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Archiv "Medi-Verbundsysteme: Mit aller Macht ins Netz" (03.11.2000)

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E

gal was geschieht, das Schiff Medi- Verbund fährt und ist in sicheren Gewässern.“ Davon ist Dr. med.

Werner Baumgärtner, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nord-Württemberg, überzeugt. Nicht al- le, die mit diesem Thema vertraut sind, teilen seine Ansicht. Doch spä-

testens seit Mitte des Jahres das Medi-Konzept mit Billigung des Berliner KV-Vorsitzenden und zudem KBV-Vorsitzenden Dr. med. Manfred Richter- Reichhelm in der Hauptstadt übernommen wurde, kann man nicht mehr von einer regional begrenzten Extravaganz des häufig als Hardliner bezeichne- ten KV-Vorsitzenden im Süd- westen sprechen.

Auch das in Schleswig-Hol- stein erfolgreich begonnene Genossenschaftsprojekt, ohne direkte Beteiligung, aber mit Unterstützung der KV, verfolgt

im Grunde die gleichen Ziele wie die Medi-Verbünde in Nord-Württemberg und Berlin: das Eintreten für ärztliche Interessen in einer Organisation ohne gesetzliche Zwänge und Verpflichtun- gen, die Körperschaften öffentlichen Rechts wie den KVen zu Eigen sind. Ge- radezu verblüffend ist die Übereinstim- mung mit dem Motiv für die Neugrün- dung des Hartmannbundes 1949.

Gegen separate Vertragsabschlüsse

Mit der Realisierung solcher Ärztenet- ze kanndie Verbesserung der ärztlichen Versorgungsstruktur, etwa durch Qua- litätszirkel, intensivere haus-/fachärztli- che Kooperation oder optimierte Not- fallversorgung, verbunden sein. Be-

trachtet man die Entstehungsgeschich- te, so stellt sich dies als möglicher posi- tiver Mitnahmeeffekt dar; im Vorder- grund stehen – anders als bei vielen der in den vergangenen Jahren entstande- nen kleineren Ärztenetze – gesund- heitspolitische Erwägungen.

Den letzten Anstoß zu Baumgärt- ners Medi-Projekt in Nord-Württem- berg gab das GKV-Gesundheitsreform- gesetz. Die dort vorgesehenen Möglich- keiten separater Vertragsabschlüsse zwischen Krankenkassen und einzelnen Ärztenetzen im Zuge integrierter Ver- sorgungsformen unter Umgehung der KVen führten im vergangenen Jahr zu der Entscheidung, der befürchteten

„Einkaufsmacht“ der Krankenkassen ein straff organisiertes, großes Ärzte- netz entgegenzustellen. Der „Zersiede- lung der Versorgungsstrukturen“ sollte entgegengewirkt werden. Beabsichtigt ist, „durch interne Absprachen die Lei- stungsmengen im Arznei-, Heilmittel- und Leistungsbereich so zu steuern, wie sie vergütet werden“. Mit dem Beitritt überträgt der Arzt die ihm nach dem Gesundheitsreformgesetz in der Inte-

grationsversorgung zustehenden per- sönlichen Verhandlungs- und Ab- schlussbefugnisse auf das Medi-Ver- bundsystem. Medi wird bevollmächtigt, Verträge mit den Krankenkassen abzu- schließen oder diese Vollmacht auf die KV Nord-Württemberg zu übertragen.

Die Organisationsstruktur der Medi- Verbünde ist kompliziert und für Außenstehende nicht immer leicht zu durchschauen. Notwendig schien diese Struktur, um einerseits die Beteiligung der KVen zu gewährleisten und ande- rerseits die beteiligten Ärzte, die sich auf unterer Ebene zu lokalen Gesell- schaften bürgerlichen Rechts (GbR) zusammenschließen, von Haftung und Gewerbesteuerpflicht zu befreien. Die Aufsichtsbehörden reagieren unein- heitlich auf die Beteiligung der KVen an den neuen Netzstrukturen. Während es in Nord-Württemberg keine Einwän- de gab, untersagte das Gesundheitsmi- nisterium in Nordrhein-Westfalen der KV Nordrhein die Mitgliedschaft in ei- ner privatwirtschaftlichen Genossen- schaft. Die KV Schleswig-Holstein wur- de durch das Landessozialgericht an ei- ner Beteiligung gehindert.

