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Archiv "Potentielle Gesundheitsgefahren durch Emissionen aus Müllverbrennungsanlagen: Bodenkontamination berechenbar" (20.08.1993)

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Academic year: 2022

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MEDIZIN

Sondergutachten des Beiratsmit- glieds Greim, zu zitieren: „Eine ge- naue Abschätzung der Zusatzbela- stung durch PCDD/F aus Müllver- brennungsanlagen ist beim gegen- wärtigen Kenntnisstand schwierig.

Zu zahlreichen Einzelfaktoren, die in die Berechnung eingehen, liegen kei- ne ausreichend abgesicherten Werte vor." (Textziffer 1848) und „Die Un- sicherheiten bei der Abschätzung der Zusatzbelastung durch eine Müllver- brennungsanlage sind demnach er- heblich. Dies liegt an experimentell wenig abgesicherten Parametern, wie Ablagerungsgeschwindigkeit, Trans- ferfaktoren aus Boden und Luft in pflanzliche und tierische Nahrungs- mittel, Stabilität in Luft, Boden und Nahrungsmitteln" (Textziffer 1853).

Minimale und maximale Ab- schätzung schwanken um folgende Faktoren: Depositionsrate 1:100, An- reicherung im Boden 1:360, Pflan- zenaufnahme aus dem Boden 1:3600, Pflanzenaufnahme über Haftstaub 1:260, Futteraufnahme für Kuh 1:500, Konzentration im Milchfett 1:500 und Anreicherung im mensch- lichen Fettgewebe 1:1660 (!).

Kein Kommentar!

7. Toxikologische Bewertung:

Kehl: Wir vermißten fundierte Kenntnisse über die einzelnen Schadstoffwirkungen (die Toxikolo- gie steht an ihrem Anfang), gesicher- te Grenzwerte, Untersuchung von Schadstoffinteraktionen, Bezug zu Empfindlichen wie Kindern und Al- ten, Kranken als einem Riesenanteil in der Bevölkerung, zu Schwangeren.

Statt dessen wie im Beiratsgut- achten theoretische Rechenspiele mit ungeprüften Modellen, spärli- chen Erkenntnissen aus Tierversu- chen (meist Ratten), unit risks bei Durchschnittsmenschen, virtuell si- cheren Dosen, starren Dosis-Wir- kungsbeziehungen, Ausblendung ganzer Schädigungsbereiche wie Neurotoxizität und Immuntoxizität.

In Kehl errechnete der Gutach- ter Wichmann auf Grund theore- tischer Modelle folgende zusätzliche Krebstodesfälle bei lebenslanger Ex- position durch die Anlage:

+ 0,00000009 Tote via Atemluft und + 0,000124 Tote via Nahrung. Dies

DISKUSSION

verdient für die Wissenschaftsge- schichte festgehalten zu werden.

Deswegen finden sich im Beiratsgut- achten nur vage Formulierungen von

„vernachlässigbar einzustufenden ge- sundheitlichen Risiken".

Genauso vage und pauschal wer- den Daten über gesundheitliche Auf- fälligkeiten in der Umgebung von Müllverbrennungsanlagen als irrele- vant abgetan. Es findet nicht einmal eine Diskussion statt. Ex cathedra wird gesprochen. Die Möglichkeit kausaler Beziehungen wird nicht an- erkannt.

8. Bodenkontamination berechenbar

Sicherlich sind die toxikologi- schen Daten der Stellungnahme sorgfältig und sachkundig zusam- mengestellt. Sie berücksichtigen je- doch fast nur die inhalatorische Toxi- zität. In der Gesamtschau muß so ein unvollständiges und damit unrichti- ges Bild entstehen. Dies wird auch dadurch deutlich, daß zum Beispiel im Zusammenhang mit Arsen ver- merkt wird: „Der Einfluß auf die Nahrungskette ist zur Zeit noch nicht ausreichend quantifizierbar" (dies gilt übrigens auch für weitere der emittierten Stoffe). Nach diesem Eingeständnis ist die Folgerung in der Zusammenfassung unzulässig, daß „nur äußerst geringe und des- halb als vernachlässigbar einzustu- fende gesundheitliche Risiken . . . zu erwarten sind".

Wenn auch der Einfluß der emittierten Stoffe auf die Nahrungs- kette sich nicht genau quantifizieren läßt, so ist doch der Grad der Konta- mination der Bodenoberfläche bere- chenbar. Diese Berechnung ist auch erforderlich, denn alles, was emittiert wird, gelangt zuletzt auf die Erdober- fläche und führt hier zu einer irrever- siblen Giftstoffanreicherung und in- folge zum Teil sehr langer Boden- halbwertszeiten (10, 20 und mehr Jahre) zu erheblicher Kumulation.

