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Die akademische Wissenschaft und ihre Verbindungen zur Produktion

3. Veränderungen in den Verbindungen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft

3.2. Die akademische Wissenschaft und ihre Verbindungen zur Produktion

Die akademische Wissenschaft und ihr Schicksal haben anfangs bedeutend mehr Aufmerk­

samkeit in Forschung und Öffentlichkeit gefunden als FuE in der Wirtschaft, weil hier Poli­

tik und Wissenschaft bei der Konzipierung, Koordinierung und Realisierung der Umgestal­

tung eine wesentliche Rolle gespielt haben. Insbesondere der Wissenschaftsrat hat mit der Evaluierung der Akademie-Forschungseinrichtungen und den daraus abgeleiteten Empfeh­

lungen (Wissenschaftsrat 1991) sowie mit seinen Empfehlungen zur künftigen Struktur der ostdeutschen Hochschullandschaft (Wissenschaftsrat 1992) erheblichen Einfluß genommen.

Eine den gesamten Bereich der öffentlich finanzierten außeruniversitären Forschung einbe­

ziehende Wissenschaftsorganisation von der Struktur und Größe der AdW, noch dazu in Verbindung mit einer Gelehrtengesellschaft (das gilt analog für die Akademie der Landwirt­

schaftswissenschaften und für die Bauakademie der DDR) entsprach nicht den Erfahrungen und Organisationsformen des stark ausdifferenzierten Wissenschafts- und Forschungssy­

stems der Bundesrepublik Deutschland. In dieser gab es vielmehr nur regional organisierte Akademien als Gelehrtengesellschaften, eine starke Differenzierung der einzelnen For­

schungsorganisationen nach Aufgabenprofilen (vgl. Hohn, Schimank 1990) sowie eine rela­

tiv große Autonomie der einzelnen Forschungsorganisationen bzw. -institute. Diese w i­

dersprüchliche Ausgangssituation in beiden deutschen Staaten führte im Prozeß ihrer Vereinigung zu Diskussionen und nachfolgenden Entscheidungsprozessen über das künftige Schicksal der AdW und ihrer Forschungseinrichtungen (vgl. Wissenschaftsrat 1990, Gläser 1992, Krull 1992, Mayntz 1992, Simon 1992, Stucke 1992, Kaase 1993, Over/Tkocz 1993, Mayntz 1994). Die Gelehrtengesellschaft der AdW wurde noch 1990 von den Forschungs­

instituten getrennt, 1991 aufgelöst und später durch eine neugebildete Berlin-Brandenbur- gische AdW ersetzt.

Für die Forschungseinrichtungen der Akademien führte der Evaluations- und Entschei­

dungsprozeß zu ihrer Auflösung und zur Neugründung von Einrichtungen nach dem w is­

senschaftsorganisatorischen Muster der alten Bundesländer. Dabei wurde gleichzeitig das FuE-Personal in diesem Sektor auf weniger als ein Drittel, d. h. von ursprünglich etwa 40.000 Beschäftigten (darunter 32.000 FuE-Personal, nach OECD-Methodik berechnet) auf etwa 12.500 Beschäftigte in den neugebildeten Einrichtungen (einschließlich etwa 10 Pro­

zent für Wissenschaftler aus den alten Bundesländern reservierte Stellen) reduziert. Im

Ergebnis der Auflösung der Akademie-Institute zum 31. 12. 1991 kam es so nicht nur zu einer starken Reduzierung, sondern auch zu einer weitgehenden organisatorischen Neuord­

nung und teilweisen Umprofilierung des verbleibenden Personals. Dies geschah einmal durch eine weitgehende Aufgliederung früherer Institute, wobei oftmals eine Zuordnung selbst des für eine weitere Förderung empfohlenen Personals zu mehreren neuen Einrich­

tungen erfolgte. Ein Beispiel dafür stellt der Verbleib des Personals aus dem früheren Zen­

tralinstitut für Elektronenphysik der AdW dar (vgl. Übersicht 1).

