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Archiv "Neuere Aspekte der chronischen Pyelonephritis: Diagnostik und Therapie" (06.02.1975)

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Aktuelle Medizin KOMPENDIUM

Die akute Pyelonephritis ist eine relativ eindeutige Krankheit. Sie ist durch plötzlichen Krankheitsbe- ginn, Rückenschmerzen, dysuri- sche Beschwerden, Fieber und ty- pischen Urinbefund sowie meist gutes Ansprechen auf antibakte- rielle Chemotherapeutika gekenn- zeichnet. Dagegen ist die chroni- sche Pyelonephritis nach wie vor eine problematische Krankheit.

Bei ihr handelt es sich um eine vorwiegend die Nierentubuli schä- digende chronische interstitielle Nephritis, die definitionsgemäß durch direkte Einwirkung von Bak- terien hervorgerufen wird und in der Regel über viele Jahre in Schü- ben verläuft.

Probleme bei der differentialdia- gnostischen Einordnung ergeben sich, wenn Symptome einer chroni- schen interstitiellen Nephritis über

längere Zeit ohne Bakteriurie ein- hergehen oder wenn bei zufällig diagnostizierter chronischer Bakte- riurie keine Symptome einer inter- stitiellen Nephritis festzustellen sind (asymptomatische Bakteri- urie).

Ob eine chronische interstitielle Nephritis, die ursprünglich von ei- ner Harnwegsinfektion ausgelöst wurde, ohne weitere bakterielle Einwirkung (etwa infolge immuno- logischer Prozesse) weiter fort- schreiten und ohne rezidivierende Bakteriurie im Insuffizienzstadium enden kann, ist noch nicht geklärt.

Andererseits ist im Einzelfall gele- gentlich nicht festzustellen, ob eine Bakteriurie auch mit einer bakte- riellen Besiedlung des Nierenpar- enchyms einhergeht. Selbst wenn eine Bakteriurie mit den Sympto- men einer interstitiellen Nephritis einhergeht, ist dies noch nicht als

sicherer Beweis dafür anzusehen, daß die Bakterien den eigentlichen ätiologischen Faktor der Nieren- krankheit darstellen.

Chronische Harnwegsinfektionen gehen typischerweise auch mit Nierenerkrankungen einher, die per se das klinische und patholo- gisch-anatomische Bild der inter- stitiellen Nephritis hervorrufen, wie etwa Gichtnephropathie und Nieren- schäden durch Analgetikaabusus oder chronischen Kaliummangel.

'Es ist geradezu bezeichnend für die chronische Bakteriurie, daß sie als sekundäres Symptom häufig eine andere Nierenkrankheit be- gleitet. An erster Stelle solcher zur chronischen Harnwegsinfektion prädisponierender Nierenaffektio- nen stehen alle Arten der Harnab- flußbehinderung, wie Nierenzysten, Mißbildungen der ableitenden Harnwege, Nephrolithiasis, Fremd- körper oder Tumoren in der Harn- blase und Strikturen der Urethra.

Auch die Schwangerschaft prädis- poniert zur Pyelonephritis.

Es wird heute sogar bezweifelt, ob es die primäre chronische Pyelone- phritis, also die chronische intersti- tielle Nephritis bakterieller Genese, ohne sonstige schädigende Ein- flüsse auf den Harntrakt überhaupt gibt; das gilt zumindest für die Häufigkeit, mit der diese Krankheit diagnostiziert wird.

Diagnostisch kommt es bei der chronischen Pyelonephritis in er- ster Linie darauf an, das wichtigste und einzig kausal anzugehende Symptom, die Bakteriurie, frühzeitig und zuverlässig zu erfassen und gewissenhaft nach allen prädispo- nierenden Faktoren zu fahnden.

