt wurden. Die Reduzierung von FuE erstreckte sich schließlich auch auf die betrieblichen FuE-Abteilungen, die in ihrem Aufgabenbereich stark eingeschränkt, in ihrem Bestand reduziert und zum Teil völlig aufgelöst wurden. Hinzu kam, daß die eigenen FuE-Kapazitäten in erster Linie für kurzfristige Anpassungen der Erzeugnisse und Technologien an westdeutsche Standards, an neue Zulieferungen und an­

dere (z.B. ökologische) Anforderungen eingesetzt werden mußten. Auf diese Weise wurde die in den Betrieben bereits seit langem gezwungenermaßen praktizierte "Nachentwick- lungs-Strategie" wiederum fortgesetzt. Eine daraus teilweise erwachsene Mentalität des Verzichts auf originäre Lösungen und Erzeugnisse wurde unter neuen Bedingungen des Technologie-Transfers gewissermaßen "konserviert". Es kam zu Zeitverlusten bei der Orientierung auf neue Erzeugnisse, zu weiterem Marktverlust und Produktionsrückgang.

Gleichzeitig gab es in dieser Zeit in vielen der betroffenen Betriebe durchaus die Absicht, die bisherige Forschungskooperation mit den bekannten und bewährten Wissenschaftlern und Forschungsgruppen im akademischen Bereich fortzusetzen (vgl. Becher et al. 1990).

Zum Teil geschah dies in der Form persönlicher Absprachen zwischen Vertretern beider Seiten, um auch ohne kommerzielle Verträge und die "Bezahlung" von Forschungsleistun­

gen eine bewährte und von beiden Seiten als nützlich erkannte Zusammenarbeit aufrecht zu

erhalten.

(24)

Das w ar möglich, weil die Zusammenarbeit nicht nur im Interesse der Betriebe lag. Die akademische Wissenschaft stand seit Ende 1989 nicht mehr unter dem politischen Zwang zur "vertraglichen Kooperation" mit der Wirtschaft. Dieser Zwang w ar vielmehr Anfang 1990 durch einen nicht minder starken ökonomischen Druck abgelöst worden, da der AdW (und auch den anderen großen Forschungsakademien sowie der Hochschulforschung) Kür­

zungen ihres institutionellen Haushalts angekündigt und dann auch "verordnet" worden w a­

ren (vgl. Gläser 1992: 43; Mayntz 1994: 79). Diese Kürzungen sollten durch Erlöse aus der Vertragsforschung ausgeglichen werden. Da dies nicht möglich war, wurde zumindest die Finanzierung des Personals gesichert und schließlich mit dem Einigungsvertrag ein bis zum 31. 12. 1991 befristeter Fortbestand der Forschungsinstitute gesichert (Vertrag 1990: Arti­

kel 38). Insofern lag es auch im Interesse der Wissenschaftler, ihre Arbeitsfähigkeit, wenn schon nicht durch Verträge, dann durch individuelle Absprachen mit früheren Partnern in der Industrie (z.B. über Nutzung von Arbeitsplätzen, die Bereitstellung von Materialien und Geräten usw.) zu erhalten.

Die im Jahre 1990 auf dieser sich wandelnden Basis in erheblichem Umfang beibehaltenen Verbindungen wurden aber in den Jahren 1991 und 1992 weitgehend aufgelöst, da es nicht bei der erwähnten Auflösung der "oberen Leitungsebenen" der früheren DDR-Wissenschaft und -Wirtschaft blieb. In jener Zeit erfolgten vielmehr institutionelle Veränderungen auch auf den in Schema 2 angegebenen “unteren Ebenen” der Leitungshierarchien, die die ei­

gentliche Forschungskooperation realisierten. Auf seiten der akademischen Wissenschaft geschah dies durch die Evaluierung und Auflösung der Akademie-Einrichtungen zum 31. 12. 1991 sowie durch die Übergabe der Universitäten und Hochschulen in die Hoheit der einzelnen Bundesländer. Das Ergebnis waren organisatorische Um- bzw. Neustrukturie­

rungen mit personellen Reduzierungen und Neubesetzungen. In der Wirtschaft erfolgte die von der Treuhandanstalt forcierte Privatisierung. Dadurch wurden nicht nur die früheren Formen der externen Beziehungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft weiter aufgelöst, es kam vielmehr auch zu einer weitgehenden institutionellen Neuordnung innerhalb jedes Bereiches. Dadurch entstanden für die Verbindungen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft völlig neue Voraussetzungen in jedem der beiden Bereiche; die Wiederaufnahme von Verbindungen zwischen ihnen bedeutete zwangsläufig oft einen völligen Neuanfang.