Übersicht 1: Reorganisation eines Instituts der früheren AdW der DDR: der Verbleib seines Personals (Beispiel: Zentralinstitut für Elektronenphysik Berlin)

31.12.1991 (Abwicklung der Akademie - Auflösung der Institute) Ergebnisse der Analyse des Verbleibs des Personals per 30.4.1992:

neue Arbeitsplätze - MPI für Plasmaphysik, Bereich Berlin - Heinrich-Hertz-Institut, AG Elektroluminiszenz

—> Wissenschaftler-Integrations-Programm (WIP) 33 (21/12)

—)> infrastrukturelle Institutionen

A uf der anderen Seite sind selbst neugegründete Einrichtungen nicht immer echte "Nachfol­

geeinrichtungen" eines früheren Akademie-Instituts. Das ergibt sich daraus, daß nur in eini­

gen Fällen in die neuen Einrichtungen "Kembereiche" bzw. ganze Forschungsgruppen aus früheren Instituten übernommen wurden. Sehr oft kam es neben der Verselbständigung von einzelnen Teilbereichen zu einer Neugründung durch Zusammenfassung von Forschungs­

gruppen aus verschiedenen Instituten. Teilweise wurden die neuen Einrichtungen auch völlig neu aus einzelnen Mitarbeitern mehrerer früherer Einrichtungen der Akademie, der Industrie und der Hochschulen formiert (vgl. Höppner 1994). Berücksichtigt man ferner, daß fast alle Direktoren und ein großer Teil der anderen Leiter in diesen Instituten aus den alten Bundesländern kommen, so wird verständlich, daß nicht nur die früheren organisa­

torischen und vertraglichen, sondern in erheblichem Maße auch die persönlichen Verbin­

dungen zwischen öffentlicher außeruniversitärer Forschung und Industrie(-FuE) aus der DDR-Zeit abgebrochen sind. Andererseits sind vermutlich bei Auf- und Ausgliederungen von Institutsteilen sowie bei Neugründungen von Unternehmen (z. B. durch frühere A ka­

demie-Wissenschaftler) z. T. persönliche Verbindungen zu neuen innovativen Firmen erhal­

ten geblieben bzw. neu entstanden, insbesondere in den territorialen Ballungsgebieten.

Eine zusammenfassende Vorstellung von diesen tiefgehenden organisatorischen Umgestal­

tungen in der ostdeutschen AUF können die Veränderungen in der Anzahl der Einrichtun­

gen, in ihrer Struktur nach Größengruppen und in der durchschnittlichen Anzahl der Be­

schäftigten je Einrichtung vermitteln (vgl. Tab. 5).

AUF insgesamt Einrichtungen der außeruniversitären Forschung nach Beschäftigtengrößenklassen Insgesamt Einrichtungen mit

weniger als 50 Beschäftigen

Einrichtungen mit 50 bis 99 Beschäftigten

Einrichtungen mit 100 bis 249 Beschäftigten

Einrichtungen mit 250 bis 499 Beschäftigten

Einrichtungen mit über 500 Beschäftigten

Infrastruktur­

einrichtungen*

I II III I II III I II III I II III I II III I II III I II III

(1) DDR (AdW 1989; AdL1988; BA 1985)

a) 110 39294 17342 5 136 9(P 8 603 397 29 5335 3137 27 9941 4899 22 18550 7646 19 5029 1173

b) - 357 158 27,2 18 75,4 49,6 184,0 108,1 368,2 181,4 843,2 347,5 264,7 61,7

(2) Ostdeutschland 1993 (MPG; GFE; FhG**; BL; Bund/Länder; einschl. Außenstellen)

a)138 12360 4993 72 1530 564 29 2031 640 25 3895 1398 11 4063 1506 1 527 176

-b)...- 89,6 36,2 21,3 9,9 70,0 27,8 155,8 58,3 369,4 136,9 527 176

-Veränderung von 1989 zu 1993 in % (1989 = 100)

a) 125 31 29 1440 1125 627 362 337 161 86 73 45 41 41 31 4 3 2

-b) - 25 23 78 55 93 56 85 54 100 75 62 51

I Anzahl der Einrichtungen a) absolute Angaben über alle Einrichtungen II Anzahl der Beschäftigten b) durchschnittliche Anzahl je Einrichtung III darunter Anzahl der Wissenschaftler**

* Es handelt sich hier um Verwaltungs- und Dienstleistungseinrichtungen, die zentralen Leitungen, Rechenzentren, Druckereien, usw., die es in dieser Form in der AUF nicht mehr gibt.