Diagnose

der chronischen Pyelonephritis Die klinischen Symptome der chro- nischen Pyelonephritis sind häufig unspezifisch, so daß sie in vielen Fällen nur erfaßt wird, wenn groß- zügig die Indikation zum Anlegen einer Urinkultur gestellt wird (Ta- belle 1). In jeder Arztpraxis kann

Neuere Aspekte

der chronischen Pyelonephritis

Diagnostik und Therapie

Hans Loew und Heinz Losse

Aus der Medizinischen Poliklinik

(Direktor: Professor Dr. med. Heinz Losse) der Universität Münster

Die differentialdiagnostische Abklärung der chronischen Pyelone- phritis erfordert an erster Stelle eine sachkundige bakteriologische Urinanalyse. Der röntgenologische und labormedizinische Nach- weis einer Nierenschädigung sowie der Nachweis prädisponieren- der Faktoren erhärten die bakteriologische Diagnose. Im Gegensatz zu den im allgemeinen zuwenig beachteten, teilweise schwerwie- genden Nebenwirkungen moderner Chemotherapeutika, wird der Wert der antibakteriellen Chemotherapie bei der chronischen Pye- lonephritis eher überschätzt.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 6 vom 6. Februar 1975 333

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Aktuelle Medizin Pyelonephritis

heute ohne nennenswerten Auf- wand nahezu jede Bakteriurie exakt erfaßt und eine echte Harn- wegsinfektion von einer bakteriel- len Kontamination der Harnprobe unterschieden werden. Wichtigste Hilfsmittel dabei sind die im Han- del erhältlichen Eintauchnährbö- den vom Typ des Uricult ® -Testes und die Blasenpunktion.

Bakteriologische Harndiagnostik in der Allgemeinpraxis

Für die Routine empfehlen wir fol- gendes Vorgehen: Der Patient be- kommt einen keimarmen Einmalbe- cher mit weiter Öffnung (etwa Eis- becher vom Großhändler) und wird angewiesen, die erste Harnportion in die Toilette laufen zu lassen und den nachfolgenden Harnstrahl auf- zufangen (vereinfachte Mittelstrahl- technik). Kompliziertere Anforde- rungen an die Mittelstrahltechnik sind in der Arztpraxis kaum einzu- halten und sind nach eigenen Un- tersuchungen auch nicht unbedingt erforderlich. In den frisch gelasse- nen Urin wird der Nährbodenträger (wie Uricult-Träger) getaucht und für 24 Stunden in einem kleinen Brutschrank oder bei Zimmertem- peratur stehengelassen. Der übrige Urin kann zur normalen Urinanaly- se mit Teststäbchen und zur Be- stimmung der Leukozytenzahl ver- wandt werden (Darstellung 1). Ent- scheidend ist es, die Keimzahl pro Milliliter Urin festzustellen. Sie ist beim Uricult-Verfahren, mit wel-

chem wir die meisten Erfahrungen gesammelt haben, mit einer für kli- nische Zwecke absolut ausreichen- den Genauigkeit abzulesen. Wich- tig ist, daß der Urin sofort, nach- dem er gelassen wurde, auf den Nährboden kommt (von zu Hause mitgebrachter Urin sollte nicht ver- wendet werden!) und daß die Kul- tur möglichst bald nach Ablauf von 24 Stunden Bebrütungszeit abgele- sen wird.

Enthält der Mittelstrahlurin pro Mil- liliter keine oder weniger als 10 4

Keime, kann man sich in der Regel mit dem Ergebnis zufriedengeben und einen floriden Harnwegsinfekt ausschließen. Sind pro Milliliter mehr als 10 4 Keime vorhanden, muß die Urinkultur wiederholt wer- den. Bestätigt sich der erste Be- fund, so muß eine Harnwegsinfek- tion angenommen und weitere dia- gnostische Schritte durchgeführt werden.

Ist der bakteriologische Befund fraglich, kommt die Uringewinnung mittels suprapubischer Blasen- punktion in Frage (Darstellung 2).

