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Archiv "Zügige Umsetzung des Gentestgesetzes gefordert" (03.12.2004)

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Die akuten Finanzsorgen der Kran- kenhäuser und die Schwierigkeiten mit dem neuen Fallpauschalensystem ste- hen nach Ansicht von Prof. Dr. med.

Jörg-Dietrich Hoppe beispielhaft für eine bedenkliche Entwicklung im ge- samten Gesundheitswesen: „Mit der letzten Gesundheitsreform sind die Vor- zeichen geändert worden: von der Pati- entenorientierung zum Profitdenken“, sagte der Präsident der Bundesärzte- kammer im Vorfeld des 27. Deutschen Krankenhaustages. Die Krankenkassen bezahlten zum Teil Rechnungen der Kliniken nicht, sodass diese ihrerseits Schulden machen müssten. Das neue DRG-System, das eingeführt worden sei, ohne Erfahrungswerte abzuwarten, erzeuge einen ungeheuren ökonomi- schen Druck auf die Krankenhäuser, der über eine Rationalisierung hinausgehe und der an die Patienten weitergegeben werde, stellte Hoppe heraus: „Patienten, die früher in Häusern der Grundver- sorgung aufgenommen worden wären, werden heute bisweilen sofort an Klini- ken der Maximalversorgung durchge- reicht, weil die Fallpauschalen für die sehr teuren Fälle nicht ausreichen.“

200 Kliniken vor dem Aus

Sorgen bereitet Hoppe die zunehmen- de Konzentration der Versorgung im stationären Bereich. Insbesondere die fortschreitende Übernahme von Klini- ken durch profitorientierte Aktienge- sellschaften und GmbHs sowie deren Versuche, die Krankenhäuser einer ganzen Region zu kontrollieren, hält Hoppe für bedenklich: „Das Angebot an Krankenhausleistungen wird sich mehr und mehr als Renditekalkül der Investoren und nicht mehr am Bedarf der Patienten ausrichten.“ Hoppe ver- wies auf Expertenschätzungen, wonach in den nächsten zehn Jahren bis zu 200 Kliniken schließen müssten. Hoppes Forderungen im Blick auf die anhaltende Reformdiskussion: Im Gesundheits- wesen der Zukunft müsse die Therapie- freiheit für Patient und Arzt gesichert sein. Darüber hinaus seien eine fachärztliche Versorgung in zumutbarer Entfernung und eine bedarfsgerechte Krankenhausversorgung unerlässlich.

Jens Flintrop, Dr. rer. pol. Harald Clade, Heinz Stüwe

P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 493. Dezember 2004 AA3305

M

ehr als 99 Prozent der euchro- matischen Erbsubstanz des Men- schen sind inzwischen entziffert.

Ende Oktober gaben die am Human- genom-Projekt beteiligten Wissen- schaftler aus sechs Ländern das Fertig- stellen der Genomsequenz des Men- schen in der internationalen Fachzeit- schrift „Nature“ bekannt. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, künftig auch multifaktorielle Erkrankungen gene- tisch identifizieren zu können. Szena- rien, wie die von der „Genbude“, bei der man sich einen Gentest wie ein Passfoto anfertigen lassen kann, kur- sieren bereits.

Berufsrechtlich bindende Handlungs- anleitungen für das Vornehmen von Gentests geben bisher die Richtlinien zur prädiktiven genetischen Diagnostik, die die Bundesärztekammer im Mai 2003 veröffentlichte (DÄ, Heft 19/2003).

Gesetzlich geregelt sind gendiagnosti- sche Untersuchungen indes noch nicht.

Angekündigt hatte dies die Bundes- regierung bereits im Frühjahr 2002.

Seit einigen Wochen existiert nur ein

Diskussionsentwurf für ein „Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen“, der dem Deutschen Ärzte- blatt vorliegt.

Der Diskussionsentwurf regele gen- diagnostische Untersuchungen in prag- matischer Weise, erklärt Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär im Bundes- forschungsministerium. Unterschieden nach genetischen Untersuchungen zu medizinischen Zwecken, zu Zwecken der Lebensplanung, zur Klärung der Abstammung, zu Zwecken wissen- schaftlicher Forschung sowie nach gene- tischen Untersuchungen im Versiche- rungsbereich und im Arbeitsleben, wer- den Rahmenbedingungen gesetzt, ohne Details festzuschreiben. Generell sieht der Entwurf Qualitätssicherungsmaß- nahmen für genetische Analysen und ein Diskriminierungsverbot vor. Damit stellt er klar, dass niemand wegen seiner genetischen Eigenschaften oder wegen der Vornahme oder Nichtvornahme ei- ner genetischen Untersuchung benach- teiligt werden darf. Arbeitgeber dürfen keine Gentests verlangen; erlaubt sind

Gendiagnostikgesetz

Genbuden sollen nur als Horrorszenario existieren

Die Regierung will den Umgang mit Gentests gesetzlich regeln.