A uf der Makroebene stellen sich diese Veränderungen vor allem als Rückgang der E r­

werbstätigkeit in Ostdeutschland nach 1989 auf etwa 64 Prozent dar. Der stärkste Rück­

gang w ar dabei im produzierenden Bereich zu verzeichnen. In der Industrie (verarbeitendes Gewerbe) wurde die Anzahl der Beschäftigten von 3,2 Millionen 1989 auf etwa 1,0 Mil­

lionen 1994 oder weniger als ein Drittel reduziert. Mit einem Anteil von nur noch etwa 17 Prozent (gegenüber 33 Prozent 1989) an den Erwerbstätigen kommt dies einer De-Indu- strialisierung Ostdeutschlands gleich (vgl. Abb. 2).

(25)

Abb. 2: Entwicklung der Erwerbstätigkeit in Ostdeutschland 1989 bis 1994

Eigene Berechnungen nach IWH 1993: 46

Verbunden war dieser Beschäftigtenabbau mit einem teilweise noch stärkeren Abbau der Beschäftigten für FuE im Wirtschaftssektor, aber auch mit entsprechenden Reduzierungen im Staats- und im Hochschulsektor von FuE (vgl. Abb. 3).

Abb. 3: FuE-Personal in Ostdeutschland 1981 bis 1993 (nach OECD-Methodik berechnet; 1.000 VbE/FTE)

Q u elle: S V Wissenschaftsstatistik 1990: 48; S V Wissenschaftsstatistik 1993: eigene Berechnungen

Diese makrostrukturellen Veränderungen stellen aber nur den Rahmen dar und vermitteln ein sehr oberflächliches Bild von den tatsächlichen Veränderungen. Diese gingen weit über die Makroebene hinaus in die Mesoebene der einzelnen FuE-Einrichtungen; im Zuge ihrer

(26)

Auflösung bzw, Neugründung reichten sie bis in die einzelnen Forschungseinheiten, deren Profil und Zusammensetzung, und betrafen auch die berufliche Laufbahn fast aller Wissen­

schaftler. A uf einige strukturelle Veränderungen, die insbesondere für die Verbindung zwischen Wissenschaft und Produktion Relevanz besitzen, wird in den nachfolgenden A b­

schnitten näher eingegangen.

3.2. Die akademische Wissenschaft und ihre Verbindungen zur Produktion

Die akademische Wissenschaft und ihr Schicksal haben anfangs bedeutend mehr Aufmerk­

samkeit in Forschung und Öffentlichkeit gefunden als FuE in der Wirtschaft, weil hier Poli­

tik und Wissenschaft bei der Konzipierung, Koordinierung und Realisierung der Umgestal­

tung eine wesentliche Rolle gespielt haben. Insbesondere der Wissenschaftsrat hat mit der Evaluierung der Akademie-Forschungseinrichtungen und den daraus abgeleiteten Empfeh­

lungen (Wissenschaftsrat 1991) sowie mit seinen Empfehlungen zur künftigen Struktur der ostdeutschen Hochschullandschaft (Wissenschaftsrat 1992) erheblichen Einfluß genommen.

Eine den gesamten Bereich der öffentlich finanzierten außeruniversitären Forschung einbe­

ziehende Wissenschaftsorganisation von der Struktur und Größe der AdW, noch dazu in Verbindung mit einer Gelehrtengesellschaft (das gilt analog für die Akademie der Landwirt­

schaftswissenschaften und für die Bauakademie der DDR) entsprach nicht den Erfahrungen und Organisationsformen des stark ausdifferenzierten Wissenschafts- und Forschungssy­

stems der Bundesrepublik Deutschland. In dieser gab es vielmehr nur regional organisierte Akademien als Gelehrtengesellschaften, eine starke Differenzierung der einzelnen For­

schungsorganisationen nach Aufgabenprofilen (vgl. Hohn, Schimank 1990) sowie eine rela­

tiv große Autonomie der einzelnen Forschungsorganisationen bzw. -institute. Diese w i­

dersprüchliche Ausgangssituation in beiden deutschen Staaten führte im Prozeß ihrer Vereinigung zu Diskussionen und nachfolgenden Entscheidungsprozessen über das künftige Schicksal der AdW und ihrer Forschungseinrichtungen (vgl. Wissenschaftsrat 1990, Gläser 1992, Krull 1992, Mayntz 1992, Simon 1992, Stucke 1992, Kaase 1993, Over/Tkocz 1993, Mayntz 1994). Die Gelehrtengesellschaft der AdW wurde noch 1990 von den Forschungs­

instituten getrennt, 1991 aufgelöst und später durch eine neugebildete Berlin-Brandenbur- gische AdW ersetzt.