Gemeinsame Aktion anstoßen

Die Medi-Verbundsysteme verstehen sich zunächst nicht als Alternative zu den bestehenden KV-Strukturen. Die organisatorische Verklammerung mit den KVen soll gewährleisten, dass eine einheitliche Versorgungsstruktur erhal- ten bleibt. Allerdings will man für den Fall gewappnet sein, dass infolge politi- scher Entscheidungen das Vertretungs- monopol der KVen fällt oder weiter aufgeweicht wird. Bei einem entspre- chenden Szenario – vielleicht schneller als erwartet herbeigeredet auf dem We- ge der „self-fulfilling prophecy“ – will man mit der privatrechtlichen Kon- struktion Medi-Verbund die Interessen der niedergelassenen Ärzte wahren und ein größeres Mitwirkungsrecht der ge- setzlichen Krankenkassen verhindern.

Während in Berlin die geplanten zwölf Medi-Gesellschaften noch in der Gründungsphase sind, haben sich die Ärzte in Nord-Württemberg bereits in zwölf Medi-Gesellschaften formiert.

Mehr als 60 Prozent der niedergelasse- P O L I T I K

A

A2904 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 44½½½½3. November 2000

Medi-Verbundsysteme

Mit aller Macht ins Netz

Sie wollen mehr sein als eine Einkaufsgenossenschaft.

Die Medi-Verbundsysteme sind eine Reaktion auf neue

Strukturen im Gesundheitssystem.

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nen Ärzte gehören inzwischen dem Medi-Verbundsystem an. Baumgärtner, der zurzeit alle Fäden dieses Systems in der Hand hält, sieht Medi in Nord- Württemberg als eine Art Pilotprojekt.

Nachdem die Organisationsstruktur fest verankert ist, geht es ihm nun dar- um, gemeinsames Handeln anzustoßen,

„sonst bleibt Medi ein Papiertiger“. So zieht er erneut von Heilbronn nach Böblingen und von Esslingen nach Hei- denheim, um mit fast schon missionari- schem Eifer die Ärzte in den zwölf Me- di-Gesellschaften für konkrete Projek- te zu gewinnen und ihnen so zu einer Corporate Identity zu verhelfen.

So etwa in Böblingen am 28. Septem- ber: Das Votum der zahlreich in der Stadthalle erschienenen Ärzte der Me- di-Böblingen GbR für Baumgärtners Vorhaben fällt einstimmig aus. Alle An- wesenden billigen den Plan, künftig die Beschaffung des allgemeinen Praxisbe- darfs über den Medi-Verbund abzu- wickeln. Mittelfristig will die Medi-Ge- schäftsführung eine Senkung der Ein- kaufspreise um rund 20 Prozent errei- chen. Allerdings wird die Bereitschaft der Ärzte eingefordert, kurzfristig mög- licherweise auftretende Preiserhöhun- gen in Kauf zu nehmen. Geplant ist, ne- ben dem allgemeinen Praxisbedarf bald auch größere medizin-technische Gerä- te wie beispielsweise Ultraschall preis- werter anzubieten. Heizöl, Strom, Tele- fonkosten – dies sind nur einige Bei- spiele dafür, wie schon jetzt der Groß- kunde Medi-Verbund günstige Kondi- tionen an seine Mitglieder weiterrei- chen kann.

