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Forschungsprofile und -potentiale für die Forschungskooperation

2. Zu den Beziehungen zwischen Wissenschaft und Produktion in der D D R

2.3. Forschungsprofile und -potentiale für die Forschungskooperation

Ausgehend von den Erwartungen in die praxiswirksame Leistungsfähigkeit der Wissen­

schaft, später als deren "Produktivkraftfunktion" bezeichnet (Kosel 1987), wurden sowohl im akademischen Sektor wie auch in der Wirtschaft der DDR während ihrer gesamten Existenz FuE-Kapazitäten auf- und ausgebaut. Die in diesem Zusammenhang entwickelten ideologisch-konzeptionellen Vorstellungen über die "Kette Wissenschaft-Produktion", die hierarchischen Leitungsstrukturen und die über diese zentralistisch gesteuerten Beziehungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft führten zu spezifischen Ausprägungen in den Forschungsprofilen und organisatorischen Strukturen von FuE-Einrichtungen in der DDR.

Die Wirtschaft verfugte über den größten Anteil am FuE-Potential. Die betrieblichen FuE- Abteilungen in Betrieben und Kombinaten hatten insbesondere die Aufgabe, Produkte und Prozesse der laufenden Produktion zu "betreuen". Das schloß sowohl Qualitätssicherung wie auch Produkt- und Verfahrensverbesserungen ein; solche Arbeiten dienten aber auch der Vorbereitung und Produktionseinführung neuer Erzeugnisse und Verfahren bis hin zum Anlauf der Serienproduktion. Im Zusammenhang mit zunehmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten, Problemen mit der Rohstoffversorgung und anderen Engpässen bei Per­

sonal, Energie usw. wandelte sich diese Aufgabe in vielen Betrieben und Zweigen in den

80er Jahren ständig weiter in Richtung der Überwindung auftretender Probleme im laufen­

den Produktionsprozeß. Hauptanliegen wurden dadurch der Erhalt bzw. das quantitative Wachstum des Produktionsumfangs, und zwar möglichst mit vorhandenen Anlagen und Technologien (bei Modifizierung bzw. Beibehaltung der Erzeugnisse). Daraus erwuchs zwangsläufig eine enge Verbindung zwischen den eigentlichen FuE-Arbeiten und den viel­

fältigen anderen Aufgaben der laufenden Produktionsüberwachung, -betreuung und -ra- tionalisierung, die wiederum eine exakte Trennung zwischen FuE-Tätigkeiten und anderen Tätigkeiten erschwerte. Neben den betrieblichen FuE-Abteilungen gab es in der Industrie auch relativ große, einzelnen (Industrie-)Ministerien bzw. später den Kombinaten zugeord­

nete, aber juristisch selbständige Forschungsinstitute. Im Bereich der Landwirtschaft bzw.

im Bauwesen erfüllten solche Aufgaben vor allem die Institute der Akademie der Landwirt­

schaftswissenschaften bzw. der Bauakademie, die den jeweiligen Fach-Ministerien zu- und untergeordnet waren. Aufgabe der selbständigen Forschungsinstitute der Wirtschaft war es vor allem, durch angewandte Forschung und Entwicklung ökonomisch bedeutsame Pro­

dukt- und Prozeßinnovationen vorzubereiten. Sie stellten das eigentliche Forschungs- potential der Wirtschaft dar. Im Rahmen des zentralistischen Leitungssystems waren die Institute im allgemeinen für ganze Branchen oder Wirtschaftszweige zuständig. Sie waren dadurch wiederum relativ unkompliziert als wissenschaftliches Hinterland allen Betrieben eines solchen Zweiges zugänglich und unterstützten auch kleinere Produktionsbetriebe, die über keine eigenen FuE-Abteilungen verfügten. Insofern war auch in diesen Institutionen eine Tendenz zu beobachten, neben Forschung auch experimentelle Entwicklungen und teilweise sogar Produktionsberatung und -betreuung durchzuführen.