Sie ist wohl erprobt, liefert absolut kontaminationsfreien Urin, belä- stigt den Patienten nicht mehr als eine Venenpunktion und ist mit ei- ner sehr geringen Komplikations- quote belastet. Sie kann von jedem Arzt erfolgreich und nahezu ge- fahrlos durchgeführt werden und sollte dem heute noch weit verbrei- teten bedenkenlosen Blasenkathe- terismus für diagnostische Zwecke

vorgezogen werden. Im Gegensatz zum Mittelstrahlurin ist Punktions- urin auch dann schon pathologisch zu bewerten, wenn er pro Milliliter weniger als 10 4 Keime enthält, was bei echten Harnwegsinfektionen al- lerdings selten vorkommt. Norma- ler Blasenurin ist steril; jedem Keimbefund im Punktionsurin sollte daher nachgegangen werden.

Die Leukozytenzählung im Urin Gegenüber der Urinkultur hat die Leukozytenzählung im Urin weit weniger Bedeutung. Diagnostisch exakt zu verwerten ist eigentlich nur die Leukozytenexkretion in 24 Stunden. Diese Bestimmung ist we- gen des hohen Aufwandes routine- mäßig aber kaum durchführbar.

Außerdem schließt eine normale Leukozytenzahl im Urin keines- wegs einen Harnwegsinfekt aus;

eine signifikante Leukozyturie ist auch kein Beweis für eine Harn- wegsinfektion, die mit antibakte- riellen Chemotherapeutika behan- delt werden müßte. Vermehrte Leu- kozytenzahlen im „sterilen" Urin sollten aber an Tuberkulose den- ken lassen und Anlaß für entspre- chende Untersuchungen sein.

Bei Harnwegsinfektionen tritt eine Leukozyturie mit leichter Protein- urie häufiger als eine isolierte Leu- kozyturie auf. Eine geringe Pro- teinurie allein ist dagegen ein unspezifisches Symptom nahezu jeder Nierenkrankheit. Spezifisches Merkmal der floriden Nierenparen- chyminfektion sind Leukozytenzy- linder im Urin. Sie repräsentieren

„Eiterausgüsse" der Tubuli. Aller- dings sind sie im Zentrifugat des Urins von Pyelonephritis-Kranken nicht sehr häufig zu finden, so daß sich die Suche danach kaum lohnt.

Auf die Zählung der Leukozyten im Sediment des zentrifugierten Spon- tanurins kann verzichtet werden.

Dieses Verfahren ist unzuverlässig, zumal meist nicht mit exakt pipet- tierten Urinmengen sowie exakter Zentrifugendrehzahl und -dauer ge- arbeitet wird. Die einfachste und einen guten Überblick gewährende Tabelle 1: Diagnose der chronischen Pyelonephritis

An chronische Pyelonephritis ist zu denken:

• bei allen unklaren Krankheitszuständen, besonders bei Frauen und Kindern

• bei jeder Harnwegssymptomatik

• bei Nephrolithiasis, Gicht, Diabetes, Hypertonus

Wichtigste diagnostische Maßnahmen in der Allgemeinpraxis bei Verdacht auf chronische Pyelonephritis:

■ wiederholte Urinkulturen mit Bestimmung der Keimzahl

• chemische und mikroskopische Urinanalyse

lt

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Eiweiß, Glukose etc.

Mikroskopische Untersuchung des frischen unzentri - fugierten Urins

Aktuelle Medizin

Einfache Routineuntersuchung des Urins in der Praxis

24 Stunden bei 37°C oder Zimmertemperatur

nach der vereinfachten M ittelstrahttechni k frisch gelassener Urin

keimarmer Einmalbecher

Bakteriologisches Labor für Keimart

und Resistenz halb

quantitative Urinkultur ( Uricult®)

Darstellung 1: Einfache Routineuntersuchung des Urins in der Praxis

Methode ist die Zählung der Leu- kozyten im frisch gelassenen un- zentrifugierten Urin auf dem Ob- jektträger bei achtmal 40facher Vergrößerung. Ein Befund von durchschnittlich mehr als fünf Leu- kozyten pro Gesichtsfeld ist als pa- thologisch zu werten (das Deck- gläschen darf dabei nicht schwim- men).