Eine positive Bilanz zieht die Kaufmännische Krankenkasse (KKH) aus ihrem bundesweiten ge- meinsam mit der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführten Gentestscreening. An- hand von knapp 4 000 Blutproben hätten 67 Versicherte mit dem gesuchten Gendefekt auf die Hämochromatose identifiziert werden können, sagte der KKH-Vorstandsvorsitzende Ingo Kai- luweit am 26. November auf der Medica in Düsseldorf. Die Testkosten pro Teilnehmer hätten bei elf bis 16 Euro gelegen. Die Teilnehmer wurden Kailuweit zufolge ohne Werbekampagne erreicht. Der Test, der von rund 95 Prozent der Teilnehmer positiv bewertet worden war, siche- re Lebensqualität, denn, so Kailuweit, „stark belastende Dialyse-Verfahren und Transplanta- tionen werden mithilfe der Gendiagnostik vermeidbar“. Die Kaufmännische will den Gentest auf Hämochromatose mittelfristig in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversiche- rung aufnehmen lassen. Kailuweit fordert dafür eine zügige Umsetzung des Gentestgesetzes.

Darin seien unverzichtbar: ein Diskriminierungsverbot, ein Verbot der Datenweitergabe an Versicherungen und Arbeitgeber, die verbriefte Freiwilligkeit von entsprechenden Gentests und klare Zuständigkeiten für ethisch-moralische Fragestellungen im Zusammenhang mit der Einführung von Gentests in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Gentests machten nur dann Sinn, wenn geeignete Behandlungsmethoden zur Verfügung stünden. Kli

Zügige Umsetzung des Gentestgesetzes gefordert

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lediglich genetische Untersuchungen auf der Ebene des Phänotyps.

Medizinische Gendiagnostik sowie eine genetische Beratung und die Ana- lyse genetischer Proben sollen künf- tig ausschließlich von Ärztinnen und Ärzten vorgenommen werden. Prädik- tive genetische Untersuchungen blei- ben Fachärztinnen und -ärzten für Hu- mangenetik und Ärztinnen und Ärzten mit einer Zusatzbezeichnung für gene- tische Untersuchungen vorbehalten.

Festschreiben will die Regierung das in- formelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen. Vornehmen darf der Arzt ei- ne genetische Untersuchung nur dann, wenn die betroffene Person über Be- deutung und Tragweite des Tests aufge- klärt wurde und ihre Einwilligung gege- ben hat. Diese kann jederzeit widerru- fen werden. Bereits gewonnene Daten müssen dann vernichtet werden.

„Das Gesetz ist ein gedanklicher Ent- wicklungssprung“, ist Catenhusen über- zeugt. Details, die in der Logik des Ge- setzes liegen, soll eine interdisziplinär zusammengesetzte, unabhängige Gen- diagnostik-Kommission festlegen. Sie wird beim Robert Koch-Institut (RKI)

angesiedelt sein. Zu ihren Aufgaben soll es gehören, die Richtlinien für die Beur- teilung genetischer Eigenschaften zu er- stellen sowie die Anforderungen an die Qualifikation der Ärztinnen und Ärzte, die Inhalte der genetischen Beratung und die Anforderungen an genetische Reihenuntersuchungen festzulegen.

Prinzipiell begrüßt wird der Gesetz- entwurf von der Bundesärztekammer.

Es müsse endlich gesetzlich klargestellt werden, dass niemand wegen seiner ge- netischen Veranlagung benachteiligt werden dürfe, betont Bundesärztekam- merpräsident Prof. Dr. med. Jörg-Diet- rich Hoppe (Nachgefragt). Auch die In- dustrie lobt den Entwurf des Gendia- gnostikgesetzes als richtungweisend. Er stelle sicher, dass jeder Bürger die Kon- trolle über seine genetischen Daten be- halte. Nur wenn Rechtssicherheit herr- sche, könne mit der Akzeptanz medizini- scher Gentests gerechnet werden, sagte Dr. Volker Oeding, Vorsitzender des Verbandes der Diagnostica-Industrie, dessen Mitglieder Gentests herstellen.

Auf Kritik stieß der Diskussionsent- wurf hingegen bei den privaten Versi- cherungsunternehmen. Sie wollen sich

gesetzlich nicht verbieten lassen, gene- tische Untersuchungen vor und nach Abschluss eines Versicherungsvertra- ges zur Risikoprüfung zu verwenden.

„Das ist überflüssig“, sagt Dr. med.

Achim Regenauer vom Gesamtver- band der deutschen Versicherungswirt- schaft (GDV). Dabei weist er auf eine kürzlich bis zum Jahr 2011 verlängerte Selbstverpflichtungserklärung der Ver- sicherer hin. Darin verzichten diese freiwillig auf die Nutzung prädiktiver Tests. Zusagen über den Zeitraum 2011 hinaus will der GDV nicht machen.

