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Archiv "Medica-Gespräch: Run auf Zulassungen" (11.12.1992)

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ten Feder" gewiß kritischer als in den alten Ländern. Eine Arzneimit- tel-Positivliste dürfte bei den Ärzten in den neuen Bundesländern als eine Erleichterung und als eine Entschei- dungshilfe gegenüber dem relativ intransparenten GKV-Arzneimittel- markt empfunden werden. Frau Paul berichtete, daß die Ost-Ärzte heute rund 24 000 neue Arzneimittel in der Feder führten, vor der Wende und Wiedervereinigung seien durch die Staatsmedizin lediglich 2 000 Arznei- mittel vorgegeben worden, von denen nicht alle verordnet werden durften.

Mit Sicherheit seien bei den bü- rokratischen Auflagen des GSG '93, gedeckelten Arzthonoraren, streng vorgegebenen Arzneimittel- und Heilmittelbudgets sowie den ab 1994 wirksam werdenden Arzneimittel-

Richtgrößen und verschärften Wirt- schaftlichkeitsprüfungen Qualitäts- einbußen auch bei der Arzneimittel- versorgung zu erwarten. Wenn ein Arzt durch eine restriktive Malusre- gelung bedroht werde, werde er nicht in jedem Falle das notwendige und zumeist teure Arzneimittel ver- ordnen. Die Auswirkungen des GSG '93 werden die Ärztinnen und Arzte im Osten härter treffen als die Kolle- gen im Westen, prognostizierte Frau Dr. Paul. Für die Kassenärzte in Ost- deutschland sei es ungleich schwe- rer, den Patienten Begründungen für etwas zu geben, das sie selbst kaum durchschauen können.

Für Dr. Carola Paul ist das The- ma der fortbestehenden Polikliniken allerdings nicht der Knackpunkt im Gesundheits-Strukturgesetz. Die derzeit noch bestehenden Poliklini- ken seien keine echte Bedrohung für die niedergelassenen Ärzte und sei- en kein Fremdkörper in einem Über- gangs-Gesundheitssystem. Frau Dr.

Paul: „Tatsache ist, daß die noch be- stehenden Rudimente ehemaliger Polikliniken in Form von staatlichen Ambulatorien im kleinen Stil keiner- lei Bedrohung für die niedergelasse- ne Ärzteschaft darstellen. Diese wer- den von Kommunen oder anderen Trägern finanziert und sind nur so lange haltbar, wie sie ökonomisch tragen." Größere Polikliniken gibt es nach dem Bericht der stellvertreten- den NAV-Virchow-Bundesvorsit- zenden nur noch im Raum Berlin-

Brandenburg. Die noch bestehenden und langfristig auslaufenden Polikli- niken böten noch am ehesten eine Möglichkeit, daß sich ältere Kolle- gen beruflich betätigen können.

In dem vom Bundesvorstand in- itiierten Grundsatzbeschluß zum Gesundheits-Strukturgesetz 1993 werden starre, wenn auch zeitlich be- fristete sektorale Budgetierungen abgelehnt. Starre Budgets schreiben das Schlechte fest, lassen aber das Gute sich nicht entwickeln und be- achten nicht die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Sektoren und die unterschiedlichen Rationali- sierungsfortschritte. Es müsse end- lich zur Kenntnis genommen wer- den, was auch der Rat der fünf Wirt- schaftsweisen im jüngsten Jahresgut- achten festgestellt hat, nämlich daß das Gesundheitswesen ökonomisch gesehen ein Wachstumsfaktor sei. Er wachse exponential und nicht linear.

Das Dogma der verabsolutierten Beitragsstabilität und die strikte An- bindung der Krankheitskosten an das Wachstum der beitragspflichti- gen Entgelte seien nicht haltbar.

Als dringend notwendig erachtet es der Verband, Verbundnetze in der Regie der niedergelassen Ärzte zu schaffen, um mehr Wettbewerb gegenüber dem subventionierten Krankenhaus zu erzielen.

Um Wettbewerbsneutralität zwi- schen ambulantem und stationärem Sektor zu erreichen, müsse das dua- listische Finanzierungssystem auf reine Monistik umgestellt werden.