** Die FhG ist in "AUF insgesamt" mit 1237 Beschäftigten, dar. 709 Wissenschaftler (Hartmann 1993: 51) enthalten. Eine Aufgliederung nach Einrichtungen war nur für Beschäftigte auf Planstellen (insges. 923) und nicht für Wissenschaftler möglich, so daß die Addition der einzelnen Einrichtungen nicht die Gesamt­

summe ergibt. Die Berechnung der durchschnittlichen Anzahl der Wissenschaftler erfolgte ohne FhG-Einrichtungen.

Quelle: Eigene Berechnungen nach: Jahresbericht 1989 der AdW der DDR, Teil 2: Statistischer Jahresbericht; interne Arbeitsmaterialien der AdL (IST 1988) und der Bauakademie (IST 1985); Hartmann u.a. 1993

Die Anzahl der Einrichtungen hat sich erhöht, wobei gleichzeitig eine Verschiebung hin zu kleineren Einrichtungen erfolgt ist5. Einrichtungen mit mehr als 500 Beschäftigten sind praktisch nicht mehr vorhanden, da selbst das in dieser Kategorie ausgewiesene For­

schungszentrum Rossendorf aus fünf selbständigen Instituten besteht, die nur administrativ eine Einheit bilden (Wissenschaftsrat 1994).

Im Ergebnis haben die neuen Einrichtungen der AUF in Ostdeutschland sowohl insgesamt wie auch durchschnittlich je Einrichtung viel weniger Beschäftigte und Wissenschaftler als die früheren Akademie-Einrichtungen in der DDR; ihr Profil ist durch eine stärkere Spezia­

lisierung geprägt. Sie unterscheiden sich jedoch nicht nur von den Einrichtungen in der DDR, sondern auch beträchtlich von der Situation in den alten Bundesländern, insbesondere hinsichtlich der Anteile der einzelnen Trägerorganisationen sowie der Größenstruktur der Einrichtungen. In Ostdeutschland haben die Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die Großfor­

schungseinrichtungen (GFE) und die Einrichtungen der Ressortforschung des Bundes wesentlich geringere Anteile am Personal der AUF als in den alten Bundesländern: dafür haben hier die Forschungseinrichtungen der Länder und der Fraunhofer-Gesellschaft (FhG) sowie vor allem Blaue-Liste-Institute wesentlich höhere Anteile (vgl. Abb. 4).

Abb. 4: FuE-Beschäfltigte im außeruniversitären Bereich in den alten und neuen Bundesländern nach Trägereinrichtungen 1992

5 D ie Erhöhung der A nzahl der Einrichtungen w ird m it durch die von der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) betreuten "Arbeitsgruppen" verursacht. Sie ist dann nicht mehr signifikant, wenn diese wie vorgesehen in die Universitäten eingegliedert werden. Dieser Übergang ist bisher aber nich t gesichert. Außerdem beab­

sichtigt die MPG, in den nächsten Jahren in dieser Region weitere 15 - 20 Institute zu gründen (Zacher 1994).

W eitere Unterschiede ergeben sich innerhalb der einzelnen Organisationen, da in O st­

deutschland in erheblichem Umfang unselbständige Außenstellen westdeutscher Einrichtun­

gen geschaffen wurden (GFE, FhG), fachliche und Aufgabenprofile der Institute von denen in Westdeutschland abweichen (BLI) und sogar die Zukunft ganzer Einrichtungen noch of­

fen ist. Was das für die Verbindungen zur Wirtschaft bedeutet, muß Gegenstand weiterer Forschungen bleiben. Die bisherigen Befunde lassen komplizierte und widersprüchliche Konstellationen vermuten:

Die erwähnte weitgehende organisatorische, fachliche und personelle Umgestaltung der o st­

deutschen AUF erfordert vorrangig interne Integrationsprozesse in den neugeschaffenen Einrichtungen und könnte die externe Integration damit - zumindest vorerst - in den Hinter­

grund drängen. Hinzu kommt, daß die oft widersprüchlichen Erfahrungen der Akademie- Wissenschaftler aus der Zusammenarbeit mit der Industrie in der DDR, deren spezifische W ertung im Prozeß der Evaluation und die z.T. andersartigen Leistungskriterien der w est­

deutschen scientific community sich als hemmende Faktoren bei der Weiterführung oder gar Neu-Aufnahme solcher Verbindungen erweisen könnten. Diese Haltung wird vermutlich durch die aus Westdeutschland gekommenen und eine andere Sozialisation aufweisenden W issenschaftler bestärkt, noch dazu, da letztere in Leitungspositionen dominieren.

