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Wissenschaftsaufwand und -Wirksamkeit

2. Zu den Beziehungen zwischen Wissenschaft und Produktion in der D D R

2.4. Wissenschaftsaufwand und -Wirksamkeit

Die AdW und das Hochschulwesen waren im Wissenschaftssystem der DDR nicht nur be­

sondere Sektoren mit eigenen Leitunghierarchien. Sie waren auch - ähnlich wie die Kombi­

nate im W irtschaftssektor - relativ komplex angelegt und schlossen neben der Grundlagen­

forschung und der Vertragsforschung für die Wirtschaft und andere Praxisbereiche einen hohen Anteil wissenschaftsrelevanter Infrastruktur (in Form selbständiger Dienstlei­

stungseinrichtungen bzw. als Abteilungen großer Forschungseinrichtungen) mit ein. Dazu gehörten insbesondere Kapazitäten für den wissenschaftlichen Gerätebau (Meske 1986) und für die Produktion spezifischer Materialien (z.B. radioaktive Isotope), aber auch ver­

schiedenartige Serviceeinrichtungen sowie Verlage und Druckereien. Die Anzahl der Ge­

samtbeschäftigten des Wissenschaftsbereichs der DDR w ar durch die Einbeziehung solcher Tätigkeitsbereiche relativ hoch. Seitens der Statistik wurde jedoch zwischen den ver­

schiedenartigen Tätigkeiten unterschieden und nur ein Teil der Beschäftigten als FuE-Per- sonal gezählt. Andererseits folgte die gut ausgebaute, detailliert und aktuell alle Einrichtun­

gen und Aktivitäten erfassende FuE-Statistik der DDR einer relativ weitgefaßten Auffas­

sung von FuE. Sie bezog in ihre Angaben auch Arbeiten und Aufwendungen ein, die zwar selbst nicht FuE-Tätigkeiten waren, aber für FuE durchgeführt wurden. Das waren z.B.

Gerätebau oder Prototypenfertigung in Produktionsbereichen für die FuE-Abteilungen . Im Vergleich zur OECD-Statistik auf der Basis des Frascati-Handbuchs (Frascati-Handbuch 1980) wurde dadurch insbesondere die betriebliche FuE-Kapazität wesentlich überhöht ausgewiesen. Wie die 1990 nach der OECD-Methodik durchgeführte vergleichbare Be­

rechnung der eingesetzten FuE-Ressourcen zeigte, mußten die DDR-Angaben beim FuE- Personal um 28 Prozent (im Wirtschaftssektor um 40 Prozent) und beim finanziellen FuE- Aufwand um 18 Prozent (im Wirtschaftssektor um 30 Prozent) reduziert werden (SV Wissenschaftsstatistik 1990). Dadurch wurde aber auch deutlich, daß tatsächlich in der DDR-Industrie relativ weniger FuE-Personal eingesetzt worden war als z.B. in der Industrie der BRD. Andererseits wurde in der DDR-Statistik generell das geistes- und so ­ zialwissenschaftliche Forschungspotential nicht unter FuE erfaßt. Tabelle 1 vermittelt einen Überblick über den Einsatz von Personal für FuE in der DDR im Jahre 1989, und zwar sowohl nach den Angaben der DDR-Statistik als auch nach den entsprechend der OECD- M ethodik weitgehend vergleichbar berechneten Daten.

Tab. 1: F u E -P e rs o n a l 1989 in d e r D D R (in V b E /F T E * )

Aus den o.a. Daten der DDR wurden herausgerechnet:

5.700 Beschäftigte 30.800 Beschäftigte außerhalb von mit Tätigkeiten, die nach FuE-Einrichtungen und

O ECD nicht als FuE 26.600 Beschäftigte mit Tätigkeiten,

zählen die nicht als FuE zählen

so daß sich folgende vergleichbar berechnete Daten ergeben:

32.500 FuE-P. 85.700 FuE-P. 14.100 FuE-P.***

+5.600 GSW (dar. 73.500 verarbeitendes +2.600 GSW

Gewerbe)

132.300 FuE-P.

+8.200 GSW

38.100 85,700 16.700 140.500

* VbE/FTE = Vollbeschäftigteneinheit/Vollzeitäquivalent/ Full time equivalent

** G SW = Geistes- und Sozialwissenschaften (nur Akademien und Hochschulen, ohne Partei- und Gewerkschafts­

einrichtungen)

*** Erhöhung um 300 VbE durch Zuordnung von früher zur Wirtschaft gerechneten Hochschulen

Quelle: eigene Zusammenstellung nach SV Wissenschaftsstatistik 1990, SZS Jahresbericht 1989

Wie ein Vergleich der nach OECD-Methodik berechneten Daten der DDR mit dem Perso­

naleinsatz für FuE in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1989 ergeben hat, verfügte die DDR über ein etwa vergleichbar großes FuE-Personal wie die Bundesrepublik, wenn man es mit der Bevölkerung und der Anzahl der Beschäftigten wichtet (vgl. Tabelle 2)3.