Für die Forschungseinrichtungen der Akademien führte der Evaluations- und Entschei­

dungsprozeß zu ihrer Auflösung und zur Neugründung von Einrichtungen nach dem w is­

senschaftsorganisatorischen Muster der alten Bundesländer. Dabei wurde gleichzeitig das FuE-Personal in diesem Sektor auf weniger als ein Drittel, d. h. von ursprünglich etwa 40.000 Beschäftigten (darunter 32.000 FuE-Personal, nach OECD-Methodik berechnet) auf etwa 12.500 Beschäftigte in den neugebildeten Einrichtungen (einschließlich etwa 10 Pro­

zent für Wissenschaftler aus den alten Bundesländern reservierte Stellen) reduziert. Im

(27)

Ergebnis der Auflösung der Akademie-Institute zum 31. 12. 1991 kam es so nicht nur zu einer starken Reduzierung, sondern auch zu einer weitgehenden organisatorischen Neuord­

nung und teilweisen Umprofilierung des verbleibenden Personals. Dies geschah einmal durch eine weitgehende Aufgliederung früherer Institute, wobei oftmals eine Zuordnung selbst des für eine weitere Förderung empfohlenen Personals zu mehreren neuen Einrich­

tungen erfolgte. Ein Beispiel dafür stellt der Verbleib des Personals aus dem früheren Zen­

tralinstitut für Elektronenphysik der AdW dar (vgl. Übersicht 1).

Übersicht 1: Reorganisation eines Instituts der früheren AdW der DDR: der Verbleib seines Personals (Beispiel: Zentralinstitut für Elektronenphysik Berlin)

1989

Beschäftigte: 698

I w ' ! | | 388 |

Wissenschaftler Andere

\|z 718

B l l B i 1 420 1

480 [. 228 | 252

“freiwilliges” Ausscheiden (Berentung; Vorruhestand;

238 aktiver Stellenwechsel) 168

31.12.1991 (Abwicklung der Akademie - Auflösung der Institute) Ergebnisse der Analyse des Verbleibs des Personals per 30.4.1992:

neue Arbeitsplätze insgesamt 354

30.4.1992 201 |

unbekannt: 126

» 5 1 Beschäftigt in:

neu gegründete Institute

- Paul-Drude-Institut für Festkörperelektronik - Ferdinand-Braun-Institut

- Institut für Niedertemperatur-Plasmaphysik - Institut für Kristallzüchtung

- Institut für Ökologie

neu gegründete Bereiche westdeutscher Institute - MPI für Plasmaphysik, Bereich Berlin - Heinrich-Hertz-Institut, AG Elektroluminiszenz - Hahn-Meitner-Institut, Bereich Photovoltaik

55 (22/33) 51 (24/27) 4 4 (19/25) 5 ( 2 / 3 ) 4 ( 4 / -)

51 (23/28) 9 ( 4 / 5 ) 33 (17/16)

“Arbeitsgruppen" der MPG - AG Röntgenbeugung - AG Haibieitertheorie

6 ( 3 / 3 ) 5 ( 5 / -)

—> Wissenschaftler-Integrations-Programm (WIP) 33 (21/12)

—)> infrastrukturelle Institutionen - Bundesanstalt für Materialprüfung - Forschungsverbund Berlin

und andere Einrichtungen - Bibliothek

Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM)

neu gegründete (private) Unternehmen

5 ( 2 / 2 ) 19 ( 1/18) 3 ( 1 / 2 ) 21 ( 5/16) 1 0 ( 4 / 6 )

Eigene Zusammenstellung nach Angaben von C.-G. Schulz

- >

(28)

A uf der anderen Seite sind selbst neugegründete Einrichtungen nicht immer echte "Nachfol­

geeinrichtungen" eines früheren Akademie-Instituts. Das ergibt sich daraus, daß nur in eini­

gen Fällen in die neuen Einrichtungen "Kembereiche" bzw. ganze Forschungsgruppen aus früheren Instituten übernommen wurden. Sehr oft kam es neben der Verselbständigung von einzelnen Teilbereichen zu einer Neugründung durch Zusammenfassung von Forschungs­

gruppen aus verschiedenen Instituten. Teilweise wurden die neuen Einrichtungen auch völlig neu aus einzelnen Mitarbeitern mehrerer früherer Einrichtungen der Akademie, der Industrie und der Hochschulen formiert (vgl. Höppner 1994). Berücksichtigt man ferner, daß fast alle Direktoren und ein großer Teil der anderen Leiter in diesen Instituten aus den alten Bundesländern kommen, so wird verständlich, daß nicht nur die früheren organisa­

torischen und vertraglichen, sondern in erheblichem Maße auch die persönlichen Verbin­

dungen zwischen öffentlicher außeruniversitärer Forschung und Industrie(-FuE) aus der DDR-Zeit abgebrochen sind. Andererseits sind vermutlich bei Auf- und Ausgliederungen von Institutsteilen sowie bei Neugründungen von Unternehmen (z. B. durch frühere A ka­

demie-Wissenschaftler) z. T. persönliche Verbindungen zu neuen innovativen Firmen erhal­

ten geblieben bzw. neu entstanden, insbesondere in den territorialen Ballungsgebieten.

Eine zusammenfassende Vorstellung von diesen tiefgehenden organisatorischen Umgestal­

tungen in der ostdeutschen AUF können die Veränderungen in der Anzahl der Einrichtun­

gen, in ihrer Struktur nach Größengruppen und in der durchschnittlichen Anzahl der Be­

schäftigten je Einrichtung vermitteln (vgl. Tab. 5).

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