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Archiv "Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben: Neuorientierung ohne Polemik" (31.03.1995)

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POLITIK

D

er jetzt 67jährige Hermann Pohlmeier, der nur wenige Ta- ge nach dem Erwerb seiner DGHS-Mitgliedschaft an die Spitze der Gesellschaft gewählt wurde, studierte Philosophie, katholische Theologie, Psychologie und Medizin.

Nach jeweils mehrjähriger Tätigkeit als Assistenzarzt am Städtischen Kran- kenhaus München-Schwabing und am Nervenkrankenhaus Haar bei Mün- chen war er Oberarzt am Max-Planck- Institut für Psychiatrie (Forschungs- stelle Psychopathologie) in München und Leiter der Psychiatrischen Ambu- lanz an der Universität Ulm. Als Fach- arzt für Neurologie und Psychiatrie wurde er 1976 Ordinarius für Medizi- nische Psychologie an der Universität Göttingen.

Ausgleich und Verständigung

Wegen seiner international aner- kannten Beiträge zur Suizidforschung sahen die reformwilligen Kräfte der DGHS in ihm den Retter, dem es ge- lingen könnte, der durch Hans-Hen- ning Atrott in Veruf geratenen Ge- sellschaft wieder zu einem positiven Image zu verhelfen. Auf der Haupt- versammlung bei der DGHS standen die Zeichen immer noch auf Sturm — nicht weil die Neuorientierung nicht kräftig genug Wurzel geschlagen hät- te, sondern weil der abgewählte Atrott partout nicht aufgeben wollte.

Obwohl im Frühjahr 1994 vom Land- gericht Augsburg wegen Gifthandels zu einer zweijährigen Haftstrafe auf Bewährung und wegen Steuerverge- hens zu 40 000 DM Geldstrafe verur-

AKTUELL

teilt und in der DGHS ausdrücklich zur Persona non grata erklärt, sorgte er bei dieser Hauptversammlung für Trouble und Aufsehen.

Das Hauptversammlungs-Hap- pening ist für Prof. Pohlmeier der letzte Stein in dem Mosaik, das er zer- schlagen muß, um die DGHS vom Ruf der Giftmischer zu befreien.

Der Polemik gegen andere, oft sinnverwandte Gruppen oder Organi- sationen, wie sie früher von der DGHS oft bis zur ausweglosen Kon- frontation betrieben wurde, erteilt Pohlmeier eine klare Absage, die er allerdings nicht als Auftakt eines Schmusekurses verstanden wissen will. Gegenüber den Hospizvereinen, den Humanistischen Verbänden oder dem Freidenker-Verband tendiert er zu Ausgleich und Verständigung, womöglich sogar zu einer bislang nur schwer vorstellbaren Aufgabenver- teilung: „Von der Kompetenz der DGHS in Theorie und Praxis der Sterbehilfe kann die Hospizbewe- gung profitieren wie umgekehrt die DGHS von der Kompetenz der Hos- pizvereine in der Sterbebegleitung."

Schädlich sei auch eine Fortset- zung unsachlicher Polemik gegen die Ärzteschaft und deren Körperschaf- ten beziehungsweise Verbände. Denn das Anliegen „Humanes Sterben"

dürfte mit den Ärzten sicher „sehr viel leichter zu realisieren sein als ge- gen sie". Nicht zuletzt müsse auch die Dauerpolemik der DGHS gegen die Amtskirchen aufhören.

Als erfreulichen Schritt nach vorn bezeichnet Prof. Pohlmeier die Wiederaufnahme der DGHS in die

„World Federation of Right to Die Societies" als Vollmitglied. Zunächst

hält es der Präsident für wahrschein- lich, daß sich die Annäherung diver- gierender Auffassungen und Einstel- lungen nur in einem quasi rechtsfrei- en Raum vollziehen kann. Ein Not- wehrrecht, das den Kranken vor sei- ner qualvollen, aber aussichtslosen Lebensverlängerung schützt oder ihn vor der Gefahr eines Mißbrauchs me- dizinischer Technik bewahrt, werde vorerst wohl Zukunftsmusik bleiben — und dies, obwohl man wisse, daß „in einer Grauzone von Unwissen und Orientierungslosigkeit auch in Deutsch- land in geradezu erschreckendem Aus- maß Sterbehilfe geschieht".