A uf der anderen Seite sprechen einige Faktoren zugunsten engerer Beziehungen zur W irt­

schaft. Dazu gehört in erster Linie das Profil der hier neu geschaffenen Einrichtungen, deren Schwerpunkt Einrichtungen der Länder, der Blauen Liste und der FhG bilden. Die Landes­

forschungseinrichtungen sind von vornherein auf die spezifischen wirtschaftlichen und ande­

ren Belange der jeweiligen Region orientiert. Die Profile von Einrichtungen der Blauen Liste sind sehr unterschiedlich; die regionale Einbindung in die jeweiligen Forschungs­

strukturen ihrer Sitzländer ist aber auf jeden Fall ein wesentliches Merkmal, verbunden mit Voraussetzungen zur Wahrnehmung spezifischer Aufgaben von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischem Interesse (Wissenschaftsrat 1993: 21). Die meisten der in Ostdeutschland neugebildeten Einrichtungen der Blauen Liste sind aber - im Unterschied zu Westdeutschland - naturwissenschaftliche Forschungsinstitute, die anwen­

dungsorientierte Grundlagenforschung betreiben wollen und sollen. Sie sind in ihrem Selbst­

verständnis stark der aus den Akademien der DDR herrührenden Tradition einer Verbin­

dung (wenn nicht sogar Integration) von Grundlagenforschung und Anwendungsforschung verbunden (Meske 1993a, Höppner 1994). Die Institute der FhG betreiben anwendungs­

orientierte und angewandte Forschung, zum überwiegenden Teil im Rahmen der V ertrags­

forschung. Hinzu kommt, daß auch die anderen Forschungsorganisationen (z. B. GFE) - mit Ausnahme der sowieso gering vertretenen MPG - grundsätzlich für anwendungsorientierte Aufgaben und die Unterstützung der regionalen Wirtschaft offen sind. Mit den Blaue-Liste- Instituten, den Fraunhofer-Einrichtungen und den Landesforschungseinrichtungen sind in Ostdeutschland also vorwiegend solche neuen Einrichtungen geschaffen worden, die eine

wichtige Brückenfunktion zwischen der Grundlagenforschung an Universitäten und Max- Planck-Insituten einerseits und den Möglichkeiten und Erfordernissen der regionalen w irt­

schaftlichen Entwicklung andererseits ausüben könnten. Ein Problem ergibt sich daraus, daß diese Institute meist erst ihr eigenes spezifisches Profil finden und sich selbst als neue Ein­

richtung stabilisieren müssen. Nahezu gleichzeitig, d.h. parallel dazu, müssen sie neue Verbindungen zu Wirtschaft, Wissenschaft, Politik usw. in der Region und in Gesamt­

deutschland aufbauen.

Die im Charakter der Forschungsorganisationen angelegte Orientierung (auch) auf anwen­

dungsorientierte und sogar Auftragsforschung dürfte in Ostdeutschland dadurch weiter un­

terstützt werden, daß mit der Bildung der neuen Institute deren Existenz (FhG) bzw. Perso­

nalstärke (BL) von der Einwerbung von Drittmitteln abhängig gemacht worden ist. Im Falle der FhG wurden alle Einrichtungen zunächst befristet - in der Mehrzahl für drei Jahre - gegründet. Erst nachdem sich die meisten überraschend gut auf dem "Forschungsmarkt"

behauptet haben, wurde diese "Befristung" inzwischen für sieben der zehn Institute sowie neun der zw ölf Außenstellen aufgehoben. Für eine weitere Außenstelle wurde die Befri­