Der für die Einatmungskonzen- trationen eingeführte Verdünnungs- faktor von 5 x 10 -5 und der Bezug auf jeweils 1 m3 täuscht über die emittierten Gesamtmengen hinweg, deren Größenordnung aus einigen

So können unsere Offenburger Kollegen und wir als Autoren von epidemiologischen Studien zu die- sem Thema lediglich feststellen: Al- les ist unsicher, eines aber ist immer sicher, die Unbedenklichkeit.

Dr. med. Bauer, Dr. med. Göger, Dr. med. Hinke, Dr. med. Knebusch, Dr. med. Köhrle, Dr. med. Löchner, Priv.-Doz. Dr. med. Seufert,

Dr. med. Theopold Ärzteinitiative Kehl

Hauptstraße 41, 77694 Kehl

Beispielen deutlich werden soll: Von den geplanten 70 Verbrennungsanla- gen werden innerhalb eines Jahres jeweils mehr als 70 Tonnen Blei, Chrom, Nickel, Kupfer und Arsen über die Bundesrepublik Deutsch- land verteilt werden. Bei SO 2, wird die Gesamtmenge über 7000 Tonnen und bei NOx nahezu 30 000 Tonnen pro Jahr betragen.

Der Sachverständigenbeirat be- rechnet für das emittierte Benzo- (a)pyren ein zusätzliches Letalrisiko an Krebs mit 6,3 x 10 -6 bis 6,3 x 10 -v . Das heißt, daß bis zu 13 der derzeit in Deutschland lebenden Menschen hierdurch zusätzlich an Krebs sterben werden. Es fallen aber noch etliche weitere Karzinogene an.

Die Zahl der infolge der Müllver- brennung zu erwartenden Krebsto- ten wird also noch um ein Mehrfa- ches höher liegen. Diese Tatsache ist wahrlich nicht „vernachlässigbar".

In diesem Rahmen können nicht alle Punkte angesprochen werden, die zu Bedenken Anlaß geben, wie auch der enorm hohe CO 2-Ausstoß, der sich für das Leben künftiger Ge- nerationen katastrophal auszuwirken droht.

Die Gesamtbeurteilung muß da- her lauten: Falls alle bestehenden und geplanten Verbrennungsanlagen auf modernsten Stand gebracht sind und tatsächlich stets die vorgegebe- nen Grenzwerte einhalten, wird sich die durch sie verursachte zusätzliche inhalative Toxizität in mäßigen Gren- zen halten. Die zu erwartende Bo- denkontamination mit giftigen Schadstoffen ist jedoch auf längere Sicht beträchtlich und läßt, ebenso Deutsches Ärzteblatt 90 , Heft 33, 20. August 1993 (55) A1-2197

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MEDIZIN

wie der sehr hohe CO 2-Ausstoß für kommende Generationen katastro- phale Folgen voraussehen.

Prof. Dr. med. Harald Haupt Marienburger Ufer 23 a 47279 Duisburg

9. Das CO2 -Risiko

Zum ärztlichen Aufgabenbe- reich gehört nicht nur die direkte Krankheitsbekämpfung, sondern auch allgemeine Vorsorge für die Gesundheit. Dementsprechend darf sich bei Beurteilung potentieller Ge- sundheitsgefahren das Augenmerk nicht nur auf die Toxizität emittierter Einzelstoffe beschränken, sondern es müssen außerdem die gesamten Ge- sundheits- und Lebensrisiken der Menschen, insbesondere auch künfti- ger Generationen, in die Überlegun- gen mit eingehen. Hierzu gehören aus dem zu beurteilenden Bereich auch Einwirkungen auf lebenswichti- ge ökologische Systeme.

In diesem Zusammenhang be- darf der CO 2-Ausstoß aus der Ge- samtheit der existierenden und ge- planten Müllverbrennungsanlagen besonderer Beachtung. Wenngleich aus üblicher toxikologischer Betrach- tungsweise unbedeutend, wird CO 2

10. Dreizehntausend Quadratkilometer

Der Artikel wird der vielschich- tigen Problematik der Müllverbren- nung nicht gerecht. Die Grundlagen der Berechnungen basieren auf Be- treiberangaben und fiktiven Soll- emissionswerten. Wenn man trotz vieler Bedenken den Rechnungen und Prognosen des Artikels folgt, dann kommt man bei Verwirklichung aller geplanten Verbrennungsanla- gen zu einem Gesamtausstoß von jährlich 17 Millionen Tonnen CO 2 in der Bundesrepublik. Das sind pro Kopf 0,2 Tonnen.