Weitere diagnostische Maßnahmen Ist eine Bakteriurie, insbesondere eine chronische Bakteriurie, als gesichert anzusehen und besteht keine Eile zur Behandlung, sollten spezielle diagnostische Maßnah- men angeschlossen werden (Ta- belle 2). Zunächst sollte in einem bakteriologischen Labor die Art der Keime identifiziert und ihr Re- sistenzverhalten gegen die ge- bräuchlichsten antibakteriellen Chemotherapeutika geprüft wer-

den. Die Art des Urinkeims gibt in unklaren Fällen häufig zusätzliche Information über die „Echtheit"

des bakteriologischen Befundes.

Bei unbehandelten echten Harn- wegsinfektionen ist meist nur eine Keimart vorhanden; außerdem sind gramnegative Erreger wesentlich häufiger als grampositive.

Die wichtigste weitere diagnosti- sche Maßnahme ist die Anfertigung eines intravenösen Pyelogramms, eventuell mit Reflux-Pyelographie.

Es ist davor zu warnen, aus tech- nisch unzureichenden Aufnahmen chronisch entzündliche Verände- rungen herauszulesen oder gar eine chronische Pyelonephritis zu diagnostizieren. Diese Diagnose sollte ohne sichere bakteriologi- sche Beweise ohnehin nicht ge- stellt werden. Bedeutsamer ist der Nachweis von Veränderungen an Nieren und ableitendem Harnwegs- system, die den Harnabfluß beein-

trächtigen und dadurch zu den wichtigsten zur chronischen Pyelo- nephritis prädisponierenden Fakto- ren werden. (Darstellung 3). Sind solche Faktoren vorhanden, spricht man von einer „obstruktiven Pyelo- nephritis"; sie wirft besondere Pro- bleme bei der antibakteriellen Che- motherapie auf. Eine kausale ope- rative Behandlung ist nur relativ selten (zum Beispiel bei vesiko- ureteralem Reflux, Steinen, Diverti- kein, gut- und bösartigen Tumoren) möglich. Andere prädisponierende Faktoren wie Diabetes, Gicht oder Hyperkalzämie-Syndrome, ergeben sich aus den blutchemischen Un- tersuchungen (Tabelle 2).

Finden sich neben der signifikan- ten Bakteriurie bei einem be- schwerdefreien Patienten keine ty- pischen prädisponierenden Fakto- ren der Pyelonephritis und keine Hinweise für eine Nierenerkran- kung, so handelt es sich um eine

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 6 vom 6. Februar 1975 335

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Aktuelle Medizin Pyelonephritis

Tabelle 2: Spezielle diagnostische Maßnahmen bei signifikanter Bakteriurie

a) zur weiteren bakteriologischen Diagnostik:

..,.. Einsendung frischen Urins oder des bebrüteten Nährbodenträ- gers in ein bakteriologisches Labor zur Spezifizierung und Sen- sibilitätstestung der Keime

b) zum Nachweis einer Nierenfunktionsstörung:

..,.. Serum-Kreatininspiegel und Kreatinin-Ciearance ..,.. Serum-Ionen (Natrium, Kalium)

..,.. Konzentrationsversuch ..,.. Säure-Basen-Status ..,.. lsotopennephrogramm

c) zum Nachweis eines prädisponierenden Faktors:

..,.. Infusionspyelogramm (mit Refluxprüfung) ..,.. Blutzucker, Serum-Harnsäure, Serum-Kalzium ..,.. gynäkologische Untersuchung

urologische Untersuchung

Darstellung 2: Technik der Blasenpunktion: Der Patient trinkt etwa 0,5 Liter Flüssigkeit und kann zusätzlich 40 Milligramm Lasix einnehmen. Etwa eine halbe bis zwei Stunden später spürt der Patient unwiderstehli- chen Harndrang. in Rückenlage kann dann mit einer normalen Blutentnah- mekanüle und einer Zehn-Milliliter-Spritze direkt oberhalb der Symphyse senkrecht eingegangen und Urin aspiriert werden. Relative Kontraindikatio- nen sind Bauchtumoren unEJ Unterleibs-Operationsnarben, schwere floride Pyelonephritiden und Blutungsneigung