stung bis Ende 1996 verlängert, über zwei weitere Institute wird vor Ablauf der Befristung 1996 entschieden, und für zwei Außenstellen in Berlin soll die Förderung zum 31. 12. 1995 beendet werden (BLK 1993: 16). Für die befristet eingestellten Mitarbeiter der FhG-Ein- richtungen bleibt durch die Bindung ihrer Beschäftigung an eingeworbene Drittmittel der Existenzdruck aber weiter bestehen. Die BL-Institute (BLI) verfügen demgegenüber zwar über eine relativ gesicherte Grundfinanzierung; die Anzahl ihrer Beschäftigten (ca. 4.900) übersteigt aber die Anzahl der Planstellen (3.800) um mehr als 1.100 Personen, meistens Wissenschaftler. Deren Finanzierung erfolgt über befristete Mittel unterschiedlicher Art; in erster Linie sind dies Mittel aus dem "Verstärkungsmittelprojektfonds". Dieser Fonds wurde einer Reihe von Insituten, und zwar in der Höhe differenziert, für maximal fünf Jahre (bei jährlicher Reduzierung um 20 Prozent) aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung gestellt. Er wird in den Instituten zwar in den Haushalt eingestellt, dient aber tatsächlich nur als Übergangsfinanzierung für Beschäftigte außerhalb des Stellenplans. Diese Mittel sollen dazu beitragen, daß die Institute im Verlaufe der fünf Jahre selbst "echte" Drittmittel aus der Pri­

vatwirtschaft oder von öffentlichen Auftraggebern einwerben. Gelingt das nicht, muß die Anzahl der Beschäftigten entsprechend reduziert werden - evtl, bis zur "unteren Grenze", dem öffentlich finanzierten Stellenplan.

Hieraus läßt sich ein großes Interesse der aus Projektmitteln finanzierten Wissenschaftler an der Einwerbung von Drittmitteln ableiten. Es ist zu vermuten, daß auch andere Wissen­

schaftler, insbesondere solche, die zwar auf Planstellen, aber nur befristet beschäftigt sind (1992 immerhin 22% aller Wissenschaftler auf Planstellen), durch einen Leistungsnachweis in Form erfolgreicher Einwerbung von Drittmitteln ihre Position festigen möchten. Solche Absichten wurden bei Interviews in einigen Insituten der Blauen Liste in Berlin durchaus bestätigt, nicht zuletzt ausgehend davon, daß künftig alle BLI einer externen Evaluation

unterzogen werden sollen (Wissenschaftsrat 1993). Das Interesse ist dabei in einigen Institu­

ten aber eher auf von der DFG geförderte Projekte der Grundlagenforschung gerichtet als auf Industrieaufträge. Da gegenwärtig auch in anderen Forschungseinrichtungen ein mehr oder minder erheblicher Teil des Personals durch Verstärkungsmittelprojektfonds und ande­

re Projektmittel finanziert wird, dürfte mit einem zumindest partiellen Interesse an der Ein­

werbung von Drittmitteln, auch - aber nicht nur - aus der Industrie gerechnet werden.

Diese Überlegungen werden durch die z. Zt. vorliegenden Daten über die Finanzierung der AUF in Ostdeutschland gestützt (vgl. Tab. 6).

Tab. 6: Einnahmen der AU F in Ostdeutschland 1993

Art der Forschungs­

Blaue-Liste-Einrichtungen 662,5 555,0 83,8 37,7 5,7 69,8 10,4 3,2 0,48

Fraunhofer Gesellschaft 232,7 174,8 75,1 12,3 5,3 45,6 19,7 17,1 7,35

Großforschungs­

einrichtungen 327,0 288,2 88,2 8,6 2,6 30,2 9,2 0,2 0,06

Landeseinrichfungen 143,4 106,0 73,9 1,1 0,8 36,3 25,3 5,7 3,97

Max-Planck-Gesellschaft 116,0 105,2 90,7 - - 10,8 9,3 -

-Ressortforschung des

Bundes 105,9 99,1 93,6 - - 6,8 6,4 0,2 0,19

Sonstige 7,3 - - - - 7,3 100,0 -

-Insgesamt 1.594,8 1.328,3 83,3 59,7 3,7 206,8 13,0 26,4 1,65

* Finanzierung durch Bund, Länder und eigene Mittel

"Öffentliche Finanzierung insbesondere von zusätzlichem Personal, als eine auf maximal 5 Jahre begrenzte Starthilfe Quelle: Hartmann u.a. 1993:97, 99; eigene Berechnungen