Ein Vorteil dieser besonderen DDR-Bedingungen bestand darin, daß langfristig enge Bindungen und gute gegenseitige Kenntnisse zwischen den Fertigungs- und den FuE-Be- reichen innerhalb der Wirtschaft (wie auch zwischen dieser und der akademischen Wissen­

schaft) gewachsen waren. Sie wurden durch zeitweiligen Personalaustausch vertieft. Ein Nachteil bestand darin, daß auf diese Weise nur ungenügend zwischen eigentlichen For- schungs- und anderen Tätigkeiten unterschieden wurde. Dadurch wurde oftmals verdeckt, daß mit zunehmenden Innovationsschwierigkeiten die eigentliche Forschungstätigkeit und die Orientierung auf echte Innovationen immer mehr zurückgingen. Im Unterschied zu füh­

renden Konzernen der OECD-Länder wurde selbst in den großen FuE-Zentren der Industrie keine Grundlagenforschung betrieben. Ihr Profil wurde zunehmend durch den Zwang zur Nachentwicklung international bekannter Erzeugnisse und Verfahren geprägt, die entweder wegen der Embargo-Bestimmungen oder übertriebener Autarkiebestrebungen nicht im­

portiert werden konnten oder sollten.

Als wissenschaftliches Hinterland und "Ergänzung" der wirtschaftseigenen FuE-Kapzitäten diente der akademische Bereich, d. h. die Universitäten und Hochschulen sowie die Aka­

demie der Wissenschaften (AdW) der DDR. Die Hochschulen hatten in erster Linie die

Aufgabe der Lehre, d. h. der Aus- und Weiterbildung des hochqualifizierten Personals für alle Bereiche der Praxis und der Wissenschaft. Diese Funktion war in hohem Maße auf die Praxis orientiert und mit ihr verbunden. Die dadurch entstehenden Verbindungen ermöglich­

ten und begünstigten eine stark praxisorientierte FuE an Universitäten und Hochschulen. Es w ar in der DDR selbstverständlich, daß Studenten fast aller Fachrichtungen Praktika in Betrieben und anderen Einrichtungen während des Studiums absolvierten und in relevanten Fachrichtungen dort auch ihre Beleg- und Diplomarbeiten realisierten. Der seit Mitte der 70er Jahre stark gewachsene Lehrkörper, ergänzt durch einen relativ umfangreichen

"Mittelbau" an unbefristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitern, erhielt bei stagnie­

renden Studentenzahlen in den 80er Jahren mehr Zeit für eigene Forschungen. Diese waren in Verbindung mit den genannten Ausbildungszielen und der Orientierung auf hohe Anteile an Vertragsforschung sehr oft praxisorientiert und bezogen die studentische Forschungska­

pazität mit ein. Damit w ar im Hochschulwesen der DDR - entgegen anderslautenden und sich bis heute haltenden Vorurteilen - durchaus eine erhebliche Forschungskapazität vor­

handen. Insbesondere im Bereich der Ingenieurwissenschaften und technischen Wissen­

schaften waren die Hochschulen ein wesentlicher Träger der akademischen Forschung in der DDR, was nicht zuletzt in der Verantwortung des Ministeriums für Hoch- und Fachschul­

wesen für die entsprechenden ingenieurwissenschaftlichen Forschungsprogramme innerhalb der in den 70er und 80er Jahren ausgearbeiteten "Konzeption der langfristigen Entwicklung der ... Grundlagenforschung" zum Ausdruck kam. Ein hoher Anteil ihrer Forschungska­

pazität, nach 1985 sogar der größere Teil, arbeitete auf vertraglicher Grundlage unmittelbar im Auftrag der Wirtschaft.

Die AdW w ar seit ihrer Wiedereröffnung im Jahre 1946 zielstrebig nach sowjetischem Vorbild als Gemeinschaft von Gelehrtengesellschaft und Forschungspotential aufgebaut worden. Ab Ende der 60er Jahre, nach der Akademiereform und der Profilierung als

"Forschungsakademie der DDR", wurde das Potential der AdW weiter ausgebaut. Die A ka­

demie wurde auf die Doppel funktion der Grundlagenforschung (Verfolgung und Aneignung des internationalen Erkenntnisfortschritts sowie eigene Beiträge dazu) und der Anwendung, d.h. der Nutzbarmachung von (für die DDR neuen) wissenschaftlichen Ergebnissen in der Praxis, insbesondere in der Wirtschaft, festgelegt.

Damit wurde in der DDR aber nicht nur die Organisation des Forschungssystems, sondern auch die funktionelle Arbeitsteilung zwischen Wirtschafs-FuE und akademischer Forschung anders gestaltet, als z.B. in der Bundesrepublik Deutschland. In der DDR erfolgte ein er­

heblicher Anteil unmittelbar anwendungsbezogener FuE für die Wirtschaft innerhalb des

"Staatssektors", d.h. an der AdW und anderen Forschungsakademien, aber auch im Hoch­

schulwesen.