asymptomatische Bakteriurie im

strengen Sinn. Der Begriff wird lei- der häufig mit unklarer Definition gebraucht. So wird auch bei be- schwerdefreien Schwangeren mit

signifikanter Keimausscheidung im

Urin von einer asymptomatischen Bakteriurie gesprochen. Die Schwangerschaft stellt aber eine typische Prädisposition zur Pyelo- nephritis dar. Eine signifikante Bakteriurie bei Schwangerschaft sollte daher, auch wenn keine Nie-

renerkrankung festzustellen ist,

nicht als asymptomatisch klassifi- ziert und behandelt werden. Klini- sche Beobachtungen haben bereits gezeigt, daß auf eine unbehandel- te sogenannte .,asymptomische Bakteriurie" während der Schwan- gerschaft im weiteren Verlauf bei 25 Prozent der Patientinnen eine akute Pyelonephritis folgt.

Die Bedeutung der asymptomati- schen Bakteriurie im strengen Sinn ist unklar. Es sind verschiedene Methoden angegeben worden, um in solchen Fällen den Nachweis er- bringen zu können, daß die im Bla- senurin gefundenen Keime aus der Niere stammen. Dazu soll die Mes- sung der Keimausscheidung unter forcierter Diurese, die Blasenaus- waschmethode unter Verwendung eines Blasenkatheters oder neuer- dings der Nachweis von Antikör- pern an der Bakterienoberfläche geeignet sein. Wahrscheinlich sind all diese Bemühungen um die Lo- kalisationsdiagnostik der Infektion relativ unergiebig. Dies gilt beson- ders auch für die Nierenbiopsie bei

Verdacht auf Pyelonephritis. Die

Bedeutung einer asymptomati- schen Bakteriurie läßt sich am ehe- sten durch langfristige Beobach- tung des Patienten klären.

Therapie

der chronischen Pyelonephritis Die Möglichkeit zur kausalen The- rapie der Pyelonephritis besteht ei- gentlich nur, wenn obstruktive Ver- änderungen des Harntraktes als prä- disponierende Faktoren vorliegen.

Allerdings sind Obstruktionen rela- tiv selten operativ zu entfernen. Die

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Darstellung 3: Harnabflußbehinderungen, welche im intravenösen Pyelo- gramm dargestellt werden können. 1 = Markschwammniere, 2 = Zysten- niere, Nierenzyste, 3 = Wanderniere, 4 Nierenstein, 5 = Ureterknickung, 6 — Hufeisennieren, 7 -> Langniere mit doppeltem Nierenbecken, 8 = Doppelnieren, 9 = Blasendivertikel, 10 = Ureterstenose, 11 — Prostata- hypertrophie, 12 Zystozele

Aktuelle Medizin Pyelonephritis

besten Erfolge sind bei Urolithia- sis und hier besonders bei Urat- steinen zu erzielen.

Die antibakterielle Chemotherapie ist bei chronischer Pyelonephritis im eigentlichen Sinn nicht als kau- sal anzusehen. Zwar kann mit ihr der Urin vorübergehend keimfrei werden, aber die chronische Rezi- divneigung wird damit nicht besei- tigt. Nach den Erfahrungen der letzten zehn Jahre konnten die mo- dernen antibakteriellen Substanzen wenig an der Prognose der chroni- schen Pyelonephritis ändern. Das sollte bei der Indikationsstellung zur antibakteriellen Chemotherapie unbedingt berücksichtigt werden.

Die Gefahren einer allzu bedenken- losen Chemotherapie können (vor allem bei Niereninsuffizienz) grö- ßer als die einer unbehandelt ge- lassenen chronischen Bakteriurie sein. Die Führung von Patienten mit chronischer Pyelonephritis ist in zunehmendem Maße Aufgabe speziell erfahrener Kollegen ge- worden. Allgemeingültige Empfeh- lungen für den Umgang mit anti- bakteriellen Chemotherapeutika bei chronischer Pyelonephritis zu geben ist kaum möglich.