Gegenüber den Juristen und der Justiz will sich Pohlmeier langsam an mögliche Problemlösungen heranta- sten. Dabei hält er es für möglich, das Rechtsdenken durch Elemente des Humanismus und der Aufklärung an- zureichern, was nach seiner Überzeu- gung auch einer präziseren Definition des wohlfeilen und vielberufenen Be- griffs „Würde" nur zugute kommen könnte.

Symptome für juristisches Um- denken erkennt Pohlmeier in dem Urteil, mit dem der Bundesgerichts- hof die Fälle zulässiger passiver Ster- behilfe im September 1994 behutsam erweitert hat (AZ: 1 Str. 375/94). Die- se Entscheidung besagte, daß ein Be- handlungsabbruch bei im Koma lie- genden, irreversibel hirngeschädigten Kranken zulässig sein kann. Von der künftigen Entwicklung des Straf- rechts erhofft sich Pohlmeier letztlich die „Inauguration eines Arztes, der schwerkranken Patienten auch dann Entlastung verschaffen kann, wenn damit die Verkürzung des Lebens ver- bunden sein sollte".

Patiententestamente

Von dem „Alternativentwurf ei- nes Gesetzes über Sterbehilfe (AE- Sterbehilfe)", den ein Arbeitskreis aus Strafrechtlern und Medizinern 1986 zur Diskussion stellte, ohne daß er damals Gesetzeskraft erlangt hätte, erwartet der Präsident dennoch Re- formwirkungen. Denn nach diesem Entwurf sollen rechtens sein: Ab- bruch oder Unterlassung lebenserhal- tener Maßnahmen (§214). Leidens- mindernde Maßnahmen (§ 214a) und

Die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben

Neuorientierung ohne Polemik

In einem ausführlichen Gespräch, das außer Geschichte, Rechtskunde, Medizin und Psycho- logie auch Religion sowie Philosphie einbezog, entwarf Prof. Dr. med. Hermann Pohlmeier, seit 8. Mai 1993 Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), das Bild einer irregeleiteten Organisation, die sich auf ihre ursprünglichen Ziele zurückbesinnen will.

A-914 (16) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 13, 31. März 1995

(2)

THEMEN DER ZEIT

die Nichthinderung einer Selbstötung (3 215). Die Tötung auf Verlangen soll Unrecht bleiben, aber mit der Mög- lichkeit, von einer Strafe abzusehen.

Überdies müßten die vorgesehenen Regelungen an das ausdrückliche und ernstliche Verlangen und das wieder- holte Einverständnis des Betroffenen gebunden sein.

Für Pohlmeier ist der Alternativ- entwurf unter anderem deshalb von Interesse, weil er der Rechtsverbind-

R

und 60 Prozent der in einer re- präsentativen Stichprobe in den alten und in den neuen Bundesländern befragten Be- triebe meldeten dem Ulmer Untersu- chungsteam, daß im Rahmen der für die Belegschaft angebotenen freiwilli- gen Programme und Veranstaltungen auch Maßnahmen der Gesundheits- förderung und des Gesundheitssports offeriert werden. Fast 80 Prozent der befragten Betriebe gaben an, daß sie im Rahmen der Gesundheitsförde- rungsmaßnahmen vor allem Program- me im Bereich des Bewegungs- und Stützapparates zugunsten der Mitar- beiter anböten und durchführten. In der Rangfolge der offerierten Pro- gramme folgen die Themen Ernährung, Streß, Suchtentwöhnung, Gewichtsreduktion und andere Maß- nahmen zur Bekämpfung von soge- nannten Zivilisationskrankheiten.

Am wenigsten häufig wurden solche

BERICHTE

lichkeit der von der DGHS geschaffe- nen Patiententestamente dienlich sein könnte. Diese persönlichen Ver- fügungen von Mitgliedern werden bei der Gesellschaft gesammelt und so gespeichert, daß sie in der Augsbur- ger Zentrale jederzeit abgerufen, not- falls aber auch überprüft werden kön- nen, um den Willen des Patienten mit dem Wissen des Arztes jederzeit in Übereinstimmung zu halten.

Kurt Gelsner

Programme genannt, die vor allem der Verbesserung des Betriebsklimas dienen sollen, oder Spezialthemen, die zum Beispiel die Bewältigung von von gesundheitlichen Problemen bei Schichtarbeit aufgreifen.