Gleichzeitig wird aus den in Tabelle 6 enthaltenen Daten das oben angedeutete problemati­

sche Verhältnis der ostdeutschen AUF zur Wirtschaft deutlich. Vor dem Hintergrund der strukturell eigentlich sehr günstigen Voraussetzungen nehmen sich die tatsächlich in der AUF erreichten finanziellen Erträge aus der Wirtschaft eher bescheiden aus. Auf sie entfal­

len nur 26,4 Mill. DM oder 1,7 Prozent aller Einnahmen der AUF. Das ist verschwindend gering in Relation zu den in der DDR üblichen 30 und mehr Prozent; es ist aber auch - und das ist sicher ein besserer Vergleichsmaßstab - wesentlich weniger als in den alten Bundes­

ländern, in denen Wirtschaft und inländische Institutionen 1989 zusammen einen Anteil von 4 Prozent hatten (BUFO 1993: 548/549). In Ostdeutschland entfallen von Mitteln aus der Wirtschaft wiederum 17,1 Mill. DM6 oder ca. 65 Prozent allein auf die FhG; selbst bei die­

ser ist das aber nur ein Anteil von 7,4 Prozent an den Gesamteinnahmen. Gemessen an den FuE-Ausgaben der Wirtschaft in Ostdeutschland von ca. 1,5 Mrd. DM

(SV-Wissen-6 Nach neueren Angaben der FhG 18,(SV-Wissen-6 M ill. D M .

schaftsstatistik 1993) machen die von ihr für die AUF aufgewendeten Mittel nur 1,7 Prozent aus! Tatsächlich sind es noch weniger, da selbst diese Mittel nur zu einem Teil aus der Wirtschaft der neuen Bundesländer stammen. Aufträge in nennenswertem Umfang sind bisher vielmehr fast nur von Firmen mit (Stamm-)Sitz in den alten Bundesländern bzw.

(West-)Berlin erteilt worden, wie Fallstudien in einzelnen Einrichtungen der Blauen Liste ergeben haben. Da es sich beim "FuE-Markt" um einen spezifischen (W olff u. a. 1994), weitgehend "geschlossenen Markt" handelt, der noch dazu in den letzten Jahren auch in Westdeutschland eher stagnierte, z. T. sogar schrumpfte, war das Vordringen für ostdeut­

sche Einrichtungen zusätzlich erschwert. Erfolge können deshalb meist nur Einrichtungen aufweisen, die mit neuartigen Ergebnissen in einen sich erst entwickelnden Markt eintraten bzw. diesen mit "eröffnet" haben. Das bedeutet andererseits, daß die wichtigsten innovati­

ven Forschungsergebnisse aus der ostdeutschen AUF nur sehr begrenzt für die regionale Wirtschaft wirksam wurden.7 A uf diesem Wege erfolgt vielmehr ein "Abzug" von innovativen Entwicklungen aus dem Osten, vor allem zugunsten der Wirtschaft in den alten Bundesländern.

Die bisher "gesammelten" Befunde auf der Mesostruktur-Ebene der AUF in Ostdeutschland deuten also darauf hin, daß gegenwärtig ihre Beziehungen zur Wirtschaft insgesamt und insbesondere zu regional angesiedelten Unternehmen nur sehr schwach entwickelt sind. Sie müssen erst wieder neu aufgebaut werden. Nach jetzigem Erkenntnisstand sind dafür seitens der AU F die personellen Voraussetzungen noch, die organisatorischen, finanziellen und leistungsmäßigen Rahmenbedingungen bereits wieder relativ gut, nicht zuletzt dank der zügigen Neuprofilierung von Instituten und der Bereitstellung von Investitions- und Sachmitteln.

Auch die Universitäten und Hochschulen, als weiterer Sektor der akademischen Wissen­

schaft, dürften ihre früheren Verbindungen zur Wirtschaft weitgehend verloren haben. Das wirkt sich unmittelbar auf die Lehre, die Gewinnung von Studenten und auf den Einsatz von Absolventen aus, aber auch auf die Forschung. Gegenwärtig wird letzteres dadurch ver­

deckt, daß die Universitäten und Hochschulen durch den andauernden Prozeß ihrer Umge­

staltung, wegen des erheblichen Personalabbaus (vor allem beim forschungsintensiven Mittelbau) und angesichts langwieriger Prozesse der Neuberufung von Professoren selbst noch Schwierigkeiten mit ihrer Forschungsprofilierung haben (vgl. Tab. 7).