Wann sollte behandelt werden?

Es ist heute nicht mehr vertretbar, jeden signifikanten bakteriellen Urinbefund als Indikation zur Che- motherapie zu werten. Auch sollte die Wahl der antibakteriellen Sub- stanz bei therapiebedürftiger Bak- teriurie nicht nur vom Resistenz- verhalten der Keime im Plättchen- diffusionstest abhängen. In folgen- den Fällen kann eine Behandlung sogar unterbleiben:

Bei „asymptomatischer Bakte- riurie", bei der zwar eine signifi- kante Bakteriurie, aber kein Hin- weis auf eine Nierenerkrankung oder einen typischen, zur Pyelo- nephritis prädisponierenden Faktor vorliegt.

Wenn mit mehreren Behandlun- gen von jeweils zwei bis drei Wo- chen mit hochdosierten Chemo- therapeutika keine anhaltende Keimfreiheit erzielt werden konnte

und keine wesentlichen klinischen Symptome, wie Schmerz und Fie- ber, bestehen.

In der Schwangerschaft, die einen prädisponierenden Faktor für die Pyelonephritis darstellt, sollte hin- gegen jede asymptomatische Bak- teriurie prompt behandelt werden

(Tetrazykline oder Chlorampheni- col in der Schwangerschaft vermei- den).

Womit sollte behandelt werden?

Patienten mit Pyelonephritis sollten möglichst mit einer atoxischen an- tibakteriellen Substanz, mit der hohe Serumspiegel zu erzielen sind (Penicilline, Cephalosporine) behandelt werden. Von den hoch- wirksamen, aber toxischen Amino- glykosiden sollte nur Gentamycin, nicht aber Streptomycin und Kana- mycin gegeben werden, und zwar

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 6 vom 6. Februar 1975 337

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Aktuelle Medizin Pyelonephritis

nur, wenn dies nach dem Antibio- gramm empfehlenswert erscheint und bereits Penicilline und Cepha- losporine erfolglos verabreicht worden sind.

Bei Niereninsuffizienz sind eher hochdosiert Penicilline und Cepha- losporine zu verabreichen, als mit Gentamycin Labyrinthschäden in- folge Kumulation dieses Medika- mentes zu riskieren. Das gilt auch, wenn das Resistogramm Gentamy- cin als einzig wirksames Medika- ment erscheinen läßt. Bei diesem Vorgehen können überraschende klinische Erfolge erzielt werden.

Streptomycin und Kanamycin sind bei Niereninsuffizienz wegen der Gefahr der Ertaubung des Patien- ten kontraindiziert. Nitrofurantoin (Furadantin®) und Nalidixinsäure (Nogram ®) liefern hohe Harnspie- gel, aber keinen therapeutisch wirksamen Serumspiegel. Eine Nie- renparenchyminfektion ist mit die- sen Medikamenten wahrscheinlich nicht zu beeinflussen. Sie kommen für die Langzeitprophylaxe bei chronischer Pyelonephritis und bei Zystitis mit Bakteriurie in Frage.

Nitrofurantoin und Nalidixinsäure sollten nicht mehr verabreicht wer- den, wenn eine Niereninsuffizienz vorliegt. Wenn sie kumulieren, können sie wie die Aminoglykoside toxische Serumspiegel erreichen und unangenehme oder gefährli- che Nebenwirkungen entfalten.

Als sehr wirksam und wenig schäd- lich hat sich in letzter Zeit auch das Kombinationspräparat Trime- thoprim/Sulfamethoxazol (Bac- trim®, Eusaprim®) erwiesen. Es ist wahrscheinlich in geeigneter Dosierung auch in der Schwanger- schaft und bei Niereninsuffizienz anwendbar, und zwar sowohl bei Nierenparenchym- als auch Hohl- rauminfektionen.

Wie sollte behandelt werden?