Angebote nicht

zielgruppenorientiert

Eine Zusatzerhebung ergab, daß die Programme am häufigsten in Form von Wochenendlehrgängen an- geboten werden. Generell wurde fest- gestellt, daß die Programme und Maß- nahmen zum größten Teil nicht ziel- gruppenorientiert in Form eines Scre- enings angeboten werden. Vielmehr gilt in den Betrieben die Regel, daß die Programme sich an den gesamten Personenkreis der Belegschaft rich- ten. Dies hat allerdings, so die Ulmer Analytiker, den Nachteil, daß letztlich

nur ein sehr kleiner Teil der von Ge- sundheitsbeeinträchtigungen Betrof- fenen tatsächlich erreicht wird. Dage- gen werden vergleichbare Program- me in den USA gezielt an bestimmte Personengruppen herangetragen und auf diese zugeschnitten. In den bun- desdeutschen Betrieben hingegen sei man in dieser Hinsicht sehr zurück- haltend, so der Schluß des Projektlei- ters Prof. Traue. Nicht zuletzt deswe- gen, weil in den USA seit jeher offe- ner über Gesundheitsgefährdungen, Süchte und Umweltgefahren disku- tiert wird, findet dort kaum eine Stig- matisierung derjenigen statt, die sich von Gesundheitsförderungsmaßnah- men angesprochen fühlen und sich daran rege beteiligen. Es werde dort als ganz normal erlebt, wenn derjeni- ge, der gesundheitlich beeinträchtigt ist, auch tatsächlich entsprechende Maßnahmen konsequent in Anspruch nimmt und etwas „für seine Gesund- heit tut".

Streß spielt keine Rolle

In speziellen Programmen wie

„Rückenschulen" werden zumeist Kenntnisse über die medizinischen und physiologischen Grundlagen der Erkrankungen des Bewegungs- und Stützapparates sowie Anleitungen für rückenschonende Arbeitsweisen ver- mittelt. Dagegen werden kaum die Auswirkungen von Streß oder ande- ren Risikofaktoren, die wegen ihrer hohen sozialen, betrieblichen und in- dividuellen Kosten besonders rele- vant sind, thematisiert.

Am häufigsten wird in soge- nannten Gesundheitskursen und Ge- sundheitssport-Lehrgängen das Be- wegungstraining durchgeführt. Hier besteht allerdings weitgehend eine Festlegung auf klassische Bereiche wie etwa Gymnastik, 'Rückenschule, Wirbelsäulengymnastik. Professio- nell angeleiteten Gesundheitssport etwa zur Stärkung der allgemeinen kardio-vaskulären Fitneß oder zum Muskelaufbautraining werden dage- gen vergleichsweise selten angebo- ten.

Rund 70 Prozent der telefonisch befragten Betriebe gaben an, daß sie auch Lehrgänge und Kurse zum Ent-

Betriebliche Gesundheitsförderung

Fortschritte erkennbar

Systematisch durchgeführte, etablierte und qualitativ hochstehende Gesundheitsförderungs- und Präventionsprogramme in den Unternehmen und Betrieben sind noch längst nicht Rou- tine und allgemein akzeptiert. Immerhin gibt es Indizien, daß systematisch erarbeitete Ge- sundheitsförderungsprogramme bis hin zu Gesundheitssportmaßnahmen zumindest in größeren Betrieben und in Unternehmen, die eine eigene Betriebskrankenkasse haben, wei- ter verbreitet sind als in Klein- und Mittelbetrieben und in Unternehmen mit einer differen- zierten Belegschaft. Die Akzeptanz und Beteiligung der Belegschaften läßt noch zu wün- schen übrig. In der Regel sind es nur fünf bis zehn Prozent der Angesprochenen, die an Ge- sundheitsförderungskursen teilnehmen. Immerhin gibt es in den letzten Jahren einige Fort- schritte. Eine empirische Erhebung von Prof. Dr. rer. biol. hum. Harald Traue, Abteilung für Medizinische Psychologie der Universität Ulm, im Auftrag der Deutschen Zentrale für Volks- gesundheitspflege e. V. (DZV), Frankfurt, ergab höchst aufschlußreiche Hinweise.

Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 13, 31. März 1995 (17) A-915

Referenzen

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