Um diese gewaltige CO 2-Menge von Bäumen beseitigen zu lassen be- nötigte man nach Modellrechnungen über die Verrottungskapazität eines 60- bis 80jährigen Waldes, mit einem üblichen 8-m-Abstand der Bäume,

DISKUSSION

in der emittierten Größenordnung auf lange Sicht nicht nur die Gesund- heit, sondern das Leben auf der Erde überhaupt in beängstigendem Aus- maß gefährden, indem es die Ent- wicklung des ohnehin rasch zuneh- menden gefürchteten Treibhausef- fektes fördert. Damit gewinnt der Ausstoß größerer Mengen von CO 2 für Leben und Gesundheit künftiger Generationen eminente Bedeutung.

Nach den vorliegenden Angaben werden bei Betrieb der vorhandenen und geplanten 70 Verbrennungsanla- gen etwa 16 Millionen Tonnen CO 2

im Jahr anfallen (pro Bundesbürger 200 kg, das Dreifache seines Körper- gewichts).

Es ist erstaunlich und bedauer- lich, daß dieser Aspekt in der Stel- lungnahme völlig vernachlässigt wird.

Bekanntermaßen gilt der Plan der Bundesregierung, bis zum Jahre 2005 den Ausstoß von CO 2 um 25 Prozent zu reduzieren, heute bereits als unzu- reichend. Um künftigen Menschen- generationen den Lebensraum Erde zu erhalten, muß der CO 2-Ausstoß wesentlich stärker als geplant ver- mindert, nicht aber durch unsinnige Planungen noch erhöht werden.

Dr. med. Peter Zickler, Kinderarzt Schubertstraße 7

45478 Mülheim/Ruhr

eine Waldfläche von 13 000 Quadrat- kilometern. Das ist eine quadratische Waldfläche mit einer Kantenlänge von 114 km. Wollte man diese Fläche in Autobahngeschwindigkeit umfah- ren, benötigte man rund vier Auto- stunden.

Zudem stellte Prof. Greim vor Jahren fest, daß die Belastung unserer Bevölkerung mit Cadmium die Gren- ze des Vertretbaren überschritten ha- be. Jetzt sollen etwa 7,3 t Cadmium pro Jahr zusätzlich möglich sein?

Da ebensoviel der verschieden- sten allergenen Metalle über die Be- völkerung ausgegossen wird, wird es jedem Bundesbürger möglich wer-

den, sein Allergen zu treffen.

Dr. med. Berthold Mersmann Arzt für Kinderheilkunde Schloßstraße 174

45355 Essen

11. Die Gesamtbelastung

Es geht um die Bewertung des gesundheitlichen Zusatzrisikos durch Müllverbrennungsemissionen.

Dazu ist aus ärztlicher Sicht eine fundierte Information über die ge- sundheitliche VorbelaStung der Be- völkerung erforderlich. Die Kenntnis des Gesundheitszustandes der Be- völkerung im Auswirkungsbereich einer geplanten Müllverbrennungs- anlage sowie toxikologische Daten über Schadstoffe in Luft, Boden und Grundwasser, deren Interaktionen und Langzeitakkumulation wären Grundvoraussetzungen für die Ein- schätzung, wieviel zusätzliche Kran- ke und tote Erwachsene und Kinder die Müllverbrennung verursacht.

Wieviele Kranke und Tote durch Müllverbrennungsemissionen sind gemeint mit der Formulierung „äu- ßerst geringes" gesundheitliches Ri- siko? Darüber sollte die Stellung- nahme des wissenschaftlichen Beira- tes aufklären.

Genau zu dieser ärztlich zentra- len Fragestellung enthält die Stel- lungnahme des „Wissenschaftlichen Beirates" keine Daten. Im Gegensatz zu der Einzelschadstoffbetrachtung dieser Toxikologen sind aber wir Ärzte in unseren Praxen mit der Ein- wirkung von Gesamtschadstoffgemi- schen auf den menschlichen Körper über Jahrzehnte konfrontiert.

Die ärztlichen Beobachtungen zunehmender Krankheiten, die in ei- nem ernstzunehmenden Zusammen- hang mit Umweltschadstoffen ste- hen, sind in dieser Studie nicht be- rücksichtigt. Ihr wertvolles toxikolo- gisches Datenmaterial gibt Teil- aspekte wieder, die jedoch nicht die Realität der Arztpraxen erfassen.

Die gemeindebezogene Erstellung von Krebsregistern und weiterer Krankheitsregister als Indikatoren der gesundheitlichen Vorbelastun- gen der Menschen verschiedener Al- tersstrukturen im Umkreis einer ge- planten oder betriebenen Müllver- brennungsanlage gehört aber ebenso verpflichtend zur Bestimmung be- reits vorhandener Vorbelastungen, wie die Messung der Vorbelastungen an halogenisierten Organverbindun- gen und Schwermetallen in Luft, Bo- den und Wasser. Dabei wären bevor- A1 -2198 (56) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 33, 20. August 1993

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