Bei Verwendung atoxischer Che- motherapeutika sollten für zwei bis drei Wochen hohe Dosen gege-

ben werden (Ampicillin, 3 bis 15 Gramm/die, Cephalosporine 2 bis 8 Gramm/die). Bei Medika- menten mit geringer therapeuti- scher Breite (Gentamycin) sollten die von den Herstellern empfohle- nen Dosierungen möglichst nicht überschritten werden.

Die Behandlung kann in der Regel ambulant erfolgen. Bestehen aber erhebliche klinische Symptome, ist Bettruhe einzuhalten und even- tuell eine parenterale Chemothera- pie durchzuführen, um sicher zu sein, daß ausreichend hohe Serum- spiegel erzielt werden. Häufige

Urinkulturen, sowohl zehn Tage nach der Behandlung als auch in ein- bis dreimonatigen Ab- ständen, sind erforderlich. Bei Wie- derauftreten einer Bakteriurie ist eine erneute Stoßtherapie ange- zeigt.

Wann kommt eine

Langzeitprophylaxe in Frage?

Wenn eine hochdosierte antibakte- rielle Chemotherapie zur Keimfrei- heit geführt hat, kann bei chro- nisch rezidivierender Harnwegsin- fektion eine Langzeitprophylaxe vorgenommen werden. Sie wird so lange beibehalten, wie der Urin keimfrei bleibt, aber möglichst nicht länger als sechs Monate. Zur Verwendung kommen Nitrofuran- toin, zum Beispiel als Furadantin retard® 100 mg täglich, Nali- dixinsäure (Nogram®) etwa zwei Gramm täglich oder Trimethoprim/

Sulfamethoxazol (Eusaprim ®, Bac- trim®) zwei Tabletten täglich. Tritt während der Langzeittherapie oder nach ihrem Absetzen wieder eine signifikante Bakteriurie auf, ist eine erneute Gabe hochdosierter se- rumwirksamer Chemotherapeutika erforderlich.

Anschrift der Verfasser:

Privatdozent

Dr. med. Hans Loew Professor

Dr. med. Heinz Losse 44 Münster

Westring 3

IN KÜRZE

Therapie

Bei frischen Traumen der Schädel- basis muß auch stets der Otorhino- laryngologe in das diagnostische und therapeutische Procedere mit einbezogen werden, gleichgültig, ob es sich um frontobasale oder laterobasale Frakturen handelt. Die erste vom Hals-Nasen-Ohren-Arzt durchzuführende Maßnahme ist in solchen Fällen die Sanierung der lädierten pneumatischen Schädel- räume. Wird das vernachlässigt, können sich über Nase, Nasenne- benhöhlen und Ohr entzündliche Prozesse entwickeln, die sich en- dokraniell ausbreiten. Dazu zählen etwa Meningitiden, Enzephalitiden, Hirnabszesse und Sinusthrombo- sen. Es kann aber auch zu gefährli- chen Schädeldach-Osteomyelitiden kommen, wenn man nicht adäquat saniert. Ferner muß der Otorhinola- ryngologe bei frontobasalen und laterobasalen Frakturen für die Funktionserhaltung der lädierten Organe sorgen und gegebenen- falls ästhetische Korrekturen vor- nehmen. cb (Kley, W.: HNO 22 [1974],129-133)

Das Virustatikum und Zytostatikum Cytosinarabinosid (Alexan ® ), das sich bei Herpes-Keratitis bewährt hat, wurde vom Forschungsinstitut III der US-Navy bei einem Aus- bruch von Variola in Addis Abeba neun mittelschwer erkrankten Pa- tienten gegeben. Neun weitere Kranke dienten bei dem Doppel- blindversuch als Kontrollpersonen.

Dabei zeigte sich, daß die Medika- tion den sonst üblichen mitigieren- den Maßnahmen in keiner Weise überlegen war. Alle Patienten durchliefen die bekannten Stadien der Krankheit. Bei keinem der mit dem Virustatikum behandelten Pa- tienten waren Dauer, Fieberhöhe, Ödeme und Appetitlosigkeit weni- ger ausgeprägt als bei den Unbe-

handelten. HH

(Dennis, T. D., et al., The Lancet, 7877 [1974], vol. 2, 377-379).

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