3 Dabei ist zu beachten, daß auch die FuE-Statistik der Bundesrepublik Deutschland ihre Besonderheiten aufweist. "Eine umfassende Forschungsstatistik, die nach einem einheitlichen Verfahren die Forschungs­

tätigkeiten aller Sektoren erfaßt, gibt es in der BRD nicht. Erfassung und Aufbereitung von FuE-Daten er­

folgen dezentral, nach diversen - oft nicht nachgewiesenen Ansätzen. Die Anwendung der Empfehlungen der OECD, der UNESCO oder der EG erfolgt nur in Teilbereichen. E in einheitlicher, abgestimmter

"Methodenkanon" besteht m ith in nicht" (Trommer 1987: 141). Im Unterschied zur D D R w ird dadurch in der BR D das FuE-Personal eher zu niedrig ausgewiesen. So beruhen die Daten a u f fre iw illig e n M eldun­

gen der Unternehmen, wobei insbesondere nicht alle kleinen Unternehmen überhaupt erfaßt werden; in der akademischen Wissenschaft w ird das außerhalb der Stellenpläne fü r FuE eingesetzte Personal o ft nur unvollständig erfaßt.

Tab. 2: FuE-Personal in beiden deutschen Staaten 1989

Q uelle: Eigene Berechnung nach Angaben in S V Wissenschaftsstatistik 1990, BUFO 1993, Statistisches Jahrbuch 1993, Beschäftigungsobservatorium Ostdeutschland 12/1994

Wie bereits erwähnt, ergaben sich aus der anderen Arbeitsteilung im Forschungssystem der DDR wesentliche Unterschiede gegenüber der Struktur in der BRD. Tatsächlich arbeitete ein erheblicher Teil des FuE-Personals in der außeruniversitären Forschung der DDR im Auftrag und im Interesse der Wirtschaft. Bei Einbeziehung der Vertragsforschung wurde der im Wirtschaftssektor der DDR vorhandene relativ geringere Personaleinsatz für FuE (Anteil des Wirtschaftssektors am gesamten FuE-Personal in der DDR 61 Prozent gegen­

über 70 Prozent in der BRD, vgl. Tab. 2) selbst unter Berücksichtigung der bundesdeut­

schen Auftragsforschung - mehr als kompensiert (nach DDR-Angaben läßt sich der in Tab.

1 ausgewiesene Anteil von 81% errechnen; selbst aus den nach OECD-Methodik be­

reinigten Daten läßt sich ein Anteil des für die Wirtschaft arbeitenden FuE-Personals von mindestens 73% ermitteln).

Ein weiterer wesentlicher Unterschied bestand darin, daß das für FuE eingesetzte Personal in der DDR mit weitaus weniger finanziellen und materiellen Mitteln als das in der Bundes­

republik ausgestattet w ar (vgl. Meske, Meyer, Melis 1990) und weiteren Restriktionen (z.B.

bei der Kommunikation) unterlegen war. Durch diese Faktoren wurden in der DDR die Funktionsweise und die Effektivität, aber auch schon die Zielstellungen und nicht zuletzt die Ergebnisse von FuE-Tätigkeiten in allen drei Sektoren nachteilig beeinflußt. Das gilt für die Patentergiebigkeit ebenso wie für die Häufigkeit und den “impact” von Publikationen.

Unsere diesbezüglichen Analysen führten bereits Anfang 1989 zu der Schlußfolgerung, daß in der DDR "gegenüber den führenden Ländern ein weiterer Tempoverlust sowohl bei den Aufwendungen für die Wissenschaft wie insbesondere bei ihren Ergebnissen und der prak­

tischen Wirksamkeit festzustellen (is t)... Außerdem ist das realisierte Invest-Volumen in der DDR zu gering, um selbst vorliegende Neuheiten rechtzeitig in der benötigten Menge national wie international anzubieten... Die von dieser Situation ausgehenden Wirkungen

sind vielfältig; sie durchdringen das gesamte Innovations- und Wissenschaftssystem der

DDR und stellen bereits jetzt eine ernsthafte Gefährdung seines wirksamen Funktionierens

dar" (Meske 1989a: 34, 24). Eine Einschätzung, die bald danach sehr deutlich bestätigt

worden ist.

3. Veränderungen in den Verbindungen zwischen Wissenschaft und