Künftige Gentests auf Volkserkrankun- gen wie Diabetes mellitus oder korona- re Herzkrankheit könnten relevant für den Abschluss von Versicherungspoli- cen werden, vermuten die Versicherer.

Zündstoff für Debatten wird der Dis- kussionsentwurf des Gendiagnostik- gesetzes in den kommenden Wochen reichlich liefern. Eine Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesgesund- heitsministeriums will den überarbei- teten Entwurf im Frühjahr dem Bun- destag vorlegen. Ziel ist, ihn noch in dieser Legislaturperiode zu verabschie- den. Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann P O L I T I K

A

A3306 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 493. Dezember 2004

DÄ: Herr Professor Hoppe, halten Sie das geplante Gentestgesetz für zweckmäßig?

Hoppe:Ja, der Entwurf ist ganz sicher ein Fortschritt gegenüber dem derzeitigen Zu- stand.Wir brauchen auf diesem Gebiet Rechts- sicherheit. Niemand darf zu einem Gentest genötigt werden. Deshalb haben wir als Ärzte immer dafür plädiert, hinreichende Rechts- grundlagen zu schaffen, die eine Diskriminie- rung von Menschen mit bestimmten geneti- schen Anlagen verhindern. Freiwillige und noch dazu befristete Selbstverpflichtungen, wie sie die Versicherungswirtschaft getroffen hat, reichen nicht aus. Notwendig sind dauer- haft wirksame Regelungen.

DÄ: Prädiktive genetische Untersuchungen sollen nur durch Fachärztinnen und Fachärzte für Humangenetik oder durch Ärzte mit einer entsprechenden Zusatzqualifikation vorgenom- men werden dürfen. Dies gilt auch für Ärztin- nen und Ärzte aus anderen EU-Mitgliedstaa- ten. Befürworten Sie eine solche Regelung?

Hoppe:Wir prüfen derzeit, ob damit der Forderung nach einem Arztvorbehalt bei geneti- schen Untersuchungen ausreichend Rechnung getragen wird. Denn das Ziel muss es sein, den Betroffenen auf dem sensiblen Gebiet der gene-

tischen Information größtmögliche Sicherheit dafür zu geben, dass eine sachgerechte Diagno- stik erfolgt. Tests mit dem Ziel der prädiktiven genetischen Diagnostik dürfen daher nur unter ärztlicher Verantwortung durchgeführt werden.

Soweit es sich um klinische Untersuchungsme- thoden handelt, müssen die ärztlichen bezie- hungsweise fachärztlichen Voraussetzungen er- füllt sein. In den Richtlinien der Bundesärzte- kammer zur prädiktiven genetischen Diagno- stik wird dies ausdrücklich festgestellt.

DÄ: Dem Entwurf zufolge soll eine Gentest- Kommission am RKI eingerichtet werden, die Richtlinien erstellt sowie Anforderungen an die Qualifikation der Ärzte festlegt. Befürchten Sie, dass dadurch der Kompetenzbereich der Bun- desärztekammer verkleinert wird?

Hoppe:Nein, unsere Kompetenz auf die- sem Gebiet haben wir mit den vom Wissen- schaftlichen Beirat der Bundesärztekammer erarbeiteten Richtlinien unter Beweis ge- stellt. Ich denke, damit haben wir Standards gesetzt, die es in dem anstehenden Gesetz- gebungsverfahren zu beachten gilt. Die ge- plante Gentest-Kommission wirft einige Fra- gen auf, die aber erst nach eingehender Prüfung eines autorisierten Gesetzentwurfs mit Begründung fundiert beantwortet wer- den können.

DÄ: Halten Sie Gentest-Reihenuntersu- chungen, wie sie jüngst die Kaufmännische Krankenkasse vorgenommen hat, für sinnvoll?

Hoppe:Prädiktive Reihenuntersuchungen sind grundsätzlich nur dann zu rechtfertigen, wenn auf der Basis des Testergebnisses eine verbesserte Behandlung zur Vermeidung der Krankheitsmanifestation möglich ist. Die Teil- nahme an solchen Screenings muss freiwillig sein. Diese Voraussetzungen scheinen die Rei- henuntersuchungen der KKH zu erfüllen. Wir sind jedoch gegen die uneingeschränkte Zulas- sung genetischer Screenings, da dies einen so- zialen Druck auf potenzielle Anlageträger er- zeugen würde, der von offener Diskriminierung kaum noch zu unterscheiden wäre. ) Nachgefragt

Prof. Dr. med. Jörg- Dietrich Hoppe, Präsi- dent der Bundesärz- tekammer

Foto:Till Erdmenger/ÄkNo

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