7 Diese Aussage dürfte verm utlich auch in hohem Grade auf die Einrichtungen der FhG in Ostdeutschland zutreffen. Während die hier neugegründeten und bundesweit operierenden Fh-Institute im Jahre 1993 92,8 Prozent ihrer Betriebserträge aus der W irtschaft erhielten (oder 17 Prozent des gesamten Betriebsauf­

wandes), kamen bei den ostdeutschen Außenstellen von (westdeutschen) Fh-Instituten, die nur regional auf dem ostdeutschen M a rk t operierten, nur 18 Prozent der betrieblichen Erträge (oder 7 Prozent des gesamten Betriebsaufwandes) aus der W irtschaft. (Eigene Berechnungen nach Angaben der H A For­

schung und Kom m unikation der FhG vom 7. 7. 1994)

Tab. 7: Wissenschaftliches Personal der ostdeutschen Universitäten und Hochschulen (ohne M edizin)

W issenschaftliches F’ersonal d aru n te r

H ochschullehrer W issenschaftliche

Quelle: Burkhardt, Scherer 1993: 15,19; DHV 1993: 308-310, 387

Die Forschungsaktivitäten hängen in hohem Maße von der Besetzung der Professorenstellen ab. Diese w ar M itte 1993 erst zur Hälfte und im April 1994 auch erst zu drei Viertel aller Positionen (mehr als 5.000 von insgesamt 7.400, einschließlich Medizin) erfolgt, wie en t­

sprechende Erhebungen von Burkhardt/Scherer ergeben haben (vgl. Lindner 1994: 14).

Hinzu kommt, daß mindestens jeder Dritte der neuberufenen Professoren aus den alten Bundesländern kommt und daher neben generellen "Eingewöhnungsproblemen'' auch vor der Aufgabe steht, die notwendigen regionalen Beziehungen völlig neu aufzubauen. Schon daraus ergibt sich zwangsläufig eine insgesamt relativ geringe Forschungskapazität (und Industriebindung) an den Hochschulen, allerdings differenziert nach Art und Ort der Hoch­

schule und nach Fachgebieten. Durch das Wissenschaftler-Integrations-Programm (WIP) zur Überführung früherer Akademie-Forscher an Universitäten und Hochschulen sollten gerade deren Forschungskapazitäten verstärkt werden. In Verbindung mit dem eigenen Per­

sonalabbau und den anderen Veränderungen gibt es hierbei aber beträchtliche Schwie­

rigkeiten, so daß Anfang 1994 lediglich 1.460 Wissenschaftler und andere Mitarbeiter aus früheren Akademieeinrichtungen (statt der vom Wissenschaftsrat empfohlenen 2.000 Per­

sonen) an eine Universität oder Fachhochschule in Ostdeutschland übernommen worden sind (BLK 1994). Da auch diese Übernahme wiederum nur bis maximal Ende 1996 befristet ist, sind die Chancen für eine tatsächliche Integration in die Hochschulen bisher relativ ge­

ring. Eine Befristung dürfte einerseits Wissenschaftler veranlassen, sich besonders intensiv um Drittmittel zu bemühen. Sie ist andererseits wenig geeignet, Verbindungen zur W irt­

schaft zu fördern. Letztere ist grundsätzlich an längerfristig verfügbarem Wissen, d. h. an personell wie inhaltlich zuverlässigen Beziehungen, interessiert und wenig geneigt, relativ unsichere Bindungen überhaupt erst einzugehen. Dies haben schon die Forschungs-GmbH erfahren. Eine umfassende Einschätzung der FuE-Beziehungen des Hochschulsektors zur Wirtschaft ist wegen des Fehlens relevanter statistischer Daten gegenwärtig nicht möglich.

Jedoch bestätigen die Befunde einer von Hansgünter Meyer durchgeführten (und noch nicht

abgeschlossenen) Analyse von Forschungsaktivitäten an ostdeutschen Universitäten8, daß deren unmittelbare Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gering ist: Die Auswertung von Aussagen der interviewten Professoren über die Bedeutung der von den einzelnen Förder­

institutionen für ihre jeweiligen Forschungsprojekte erhaltenen Mittel (gewichtet nach

"gering, beträchtlich, hauptsächlich") ergab, daß die Industrie mit einem Anteil von 1,7 Pro­

"gering, beträchtlich, hauptsächlich") ergab, daß die Industrie mit einem Anteil von 1,7 Pro­