Dies schließe ein, daß für die Wirt- schaftlichkeitsprüfung im stationä- ren Bereich die gleichen Kriterien wie im ambulanten Sektor ange- wandt werden. Die auch durch das

GSG initiierte stärkere Verzahnung von ambulant/stationär erfordere, so der NAV, daß die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig in die Pla- nungsausschüsse auf Länderebene als „unmittelbar Beteiligte" gemäß Krankenhausfinanzierungsgesetz aufgenommen werden. Der NAV- Virchowbund will auch künftig dia- logbereit bleiben und bei reformge- stalterischen Maßnahmen aktiv mit- wirken, wenn dies mit Sachverstand geschieht und nicht wiederum einsei- tig zu Lasten einer einzelnen Gruppe geht. Dr. Harald Clade

Medica-Gespräch

Run auf

Zulassungen

Einen massiven Anstieg der Kassenzulassungen noch in diesem Jahr erwartet Dr. Rainer Hess, Hauptgeschäftsführer der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Der Grund dafür seien die im Gesundheits-Strukturgesetz ab Ende Januar 1993 geplanten Ein- schränkungen bei der Eröffnung neuer Kassenarztpraxen.

In den letzten fünf Wochen habe eine derartige Antragsflut auf Kas- senzulassungen eingesetzt, daß sich die Zahl der Kassenärzte netto um fünf Prozent erhöhen werde, sagte Hess in einem Gespräch mit Gernot Kettler, Geschäftsführer der Barmer Ersatzkasse (BEK), auf der „Medi- ca" in Düsseldorf zum Thema „Der Arzt-/Ers atzkassenvertrag nach mehr als 60 Jahren — Ende einer so- zialpolitischen Vorreiterschaft? Die Situation des Vertragsarztes nach dem Gesundheits-Strukturgesetz".

Begrenztes Honorarvolumen

Eine solche Nettozunahme wer- de, so Hess, enorme Probleme schaf- fen, da die zusätzlichen Ärzte auf ein begrenztes Honorarvolumen treffen.

Allein in den alten Bundesländern müßten 75 000 Kassenärzte dann den „Honorar-Kuchen" mit mehr als 3 000 neuen Kollegen teilen. Durch die Einschränkung der Wahl des Zu- lassungsortes würden viele Ärzte, die jetzt kurz vor dem Abschluß ihrer Weiterbildung stünden, hart getrof- fen. „Langfristig stimmen die Arzte zwar einer Zulassungsbeschränkung zu, doch durch die zeitgleiche Ein- führung mit der Budgetierung ist jetzt dafür der falsche Zeitpunkt ge- wählt", sagte der KBV-Hauptge- schäftsführer.

„Stillstand bei der Entwicklung des Arzt-/Ersatzkassenvertrages be- deutet Rückschritt," meinte Kettler im Hinblick auf die vorgesehene A1-4272 (24) Dt. Arztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DER KOMMENTAR

Kostendämpfung?

Gesundheitsdämpfung!

Budgetierung für die nächsten drei Jahre. Neue medizinische Kenntnis- se und Verfahren müßten auch wei- terhin in den Leistungskatalog der Krankenkassen aufgenommen wer- den, dafür sollten obsolete Verfah- ren gestrichen und überbewertete Leistungen korrigiert werden, lau- tete seine Forderung.

Prävention aus der Deckelung

Einig waren sich der Geschäfts- führer der Barmer Ersatzkasse und Hess darin, daß die Prävention aus der Deckelung herausgenommen werden müsse. Wenn man davon ausgehe, daß Vorbeugen billiger sei als Heilen, widerspreche eine Bud- getierung dem vom Gesetzgeber ge- wollten Ausbau präventiver Maß- nahmen. Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hat inzwi- schen angekündigt, daß die Präventi- on im ärztlichen Bereich aus der Deckelung herausgenommen werde.

Kettler sieht vor allem das ge- gliederte Krankenversicherungssy- stem in Gefahr. Einer Regionalisie- rung könne er „nicht viel abgewin- nen". Künftig müßten die Verbände der Ersatzkassen mit den Kassen- ärztlichen Vereinigungen 23 Verträ- ge und 23 Prüfvereinbarungen ab- schließen.

Auch die im Gesundheits-Struk- turgesetz vorgesehene ausnahmslose Öffnung für alle Versicherten be- trachtet er kritisch. „Die Ersatzkas- sen werden dann Kassen für jeder- mann sein. Das führt zu einer Schwächung des Solidargedankens und bringt für die Versicherten zahl- reiche Nachteile mit sich." Einen Ri- sikostrukturausgleich dagegen neh- me er hin. Kettler betonte außerdem das Anliegen der Ersatzkassen, den

„traditionsreichen" Arzt-/Ersatzkas- senvertrag zu bewahren. Auch Hess sprach sich für einen Mustergesamt- vertrag mit den Verbänden der Er- satzkassen auf Bundesebene aus, dem die Kassenärztlichen Vereini- gungen beitreten sollten. Die Kas- senärztliche Bundesvereinigung wer- de sich auf jeden Fall gegen eine Zerschlagung der Ersatzkassen wen- den. Kli

Gesundheit ist kein „hohes Gut"

mehr. Sie soll uns nicht mehr kosten, auch nicht, wenn notwendige und ge- forderte Investitions-, Personal- und Produktkosten steigen. Wer gesund ist, gesund lebt, könnte sogar Geld von der Krankenkasse zurückerhal- ten; Konkurrenz zu den Privatversi- cherungen, Solidargedanke ade?