Gesundheitspolitische Ziele

Doch primär geht es Baumgärtner nicht um Einkaufsrabatte. Er will die Anbie- ter- und Nachfragemacht des Medi-Ver- bunds in der Gesundheitspolitik stär- ken. Einen geeigneten Schauplatz für eine kleine Machtdemonstration der lo- kalen Medi-Verbünde stellt für ihn der Generika-Markt dar; zu unübersicht- lich sei hier das Angebot von 50 bis 60 verschiedenen Herstellern. Bei einer Einigung auf wenige Anbieter für eine bestimmte Region könnten die Ärzte auch Einfluss auf die Preisgestaltung nehmen. Das Geld, das man so auf Ko-

sten der Pharmaunternehmen ein- sparen würde, käme den Ärzten zugute.

Ein drittes Projekt sieht Vereinba- rungen mit privaten Krankenversiche- rungen über spezielle Medi-Tarife mit einigen Einschränkungen für die Versi- cherten vor. Diese sollen günstigere Ta- rife abschließen können, bei denen sich die Ärzte im Medi-Verbund verpflich- ten, die ärztlich veranlassten Leistun- gen zu reduzieren, und bei denen ein fester Katalog ambulant durchzufüh- render Operationen vorgesehen ist.

Mit Zurückhaltung betrachten die gesetzlichen Krankenkassen in Baden- Württemberg die Bestrebungen des Medi-Verbunds. Das Vorstandsmit- glied der AOK Baden-Württemberg, Dr. med. Christopher Hermann, übt sich vorerst in distanzierter Gelassen- heit. Nichts habe man dagegen einzu- wenden, wenn sich Ärzte als Klein- unternehmer zusammenschließen und Einkaufsgenossenschaften bilden wür- den. Vertragspartner für die AOK blei- be aber die KV Nord-Württemberg.

Zurzeit sehe er keine Perspektive für den Abschluss von Verträgen mit dem Medi-Verbund. Von einem Drohpoten- zial, das nun beim Aushandeln neuer Verträge im Hintergrund wirksam wer- de, könne nicht die Rede sein.

Ein Problem ganz anderer Art hat der Hartmannbund mit den neuen Über-Netzen. Sollte das Modell auch anderenorts erfolgreich umgesetzt wer-

den, könnte dem Verband der Abstieg in die berufspolitische Bedeutungslo- sigkeit drohen. Mit einem kürzlich be- schlossenen „Hartmannbund-Vertrags- bündnis für Ärztinnen und Ärzte in Kli- nik und Praxis“ sollen für den Fall, dass das Vertragsmonopol der KVen weiter ausgehöhlt wird, eigene Netzstrukturen bereitgehalten werden. Von gemeinsa- men Vorhaben will man in der Bonner Zentrale nichts wissen. Dagegen be- stätigt der Vorsitzende des HB-Landes- verbandes Baden-Württemberg, Dr.

med. Karl-Heinz Röderer, Gespräche mit Medi-Verbund über ein gemeinsa- mes Pilotprojekt in Baden-Württem- berg. Allerdings sei eine Entscheidung seines Landesverbandes noch nicht ge- fallen. Eine Kooperation sei auch nur im Rahmen einer gleichberechtigten Partnerschaft vorstellbar.

Baumgärtner glaubt an den Erfolg des Medi-Verbunds auch in Baden- Württemberg. „Dort, wo es die Ärzte wollen, werden wir die Gründung von GbR-Gesellschaften unterstützen, die wir dann integrieren in eine neue Medi- GmbH, die zurzeit im Aufbau begriffen ist.“ An dieser Trägerorganisation sei auch die Beteiligung anderer ärztlicher Berufsverbände vorgesehen. Der Auf- bau werde allerdings etwas langsamer gehen als in Nord-Württemberg. „Wo die KVen nicht am Anfang dabei sind, ist es schwieriger, das Vertrauen der Kollegen zu gewinnen.“ Thomas Gerst P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 44½½½½3. November 2000 AA2907

Die Organisationsstruktur der Medi-Verbünde ist kompliziert und für Außenstehende nicht

immer leicht zu durchschauen. Grafik: Medi-Verbund, Stuttgart

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