Ein neues Forschungsfeld tut sich auf: Wie kann der einzelne ver- meiden, die verschmutzte Luft zu at- men, in welchem Landstrich muß er sich ansiedeln, um eine eigene, reine Wasserquelle zu erwerben? Hoffent- lich gibt es in der Region noch Ar- beitsplätze! Und wo kann er sparen, um sich die gesunden, reinen Natur- produkte kaufen zu können, gesun- den Freizeitsport und erholsamen Urlaub finanzieren zu können? Ge- wiß, das Rauchen und den Alkohol könnte man ja lassen; wenn nur der Streß am Arbeitsplatz nicht wäre, in der Familie, mit der teuren Miete.

Wer will, der kann, alles kein Pro- blem. Wäre die Werbung nicht.

Also, die Arztschwemme muß schnellstens weg. Niederlassungsbe- dingungen erschweren! Weniger Stu- denten! Weniger Assistenzärzte! Al- le Probleme gelöst.

Merkwürdig nur, daß Patienten und Ärzte wenig von der Über- schwemmung spüren. Patienten kla- gen weiterhin über lange Wartezei- ten, lange Anfahrtswege, sofern sie nicht in der Großstadt leben. Und die Ärzte, sie müßten ja einen ruhi- gen, kurzen Arbeitstag haben. Nichts da: Der Niedergelassene hat keine 40-Stunden-Woche. Assistenzärzte und andere haben sie formal, denn Überstunden gibt's ja nicht. Es gibt sie aber! Nicht zu vergessen die AiP, die für ein Spottgehalt ebenso ihre unge- zählten Überstunden machen und meist eine volle Assistententätigkeit ausführen, und das mit voller Verant- wortung für das, was sie übernehmen.

Nun denn, kappen wir die Flut, und dann wird alles preiswert, ein neuer Fehlschluß? Was ist mit der berechtigten Hoffnung, durch mehr

Ärzte könnten Kosten im Gesund- heitswesen gespart werden?

Mehr Zeit für eine Erstbegeg- nung, Anamnese erspart oft unnöti- ge, kostenintensive Diagnostik, läßt rechtzeitiger erkennen, wann Be- schwerden psychisch/psychosoma- tisch bedingt sind. Auch dadurch las- sen sich Kosten für Diagnostik, Phar- maka, evtl. sogar Operationen, we- gen Chronifizierungen, Berentungen u. a. einsparen. Warum wird primär der andere Schluß gezogen, je mehr Ärzte, desto höher die Kosten? Ist Sparen möglich, wo?

Durch mehr Ärzte wird gespart, über weniger kostenintensive Zu- sammenarbeitsformen läßt sich re- den. Das „Gut Gesundheit" orien- tiert sich nicht am Markt wie etwa Bananen. Wir sollten dankbar sein, daß heute viele Krankheiten geheilt oder gelindert werden können, die vor einiger Zeit noch das Leben ko- steten, zur Invalidität, Berentung, Existenzgefährdung führten. Preis dafür: Altwerden verursacht Kosten.

Ist es uns das nicht wert?

Die Alten geben uns auch sehr viel! Und wir müssen mit der Reali- tät von mehr Behinderungen, chro- nisch Erkrankten leben, eben, weil nicht mehr so schnell gestorben wird.

Ist auch das uns nichts mehr wert?

Oder gehören Kranke, Behin- derte, die Nicht-ganz-Fitten wirklich schon zur Randgruppe, die zum Sün- denbock ernannt wird? Christlich, ethisch oder ganz einfach mensch- lich. Warum fragen wir nicht mehr danach, welche Kosten es verur- sacht, daß das „Rechtsschwert" uns zunehmend im Nacken sitzt und Angst, Unsicherheit verursacht?

Die Frage nach der Finanzier- barkeit ist wichtig, aber sie sollte wohl etwas sorgsamer geführt wer- den, um nicht zu zerstören, was jetzt trägt und Kosten dämpft. Angst, Un- sicherheit und undifferenzierte Vor- würfe sind wenig hilfreich. Es geht immerhin um unser wichtigstes Gut, die Gesundheit, das Leben!

Dr. med. Eike Schurbohm Dt. Ärztebl. 89, Heft 50, 11. Dezember 1992 (25) A1-4273

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